Potsdam soll schöner werden
Brandenburgische Landeshauptstadt gewinnt historische Bauten zurück und will alte Sünden heilen



Nach der Wiedervereinigung konnte man in Potsdam dank erheblicher Zuwendungen vom Bund und vom Land Brandenburg sowie aus privaten Geldquellen daran gehen, Baulücken mit guter Architektur zu füllen und die Bausünden der Vergangenheit zu beheben. So werben engagierte Einwohner für den Wiederaufbau der Garnisonkirche in der Breiten Straße.



Bevor mit dem Wiederaufbau des Stadtschlosses als Landtagsgebäude begonnen wurde, gruben sich Archäologen durch Potsdams frühe Geschichte. (Foto: Wolfgang Caspar, 2009)



Die Stadtverordneten haben schon vor Jahren Beschlüsse mit dem Ziel gefasst, das historische Zentrum der Landeshauptstadt wiederherzustellen und städtebauliche Missstände aus DDR-Zeiten zu beseitigen. Der rot bemalte Bauzaun nennt die wichtigsten Ziele.



Das Palais Barberini ist ein gutes Beispiel dafür, dass man nach alten Plänen und Fotografien ein verlorenes Bauwerk originalgetreu "aus Ruinen" wieder auferstehen lassen kann.



Der Plögersche Gasthof in der Schlossstraße 7 gehörte mit seiner palastartigen Fassade zu den schönsten Bürgerhäusern in der Innenstadt und soll wieder aufgebaut werden.





Der Rohbau des in der Endzeit der DDR am Havelufer erbauten Theater ist im Orkus der Geschichte verschwunden, ebenso das Lehrerbildungsinstitut/Fachhochschule. Auf dem leer geräumten Gelände beginnen jetzt die Bauarbeiten.





Figuren im Neptunteich auf dem Lustgarten, nur wenige Schritte vom Landtagsgebäude in der Hülle des alten Stadtschlosses entfernt, sind schon wiederhergestellt. (Fotos/Repro: Caspar)

Die brandenburgische Landeshauptstadt Potsdam ist kräftig dabei, ihr durch den Bombenangriff vom 14. April 1945, drei Wochen vor Kriegsende, und spätere Abrisse verlorenes Zentrum rund um den Alten Markt zurückzugewinnen und sich von unpassenden Bauten aus der Nachkriegszeit zu trennen. Ein mit Bildern und Inschriften versehener Bauzaun am Alten Markt, dem historischen Zentrum der Stadt, informiert über Planungen in diesem Bereich. Nach der Beseitigung der aus DDR-Zeiten stammenden, potthässlichen und zum schönsten Platz der Stadt ganz und gar nicht passenden Fachhochschule gleich neben der Nikolaikirche besteht Baufreiheit für 15 neue Gebäude, die auf neun Grundstücken und einer Fläche von etwa 6300 Quadratmetern nach alten Plänen errichtet werden sollen. Einhundert neue Wohnungen sollen entstehen, darunter viele mit Mietpreisbindung. Erwartet werden laut Stadtverwaltung "neue, lebhafte Quartiere für alle Menschen, ein urbanes Stadtzentrum mit Wohnungen, Platz für Gewerbetreibende, Cafés und Bars sowie öffentliche Plätze samt Kunst und Kultur."

Unklar ist derzeit das Schicksal des aus Plattenbauten bestehenden Staudenhofs mit seinen günstigen Sozialwohnungen hinter der Nikolaikirche. Über einen möglichen Abriss und den damit verbundenen Aus- und Umzug der Mieter muss die Stadtverordnetenversammlung entscheiden. Allerdings muss klar sein, wie das neue Wohn- und Geschäftsviertel dort aussehen soll. Ebenso ist die Entscheidung über die Zukunft des ehemaligen DDR-Rechenzentrums an der Breiten Straße neben der Baustelle für den Turm der Garnisonkirche noch nicht gefallen. Der Weiterbetrieb als Zentrum der Kreativwirtschaft steht erst einmal bis spätestens Ende des Jahres 2023 fest. Sollte dann auch das Kirchenschiff rekonstruiert werden, müsste dieser DDR-Bau ebenfalls abgerissen werden.

