"Vorzeichen eines noch schöneren Tages voller Freuden"
Rote Armee besetzte 1945 das Potsdamer Schlösser- und Gartenreich und nahm aber viele Kostbarkeiten mit



Schloss Sanssouci und viele andere Bauten im Potsdamer Gartenparadies blieben dank des Eingreifens der Roten Armee nach Kriegsende weitgehend verschont, doch gab es Verluste bei Raumausstattungen.



Den Zweiten Weltkrieg haben Schloss Sanssouci und andere Bauten im Umkreis unbeschädigt überstanden. Das Foto zeigt, dass Fenster und Eingänge zum Schutz vor Einschüssen und Granatsplittern zugemauert waren.



Am Eingangsgebäude neben dem Grünen Gitter war in DDR-Zeiten eine Bronzetafel angebracht, die die Rettung der Potsdamer Schlösser und Gärten durch die Rote Armee würdigte.





Im Neuen Palais konnten Lücken durch ersatzweise aufgestellte Möbel und Bilder an den Wänden kompensiert werden.







Das das Chinesische Teehaus, das Schloss Charlottenhof, das Orangerieschloss und viele andere Bauten im Park von Sanssouci wurden von der Roten Armee vor der Zerstörung bewahrt, zum Teil allerdings auch geplündert. (Fotos: Caspar)

Über das zwischen 1745 bis 1747 nach einer Idee Friedrichs II. und Plänen seines Stararchitekten Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff erbaute Sommerschloss Sanssouci zu berichten ist als ob man Eulen nach Athen tragen würde. Das königliche Refugium am Rande von Potsdam ist das bekannteste, wohl auch am meisten besuchte oder wenigstens meisten bestaunte Bauwerk weit und breit, eine Spitzenleistung des friderizianischen Rokoko, ausgestattet mit edelsten Möbeln, Skulpturen und Malereien. Nur so viel sei gesagt, dass der durch seinen Skulpturenschmuck an der Gartenfront als "Krone" eines Weinbergs charakterisierte Bau mit der wegen des Kommas in der Mitte bis heute rätselhaften Inschrift SANS, SOUCI (Ohne Sorge) am 17. August 1786 Sterbeort Friedrichs des Großen war. Der Nachfolger Friedrich Wilhelm II. vergriff sich an der kostbaren Innenarchitektur, als er das Arbeits- und Sterbezimmer seines Onkels klassizistisch umgestalten ließ. Friedrich Wilhelm IV. verfügte im 19. Jahrhundert Anbauten, um die wichtigsten Angehörigen seines Hofstaates im Schloss Sanssouci standesgemäß unterbringen zu können und auch Raum für die Schlossküche und ein Weindepot zu gewinnen.

Friedrich II. war von seiner Schöpfung begeistert. "Möge uns die Sonne bei ihrer strahlenden Wiederkehr noch hier im Gespräch über Verse und Liebe finden, als Vorzeichen eines noch schöneren Tages voller Freuden, lasst uns dann die Blumen und die Morgenröte schauen", lautet eine ins Deutsche übersetzte französische Inschrift von 1746 nach Horaz in einem von F. C. Glume geschaffenen Relief aus vergoldetem Stuck über der Tür vom Empfangszimmer von Schloss Sanssouci. Ein Gedicht, das der König nach der Einweihung seines Sommersitzes dem Marquis d'Argens schickte, lautet so: "Hoch auf eines Hügels Rücken, / Wo das Auge mit Entzücken / Schweift, soweit der Himmel blau, / Hebt gebietend sich der Bau. / Hohe Kunst ward daran gewendet; / Sorglich schuf und meisterlich / Mir des Meißels Hieb und Stich / Steingestalten formvollendet, / Die das Ganze prächtig schmücken, / Ohne lastend es zu drücken. / Morgens taucht mein Schlösschen ganz / Sich in goldnen Frühlichtglanz, / Der es grüßt, wenn er erwacht. Sechs bequeme Treppen lassen / Nieder über sechs Terrassen, / Mählich sacht Euch zum Haine niedersteigen, / Euch zu flüchten in die grüne Dämmernacht."

