Relikte aus dem Palast der Republik
Im Humboldt Forum soll mit ausgewählten Exponaten an "Erichs Lampenladen" erinnert werden





Zweifel darüber, ob es richtig war, den auch "Palazzo Prozzo" genannten Palast der Republik abzureißen, gab es in den 1990er Jahren, und sie gibt es auch heute, wo sich auf seiner Stelle das Humboldt Forum erhebt.



Von einer Aussichtsplattform konnte man zuschauen, wie "Erichs Lampenladen" nach und nach zerlegt und beseitigt wurde.



Am 7. Oktober 1989 hielt Erich Honecker im Palast der DDR noch die Festrede zum 40. Jahrstag der Gründung der DDR. Vier Wochen später fiel die Mauer, und schon bald war es mit der SED-Herrlichkeit vorbei. Im Großen Sitzungssaal fanden SED-Parteitage ebenso wie der auch im DDR-Fernsehen übertragene "Kessel Buntes" und andere populäre Veranstaltungen statt. Karten zu bekommen war ein Glücksfall, es sei man gehörte zur DDR-Nomenklatura und/oder hatte "Beziehungen".



Die Stiftung Humboldt Forum übernimmt die Stiftung von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) wesentliche Teile der Inneneinrichtung des Palastes. Mehrere Stücke wurden unlängst der Presse präsentiert. Die Gläserne Blume kann leider nicht im Humboldt Forum gezeigt werden.



Wer in den Restaurants "platziert" wurde, durfte sich zu den Glücklichen zählen. Stühle und die Porzellandekoration an der Wand werden demnächst im Humboldt Forum wieder zu sehen sein.



Erich Mielke fühlte sich im Recht, als er behauptete, er liebe doch alle, alle Menschen. Obwohl der Chef des manchmal auch "Liebesministerium" genannten Ministeriums für Staatssicherheit das ganze Land terrorisiert hatte und an schlimmsten Menschenrechtsverbrechen beteiligt war, ist ihm nichts geschehen. Es kam in einem Prozess nicht einmal zu einer Verurteilung, vielmehr ließ die so sehr verachtete "Siegerjustiz der BRD" ihn wegen seiner angegriffenen Gesundheit laufen, so dass er unbehelligt in einem Berliner Altenheim leben konnte, wo er am 21. Mai 2000 starb.



Auf verschiedenen DDR-Medaillen ist der Palast der Republik korrekt abgebildet. (Fotos/Repros: Caspar)

Die Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss bereitet sich auf die Eröffnung oder wenigstens Teileröffnung im Herbst 2019 vor. Satzungsgemäß hat sie den Auftrag, die achthundertjährige Geschichte des Ortes aufzuarbeiten und zu präsentieren. Dazu gehört auch die Präsentation von Relikten aus dem 1973 bis 1976 erbauten und in den Jahren 2006 bis 2008 abgerissenen Bauwerks. Angeboten werden unter anderem im Erdgeschoss ein Videopanorama, Rundgänge durch den Schlosskeller beziehungsweise was davon noch erhalten ist, die Besichtigung des Skulpturensaals sowie von Relikten aus dem 1950 abgerissenen Berliner Schloss und dem Palast der Republik. Aus diesem stammen zwölf so genannte Schlüsselobjekte wie Möbel, Gemälde und Einrichtungsgegenstände, die eine Ahnung davon vermitteln, wie der in der Honecker-Ära mit einem Riesenaufwand an Arbeitskräften, Geld und Baumaterial errichtete Riesenbau außen und innen ausgesehen hat, der offiziell Haus des Volkes und hinter vorgehaltener Hand wegen der glitzernden Beleuchtung "Erichs Lampenladen" genannt wurde.

Zu sehen sind unter anderem die gläserne Wahlurne, die 1990 der ersten und letzten frei gewählten Volkskammer der DDR für Abstimmungen diente und Transparenz politischer Entscheidungen nach der politischen Wende im Herbst 1989 symbolisiert. Wegen seiner politischen Bedeutung wurde der Palast der Republik vom Ministerium für Staatssicherheit der DDR als besonderes Sicherungsobjekt eingestuft. Ein Monitor aus der ehemaligen Leitstelle sowie Videoaufnahmen berichten von der fast lückenlose Überwachung der Besucherinnen und Besucher sowie des Personals im Innen- und Außenbereich. Zu sehen sind das Gemälde "Guter Tag" von Wolfgang Mattheuer und ein Detail vom Bronzerelief "Lob des Kommunismus", das Jo Jastram gestaltet hat.

