Liebe und Liebelei im goldenen Käfig
Wenn es ums Heiraten in der preußischen Herrscherfamilie ging, waren die Hohenzollern sehr konservativ



König Friedrich Wilhelm II. von Preußen war alles andere als ein Kind von Traurigkeit, er amüsierte sich lieber mit seinen Frauen "zur linken Hand" als das das Land ordentlich zu regieren. Die Medaille von 1786 vergleicht ihn anlässlich seiner Thronbesteigung mit der aufgehenden Sonne.





Alexander von der Mark sowie Friedrich Wilhelm Graf von Brandenburg, dargestellt auf einem von Johann Gottfried Schadow beziehungsweise auf einer Medaille von 1850 zum Tod des preußischen Generals und Ministerpräsidenten, waren illegitime Kinder von König Friedrich Wilhelm II. und damit mit der Hohenzollernfamilie verwandt.



In der Ehe von Wilhelm I. von Preußen und Augusta, einer geborenen Prinzessin von Sachsen Weimar und Eisenach, soll es nicht ohne Konflikte zugegangen sein. Unstreitig ist, dass ihre Kinder der Dynastie ebenbürtig sind. Der gemeinsame Sohn wurde 1888 Kaiser und war Vater von Wilhelm II., die Tochter Luise war mit dem Großherzog Friedrich von Baden verheiratet. Dieser brachte am 18. Januar im Spiegelsaal des Schlosses Versailles ein "Hoch" auf Kaiser Wilhelm I., seinen Vater aus. Die Büste rechts erinnerft an den ersten Besuch des Prinzen und späteren Kaisers Wilhelm I. in Heringsdorf im Jahr 1820.





In Liebe vereint sind Wilhelm I. und Augusta auf der Hamburger Medaille von 1879 auf ihre Goldene Hochzeit sowie Prinz Wilhelm (II.) und August Viktoria, geborene Prinzessin von Schleswig-Holstein-Sondenburg-Augustenburg, auf der Hochzeitsmedaille von 1881.



Hinter der schönen Fassade, die Familienbilder suggerieren wollen, verlief das Eheleben des kaiserlichen Paar nicht ohne Konflikte. (Fotos/Repros: Caspar)

Standesgemäßes Heiraten und männliche Thronerben bekommen, waren in alten Zeiten in Herrscherfamilien ein ganz großes Thema. Um die Thronfolge wurden vor Jahrhunderten blutige Kriege geführt, und es gab langwierige Verhandlungen, bis Prinzen und Prinzessinnen einander das Ja-Wort geben konnten. Nicht immer spielte bei solchen Verbindungen gegenseitige Zuneigung und Liebe eine Rolle, vielmehr ging es in dem goldenen Käfig um die Frage, ob Religionen zueinander passen und ob man auf "Augenhöhe" heiratet. Unstandesgemäße Verbindungen waren nicht statthaft, haben es bisweilen gegeben, wie die Ehe des Fürsten Leopold I. von Anhalt-Dessau zeigt.

Als "Alter Dessauer" diente der Herr über ein kleines, aber wirtschaftlich florierendes Fürstentum in der preußischen Armee und brachte es dort bis zum Generalfeldmarschall. Gegen den Willen seiner Mutter und Familie heiratete Leopold seine Jugendliebe Anna Luise, die Tochter des Dessauer Hofapothekers Föhse. Gegen Zahlung von 92.000 Talern hat der mit finanziellen Schwierigkeiten wegen der gerade tobenden Kriege kämpfende Kaiser Leopold I. die schöne Dame zur Reichsgräfin erhoben. Anna Luise war als Regentin tätig, wenn ihr Gatte auf Feldzügen war. Sie verstand sich gut mit ihrer fürstlichen Schwiegermutter und der preußischen Königsfamilie. Ihr Aufstieg auf den Dessauer Fürstenthron war zu ihrer Zeit Gegenstand der Klatschpresse, und es wurden auch Theaterstücke über ihr Leben verfasst.

