Kurzer Prozess mit Ceausescu
Im Unterschied zu dem rumänischen Gewaltherrscher blieb Erich Honecker nach seinem Sturz vor 30 Jahren am Leben





Bilder aus besseren Tagen zeigen Erich Honecker und seine Politbürogenossen als Pappkameraden bei einer der vielen Jubelmärsche durch Ostberlin. Keinem von ihnen geschah, was dem rumänischen Diktator Nicolae Ceausescu und seiner Frau Elena widerfuhr.



Immer an der Seite ihres Mannes war Elena Ceausescu, die sich so gern als größte Wissenschaftlerin aller Zeiten feiern ließ.



Honeckers ziemlich bester Freund Nicolae Ceausescu (links beim Staatsbesuch in der DDR 1988) und seine Frau Elena wurden nach kurzem Prozess am 25. Dezember 1989 erschossen. Das muss dem entmachteten SED- und Staatschef und seiner Frau, der früheren Volksbildungsministerin Margot Honecker, furchtbar in die Knochen gefahren sein. Demonstrativ hatte Honecker noch am 17. November 1988 die höchste DDR-Auszeichnung, den Karl-Marx-Orden, dem rumänischen Diktator Ceausescu, seinem Bruder im Geiste, an die Heldenbrust geheftet.



Das Diktatorenpaar glaubte zu wissen, was für seine Untertanen gut ist, und bekämpfte alles, was ihm im Weg stand. Deshalb verstanden sich die beiden Rumänen auch so gut mit Erich und Margot Honecker. Als er in den dramatischen Dezembertagen 1989 auf Demonstranten schießen ließ, kamen über eintausend Menschen ums Leben. Sein eigenes und das seiner Frau rettete das Massaker nicht. Heute wird in Rumänien gefordert, die Verbrechen des Ceausescu-Regimes aufzuklären, und wenn das geschieht, werden ganz schlimme Dinge ans Tageslicht kommen. Beteiligte von damals haben daran nur geringes Interesse.



Während Nahrungsmittel, Kleidung und Strom für die Bevölkerung knapp wurden, ließ Ceausescu mit Staatsgeldern in Bukarest unter Opferung zahlreicher Wohnhäuser den 350.000 Quadratmeter großen Parlamentspalast errichten. Etwa 40 000 Einwohner verloren dabei ihre Bleibe. Heute gehört das Gebäude zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten des Landes.





So stellte man sich in der frühen Neuzeit den Fürsten Vlad Tzepes vor, der als Graf Dracula Ende des 19. Jahrhundert als Untoter ein Comeback erlebte. Der Holzschnitt darunter malt den Kampf der Türken gegen das christliche Abendland blutrünstig aus.



Das pittoresk wirkende Schloss Bran wurde unter Ceausescu zu einer Touristenattraktion ausgebaut, obwohl nicht klar ist, dass der blutsaufende Graf Dracula hier sein Unwesen getrieben hat. (Fotos/Repros: Caspar)

Erich Honecker hatte nicht viele Freude. Die sich dafür ausgaben, waren ihm nur solange verbunden, wie er als allmächtiger Generalsekretär des Zentralkomitees der SED und Vorsitzender des Staatsrats in der DDR das Zepter schwang. Damit war am 18. Oktober 1989 Schluss. In einer Palastrevolution stürzten ihn die eigenen Genossen mit Egon Krenz an der Spitze. Sie zwangen ihn mit Rückendeckung aus Moskau zum Rücktritt von allen seinen Ämtern, und schoben gesundheitliche Gründe vor. Krenz und seine Freunde wollten den SED-Staat durch eine "Wende" retten, doch sollten die Zustände im Wesentlichen so bleiben wie sie sind. Vor allem sollte der Allmachtsanspruch der SED, die sich als Partei der Arbeiterklasse ausgab, nicht angetastet werden. Ähnlich wie in seinem Fall war Erich Honecker 1971 gegen seinen Ziehvater Walter Ulbricht vorgegangen. Er setzte sich auf den Thron des Sachsen mit der Fistelstimme und verhängte über ihn in der Art der alten Römer eine Damnatio memoriae. Von nun an Ulbrichts Namen positiv zu erwähnen, war alles andere als karrierefördernd.