Die Gläserne Blume fehlt

Ein von der Meißener Porzellanmanufaktur für das besser als alle andern Gaststätten in Ostberlin versorgte, immer dicht umlagerte Palastrestaurant geschaffenes Wandrelief mit weißen Blättern und Blüten vermittelt einen Eindruck von der aufwändigen Inneneinrichtung. Geschirr aus dem Palast-Restaurant, Eisbecher aus der Milchbar sowie eine Collage aus Programmen, Plakaten und Filmausschnitten erinnern daran, dass der Palast der Republik bei der breiten Öffentlichkeit vor allem wegen seiner vielfältigen gastronomischen Angebote und seines attraktiven Veranstaltungsprogramms mit Stars aus Ost und West beliebt war. Bilder von der friedlichen Revolution vom Herbst 1989, der Märzrevolution von 1848 und von der Novemberrevolution 1918 verdeutlichen, dass der Ort in der Mitte der Hauptstadt oft ein umkämpfter Schauplatz politischer Auseinandersetzungen war. Nicht gezeigt wird die riesige Gläserne Blume im Foyer, obwohl es dafür ein großes öffentliches Interesse gibt. Da sich die Schöpfer von damals über ein verkleinertes Modell nicht einigen können und deshalb vor Gericht ziehen, kann auch dieses nicht gezeigt werde.

Am 19. September 1990 wurde der Palast der Republik wegen der Asbestbelastung geschlossen. Vor der seinerzeit stark umstrittenen, von manchen Protesten begleiteten Demontage wurden wesentliche Teile seiner Inneneinrichtung geborgen und dokumentiert. Die Bestuhlung aus dem Volkskammersaal, Schreibtische aus den Fraktionsbüros, Teile des Wegeleitsystems, die berühmten Kugellampen, Teppichstücke und Garderobenständer, Marmorplatten aus dem Hauptfoyer, Möbel des Jugendtreffs und viele andere Ausstattungsstücke lagern seitdem in einem Depot der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) im Berliner Bezirk Spandau. Wesentliche Teile gehen in die Sammlung der Stiftung Humboldt Forum über. Dabei handelt es sich weniger um spektakuläre und bekannte Gegenstände wie die Bilder der Palast-Galerie, die sich im Deutschen Historischen Museum befinden, vielmehr sind es vor allem profane Gegenstände, denen eine emotionale und kraftvolle Ausstrahlung bescheinigt wird. Damit verfügt die Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss nun neu auch über einen bedeutenden Grundstock an Objekten, um sich immer wieder neu mit der wichtigen Geschichte des Vorgängerbaus des Humboldt Forums, dem Palast der Republik, auseinanderzusetzen.

"Inspiriert von seinen Namensgebern Alexander und Wilhelm von Humboldt und deren Freude daran, die Welt mit offenen Augen zu erkunden und sie als ein verflochtenes System von Natur und Kultur zu verstehen, entsteht mit dem Humboldt Forum ein neuer Ort des Erlebens, des Lernens und der Begegnung. Akteure sind die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) mit dem Ethnologischen Museum und dem Museum für Asiatische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin (SMB), die Kulturprojekte Berlin und das Stadtmuseum Berlin, die Humboldt-Universita?t zu Berlin (HU) und federführend die Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss", heißt es in einer Mitteilung des Humboldt Forums.

Mut und Freude, Frohsinn und Glück

Als Nachfolger des 1971 abgehalfterten SED- und Staatschefs Walter Ulbricht hatte sich Erich Honecker, um Popularität und Anerkennung bemüht, mit dem Riesenbau ein Denkmal gesetzt, das auch nach seiner Beseitigung unterschiedlich bewertet wird. Die einen wollten das Haus erhalten, weil sie hier bei mäßigen Preisen angenehme Stunden bei Kulturveranstaltungen hatten, andere fühlten sich abgestoßen durch die Architektur an Berlins prominentester Stelle und noch mehr durch die Vergangenheit als Ort bombastischer Parteitage. Nur 14 Jahre galt der Richtfestspruch von 1976 "Hier werden Mut und Freude sich vereinen / In ihm wird Frohsinn wohnen und auch Glück! / Denn hinter diesen festen Marmorsteinen, /da schlägt das Herz der ganzen Republik", was natürlich eine glatte Übertreibung war.

Als Begründung für die Schließung und Beseitigung des Palastes der Republik wurde 1990 die hohe Belastung durch krebserregenden Asbest angegeben. Die 720 Tonnen dieser gefährlichen Substanz auf einer Fläche von 170 000 Quadratmetern sollten im Falle eines Brandes das Durchglühen oder Verbiegen der Stahlträger verhindern. Bei ähnlich abgesicherten Gebäuden, etwa dem ICC im Westteil der Stadt, wurde diese Frage nicht gestellt. Das Internationale Congress Centrum, das nach ähnlichen Prinzipien wie der Palast der Republik errichtet wurde, steht leer.

Was im einstigen DDR-Vorzeigebau nicht niet- und nagelfest war, wurde in den neunziger Jahren fortgeschafft, viele Ausstattungsstücke wie Geschirre und Bestecke mit dem Monogramm PdR fanden als Souvenirs neue Abnehmer. Nach dem Ableben der DDR wurde deren Staatsemblem mit Hammer und Zirkel auf der Glasfront über der Tribüne demontiert. Die Bildergalerie, geschaffen von namhaften DDR-Malern zur Verherrlichung der Sieghaftigkeit des Kommunismus, kam ins Depot. Diese Gemälde sowie charakteristische Möbel und andere Ausstattungsstücke erhielten im Deutschen Historischen Museum im Zeughaus Unter den Linden in Berlin Asyl.