Ehe zur linken Hand

Während bei "Preußens" unstandesgemäße Hochzeiten verboten waren, hat man solche zur "linken Hand" und außereheliche Beziehungen samt Kindersegen durchaus geduldet. Auf diesem Gebiet war der "dicker Wilhelm" genannte Friedrich Wilhelm II. aktiv. Die vom Nachfolger Friedrichs II. mit mehreren Mätressen gezeugten Kinder waren zwar nicht standesgemäß, am Hungertuch aber mussten sie und ihre Mütter nicht nagen, und sie erhielten auch eine gute Ausbildung. Vergleichbar ist dies mit den Kindern, die der sächsische Kurfürst und König von Polen August der Starke und weitere Standesgenossen hatten. Einer der illegitimen Söhne Friedrich Wilhelms II. Preußen war Friedrich Wilhelm Graf von Brandenburg, den Friedrich Wilhelm II. mit der Gräfin Sophie von Dönhoff hatte. Er legte eine steile militärische Karriere hin und brachte es bis zum Kommandierenden General und nach der gescheiterten Revolution von 1848/49 zum preußischen Ministerpräsidenten. Das Kabinett Brandenburg-Manteuffel leitete ganz im Sinne von Friedrich Wilhelm IV. eine Phase der Reaktion ein, in der alles, was in Preußen nach Liberalismus und Demokratie roch, bekämpft wurde.

Ein anderes illegitimes Kind von Friedrich Wilhelm II. war Alexander Graf von der Mark. Der mit Wilhelmine Encke-Rietz, der späteren Gräfin Lichtenau, gezeugte Knabe starb bereits 1787 im zarten Alter von fast neun Jahren. Am Berliner Hof wurde gemunkelt, dass er vergiftet wurde, um ihn als möglichen Erben seines Vaters auszuschalten. Die wahre Todesursache für den Jungen, der kein richtiger Prinz war, wird man nie erfahren. Da er den Hohenzollern nicht ebenbürtig war, konnte er diesen auch nicht gefährlich werden. Fest steht nur, dass der königliche Vater um dieses besonders geliebte Kind sehr getrauert hat.

Parzen durchtrennen den Lebensfaden

Zur Erinnerung an den Knaben ließ er ein aufwändig gestaltetes Grabmal in der Dorotheenstädtischen Kirche zu Berlin errichten. Schöpfer war der Berliner Bildhauer Johann Gottfried Schadow, dem wir unter anderem die Quadriga vom Brandenburger Tor, die Marmorgruppe der aus Strelitz stammenden und mit Preußenprinzen verheirateten Prinzessinnen Luise und Friederike, ein Denkmal Friedrich II. und von Luther sowie mehrere Feldherrendenkmäler und andere bedeutende Werke verdanken.

Das marmorne Grabmal des kleinen Grafen von der Mark ist eines der bedeutendsten Werke dieses Künstlers. Umfassend restauriert, befindet es sich im dritten Ausstellungsgeschoss der Alten Nationalgalerie auf der Berliner Museumsinsel. Der Entwurf geht auf den Berliner Hofbildhauer Antoine Tassaert zurück, der 1788 starb. Sein Nachfolger, der erst 24jährige Schadow, wurde vom König mit der Ausführung beauftragt. Es entstand ein wahres, sorgsam bis in die letzten Falten gearbeitetes Meisterwerk. Verwendet wurden weiß-rötlicher und grauer Marmor aus Schlesien, den man als "vaterländisches" Gestein schätzte, sowie weißer carrarischer Marmor. Das Grabmal zeigt oben in einem Rundbogen drei antike Parzen. Zwei dieser Schicksalsgöttinnen spinnen und durchtrennen den Lebensfaden, die dritte liest im Buch des Schicksals. In der Mitte ruht der kleine Graf von der Mark, ein Schwert in der Hand haltend, als würde er schlafen. Das Relief auf dem Sarkophag zeigt, wie der langbärtige Zeitengott Chronos den Knaben in die Unterwelt entführt. Der aber wehrt sich und möchte im Diesseits bleiben. Vergeblich bittet er die thronende Minerva um Hilfe, die einen Adlerschild hält und daher als Borussia zu deuten ist. Auf den schmalen Seitenflächen sind der Genius des Todes und der Genius des Schlafes als geflügelte Jünglinge dargestellt, kenntlich an einer gesenkten Fackel und einer Mohnpflanze.