Dass drei Wochen nach Honeckers Rausschmiss die Mauer fallen und bald darauf der zweite deutsche Staat seinen Geist aufgeben würde, kam den Putschisten im Zentralkomitee nicht in den Sinn. Mit einer "chinesischen Lösung", also mit militärischer Gewalt wie im Sommer 1989, die Protestaktionen im Herbst 1989 zu unterbinden, wurde von den Sicherheitsorganen in Erwägung gezogen. Doch blieben Polizei, Stasi, Nationale Volksarmee und SED-Kampfgruppen, hochgerüstet und aufmunitioniert wie sie waren, in den Kasernen. So blieb zum Glück Blutvergießen aus, anders als es in Rumänien der Fall war. Die als "Zuführung" verniedlichten Massenverhaftungen bei den Massendemonstrationen in Berlin, Leipzig, Dresden, Halle, Plauen und vielen anderen Städten der DDR und die dabei angewandte Brutalität haben sich tief ins Gedächtnis der für einen Sozialismus mit menschlichem Antlitz demonstrierenden Menschen eingegraben.

Plötzlich geächtet und wohnungslos

Des gefeuerten Machthabers alte Genossen vermochten es nicht, dem aus der Politbürosiedlung Wandlitz bei Bernau im Norden von Berlin exmittierten Ehepaar Erich und Margot Honecker in Berlin eine sichere Wohnung zu verschaffen. Dabei besaß die Stasi überall im Ostteil der Stadt konspirative Wohnungen und Treffpunkte, wo die beiden hätten untertauchen können. Aus Angst vor einem Angriff aufgebrachter Menschen auf die beiden oder gar einen Lynchmord wandten sich die um ihre Sicherheit besorgten Genossen an die Kirche und bekamen Hilfe, obwohl Geistliche und ihre Kinder sowie Gläubige unter den Repressionen der SED und der Stasi, ihres verlängerten Arms, unendlich zu leiden gehabt hatten. Vom 30. Januar bis zum 3. April 1990 gewährte Pfarrer Uwe Holmer dem von ganz oben nach ganz unten katapultierten Ehepaar Asyl in seinem Haus in Lobetal bei Berlin. Rechtsanwalt Wolfgang Vogel, der in DDR-Zeiten unter anderem den viele Millionen Westdevisen einbringenden Freikauf von tausenden Häftlingen durch die Bundesrepublik Deutschland organisiert hatte, bat bei der Kirchenleitung Brandenburg um eine Bleibe für den ehemaligen Partei- und Staatschef und seine Frau und organisierte seinen Umzug in die größte evangelische Behinderteneinrichtung der DDR mit 1200 Bewohnern und 550 Mitarbeitern. Holmer und seine Frau handelten aus christlicher Nächstenliebe, indem sie Margot und Erich Honecker bei sich wohnen ließen, und nahmen auch Anfeindungen wütender Belagerer in Kauf. Das Paar schwieg, als der Pfarrer mit seiner Familie am Abendbrottisch betete. Ob Erich Honecker "Amen" gesagt hat, wurde damals behauptet, ist aber nicht belegt.

Weniger sanft ging das Schicksal mit Honeckers bestem Freund und Verbündeten, dem rumänischen Diktator Nicolae Ceausescu, um. Der von Hofdichtern in übelster stalinistischer Manier als "Führer (Conducator)" "Großer Kommandant", "Titan der Titanen" und "Sohn der Sonne" umschmeichelte Politiker und seine Frau Elena wurden am 25. Dezember 1989, gerade von einem Staatsbesuch in den Iran zurückgekehrt, von einem extra einberufenen Militärgericht nach kurzem Prozess zum Tod verurteilt und sofort exekutiert. Der "Auserwählte", "Irdische Gott" und "Genie der Karpaten" hatte am 21. Dezember 1989 in Bukarest eine Rede gehalten, bei der er wie gewohnt die Jubelrufe seiner Untertanen entgegen nahm. Doch dann kippte die Stimmung. Ceausescu, seine Frau und seine Untergebenen wussten nicht, wie ihnen geschah, als ihnen die ganze Wut der Gequälten, Belogenen und Unterdrückten entgegen schlug. Sie versuchten, in einem Hubschrauber aus der Hauptstadt zu fliehen, wurden aber von der Armee gestoppt. Die schäbigen Metallbetten in einer Kaserne, auf denen das sichtlich erschütterte und um Jahre gealterte Paar in Erwartung des Prozesses nächtigte, wird staunenden Touristen gezeigt. Bilder von dem vor der Erschießungswand liegenden Paar gingen um die Welt. In der DDR, und nicht nur dort, wurde vor "rumänischen Verhältnissen" gewarnt und rechtsstaatliche Verfahren gegen die ehemaligen Machthaber und ihre willigen Helfer gefordert. Blut- und rachedürstenden Mob wollte man nicht auf der Straße haben. Auch das war mit dem Ruf "keine Gewalt" gemeint.