Bundestag beschloss 2006 den Abriss

Das Aus für den nach Plänen von Heinz Graffunder und anderen Architekten erbauten Palast der Republik geht auf einen Beschluss des Deutschen Bundestags vom Anfang 2006 zurück. Er bestimmte, dass am Schlossplatz das so genannte Humboldt Forum errichtet wird. Der Komplex in der Kubatur und der Barockfassade des 1950 abgerissenen Hohenzollernschlosses beherbergt die außereuropäischen Museen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz sowie die wissenschaftlichen Sammlungen der Humboldt-Universität. Dazu kommen Restaurants Veranstaltungsräume.

Legendär ist die Volkskammersitzung am 13. November 1989, vier Tage nach dem Mauerfall, als die hier nur zum Abnicken einbestellten Abgeordneten hilflose Rechtfertigungsversuche der Regierung anhören mussten, die am 7. November offiziell zurückgetreten und nur noch geschäftsführend tätig war. Der amtierende Ministerpräsident Willy Stoph sah sich genötigt zuzugeben, dass die Arbeit seiner Regierung "eingeschränkt" gewesen sei und benannte, jede Verantwortung für fundamentales Versagen von sich weisend, Honecker und das für Wirtschaftsfragen zuständige SED-Politbüro-mitglied Günter Mittag als diejenigen, die die Misere zu verantworten hätten. Der Finanzminister Ernst Höfner räumte ein, dass die Wirtschaft der DDR, von der die Propaganda immer behauptet hatte, sie sei stark und gesund und gehöre zu den zehn führenden Volkswirtschaften der Welt, zum großen Teil nur durch Kredite finanziert worden sei und sich die Rentabilität der Betriebe verschlechtert habe. Die Mark der DDR sei abgewertet, es seien hohe volkswirtschaftliche Verluste eingetreten.

Mielke schoss den Vogel ab

Den Vogel der Minister für Staatssicherheit Erich Mielke ab, einer der besonders brutalen Hardliner in der Honecker-Riege. An die "Genossen Abgeordneten" gerichtet, behauptete er, es sei ihm und seinen Leuten nur darum gegangen, in "hohem Kontakt mit den Werktätigen" den Frieden zu schützen und alles für die Stärkung des Sozialismus zu tun. Das Protokoll vermerkt, was der Minister in seiner ersten und einzigen Rede vor der noch in alter Zusammensetzung tagenden Volkskammer stotternd von sich gab: "Wir haben, Genossen, liebe Abgeordnete, einen außerordentlich hohen Kontakt mit allen werktätigen Menschen in überall. […] ja, wir haben einen Kontakt, ja wir haben einen Kontakt, ihr werdet gleich hören […] ihr werdet gleich hören, warum. Wir haben den Auftrag erst mal gehabt als Allerwichtigstes alles aufzudecken, was gegen den Frieden sich richtete, und wir haben hervorragende Informationen geliefert, die die Entwicklungen jetzt zu sich […] soweit brachten, wie wir sie heute haben, Genossen. Aber, einen Moment mal bitte." Ein Abgeordneter meldet sich: "Zur Geschäftsordnung: Ich bitte doch endlich dafür zu sorgen - in dieser Kammer sitzen nicht nur Genossen. Ich bitte ..." Mielke: "Ich bitte um Verzeihung. Das ist doch nur 'ne natürliche, menschliche Frage. Das ist doch eine formale Frage. Ich liebe […] ich liebe doch alle, alle Menschen. […] Ich liebe doch, ich setze mich doch dafür ein."

Mielkes Gestammel wurde mit Kopfschütteln und eisigem Schweigen quittiert. Wie ein begossener Pudel kehrte der Minister auf seinen Platz in der Regierungsbank zurück. Kurz darauf wurde der SED-Abgeordnete Hans Modrow zum neuen Ministerpräsident gewählt. Das Ende der Einparteienherrschaft und der DDR nahm seinen Anfang. Noch aber hatten die Sicherheitsorgane nicht die Absicht, freiwillig ihre Positionen zu Räumen, auch wenn das Stasiministerium schnell in ein "Amt" zurückgestuft wurde. Bei der Diskussion um den Palast der Republik und den Wiederaufbau des Stadtschlosses spielte in den frühen 1990er Jahren eine Rolle, dass die Volkskammer hier am 20. September 1990 den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik beschlossen hat. Maßgebliche Etappen auf dem Weg dorthin waren die erste und einzige freie und geheime Volkskammerwahl im März 1990 sowie der Staatsvertrag über die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion. Vorschläge von Architekten und Bürgergruppen, Teile des zum Abriss bestimmten Palasts der Republik und/oder den Plenarsaal der Volkskammer zu bewahren in das Stadtschloss zu integrieren, wurden ohne große Diskussion von den Regierenden vom Tisch gewischt.

17. Mai 2019

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