Ebenbürtig oder nicht standesgemäß

Als das Grabmal des Grafen von der Mark im Jahr 1790 von Schadow vollendet und signiert war, hat man es in einer Nische der Kirche aufgestellt. In seinem Erinnerungsbuch "Kunstwerke und Kunstansichten" erzählt der Bildhauer, dass die Gräfin Lichtenau gekommen sein und die Figur ihres Sohns geküsst habe. Jahre später, nach dem Tod ihres königlichen Geliebten und Beschützers, musste sie allen Hass und Verachtung der Hohenzollernfamilie über sich ergehen lassen. Eine achteckige Schrifttafel über der Liegefigur verkündet, dass hier Alexander Graf von der Mark bestattet ist, "begleitet von den Tränen des Vaters, mit ungewöhnlichen Tugenden geschmückt, in edlen Künsten frühzeitig unterrichtet". Dass der Junge möglicherweise aus dem Weg geräumt wurde, weil er der Hohenzollernclique im Wege stand, bleibt unerwähnt. Da die Inschrift lückenhaft war, hat ein Bronzegießer bei der Restaurierung verschiedene Buchstaben neu gefertigt.

Im Hause Hohenzollern wurde streng auf Etikette und Tradition geachtet, hier waren die Verästelungen der Stammbäume wichtiger als Liebesharmonie und eheliches Glück. Als etwa der spätere Kaiser Wilhelm II. die Prinzessin Auguste Viktoria von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg ehelichen wollte, hielt dies der Chef der Dynastie stehende Großvater Kaiser Wilhelm I. zunächst für unmöglich, weil die Dame in seinen Augen angeblich den Hohenzollern nicht ebenbürtig ist und der Krieg Preußens um Schleswig-Holstein von 1864 noch nicht vergessen war. Erst als Historiker und Juristen nachwiesen, dass es sich durchaus um zwei ebenbürtige Familien handelt, willigte der alte Kaiser ein.

Kirchen-Juste an der Seite vom Reisekaiser

Kaiserin Auguste Viktoria, die Gemahlin des wegen seiner vielen Reisen auch Reisekaiser genanten Wilhelm II., ging in die Geschichte als "Kirchen-Juste" wegen ihrer Mühen um den Bau von evangelischen Gotteshäusern ein. Dabei muss dem alten Wilhelm I. noch lebhaft in Erinnerung gewesen sein, dass er selber in jungen Jahren aus dynastischen Gründen auf seine Herzensdame Prinzessin Elisa Radziwill verzichten musste, die ungeachtet entfernter verwandtschaftlicher Beziehungen ganz und gar nicht in die Familie Hohenzollern zu passen schien. Weil es die Ehegesetze so verlangten, verzichtete Prinz Wilhelm auf seine Jugendliebe. Ein Konkubinat kam für ihn, der wegen der Kinderlosigkeit seines älteren Bruders Friedrich Wilhelm IV. zum Thronfolger auserkoren war, nicht in Frage.

Die mit der Weimarer Prinzessin Augusta eingegangene Ehe soll nicht konfliktfrei verlaufen sein, die Sprösslinge waren aber standesgemäß, und das allein zählte. Der mit der englischen Prinzessin Viktoria vermählte älteste Sohn Friedrich Wilhelm beerbte 1888 als Kaiser Friedrich III. seinen Vater, saß aber wegen eines unheilbaren Krebsleidens nur 99 Tage auf dem Thron. Niemand weiß zu sagen, wie die Geschichte verlaufen wäre, wenn er länger hätte regieren können und sein Sohn Wilhelm II. nicht noch im selben Jahr an die Macht gelangt wäre.

Auch heute heiraten Angehörige des vormaligen Königshauses in der Regel Prinzen oder Prinzessinnen, deren Familien früher einmal Throne besetzt hatten. Und sollte jemand doch ausscheren und "unterm Stand" ehelichen, greift auch ein uraltes Hausgesetz und es sind innerfamiliäre Sanktionen nicht ausgeschlossen. So kann es auch schon mal vorkommen, dass ein Chef des Hauses Hohenzollern diese herausragende Stufe verlassen muss, sollte er "nur" eine einfache Adlige oder gar Bürgerliche heiraten.

30. April 2019

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