Kopien prachtvoller Fassaden

Wenn alles gut geht, sollen schon in einem Jahr am Alten Markt die ersten Neubauten zu sehen sein, die sich im Duktus den Häusern anpassen, die hier einmal gestanden haben, oder sogar wie beim Plögerschen Gasthof eine genaue Kopie der prachtvollen Barockfassade aus dem 18. Jahrhundert mit modernem Innenleben darstellen. Wie solche Nachbildungen möglich sind, kann man bereits am und im Landtagsgebäude in der Hülle des früheren Stadtschlosses und am benachbarten Palais Barberini besichtigen, das als Museum der Moderne zu einem großen Publikumsmagnet geworden ist und aktuell Teile aus dem grafischen Werk von Pablo Picasso zeigt.

Eine Ausstellung in dem zum Potsdam Museum umgewandelten Alten Rathaus am Alten Markt mit dem vergoldeten Atlas auf der Turmspitze sowie das Stadtmodell im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte im ehemaligen Kutschstall am Neuen Markt vermitteln einen guten Überblick auf die historische Stadt und damit auch auf ihr altes und neues Zentrum. Vom Kolonnadendach unterhalb der Kuppel der Nikolaikirche hat man einen prachtvollen Blick auf den Alten Markt mit dem Museum Barberini, den Landtag und das Alte Rathaus sowie den Lustgarten, die Breite Straße und hinüber auf die Altstadt einschließlich des Holländischen Viertels.

Noch heute reibt man sich, mit alten Fotobücher und Postkarten in der Hand durch die Stadt gehend, verwundert die Augen, was hier nach dem Krieg abgerissen wurde. Der Krieg hatte historische Gebäude etwa in der Breiten Straße, in DDR-Zeiten Wilhelm-Külz-Straße genannt, stehen lassen. Hausbesitzer und kommunale Wohnungsverwaltung konnten, wenn überhaupt, nur die dringendsten Reparaturarbeiten ausführen, und so schritt der Verfall der kostbaren, zumeist aus der Zeit Friedrichs des Großen stammenden Bausubstanz voran.

Hausbesitzer enteignet und Bewohner umquartiert

Das SED-Regime hatte kein Interesse, Potsdam "aus Ruinen" auferstehen zu lassen, wie es in der von Johannes R. Becher verfassten DDR-Hymne heißt. Nach der Wiederherstellung einiger Barockhäuser setzte der sich als oberster Bauherr des zweiten deutschen Staates gerierende SED-Chef Walter Ulbricht gegen den Protest vieler Einwohner durch, dass Potsdam ein neues Gesicht erhält und in eine "sozialistische Bezirksstadt" mit öden Plattenbauten und einem großen Aufmarschplatz verwandelt wird. Rücksichtslos wurden Hausbesitzer enteignet und Bewohner umquartiert, was bis heute betroffene Familien traurig und wütend macht. So wenig wie möglich sollte an die alte, die Ulbricht und seinesgleichen verhasste Preußenzeit erinnern. Der SED-Chef veranlasste den Abriss des von brandenburgischen Kurfürsten und preußischen Königen erbauten Stadtschlosses, für dessen Wiederaufbau bereits Pläne vorlagen.

Der von dem selbstherrlichen Sachsen mit der Fistelstimme angefachte und seinem Nachfolger Erich Honecker fortgeführte Bildersturm hat darüber hinaus auch in zahlreichen anderen DDR-Städten viel Unheil angerichtet. Was nicht Baggern und Spitzhacken zum Opfer fiel, erledigten mangelnde Baupflege und Vernachlässigung. Mit dem Schutt der abgerissenen Ruinen hat man den Stadtkanal zugeschüttet, eine im 18. Jahrhundert nach holländischem Vorbild angelegte Gracht, die in den vergangenen Jahren zum Teil wieder ausgegraben und probeweise mit Wasser gefüllt wurde. Leider ist es dabei geblieben, und so zeigt sich der Kanal heute als leerer Graben ohne den alten, für die Stadt so wichtigen Charme. Viele Potsdamer und Gäste der Stadt wünschen sich sehnlich, dass der Kanal komplett wiederhergestellt und wie zu alten Zeiten sogar schiffbar wird.

