Potsdamer Offiziere gegen Hitler
Angehörige des Infanterieregiments 9 entrichteten einen besonders hohen Blutzoll im Widerstand gegen das NS-Regime





Erst 1992 und 1993 war es möglich, die Mitglieder des militärischen Widerstands gegen Hitler, Helmuth James Graf von Moltke und Albrecht Ritter Mertz von Quirnheim, an der Fassade ihrer Schulen in Potsdam durch diese Tafeln zu ehren. Eine vom Potsdam Museum gestaltete Ausstellung im brandenburgischen Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung an der Henning-von-Tresckow-Straße 2-8 (ehemals Priesterstraße bzw. in DDR-Zeiten Bauhofstraße) erinnert an den Widerstand Potsdamer Offiziere gegen das Hitlerregime und ihre Rolle beim Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944.





Auf dem Friedhof in Bornstedt wird an Mitglieder des militärischen Widerstands wie Henning von Tresckow speziell auch der Angehörigen des Potsdamer Infanterieregiments 9 gedacht. Darunter Tresckow 1943 in seinem Arbeitszimmer, er wurde kurz vor dem gescheiterten Attentat vom 20. Juli 1944 zum Generalmajor befördert. Niemand ahnte etwas von seinen Umsturzplänen.





Adam von Trotz zu Solz war einer der führenden Köpfe des bürgerlichen und militärischen Widerstands. Die Gedenktafel am früheren Polizeipräsidium in Potsdam erinnert an ihn. Wenige Schritte weiter war das Infanterieregiment Nr. 9 stationiert. Ihm gehörten besonders viele vom Naziregime ermordete Widerstandskämpfer an.



Die in der Nacht vom 20. zum 21. Juli 1944 im Bendlerblock erschossenen Widerstandskämpfer wurden zunächst auf dem Alten Matthäusfriedhof in Berlin-Schöneberg bestattet, dann aber auf Befehl von Reichsführer SS Heinrich Himmler exhumiert und verbrannt. Die Asche hat man verstreut. Der Gedenkstein hält ihre Namen fest.



Die Briefmarke mit dem Bildnis des von den Nazis ermordeten Kopf des militärischen Widerstands, Generalfeldmarschall Erwin von Witzleben, ist eine britische Fälschung.



Der Stolperstein vor dem Haus Sybelstraße 66 in Berlin-Charlottenburg hält die Erinnerung an den von den Nazis ermordeten Widerstandskämpfer General Helmuth Stieff fest. (Fotos/Repros: Caspar)

Viele namhafte Militärs besuchten Potsdamer Schulen oder waren in der Residenz- und Garnisonstadt stationiert. Dass sich darunter auch führende Vertreter des Widerstandes gegen Hitler befanden, weiß nicht jeder. Auf einen dieser Kämpfer für ein besseres Deutschland weist eine kleine Tafel am Eingang des ehemaligen Viktoria-Gymnasiums in unmittelbarer Nähe des Holländischen Viertels und unweit des Nauener Tores. Sie erinnert daran, dass Oberst Albrecht Ritter Mertz von Quirnheim von 1920 bis 1924 diese Schule besucht und an ihr das Abitur abgelegt hat. "Er gehörte zum engsten Kreis der aktiven Hitlergegner um Graf Stauffenberg und wurde mit ihm im Hofe der Bendlerstraße am 20. Juli 1944 erschossen", lautet die Inschrift. Gemeint ist der damalige Sitz des Oberkommandos des Heeres am Rande des Berliner Tiergartens. Hier, in der heutigen Stauffenbergstraße, befindet sich die Gedenkstätte Deutscher Widerstand.

