Landwirtschaft auf wissenschaftlicher Grundlage
Erinnerungen an den preußischen Agrarreformer Albrecht Daniel Thaer im brandenburgischen Möglin





Das Bildnisrelief auf einem Fiundling und die Gedenktafel halten in der brandenburgischen Gemeinde Möglin den berühmten Agrarreformer und Einwohner Albrecht Daniel Thaer hoch in Ehren.





Das Museum in Möglin erinnert an Thaers Leben und Werk und zeigt auch, mit welchen Geräten zu seiner Zeit Ackerbau betrieben wurde.





Der auch "Woll-Thaer" genannte Professor ist mit seinen Schülern und Bewunderern auf dem Sockelrelief des Thaer-Denkmals auf dem Berliner Schinkelplatz abgebildet. Sein Bildnis schmückt einen deutschen Zehnmarkschein von 1929. (Fotos: Caspar

Zu den herausragenden Agrarwissenschaftlern des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts gehörte Albrecht Daniel Thaer. An ihn erinnern Denkmäler in seiner Geburtsstadt Celle, Leipzig und auf dem Schinkelplatz in Berlin. Im Gutspark von Möglin bei Wriezen im Landkreis Märkisch-Oderland, Thaers langjähriger und in ganz Europa gerühmter Wirkungsstätte, ehrt seit 1978 eine Büste Thaer, die von Horst Engelhardt geschaffen wurde und ein Ende des Zweiten Weltkriegs beschädigtes und danach verloren gegangenes Denkmal aus dem Jahre 1856 ersetzt, und in der Nähe des Parks erhebt sich ein großer Findling mit einer Bildnis- und Inschriftenplakette. 1928 wurde zum einhundertstem Todestag des Gelehrten am Mögliner Herrenhaus eine Gedenktafel mit der Inschrift angebracht "Thaers Denkmal ist das Rittergut Möglin, dessen Name er durch ganz Europa hin leuchtend gemacht hat. Hier vollendete sich seine Lehre, hier hat er sie bewährt, hier ward ihm der Grund gelegt zur wissenschaftlichen Bearbeitung der Landwirtschaftskunde". Diese Widmung wurde 1978 aus ideologischen Gründen und weil sie das von der SED als anstößig empfundene Wort "Rittergut" enthielt, entfernt und durch eine simple Bronzeplakette mit Thaers Lebensdaten ersetzt. Nachdem die alte Tafel restauriert worden war, hat man sie 1992 wieder am alten Ort angebracht.

Nicht weit vom ehemaligen Herrenhaus, das sich heute in Privatbesitz befindet und nicht mehr zur Ausstellungszwecken zur Verfügung steht, erwartet eine Gedenkstätte die Besucher. Hier kann man sich anhand von Bildern, Büchern, Handschriften und Möbeln, aber auch landwirtschaftlichen Geräten und anderen Hinterlassenschaften über Leben und Wirken des berühmten Professors informieren, der eigentlich Arzt war, sich aber zur Landwirtschaft hingezogen fühlte und nach Methoden für ihre Modernisierung suchte. Da das Agrarland Preußen vor über 200 Jahren mit seiner Landwirtschaft der Zeit hinterher hinkte und immer wieder mit Versorgungskrisen und Hungersnöten zu kämpfen hatte, waren König Friedrich Wilhelm III. und seine Minister an Verbesserungen auf diesem Gebiet interessiert.

König gewährt Schutz und Begünstigung

Thaers Forderungen, die Landwirtschaft auf eine wissenschaftliche Grundlage zu stellen sowie neue Anbau- und Erntemethoden anzuwenden, fielen in Berlin auf fruchtbaren Boden. Der Gelehrte erkannte, wie andere Reformer auch, dass die Gesundung des Staates nur dann gelingen kann, wenn die Menschen frei sind und auch frei über die Produktionsmittel Grund und Boden verfügen können. Allerdings gefielen diese Forderungen nicht allen adligen Gutsbesitzern, schon garnicht die Aufhebung der für sie doch recht profitablen Leibeigenschaft der Bauern und ihrer Familien.