Fast wäre auch das Holländische Viertel abgerissen worden

Fast wäre das Holländische Viertel in Potsdam bis auf wenige Eckbauten eingeebnet worden. Doch vor nunmehr 30 Jahren durchkreuzten die "Wende" und mit ihr das Ende der SED-Herrschaft abenteuerliche Vernichtungspläne in Potsdam und anderen Städten. Die Potsdamer Stadtverordnetenversammlung beschloss 1990 die "Wiederannäherung" an das historisch gewachsene Stadtbild. Um Baufreiheit und Einblicke in die Stadtgeschichte zu gewinnen, wurde schon bald der überhaupt nicht in die Landschaft passende Rohbau aus Beton eines Theaters am Havelufer beseitigt. Archäologen gewannen bei ihren Grabungen auf dem Alten Markt und im Bereich des früheren Stadtschlosses interessante Einblicke in die Geschichte der Stadt, bevor sie vom Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm und seinen Nachfolgern zur Residenz- und Garnisonstadt erhoben und ausgebaut wurde.

Nach langen Vorarbeitungen und Diskussionsrunden haben die Stadtverordneten 1999 das "Sanierungsgebiet Potsdamer Mitte" und sowie Pläne zur Wiedergewinnung der historischen Stadtmitte beschlossen. Sie umfassen unter anderem den Rückbau der Breiten Straße, deren Häuser in der Ulbricht- und Honecker-Zeit abgerissen wurden, obwohl sie den Krieg weitgehend überstanden hatten. Zu diesem Zweck müssten zur barocken Umgebung nicht passende Plattenbauten in der Nähe der Schlossstraße abgerissen werden. Das hätte aber zur Folge, dass den Mietern adäquater Wohnraum zu moderaten Preisen zur Verfügung gestellt werden müsste, der aber in Potsdam rar und teuer ist.

Die Garnisonkirche ist in Sicht

In Sicht ist der Wiederaufbau zunächst des stadtbildprägenden Turms der Garnisonkirche, die kommunistischen Bilderstürmern als "Symbol des preußischen Militarismus und deutschen Faschismus" ein besonderes Ärgernis war und 1968 gegen den Protest vieler Potsdamer gesprengt wurde. Der "Spitzbart" genannte Ulbricht hatte die Beseitigung der Ruine der unter dem Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. "zur Ehre Gottes" erbauten Garnisonkirche verfügt. Wie für das Stadtschloss gab es auch für sie Wiederaufbaupläne, doch wurden sie vom Tisch gefegt und alle Befürworter der Wiedergeburt mundtot gemacht. In der Garnisonkirche wurden 1740 und 1786 zwei Preußenkönige - Friedrich Wilhelm I., der Bauherr, und sein Sohn Friedrich II., der Große, bestattet.

Dass vor ihren Särgen am 21. März 1933 beim "Tag von Potsdam" der greise Reichspräsident Paul von Hindenburg die Regierungsgewalt in die Hände des Naziführers Adolf Hitler legte und damit im Beisein preußischer Prinzen seiner Diktatur alle Weihen gab, wurde nach 1945 der Garnisonkirche angekreidet und diente als Totschlaginstrument bei allen Forderungen, auf den Abriss zu verzichten. Der Wiederaufbau der Garnisonkirche ist auch heute umstritten, weil befürchtet wird, sie könne wegen ihrer Vereinahmung durch die Nationalsozialisten zu einem Wallfahrtsort von Neonazis, Monarchisten und ähnlichen zwielichtigen Personen werden. Bürgerinitiativen halten das für unsinnig, und Politiker versprechen, gegen solche Machenschaften konsequent vorzugehen.

16. März 2019

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