Von der Pfaueninsel nach Charlottenburg
Wer im 19. Jahrhundert den Berliner Zoo besuchen wollte, kam an der "Milchstraße" nicht vorbei



Lange war die mitten in der Havel gelegene Pfaueninsel Refugium der königlich-preußischen Familie, im 17. Jahrhundert nur Kaninchenwerder genannt und Ort von Experimenten des berühmten Glasmachers Johann Kunckel. Das Lamahaus auf der Pfaueninsel wurde 1830 gebaut.



Altägyptischen Tempeln nachempfunden ist dieses Gebäude des Berliner Zoos, mit anderen exotisch anmutenden Häusern wurde es ein Opfer des Zweiten Weltkriegs.





Die Illustrationen aus dem 19. Jahrhundert zeigen den gut besuchten Zoologischen Garten in Charlottenburg, der bereits manche Attraktionen für Kinder anbot, und als Schauplatz eines Besuchs des Schahs von Persien.



Die steinernen Elefanten sind Kopien nach historischen Vorlagen und schmücken den Eingang zum Zoologischen Garten.



Reliefs an der Fassade des Aquariums auf dem Gelände des Zoologischen Gartens zeigen urtümliche Reptilien, aber auch neuzeitliche Tiere.



Die Gedenktafel aus der Königlichen Porzellanmanufaktur am Antilopenhaus erinnert an das Schicksal von Juden, die dem Rassenwahn der Nationalsozialisten zum Opfer fielen, von diesen beraubt wurden und auch nicht den Zoo betreten durften.



Zahlreiche Tierfiguren schmücken den Zoologischen Garten und den Tierpark Friedrichsfelde, die Löwen stammen vom ehemaligen Kaiser-Wilhelm-Denkmal.



Schloss Friedrichsfelde ist ein frühklassizistischer Bau aus der Zeit um 1800. Historische Wandbespannungen und Malereien schmücken die Säle, in denen die Schlossgeschichte und die Entwicklung des Tierparks dokumentiert werden. Im Festsaal finden Konzerte statt. Seit 2009 befindet sich das zuvor vom Stadtmuseum genutzte wieder in der Zuständigkeit vom Tierpark Berlin.



Die Staatliche Münze Berlin hat verschiedene Medaillen im Gewicht von einer Unze (ca. 32 g) mit Pandabären aus China geprägt. Das niedliche Eisbärmädchen Hertha beschert seit einigen Wochen dem Berliner Tierpark große Besucherzahlen. Eine Medaille mit ihrem Porträt ist noch nicht bekannt. (Fotos/Repros: Caspar)

Die Berliner, ihre Tiere und ihr Zoologischer Garten, das ist eine jahrhundertealte enge Freundschaft. Angefangen hatte es im 18. Jahrhundert mit Menagerien, die von Residenz zu Residenz zogen und dem staunenden Publikum exotische Vierbeiner wie Giraffen, Elefanten, Nashörner, Löwen, Affen sowie seltenes Federvieh vorführten. Kein Wunder, dass sich die preußische Haupt- und Residenzstadt im 19. Jahrhundert einen eigenen Zoologischen Garten zulegte und ihn auf das Prächtigste ausstattete. Vorläufer des von Peter Joseph Lenné gestalteten Zoologischen Gartens im heutigen Bezirk Charlottenburg war eine von König Friedrich Wilhelm III. auf der Pfaueninsel angelegte Menagerie, in der Hirsche und Büffel, aber auch allerlei exotische Tiere lebten, die als Staatsgeschenke nach Berlin gekommen oder bei Wandermenagerien und Tierhändlern gekauft worden waren. Der König betrachtete das Tiergehege nicht als Privatzoo, sondern gab dreimal in der Woche dem interessierten Publikum Gelegenheit, noch nie gesehene Vier- und Zweibeiner zu betrachten. Die Berliner und ihre Gäste sollen in hellen Scharen über die Havel zur Pfaueninsel nahe Potsdam gepilgert sein, um die fremdartige Tierwelt zu bestaunen.