Vom Westen hofiert und dekoriert

Nicolae Ceausescu wurde 1965 Chef der Kommunistischen Partei Rumäniens und übernahm 1974 das Amt des Staatspräsidenten. Da er einen von Moskau relativ unabhängigen Kurs innerhalb des kommunistischen Weltlagers fuhr, hofierten ihn westliche Politiker in der Hoffnung, einen Keil in den Ostblock treiben zu können. Während des Konflikts zwischen der Sowjetunion und dem kommunistischen China behielt Rumänien seine Beziehungen zu Peking weiter und brachte sich damit in einen Gegensatz zu anderen kommunistischen Staaten, die Moskau folgten.1967 nahm Ceausescu diplomatische Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland auf und brüskierte die Führung der DDR um Walter Ulbricht, die diesen Schritt missbilligte. Nach dem Ausbruch des Sechstagekriegs im Nahen Osten 1967 war Rumänien das einzige Land des Warschauer Pakts, das weiterhin diplomatische Beziehungen zu Israel unterhielt. Im August 1968 verweigerte Ceausescu die Teilnahme seiner Truppen an der Niederschlagung des Prager Frühlings und verurteilte sogar bei auf einer Massenveranstaltung in Bukarest die Besetzung der Tschechoslowakei. Ceausescu befand sich zu dieser Zeit auf dem Höhepunkt seiner Popularität nicht nur in Rumänien, sondern auch im Westen, der in ihm eine Art Dissident sah. Im August 1969 besuchte US-Präsident Richard Nixon das Land, Ceausescus Gegenbesuch erfolgte ein Jahr später. Der von westlichen Politikern umschmeichelte Rumäne erhielt 1971 die höchste von der Bundesrepublik Deutschland an Staatsoberhäupter zu verleihende Auszeichnung, die Sonderstufe des Großkreuzes.

Dabei wussten alle oder hätten es wissen müssen, dass Ceausescu an der Spitze einer stalinistischen, auf brutale Unterdrückung durch die Geheimpolizei Securitate mit etwa 40.000 offiziellen und 400.000 inoffiziellen Mitarbeitern und Volksverdummung bauenden Diktatur in einem der ärmsten Länder der östlichen Hemisphäre steht. Mögliche Gegner oder Kritiker ließ er mundtot oder ganz tot machen. Zwischen ostdeutscher Stasi und rumänischer Securitate herrschten, wie konnte es auch anders sein, freundschaftliche Beziehungen. Sein näheres Umfeld besetzte der mächtigste Mann in Rumänien aus Angst vor Widersachern mit Familienmitgliedern. In den letzten Jahren von Ceausescus Herrschaft wurde der jüngste Sohn Nicu als "Thronfolger" eingeführt. Wer dem "Landesvater" treu zu Diensten war, erhielt Orden, Posten und Privilegien.

Personenkult um das Ehepaar Ceausescu

Während die Bevölkerung unter Nahrungsmittel- und Strommangel litt, regierten in Rumänien Vetternwirtschaft und ein zunehmend wahnwitziger Personenkult. Ceausescus Frau Elena, die inoffizielle Nummer zwei des Regimes, stand ihrem Mann in nichts nach. Sie ließ sich als "liebende Mutter der Nation", aber auch als "kühne Wissenschaftlerin und Forscherin, mit internationaler Anerkennung auf dem gesamten Erdball" im Bereich der Chemie und Polymere feiern. Für Elena wurden sogar akademische Titel wie "Dr. der makromolekularen Chemie" und "Acad. Dr. Ing.") erfunden. Verschiedene von anderen Wissenschaftlern verfasste Publikationen wurden unter ihrem Namen veröffentlicht, so dass sich die mit hohen Posten in der Kommunistischen Partei versehene Politikerin als große Wissenschaftlerin, wenn nicht größte Wissenschaftlerin aller Zeiten fühlen konnte, die sie aber nicht war. Als sie am 25. Dezember 1989 mit ihrem Mann vor dem Erschießungskommando stand, soll sie erstaunt gefragt haben, ob die Soldaten nicht wüssten, dass sie ihre "Mutter" ist.