Im Hof, wo Stauffenberg, Mertz von Quirnheim und weitere Offiziere unmittelbar nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler erschossen worden waren, erinnert ein Ehrenmal von 1952 mit einem stehenden Mann nach einem Modell von Richard Scheibe an den Opfertod der Widerstandskämpfer "für Freiheit, Recht und Ehre", wie es in der Widmung heißt. Graf Stauffenbergs Arbeitszimmer ist Teil der ständigen Ausstellung "Deutscher Widerstand". Sie schildert mit Fotos und Dokumenten, wie es zur Errichtung der NS-Diktatur kam, wie der Hitlerstaat Deutschland und Europa mit Terror und Krieg überzog, wer die Widerstandskämpfer unterschiedlichster Bekenntnisse waren, was die Attentäter des 20. Juli 1944 wollten und was aus ihnen wurde. Gewürdigt werden mit markanten Bekenntnissen mutige Widerstandskämpfer, allen voran Stauffenberg mit den Worten: "Es ist Zeit, dass jetzt etwas getan wird. Derjenige allerdings, der etwas zu tun wagt, muss sich bewusst sein, dass er wohl als Verräter in die deutsche Geschichte eingehen wird. Unterlässt er jedoch die Tat, dann wäre er ein Verräter an sich selbst." Generalmajor Hans Oster, der in der Abwehr tätig war und Verbindung zu anderen Oppositionellen in der Wehrmacht hielt, wird so zitiert: "Man kann nun sagen, dass ich ein Landesverräter bin, ich halte mich für einen besseren Deutschen als alle die, hinter Hitler herlaufen. Mein Plan und meine Pflicht ist es, Deutschland und die Welt von dieser Pest zu befreien".

Nach 1945 als Verräter und Eidbrecher verunglimpft

Ab 20. Juli 2019 zeigt die Gedenkstätte Deutscher Widerstand eine neue Sonderausstellung mit dem einer Gedenktafel im Hof des Bendlerblocks entnommenen Titel ",Ihr trugt die Schande nicht …' - Die frühe Erinnerung an den 20. Juli 1944". Sie dokumentiert, dass die hier in der Nacht vom 20. zum 21. Juli 1944 erschossen beziehungsweise bald darauf vom Volksgerichtshof zum Tod verurteilten und am Strang hingerichteten Kämpfer gegen die Hitlerdiktatur, unter denen besonders viele Potsdamer Militärs waren, im deutschen Westen zunächst nur auf Initiative der Überlebenden und Angehörigen geehrt wurden. In der öffentlichen Wahrnehmung galten die Männer und Frauen zu Unrecht lange Zeit als "Verräter" und "Eidbrecher", ja sie mussten bei den Behörden um ihre Anerkennung als Opfer des Nationalsozialismus kämpfen, während ehemalige Nazischergen und Blutrichter einträgliche und einflussreiche Posten beziehungsweise Pensionen bekamen und sich als verfolgte Unschuld gerierten. Diese Bewertung begann sich in der Bundesrepublik erst 1953/54 zugunsten einer stärkeren Anerkennung des Widerstands zu verändern.

Eine Gedenktafel am Einsteingymnasium in der Potsdamer Hegelallee 30, nicht weit vom Luisenplatz, ist dem Widerstandskämpfer Helmuth James Graf von Moltke, einem Schüler des Realgymnasiums bis 1925, gewidmet. "Er war Initiator des Kreisauer Kreises der Hitlergegner und maßgebende Persönlichkeit im Widerstand, hingerichtet am 23. 01. 1945". Auf dem Bornstedter Friedhof wurden einige sofort nach dem gescheiterten Umsturzversuch vom 20. Juli 1944 erschossene beziehungsweise vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilte und in Plötzensee erhängte Mitwisser bestattet. An sie erinnern nach dem Ende der DDR aufgestellt Gedenksteine.