Hier Bewachung, dort Plünderung

In DDR-Zeiten wurde keine Gelegenheit unterlassen, die Verdienste der Roten Armee, die Ende April 1945 Potsdam erreichte, um den Schutz der Schlösser und Gärten und die sowjetischen Retter zu loben und in den Himmel der deutsch-sowjetischen Freundschaft zu heben. Dass es trotz militärischer Bewachung zu Plünderungen kam, dass die Trophäenkommission der Roten Armee auf Stalins Geheiß Gemälde, Skulpturen, Porzellane, Möbel und andere Kunstschätze zusammen raffte und sowohl im Neuen Palais als auch im Schloss Rheinsberg sowie auf dem Schlacht- und Viehhof in Berlin Depots für die zum Abtransport in die Sowjetunion bestimmten Objekte einrichtete, ja dass sich Offiziere und Soldaten privat an Kulturgütern "bedienten" und dabei manche Erinnerungsstücke zerstörten, wurde nur hinter vorgehaltener Hand erörtert. Was immer vermutet wurde, kam erst nach dem Ende der SED-Herrschaft und der DDR ans Tageslicht und wurde schon bald publiziert.

Wir sollten bei aller Dankbarkeit dafür, dass die ehemaligen königlichen Schlösser durch das Eingreifen beherzter sowjetischer Offiziere und Soldaten nach dem Zweiten Weltkrieg von größeren Schäden verschont wurden, nicht übersehen, dass der Preußischen Schlösserstiftung bis heute zahlreiche Kostbarkeiten fehlen. Was in ihren Schlössern in Berlin, Potsdam, Rheinsberg, Caputh, Oranienburg, Paretz und anderenorts an Wänden hängt und in Paradekammern steht, gehört nicht immer dort nicht hin. Die Ausstattungsstücke kann man in manchen Fällen nur Lückenfüller für die seinerzeit nach Moskau und Leningrad auf Stalins Befehl als Beutegut mitgenommenen Bilder, Möbel und Skulpturen bezeichnen. Die Maßnahme wurde damals als Kompensation für die unendlichen Schäden an historischen Bauwerken und Kunstwerken gerechtfertigt, die die Wehrmacht nach dem deutschen Überfall im Sommer 1941 in der Sowjetunion angerichtet hat. In DDR-Zeiten hat man die Tatsachen mit beredtem Schweigen übergangen, unter der Hand aber Listen darüber angelegt, was verloren ging und was man wieder zurück haben möchte.

Die Preußische Schlösserstiftung fahndet nach mehr als 3000 Bildern, dazu kommen zahlreiche Skulpturen, Möbel, Porzellane, Grafiken, Bücher und andere Objekte. Zwar kam in den fünfziger Jahren ein großer Teil dieser Kunstbeute unter dem Motto "Der Menschheit bewahrt" als Freundschaftsgeschenk der Sowjetunion an das deutsche Volk zurück, doch eben nicht alles. Nach dem Ende der DDR wurde am Grünen Gitter, dem Eingang zum Park von Sanssouci, eine Bronzetafel mit lobenden Worten für die Rettung des königlichen Garten- und Schlösserparadieses entfernt. Die Maßnahme war umstritten und sollte neu diskutiert werden. Vielleicht besinnt man sich in weniger aufgeregten Zeiten dessen, was wir den Befreiern von damals verdanken, und bringt die alte Tafel wieder an und verfasst einen erklärenden Zusatz.