Nach seiner Übersiedlung von Celle nach Preußen erwarb Thaer im Jahre 1804 das 250 Hektar große Gut Möglin und baute es zu einer musterhaften Anlage mit Lehr- und Forschungsbetrieb aus, wobei er vom König "Schutz und Begünstigung" erhielt. Jahre später folgten andere landwirtschaftliche Ausbildungsstätten in weiteren deutschen Staaten. Die Mögliner Bildungseinrichtung erhielt den Status einer Königlich Preußischen Akademie des Landbaues. Wie man in der Ausstellung weiter erfährt, bewies Thaer in Möglin, welche erstaunlichen Erträge die Melioration der Böden und der Einsatz neuer Bearbeitungsgeräte, aber auch Fruchtwechsel und Stallfütterung erzielen. Thaer wurde in die Berliner Akademie der Wissenschaften aufgenommen und zum "Geheimen Kriegsrat", später Staatsrat im Innenministerium ernannt.

In dieser Eigenschaft wirkte er an führender Stelle bei der Ausarbeitung der preußischen Agrargesetze mit und brachte unter anderem die Bauernbefreiung auf den Weg. Viele gute Reformideen, die man schon vor 1807 diskutiert, aber nicht verwirklicht hatte, kamen unter dem Druck der Verhältnisse nach dem verlorenen Krieg Preußens gegen Frankreich wieder auf den Tisch. Die Minister Karl Reichsfreiherr vom und zum Stein und August Freiherr von Hardenberg, der Diplomat und Bildungspolitiker Wilhelm von Humboldt, der General Gerhard von Scharnhorst und andere Visionäre konnten den zögerlichen und ängstlichen König Friedrich Wilhelm III. von der Notwendigkeit überzeugen, alte Zöpfe abzuschneiden und den friderizianischen Ständestaat von feudalen Fesseln zu befreien, um ihn politisch, wirtschaftlich und kulturell fit für eine neue Zeit zu machen.

Zukunftsweisendes Oktoberedikt von 1807

Am Anfang der preußischen Erneuerungsbestrebungen stand das in die Zukunft weisende Oktoberedikt. Am 9. Oktober 1807 in Memel verkündet und versehen mit dem Titel "Edikt, den erleichterten Besitz und den freien Gebrauch des Grundeigenthums so wie die persönlichen Verhältnisse der Land-Bewohner betreffend", drückte es die Sorge des königlichen Landesvaters um den "gesunkenen Wohlstand" seiner Untertanen aus und kündigte an "alles zu entfernen, was den Einzelnen bisher hinderte, den Wohlstand zu erlangen, den er nach dem Maaß seiner Kräfte zu erreichen fähig war". Wichtig waren die Paragraphen 11 und 12, nach denen "das bisherige Unterthänigkeits-Verhältniß derjenigen Unterthanen und ihrer Weiber und Kinder, welche ihre Bauergüter erblich oder eigenthümlich, oder Erbzinsweise, oder Erbpächtlich besitzen" aufhören soll. Darüber hinaus wurde angeordnet, dass ab 1810 alle Guts-Untertänigkeit in Preußen beendet ist. "Nach dem Martini-Tage 1810 giebt es nur freie Leute, so wie solches auf den Domainen in allen Unsern Provinzen schon der Fall ist, bei denen aber, wie sich von selbst versteht, alle Verbindlichkeiten, die ihnen als freien Leuten vermöge des Besitzes eines Grundstücks, oder vermöge eines besonderen Vertrages obliegen, in Kraft bleiben." Beendet sein sollte also die elende "Erbuntertänigkeit", die es Gutsbesitzern erlaubte, über die von ihnen abhängigen, besitzlosen Leute zu schalten und zu walten, wie es ihnen beliebte, über Heiratswünsche zu befinden und die Abwanderung der Leibeigenen in die Stadt zu verbieten.