Was diese und weitere Kämpfer für ein besseres Deutschland taten und wofür sie ihr Leben gaben, passte schlecht in das Bild, das in DDR-Zeiten von Potsdams Rolle als Hort des Militarismus und Faschismus gemalt wurde. Dessen ungeachtet bleibt es Tatsache, dass es auch hier neben dem Widerstand von Kommunisten, Sozialdemokraten und anderen traditionell links stehenden Männern und Frauen den Widerstand in anderen Gruppen gab. Angesichts der schrecklichen Verbrechen des Naziregimes und aus der Sorge um Deutschland kam es zum Zusammenschluss unterschiedlicher Kräfte, die vor 1933 vermutlich nie Kontakt zueinander gesucht hätten. Helmut James Graf von Moltke erklärte vor dem Volksgerichtshof in Berlin, er stehe vor Gericht "nicht als Protestant, nicht als Großgrundbesitzer, nicht als Adliger, nicht als Preuße, nicht als Deutscher sondern als Christ und als gar nichts anderes."

Vom Gewissen zu mutiger Tat getrieben

In Abschiedbriefen schrieb Moltke seinen Söhnen am 11. und 17. Oktober 1944: "Ich habe mein ganzes Leben lang, schon in der Schule, gegen einen Geist der Enge und der Gewalt, der Überheblichkeit und der mangelnden Ehrfurcht vor Anderen, der Intoleranz und des Absoluten, erbarmungslos Konsequenten angekämpft, der in den Deutschen steckt und der seinen Ausdruck in dem nationalsozialistischen Staat gefunden hat. […] Seitdem der Nationalsozialismus zur Macht gekommen ist, habe ich mich bemüht, seine Folgen für seine Opfer zu mildern und einer Wandlung den Weg zu bereiten. Dazu hat mich mein Gewissen getrieben und schließlich ist das eine Aufgabe für einen Mann."

Bereits 1933 hatte der in Potsdam geborene und an der Fassade des früheren Polizeipräsidiums in der Henning-von-Tresckow-Straße durch eine Tafel geehrte Jurist Adam von Trott zu Solz bekannt: "Der Dienst an den Rechten des Einzelnen - des ‚Menschen', wie die Naturrechtler sagen - im Zusammenhang und im Konflikt mit all den äußerlichen Ordnungen und Hindernissen ist mir ungleich wichtiger als der Dienst am ‚Staat', der zur Willkür geworden ist." Nicht weit vom hinteren Teil des Parks von Sanssouci wurde 1991 am Eingang zum Schloss Lindstedt eine Bronzetafel für Henning von Tresckow enthüllt. Er hatte sich an der Ostfront nach dem gescheiterten Anschlag auf Hitler selbst getötet, bevor ihn die Rache der NS-Justiz traf. "Haltung und mutige Tat in der Bewegung des 20. Juli 1944 gereichen ihnen zur Ehre und sind uns Vorbild" lautet die Widmung für den Generalstabsoffizier und alle anderen antifaschistischen Widerstandskämpfer. Eine weitere Gedenktafel am Familiengrab von Falkenhayn ist auf dem Bornstedter Friedhof ebenfalls Henning von Tresckow gewidmet, der mit der Tochter des früheren preußischen Kriegsministers Erich von Falkenhayn verheiratet war. Dieser war Besitzer des ursprünglich für den preußischen Kronprinzen Friedrich Wilhelm (IV.) im Zuge der Verschönerungspläne und der gärtnerischen Abrundung des Parks von Sanssouci als "antikes Landhaus" erbauten Schlosses Lindstedt.