Irgendwann platzte das Tiergehege auf der Pfaueninsel aus den Nähten, und so war der Bau eines wissenschaftlichen Ansprüchen genügenden Zoologischen Gartens nötig. Er wurde im damals noch selbstständigen Charlottenburg von Friedrich Wilhelm IV. nach einer Konzeption des schon auf der Pfaueninsel tätigen Zoologen Martin Hinrich Lichtenstein und auf Empfehlung des Weltreisenden und königlichen Kammerherrn Alexander von Humboldt angelegt und 1844 eröffnet wurde und sich schnell die Herzen der Berliner eroberte.

Sonntags ermäßigter Eintritt

Anfangs war es recht mühsam, den Zoologischen Garten zu erreichen, denn Droschken konnten sich nur Begüterte leisten, während der große Rest der Bevölkerung per pedes unterwegs war. Vorbei ging es an Gastwirtschaften, in denen auch Milch ausgeschenkt wurde, weshalb man den sandigen Weg Milchstraße nannte. Die Mühe lohnte sich, denn der Anblick der Tiere war überwältigend, und so gehörte der Besuch des Zoologischen Gartens schon bald zum "Muss" für die Berliner und ihre Besucher. Dies wohl auch deshalb, weil Tierkarawanen für Kinder im Angebot waren und sonntags ermäßigter Eintritt gezahlt wurde. Auf dem Zoogelände veranstalteten Militärkapellen Konzerte, und es wurden in edlem Ambiente auch Pressebälle gegeben, ja es kam in der exotischen Kulisse sogar in der Kaiserzeit zu einem Treffen befreundeter Monarchen, das in einem Beistandspakt mündete. Wer mochte, konnte in den Restaurants stimmungsvoll speisen. In einem der Häuser, dem riesigen Kaisersaal, sollen bis zu 10 000 Personen zu Theateraufführungen und Konzerten Platz gefunden haben.

Die in indischen, ägyptischen und anderen Baustilen errichteten Tierhäuser gingen 1943 im Bombenhagel unter und wurden, bis auf das in "siamesischen" Formen erbaute Antilopenhaus, nach dem Zweiten Weltkrieg nicht wieder aufgebaut. Obwohl nur 91 Tiere den Zweiten Weltkrieg überlebt hatten und 1945 kaum jemand auf eine Wiedergeburt zu hoffen wagte, erholten sich der Zoologische Garten und sein Aquarium alsbald und entwickelte sich, mit neuen Häusern und Schauanlagen besetzt, zu den weltweit bedeutendsten Einrichtungen dieser Art.

Tierpark als Pendant und Konkurrent zum Zoo

Beliebt und gut besucht ist der 1954 im Ostteil der Stadt gegründete und von vielen Berlinern mit großen und kleinen Spenden, aber auch im Rahmen des Nationalen Aufbauwerks in unzähligen Arbeitseinsätzen geschaffene Tierpark im früheren Schlosspark Friedrichsfelde. Unter seinem Direktor Heinrich Dathe entstand auf einer Fläche von 160 Hektar einer der international schönsten und größten Landschaftstiergärten mit einem bedeutenden Tierbestand.

Wer durch den Zoologischen Garten beziehungsweise den Tierpark Friedrichsfelde geht, trifft auf Schritt und Tritt in Bronze gegossene Büsten zur Erinnerung an Persönlichkeiten, die sich als Freunde und Hüter der Tiere weit über Berlin hinaus einen Namen gemacht haben. Eine von Emil Wolff geschaffene Büste ehrt an der Dreisternepromenade den ersten Zoodirektor Martin Hinrich Lichtenstein, eine andere ist Heinz-Georg Klös gewidmet, der von 1956 bis 1991 dem Zoologischen Garten Institution vorstand. In seine Amtszeit fallen die Eröffnung des Nashornhauses und des Raubtierhauses sowie die Wiedereröffnung des Aquariums und nach der Wiedervereinigung von 1990 die Zusammenführung des Zoos mit dem Tierpark Friedrichsfelde. Die Denkmäler auf schlanken Postamenten gehören zu einer hochkarätigen Skulpturen-Sammlung namhafter Bildhauer, die Hirsche, Elefanten, Raubtiere, Affen, Vögel und andere Tiere darstellen und überall auf dem Zoogelände aufgestellt sind.