Ausgangspunkt des Aufbegehrens gegen den Diktator war Temeswar nahe der Grenze zu Ungarn. Dort gab es seit dem 16. Dezember 1989 die ersten Demonstrationen, die bald auch andere Landesteile ergriffen und letztlich zum Sturz Ceausescus führten. Die Menschen hatten gehört, was in den anderen Ländern geschieht und dass in Berlin die Mauer gefallen ist, und fassten Mut. Bei seiner Rede am 21. Dezember 1989 im Zentrum von Bukarest kippte die Stimmung. Nachdem er wie gewohnt noch bejubelt wurde, buhten 10 000 Menschen ihren "Gott" aus. Eine Liveübertragung im Fernsehen wurde abgebrochen. Die Geheimpolizei eröffnete auf Ceausescus Befehl das Feuer gegen die Demonstranten. Doch dann weigerte sich das Militär unter Verteidigungsminister Vasile Milea, es der Securitate gleichzutun und ebenfalls in die Menge zu feuern. Am Tag darauf versuchte Ceausescu vom Balkon der Parteizentrale, die Massen zu beruhigen. Doch waren sie so aufgebracht, dass sie begannen, das Parteigebäude zu stürmen. Das Diktatorenpaar entkam mit seinen Leibwächtern in einem Hubschrauber, dessen Pilot sie draußen vor der Stadt aber absetzte. Mit gekaperten Fahrzeugen fuhr die Gruppe weiter nach Targoviste, wo sie von Soldaten der rumänischen Armee festgenommen wurden.

Da die Securitate sich weigerte, die Waffen niederzulegen, wurde Ceausescu am 25. Dezember zusammen mit seiner Frau von einem von General Victor Stanculescu, dem kommissarischen Verteidigungsminister, zusammengestellten Militärgericht unter anderem des Völkermords und der Schädigung der Volkswirtschaft angeklagt, zum Tod verurteilt und unmittelbar darauf exekutiert. Ceausescu soll dabei gerufen haben: "Tod den Verrätern, die Geschichte wird uns rächen", und die Internationale gesungen haben. Solche Schnellverfahren hatte Ceausescu noch vor seiner Festnahme durch die Einsetzung des nationalen Ausnahmezustandes ermöglicht ohne zu ahnen, dass es ihn nun selbst treffen wird.

Unmenschliche Bevölkerungspolitik

Der Prozess und die Exekution des in dicken Mänteln gehüllten Ehepaars wurden gefilmt und mit Aufnahmen der Toten landesweit und international mit der Begründung verbreitet, dadurch die rumänische Armee zu beeinflussen und einem Bürgerkrieg vorzubeugen. Die Leichen wurden nach Bukarest geflogen und am 30. Dezember 1989 insgeheim und unter falschem Namen an verschiedenen Stellen auf dem Ghencea-Friedhof begraben. Als das Ehepaar Honecker davon erfuhr, dürfte ihm die Nachricht furchtbar in die Glieder gefahren sein.

Die Abkehr vom Kommunismus erfolgte in Rumänien im Unterschied zu den anderen Ostblockstaaten einschließlich der DDR nicht friedlich, sondern gewaltsam und blutig. Mehr als eintausend Menschen kamen dabei ums Leben, unzählige wurden bei den Schießereien verletzt. Bis heute geht ein Riss durch die Gesellschaft. Niemand will für das Blutvergießen vor 30 Jahren und die Verbrechen des Ceausescu-Regimes die Verantwortung übernehmen. Alte Kader sitzen, wenn sie nicht in Rente gegangen sind oder schon tot sind, noch an Schalthebeln der Macht, in Betrieben und Verwaltungen. Das Ehepaar Ceausescu hatte bei einer Reise 1971 nach China und Nordkorea den Personenkult um die dortigen Partei- und Staatsführer erlebt und übertrug ihn zielstrebig auf Rumänien.