Späte, aber nicht zu späte Erkenntnis

Dass bürgerliche, christliche und sogar adlige Kreise gegen die Naziherrschaft opponierten, oft spät und nach schlimmen, traumatischen Erfahrungen mit täglichem Terror, systematischer Entrechtung von Juden und anderen den Rassengesetzen ausgelieferten Menschen und nach 1939 den Mordaktionen in den von der Wehrmacht besetzten Ländern, war in der DDR wohl nur Spezialisten bekannt, in der Schule war diese Tatsache kaum ein Thema. Der zweite deutsche Staat hielt sich seinen Antifaschismus zugute und verwies mit Stolz darauf, dass von ihm Nazi- und Kriegsverbrecher weitaus konsequenter verfolgt und härter bestraft werden als im deutschen Westen. Der Arbeiter-und-Bauern-Staat sei ein Hort des Friedens und Garant des Fortschritts und in dem Humanismus, Friedensliebe und Völkerfreundschaft oberstes Ziel sind. Die SED feierte sich unentwegt als Bannerträgerin der Geschichte und ließ die Sowjetunion hochleben, der im Wesentlichen der Sieg über Hitlerdeutschland zu verdanken ist.

Die Regierung in Ost-Berlin lehnte jede Verantwortung für die Verbrechen ab, die zwischen 1933 und 1945 in deutschem Namen verübt wurden, und weigerte sich mit dem Argument, mit "denen" nichts zu tun zu haben, für die materiellen Folgen der Nazidiktatur aufzukommen. Für sie galt pauschal das Verdikt des Alliierten Kontrollrats vom 25. Februar 1947 im Gesetz Nr. 46 über die Auflösung des Staates Preußen, seiner Zentralregierung und nachgeordneten Organe: "Der Staat Preußen, der seit jeher Träger des Militarismus und der Reaktion in Deutschland gewesen ist, hat in Wirklichkeit zu bestehen aufgehört." Für die Siegermächte war der größte deutsche Flächenstaat die Wurzel allen Übels. Diktatur, Massenmord und Militarismus, Großkapital und Großgrundbesitz, Antiparlamentarismus und Unterdrückung von Meinungsfreiheit - das alles und noch viel mehr wurde mit "Preußen" in Verbindung gebracht. In vieler Hinsicht stimmten die Vorwürfe. Auch die Sichermächte wussten, welch perfide Propaganda die Nazis mit Preußen und seinen Herrschern, insbesondere mit Friedrich II., betrieben haben und wie sehr sie "preußische Werte" missbraucht hatten.

Verantwortung für Volk und Staat

Übersehen wurde bei aller Verdammung des ehemaligen Hohenzollernreichs und seiner Janusköpfigkeit, dass es auch ein anderes, ein tolerantes, weltoffenes, sozial engagiertes und nicht zuletzt kunst- und bildungsbeflissenes Preußen gab und dass sich viele Widerstandskämpfer, darunter die Verschwörer des 20. Juli 1944, zur preußischen Elite gehörten und sich auf beste preußische Traditionen beriefen. "Zweifellos bestimmte elitäres Denken die Geisteshaltung dieser Männer, doch dies musste sich nicht immer in Arroganz und Lebensfremdheit äußern", schreibt Kurt Finker in einem Beitrag über das Potsdamer Infanterieregiment 9 und den konservativen militärischen Widerstand, veröffentlicht in dem von Bernhard R. Kroener im Auftrag des Militärgeschichtlichen Forschungsamt herausgegebenen Sammelband "Potsdam - Staat, Armee, Residenz in der preußisch-deutschen Militärgeschichte" (Propyläen Verlag Frankfurt am Main 1993). Humanistische Bildung, konservativ-rechtsstaatliches Denken, oft verknüpft mit christlicher Gläubigkeit, habe manche adlige Offiziere zu einer Lebensauffassung geführt, "in der die Elite der Nation sich vor allem durch höheres Verantwortungsbewusstsein für Volk und Staat sowie durch den schärferen Blick für die sozialen Fragen, die im Volk Unzufriedenheit schüren und damit das gesamte gesellschaftliche Gefüge gefährden, auszeichnen müsste".