Der von Karl vom Stein nach vielen Diskussionen mit dem König formulierte Text hörte sich in der Theorie gut an, hatte in der Praxis aber viele Pferdefüße. Einer war, dass besser situierte Landwirte sofort frei kommen, während arme und mittellose Bauern erst später aus der Erbuntertänigkeit entlassen werden sollten. Das Oktoberedikt erlaubte adligen Gutsbesitzern, den Beruf zu wechseln und "bürgerlichen" Tätigkeiten, etwa als Kaufleute oder Fabrikanten, nachzugehen. Umgekehrt konnten Personen aus dem Bürgertum Rittergüter kaufen und sich als Landwirte betätigen. Hier taten sich neue Konkurrenzverhältnisse auf, und der Ton in den Städten und Dörfern wurde schärfer. Bei der Durchsetzung der Agrarreformen mussten viele Widerstände der Gutsherren überwunden werden, die an alten Besitzverhältnissen und ineffektiven Arbeitsweisen festhielten und auch nicht bereit waren, auf Hand- und Spanndienste der von ihnen abhängigen Bauern zu verzichten.

Ehre deinem Heldentume, / Dreimal Ehre deinem Ruhme

Nach der Gründung der Berliner Universität im Jahr 1810 stand Professor Thaer ein wichtiges akademisches Forum zur Verfügung, in dem er seine Lehren erläutern und weiter geben konnte. Nach Möglin kamen viele Wissenschaftler und Landwirte aus dem In- und Ausland, um die Neuerungen in Augenschein zu nehmen, und wer die weite Reise nicht unternehmen konnte, las die stets an der Praxis orientierten Ratschläge in Büchern nach, die Thaer in großer Zahl veröffentlichte. "Ehre deinem Heldentume, / Dreimal Ehre deinem Ruhme, / Aller Taten beste Tat / Ist: Keime pflanzen für den Staat" - mit diesen Worten fasste Theodor Fontane sein Lob in den "Wanderungen durch die Mark Brandenburg" für "Vater Thaer" zusammen.

Albrecht Daniel Thaer war zu Lebzeiten eine Legende. Medaillen, Büsten und Denkmäler wurden ihm gewidmet, ein Geldschein der Weimarer Republik wurde mit seinem Bildnis geschmückt. Auf dem Berliner Schinkelplatz unweit der Straße Unter den Linden steht sein 1860 errichtetes Bronzedenkmal neben den Denkmälern für den Architekten Schinkel und seinen Freund und Kollegen Peter Beuth, den Direktor der Technischen Deputation für Gewerbe und des Gewerbeinstitutes. Beuth hatte sich unmittelbar nach Thaers Tod um die Errichtung eines Denkmals für den Begründer der Landwirtschaftswissenschaft bemüht. Doch da es sich hier um eine Zivilperson handelte, zerschlug sich der Plan zunächst. Bei Monarchen und Marschällen war man weniger ängstlich. Der berühmte Experimentator wurde dennoch von dem Bildhauer Christian Daniel Rauch, den Schöpfer des Friedrich-Denkmals Unter den Linden, der Sarkophage der Königin Luise und Friedrich Wilhelms III. sowie weiterer bedeutender Monumente, in dozierender Haltung dargestellt, als ob er seinen Studenten gerade Ergebnisse seiner landwirtschaftlichen Versuche in Möglin erläutern will. Die Bronzereliefs auf dem Sockel schildern Stationen aus dem Leben des Gelehrten, dem die Menschheit viele neue Erkenntnisse verdankt. Erinnert wird an Schüler und Nachfolger, die seine Lehre weiter entwickelten und in alle Welt trugen. Thaer-Denkmäler wurden 1850 auch in Leipzig (Bildhauer: Ernst Rietschel) sowie 1873 in Celle (Bildhauer: Ferdinand Hartzer) enthüllt. )

20. März 2019

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