Das reichte aber Ceausescu nicht aus. Er wollte die Zahl seiner Untertanen von gut 19 Millionen im Jahr 1966 bis zum Jahre 2000 auf 30 Millionen steigern, weshalb er die Fünf-Kinder-Familie propagierte. Verhütungsmittel und schulische Aufklärung zu Verhütung waren bei Strafe verboten, auf Abtreibung standen bis 25 Jahre Gefängnis. Trieben die Frauen ab, durften sie im Falle von Infektionen nicht ärztlich behandelt werden. So starben während der Amtszeit des Diktators rund 10.000 Frauen. Das Ergebnis dieser brutalen Bevölkerungspolitik war zwar eine hohe Geburtenrate, aber viele Familien litten an Hunger und manche verstießen ihre ungewollten Kinder. Noch lange nach dem Ende der Diktatur wirkte sich diese Politik in Form von überfüllten Kinderheimen sowie einer großen Zahl von Straßenkindern ohne Schulbildung und schlechten Zukunftschancen aus.

Gruselgeschichten über Dracula

Lange war in Rumänien über die Verbrechen des kommunistischen Regimes und seines Geheimdienstes der Mantel des Schweigens gebreitet. Anders als in der DDR und im wiedervereinigten Deutschland gab es, von Ceausescus Opfern abgesehen, nur geringes Interesse an juristischer und zeithistorischer Aufklärung und Ahndung. Dreißig Jahre später kommt aber Bewegung in die Dinge, und so wurde 2019 der 30. Jahrestag von Ceausescus Sturz zum Anlass für Aufklärung und Anklage gekommen. Der gerade wiedergewählte Staatspräsident Klaus Johannes hat es versprochen, und die Bevölkerung wird nicht locker lassen, bis er es einlöst. Ob und wie aber die alten Eliten, das heißt die früheren Blutrichter, Kerkermeister, Exekutoren und Spitzel, all die Profiteure und die anderen "willigen Helfer" des Regimes, diesen Weg mitgehen, wird sich zeigen. Im wiedervereinigten Deutschland zog dieser Personenkreis den Kopf ein, und wenn es Gerichtsverfahren gab, dann kamen die Ange-klagten zumeist mit milden Urteilen davon.

In Rumänien ist man fleißig dabei, aus den Gruselgeschichten rund um den Grafen Dracula, den König der Vampire, Geld zu schlagen und den Tourismus anzuheizen. Einer der Orte, wo das gut geht, ist Schloss Bran (deutsch Törzburg) in der Region Siebenbürgen, das angeblich die Residenz des blutsaufenden Untoten gewesen sein soll. Wahrscheinlich hat der walachische Fürst Vlad Tzepes Draculea die malerisch auf einem Berg stehende Burg nie betreten. Der englische Schriftsteller Abraham (Bram) Stocker hatte dem vor langer Zeit in Transsylvanien hausenden Dracula in seinem gleichnamigen Roman aus dem Jahr 1897 ein zweifelhaftes Denkmal gesetzt. Mit dem historischen Vorbild, dem Fürsten Vlad Tzepes (1435-1477), hat diese Figur freilich wenig zu tun. Dessen Vater war Mitglied des Drachenordens, der sich dem Kampf gegen die Türken verschrieben hatte und den Beinamen Dracul (Teufel) führte. Dracula heißt soviel wie Sohn des Dracul. Im Rumänischen ist das gleichbedeutend mit "Sohn des Teufels".

Die Fürstentümer Walachei und Moldau waren im 15. Jahrhundert in Kleinkriege mit den Türken verwickelt. Das ungarisch dominierte Siebenbürgen konnte sich durch eine geschickte Schaukelpolitik und Tributzahlungen lange eine gewisse Unabhängigkeit bewahren. Fürst Vlad Tzepes fiel von der Walachei aus immer wieder in Siebenbürgen ein und sorgte für Unruhe. Er muss ein grausamer Herrscher gewesen sein. Seine besondere Leidenschaft war es, andere Menschen zu quälen und auf bestialische Weise zu töten. Die Literatur über Vlad Tzepes ist voll von schauerlichen Einzelheiten. Wer ihm widersprach, soll er auf einem Pfahl gespießt, also gepfählt worden sein. Angeblich soll der Fürst Geräte zum Zerstückeln, Braten und Sieden lebender Menschen ersonnen und auf seinen Feldzügen Leichenfelder und Wälder von Gepfählten hinterlassen haben.