Kurt Finker zitiert unter anderem den späteren General Hellmuth Stieff, der am 21. November 1939 über seine Beobachtungen im besetzten Warschau an seine Frau schrieb: "Die blühendste Phantasie einer Gräuelpropaganda ist arm gegen die Dinge, die eine organisierte Mörder-, Räuber- und Plündererbande unter angeblich höchster Duldung dort verbricht. […] Diese Ausrottung ganzer Geschlechter mit Frauen und Kindern ist nur von einem Untermenschentum möglich, das den Namen Deutsch nicht mehr verdient. Ich schäme mich, ein Deutscher zu sein. Diese Minderheit, die durch Morden, Plündern und Sengen den deutschen Namen besudelt, wird das Unglück des ganzen deutschen Volkes werden, wenn wir ihnen nicht bald das Handwerk legen." Nachdem der Widerstandskämpfer vom Volksgerichtshof zum Tod verurteilt worden war, schrieb er seiner Frau: "Ich gehe ruhig und gefasst in den Tod […] Ich werde in Deinem Glauben sterben und mir als Beistand einen Geistlichen Deiner Kirche geben lassen. Geht das nicht, so gilt dies als mein letzter Wille, zur Katholischen Kirche überzutreten, und ich werde in die Ewigkeit so eingehen, wie wir vor bald 15 Jahren in Ludwigsdorf vor den Altar traten. Der Tod ist kein Ende, sondern nur eine Wandlung. Ich bin von der Unsterblichkeit unserer Seelen fest und gläubig überzeugt." Da die Urteile des Volksgerichtshofes in der jungen weiterhin bestanden, musste Ili Stieff viele Jahre prozessieren, bevor sie ihre Witwenrente bekam. Erst als das Bundesverwaltungsgericht 1960 feststellte, die Verurteilung Stieffs sei ein offensichtliches Unrecht gewesen, bekam sie ihre Rente. Ähnlich erging es Familienangehörigen anderer Opfer der Nazidiktatur.

Hier Kultur und Kunst, dort Kadavergehorsam

Dass Kommunisten die Weimarer Republik bekämpft und so die Demokratie untergraben und damit die Errichtung der NS-Diktatur mitverantwortet hatten, wurde in der DDR als imperialistische Hetze abgetan. Hingegen wurde bei jeder sich bietenden Gelegenheit die tatsächlich erst nach 1933, als alles schon zu spät war, geschlossene Aktionseinheit zwischen Kommunisten und Sozialdemokraten beschworen. Die Gründe, warum dieses Bündnis nicht schon vorher geschlossen wurde, waren kein Thema. Nur zögerlich hat man in der späten DDR an die Verfolgung und Ermordung der Juden und anderer nicht in das rassistische und völkische Weltbild der Nazis passender Gruppen erinnert. Da wurde auch breiter über den Holocaust, den Massenmord an Sinti und Roma sowie an Kranken und Schwachen berichtet, aber inzwischen hatten sich die Bewohner des zweiten deutschen Staates schon die eine oder andere Information aus dem Westfernsehen geholt.

Potsdam hatte mehrere Gesichter, hier das des flötenspielenden Königs Friedrich II. und des "Romantikers auf dem Thron", Friedrich Wilhelm IV., und dort Untertanengeist und Kadavergehorsam, ein säbelrasselnder Kaiser Wilhelm II. und seine hackenschlagende Kamarilla, aber auch eine Hitler zujubelnde Bevölkerung, die der Weimarer Republik die Pest an den Hals wünschte und unter Schwarz-Weiß-Rot und dem Hakenkreuz "Deutschland,. Deutschland über alles" schmetterte. In Potsdam waren am Vorabend des Zweiten Weltkriegs etwa 15 000 Militärangehörige stationiert. Die vornehmste Einheit war das Infanterieregiment Nr. 9, das in der Kaserne des 1. Garderegiments zu Fuß in der Priesterstraße, der heutigen Henning-von-Tresckow-Straße, stationiert war. Durchsetzt mit vielen adligen Offizieren, erhielt das auf seine preußisch-monarchischen Traditionen stolze I. R. 9, wie man abgekürzt sagte, den Spitznamen "Regiment Graf Neun". Der bereits erwähnte, aus einer preußischen Offiziersfamilie stammende Generalmajor Henning von Tresckow hatte seine Sporen in diesem Regiment erworben. Mit Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg gehörte Tresckow zu den führenden Köpfen des militärischen Widerstands. Sie und weitere Militärs haben diese Rolle nach bestürzenden Erlebnissen an den Fronten und schweren inneren Prüfung übernommen und bis zum bitteren Ende gespielt.