Der Kaiser kam, sah und nahm mit

Der Raub von Gemälden, Plastiken, Büchern und Juwelen ist keine "Erfindung" des 20. Jahrhunderts. Auch in früheren Zeiten wurde Kunst gestohlen. Nach der Schlacht von Jena und Auerstedt im Oktober 1806, als Preußen von den Truppen Napoleon I. vernichtend geschlagen wurde, schwärmten in Berlin, Potsdam und anderen besetzten Städten der preußischen Monarchie französische Kunsträuber aus. König Friedrich Wilhelm III. von Preußen hatte mit seiner Familie und einem großen Teil seines Hofes bereits die Haupt- und Residenzstadt in Richtung Ostpreußen verlassen, als der siegreiche Kaiser durch das Brandenburger Tor in die preußische Haupt- und Residenzstadt einritt. "Unser Dämel sitzt in Memel" lachten die Berliner, doch blieb ihnen der Spott bald im Halse stecken, denn die Besatzer pressten ihnen Geld, Lebensmittel und andere wichtige Güter ab. Preußens Niederlage hatte auch ihr Gutes, denn endlich wurden Reformen eingeleitet, zu denen sich die Erben Friedrichs des Großen nicht so leicht bequemt hätten.

Die Plünderung Berliner und Potsdamer Schlösser wurde von einem Spezialisten organisiert, dem auf vielen französischen Medaillen genannten Chef der Monnaie des Médailles sowie Generaldirektor des Musée Napoléon in Paris und des Louvre, Dominique Vivant Denon. Der weltgewandte Lebemann und Frauenheld, Kenner der antiken Kunst und Grafiker betätigte sich im Auftrag seines Kaisers als Trophäenjäger und Kunsträuber, mit dem Abbau der von Johann Gottfried Schadow für das Brandenburger Tor in Berlin geschaffenen Quadriga beginnend, die erst 1814 im Triumphzug mit weiteren Schätzen zurückgeführt werden konnte.

Die preußische Regierung hatte 1806 mit einer Niederlage nicht gerechnet und auch keine Vorkehrungen getroffen, den königlichen Kunstbesitz vor Verlust und Beschädigung zu bewahren. Dass die Monarchie je besetzt werden könnte, stand außerhalb jeder Vorstellung. Als Napoleon I. dann doch nahte, wurde das Tafelsilber hastig in die Festung Spandau gebracht, die bald den Franzosen in die Hände fiel. Die brillantbesetzten Tabatièren Friedrichs des Großen und Staatspapiere blieben dem Feind verborgen. Beamte machten die im Berliner Schloss und der Gemäldegalerie unweit von Schloss Sanssouci befindlichen Bilder der Hohenzollern sowie kostbare Plastiken, Antiquitäten und Bücher "transportable". Zusammen mit königlicher Wäsche gelangten sie per Schiff nach Küstrin, wo sie alsbald von den Franzosen sichergestellt und nach Berlin zurückgeschafft wurden. Von dort aus gingen Teile der Beute über Hamburg nach Paris. Napoleon I. wollte seine im Aufbau befindliche Louvre-Sammlung mit diesen Trophäen auf billige Weise ergänzen. Knapp 140 Jahre später taten die Nazis das gleiche. Hitler versuchte, sein Führermuseum in Linz mit "allererster Wahl" zu bestücken. Ihm wollte es auch Stalin gleich tun. Ihm schwebte, wie man inzwischen dank russischer Forschungen weiß, in Moskau ein "Weltmuseum der Kunst" vor Augen, das mit Trophäen aus Feindesland bestückt werden sollte.