Bronzelöwen vom Kaiserdenkmal

Diese Kombination trifft man auch im Berliner Tierpark an, der 1954 als Ostberliner Pendant und in Konkurrenz zum Zoologischen Garten gegründet wurde. Auch hier erinnern Bronzebüsten an bekannte Zoologen, so an Alfred Edmund Brehm, der an der Ecke Unter den Linden/Schadowstraße ein Aquarium eingerichtet und sich durch sein in vielen Auflagen verbreitetes "Tierleben" international einen Namen gemacht hat. Eine andere Büste ist dem langjährigen Direktor des Berliner Tierparks Heinrich Dathe gewidmet, eine dritte ehrt den berühmten Gartenarchitekten Peter Joseph Lenné, der den barocken Schlossgarten Friedrichsfelde in einen englischen Landschaftsgarten umgewandelt hat und sich um die Anlage des Tiergartens und des Friedrichshains sowie anderer öffentlicher und privater Gärten in Berlin, Potsdam und an anderen Orten große Verdienste erworben hat. Im Tierpark Friedrichsfelde und im Zoologischen Garten dürfte es reizvoll sein, die bronzenen Tierskulpturen mit ihren lebenden Vorbildern zu vergleichen. Heinrich Dathe ist es zu verdanken, dass die vier Löwen vom ehemaligen Nationaldenkmal Kaiser Wilhelms I. auf der Berliner Schlossfreiheit nicht eingeschmolzen, sondern vor dem Alfred-Brehm-Haus neu aufgestellt wurden.

Braune Flecken auf der weißen Weste

Der Berliner Zoo arbeitet seine schwarzen, genauer gesagt braunen Flecken aus der NS-Zeit auf seiner sonst weißen Weste auf. So wird geklärt werden, unter welchen Umständen nach 1933 jüdischen Aktionären des Zoologischen Gartens im Rahmen der so genannten Arisierung Wertpapiere abgenommen und anschließend gewinnbringend weiter verkauft wurden. Mit der Errichtung der Hitlerdiktatur betrieben Aufsichtsrat und Vorstand des Zoos in vorauseilendem Gehorsam den Ausschluss der jüdischen Aufsichtsratsmitglieder, Aktionäre und Besucher von Mitarbeit und Besuchen. Eine Entschädigung der enteigneten Aktionäre und ihrer Erben hat es nicht gegeben und wird auch von der heutigen Zoo AG auch nicht erwogen. Aktuellen Schätzungen zufolge soll etwa ein Drittel der 4000 Zoo-Aktien im Besitz jüdischer Eigentümer gewesen sein.

Einzelheiten der NS-Geschichte des Berliner Zoos und der Rolle, die der damalige Direktor Lutz Heck als eifriger Arisierer, förderndes Mitglied der SS und Jagdfreund von Reichsmarschall Hermann Göring spielte, werden im Antilopenhaus dokumentiert. Eine im Zoologischen Garten aufgestellte Büste von Lutz Heck erhielt eine erklärende Tafel, die auch den Hinweis enthält, dass zu Zeiten dieses Direktors polnische Zwangsarbeiterinnen hier Dienst verrichten mussten. Auf einer Gedenktafel der Königlichen Porzellanmanufaktur am Antilopenhaus wird in blauer Schrift an die Enteignung und Diskriminierung von jüdischen Zoo-Aktionären erinnert.

Nicht nur in der Nazizeit gab es im Berliner Zoo rassistische Tendenzen, auch vor 1933 und nach 1945 war die Anlage unweit des Bahnhofs Zoologischer Garten nicht von diesen nicht frei. So gab es von 1871 bis 1952 so genannte Völkerschauen, bei denen Bewohner verschiedener Kontinente unter fragwürdigsten Bedingungen den Besuchern wie in einem Schaufenster vorgeführt wurden. Menschen aus Grönland und Alaska mussten Robben oder Rentiere einfangen oder mit dem Kanu auf Teichen umkippen. Afrikaner hatten zur Gaudi des Publikums Krieg zu spielen, und Menschen aus Samoa mussten sich in einer nachgemachten Dorfidylle bewegen.

23. April 2019

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