Tötung des Diktators als Notwehr

Wegen seiner schnellen Siege in Polen, Frankreich, Skandinavien und dann in der Sowjetunion war Adolf Hitler in der Bevölkerung immer populärer geworden. Auch in der Wehrmacht, aus der sich später ein Teil der Verschwörer rekrutierte, sah man diese Entwicklung zunächst mit Genugtuung. Doch wuchsen mit den sich häufenden militärischen Niederlagen und Fehlschlägen die Ernüchterung und der innere Widerstand. Während Millionen Deutsche und auch die eigenen Standesgenossen aus welchen Gründen auch immer unverbrüchlich, ja fanatisch und keinen Zweifel zulassend zu Hitler hielten und seinen Verheißungen vertrauten, dass das Deutsche Reich einen gerechten Krieg gegen das internationale Judentum und den Bolschewismus führt und der Endsieg nicht weit ist, sahen der aus einer protestantischen Familie stammende Henning von Tresckow die Tötung von Hitler als Notwehr an und die Beseitigung seines obersten Befehlshabers, auf den er einen Eid abgelegt hatte, als rechtmäßig und sittlich geboten an. "Das Attentat auf Hitler muss erfolgen, um jeden Preis. Sollte es nicht gelingen, so muss trotzdem der Staatsstreich versucht werden. Denn es kommt nicht mehr auf den praktischen Zweck an, sondern darauf, dass die deutsche Widerstandsbewegung vor der Welt und vor der Geschichte unter Einsatz des Lebens den entscheidenden Wurf gewagt hat. Alles andere ist daneben gleichgültig."

Henning von Tresckow war 1917 als Fahnenjunker in das vornehme 1. Regiment zu Fuß in Potsdam eingetreten und kam später mit Fürsprache des Generalfeldmarschalls Paul von Hindenburgs in das berühmte Infanterie-Regiment 9. Er war einer der ersten, der die Praktiken von Wehrmacht, SS und SD insbesondere in den besetzten Gebieten während des Zweiten Weltkriegs verurteilte. Kurz vor dem Attentat wurde der Generalmajor versetzt und fiel für die konkrete Planung und Durchführung des Attentats aus. An seiner Stelle erhielt Claus Graf Schenk von Stauffenberg bei der Teilnahme an einer Lagebesprechung in Hitlers Hauptquartier Wolfsschanze die Gelegenheit, das Attentat am 20. Juli 1944 auszuführen. Als der Tresckow erfuhr, dass das Attentat gescheitert ist, ahnte er, dass seine Beteiligung aufgedeckt wird, weshalb er sich am 21. Juli 1944 selber tötete. Nachdem seine Rolle bei der Vorbereitung des Attentats in den Verhandlungen vor dem Volksgerichtshof offenbar wurde, ließ Reichsführer SS Heinrich Himmler Tresckows Leiche auf dem elterlichen Gut in Wartenberg exhumieren und verbrennen, ähnlich wie es die Gestapo mit den Leichen von Stauffenberg und den anderen im Bendlerblock erschossenen Widerstandskämpfern geschah.