Denon verschmähte französische Rokokobilder

Baron Denon ließ nach 1806 in Berlin und Potsdam nicht nur Gemälde der damals "modischen" Franzosen, Italiener und Holländer einpacken, sondern auch Werke der in ihrem Wert noch nicht entdeckten altdeutschen Meister. Französische Rokokokünstler, die Friedrich der Große so sehr liebte, dass er deren Werke überall in seinen Privatgemächern, etwa in der Kleinen Galerie des Schlosses Sanssouci und in seiner Wohnung im Neuen Palais, aufhängen ließ, interessierten den Emissär aus Paris nicht, da sein Heimatland mit ihnen reich gesegnet war. Wohl aber nahm Denon Bilder mit, die Napoleon I. wegen ihres geschichtlichen Inhalts schätzte. Es handelte sich um Episoden aus dem Leben Friedrichs des Großen, dem der Kaiser wichtig waren. Der Sieger von Jena und Auerstedt und Eroberer von Berlin hatte im Herbst 1806 dem "Großen Friedrich" bei einem Besuch der Gruft der Potsdamer Garnisonskirche ausdrücklichen Respekt gezollt und das Potsdamer Schlösser- und Gartenreich unter seinen Schutz gestellt.

Insgesamt wurden 204 große und kleine Figuren und Büsten, Reliefs aus Marmor und Bronze, über 500 Gemmen, 7000 römische Bronzemünzen und mittelalterliche Silbermünzen sowie zahlreiche Gemälde aus dem Berliner Schloss beziehungsweise aus den Sammlungen in Sanssouci verschleppt. Spektakulär war, weil für jeden sichtbar, die Entführung der von Johann Gottfried Schadow geschaffenen Quadriga vom Brandenburger Tor, die erst 1814 wieder auf ihren angestammten Platz zurück kehren konnte. Im Oktober 1807, ein Jahr nach Jena und Auerstedt, wurden die Kunstwerke im Louvre ausgestellt. Napoleons lorbeerbekränzte Bronzebüste wurde dabei zwischen zwei Victorien aus dem Park von Sanssouci aufgestellt.

Präsentation in Schinkels Altem Museum

Raub und Heimkehr der preußischen Kunstwerke hatten weitreichende Folgen. Die Präsentation der Gemälde, Plastiken und anderen Kunstwerke im Akademiegebäude Unter den Linden war ein willkommener Anlass, Friedrich Wilhelm III. an ältere Pläne zu erinnern, endlich in Berlin ein öffentliches Museum zu gründen. Das alte Akademiegebäude erwies sich für diesen Zweck als ungeeignet, deshalb wurde nach einem Neubau gerufen. Die in königlichem Besitz befindlichen Kunstgegenstände sollten nicht mehr in den Schlössern und Gärten in Berlin und Potsdam "vereinzelt" werden, wie man damals sagte, sondern jedermann zugänglich sein. Nach langem Zögern entschloss sich der wenig entschlussfreudige Monarch, durch weitsichtige Ratgeber wie Wilhelm von Humboldt und Alois Hirt ermuntert, am Berliner Lustgarten ein Museum erbauen zu lassen. Schinkels 1830 vollendetes Altes Museum wurde so zur Keimzelle der Königlichen, ab 1918 Staatlichen Museen zu Berlin. Durch großzügige Ankäufe von Kunstwerken und Finanzierung von Ausgrabungen und Expeditionen durch den preußischen Staat, aber auch durch Stiftungen von privaten Kunstfreunden und andere glückliche Umstände gelang es im Laufe der Zeit, die Berliner Museen zu einer weltweit beachteten und geachteten Institution zu entwickeln.

Die von preußischen Beamten sorgfältig geführten Verlustlisten taten Jahre später nützliche Dienste. Die nach der Entmachtung Napoleons im Jahr 1814 wieder auf den Thron gelangten Bourbonen zögerten die Herausgabe der Kunstbeute heraus, obwohl es entsprechende Absprachen zwischen Friedrich Wilhelm III. und dem französischen König Ludwig XVIII. gab. Denon behauptete unter Hinweis auf den Friedensvertrag von Tilsit, das Raubgut sei französisches Eigentum und Teil der von ihm geleiteten Louvresammlungen. Was zurückkehre, sei ein "Geschenk" an König Friedrich Wilhelm III. Die Drohung, man werde ihn, Denon, auf die Festung Graudenz bringen, wenn er nicht Entgegenkommen zeige, wirkte. Preußen bekam vieles, doch nicht alles zurück.

26. Juni 2019

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