Da der ungarische König Matthias Corvinus mit einem schrecklichen und unberechenbaren Vasallen wie ihm nichts zu tun haben wollte, wurde der Herrscher über die Walachei 1462 nach Budapest zitiert, wo man ihn unter dem Vorwurf des Paktierens mit den Türken in ein Verlies warf. Um die Gefangennahme zu rechtfertigen, wurden Dokumente gefälscht, die Dracula als Inkarnation des Bösen beschreiben. Was Wahrheit ist und was Dichtung, lässt sich bei einer solch schillernden Figur kaum sagen. Vlad Tzepes ereilte das gleiche Schicksal vieler seiner Gegner. Er wurde von den Türken gefangen genommen und aufgespießt. Indem Bram Stocker ein halbes Jahrtausend später das Thema romanhaft ausmalte, erfand er neue Handlungsorte und Personen erfand, die mit dem historischen Vorbild nichts mehr zu tun hatten. Der Autor kam mit seinem Roman einem weit verbreiteten Interesse an Schauer-, Vampir- und Monstergeschichten entgegen und machte den längst vergessenen Schlächter von der Walachei weltberühmt. Das gilt auch für viele Filme und Romane, die das Thema ebenso genüsslich wie schauerlich dramatisieren.

Aus dem Blutsäufer wurde ein Nationalheld

Unter Nicolae Ceausescu gab es eine Trendwende im Urteil über Vlad Tzepes, der zum Helden des rumänischen Unabhängigkeitskampfes stilisiert wurde. Von Blutsäuferei und Bäumen mit aufgespießten Feinden war jetzt keine Rede mehr. Der Partei- und Staatschef gab 1979 sogar einen Monumentalfilm über den "Pfähler" in Auftrag. Unter dem Titel "Das wahre Leben des Fürsten Dracula" war dieser Historienschinken auch in der DDR zu sehen. Ceausescu machte sein Vorbild zu einer allgegenwärtigen Figur in der rumänischen Literatur, Geschichtsschreibung und im Schulunterricht mit dem Hintergedanken, den Ruhm eines starken, tatkräftigen Staatenlenkers auf sich selber zu lenken. Rumänische Historiker waren angehalten, die Grausamkeiten des Fürsten entweder zu bagatellisieren oder als Beweis für seine strenge, aber gerechte Herrschaft zu loben. Es wurde nichts unversucht gelassen, den Namen Dracula für Teufel umzudeuten. So hat man seinen Namen mit dem serbischen Vornamen Dragan in Verbindung gebracht, der so viel wie Liebling bedeutet. Das Diminutiv Dracula wurde als "Kleiner Liebling" für den widerwärtigen Personenkult um Ceausescu instrumentalisiert, den angeblichen Liebling oder geliebten Sohn des rumänischen Volkes.

Nicolae Ceausescu, eitel wie er war und auf Einnahmen durch Touristen aus aller Welt erpicht, baute das der ehemaligen rumänischen Königsfamilie enteignete Schloss Bran in eine Touristenattraktion aus. Der wenigste Teil der Einnahmen dürfte seinen in Armut lebenden Untertanen zugute gekommen sein. Ob sich der wie in einer Blase lebende Partei- und Staatschef selber wie Dracula als Nationalheld und Freiheitskämpfer fühlte, ist nicht überliefert. Im Jahr 2006 wurde das unter Denkmalschutz stehende Schloss an Vertreter der früheren österreichischen Herscherfamilie Habsburg zurückgegeben. Der rumänische Staat schlug deren Angebot aus, das pittoreske Anwesen für 80 Millionen US- Dollar zu kaufen, weshalb die alten und neuen Eigentümer im Schloss Bran 2009 als Museum eröffneten, wo Kunstobjekte, Möbel und Andenken aus der langen Familiengeschichte zu sehen sind. Außerdem kann man hier für viel Geld auch übernachten.

23. Dezember 2019

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