Unter dem Deckmantel von "Walküre"

Im Sommer 1943 hatte sich Generalmajor von Tresckow mehrfach mit Stauffenberg und weiteren Mitverschworenen getroffen, um die Umsturzpläne und die Maßnahmen danach zu besprechen. Als Chef des Stabes im Allgemeinen Heeresamt nutzte er seine Stellung, um die Attentatspläne voranzubringen. Ziel war die Ausschaltung von Hitler, die Erlangung der militärischen Befehlsgewalt sowie die Übernahme der Regierungsgewalt im Deutschen Reich. Die Wehrmacht hatte für den Fall der Unterdrückung von inneren Unruhen und von Aufständen den speziellen Plan "Walküre" entwickelt, benannt nach einer Figur in der nordischen Mythologie, die auf dem Schlachtfeld gefallene Männer nach Walhall führt. Tresckow gab dem Plan zur Beseitigung von Hitler und anderer NS-Führer den gleichen Namen. Eigentlich sollten im Rahmen von Walküre Aufstände der deutschen Zivilbevölkerung, aber auch von KZ-Häftlingen, Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern niedergeschlagen werden. Dabei sollten Angehörige des Ersatzheeres strategisch wichtige Örtlichkeiten und Gebäude in Berlin, München, Wien und anderen Städten besetzen und gegen die Aufständischen vorgehen. Hitler und der Befehlshaber des Ersatzheeres Friedrich Fromm waren die einzigen, die das "Unternehmen Walküre" durch hätten auslösen können. Durch dieses sollten Ersatz- und Ausbildungstruppen sowie der etwa 300.000 auf Heimaturlaub befindlichen Soldaten mobil gemacht werden. Sie sollten sich zu Regimentern und Kampfeinheiten formieren, bewaffnen, munitionieren und innerhalb weniger Stunden marschbereit sein.

Henning von Tresckow und Claus von Stauffenberg passten "Walküre" 1943 unauffällig den Bedingungen für ein Attentat auf Hitler an. Vorgesehen war, führende Personen der SS, des Sicherheitsdienstes, der Gestapo und der NSDAP zu verhaften. Außerdem sollte der Ausnahmezustand und Hitler für tot erklärt werden. Kopf der Verschwörung war Generalfeldmarschall Erwin von Witzleben, der schon vor dem Krieg an Umsturzplänen beteiligt war und sich 1943 Tresckow und Stauffenberg angeschlossen hatte. Er sollte die Nachfolge des bei dem Attentat getöteten Hitler antreten sollen. In einem schon 1943 unterzeichneten Befehl übertrug sich Witzleben selber die Macht: "Der Führer Adolf Hitler ist tot! Eine gewissenlose Clique frontfremder Parteiführer hat es unter Ausnutzung dieser Lage versucht, der schwer ringenden Front in den Rücken zu fallen und die Macht zu eigennützigen Zwecken an sich zu reißen. In dieser Stunde höchster Gefahr hat die Reichsregierung zur Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung den militärischen Ausnahmezustand verhängt und mir zugleich mit dem Oberbefehl über die Wehrmacht die vollziehende Gewalt übertragen".

Da das Attentat vom 20. Juli 1944 nicht erfolgreich war, konnte "Walküre" seine volle Wirksamkeit nicht entfalten. Der Plan wurde unzureichend befolgt, die Attentäter und ihre Freunde wurden entweder sofort erschossen oder in den folgenden Wochen verhaftet, vom Volksgericht zum Tod verurteilt und in Plötzensee an dünnen Seilen erhängt, während die Angehörigen der Sippenhaft verfielen. Während des Schauprozesses musste sich Witzleben die Hose eines abgewetzten Anzugs festhalten, weil ihm die Gestapo die Hosenträger abgenommen hatten und er im Gefängnis abgemagert war. Freisler brüllte den Angeklagten mit den Worten an "Was fassen Sie sich dauernd an die Hose, Sie schmutziger, alter Mann?" In seinem Schlusswort sagte Witzleben, an den Gerichtspräsidenten gewandt: "Sie können uns dem Henker überantworten. In drei Monaten zieht das empörte und gequälte Volk Sie zur Rechenschaft und schleift Sie bei lebendigem Leib durch den Kot der Straßen."

8. Juli 2019

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