Wählte Ungnade, wo Gehorsam ehrlos war
Johann Friedrich von der Marwitz ließ sich von Friedrich dem Großen nicht als Kunsträuber missbrauchen



Die Flucht des preußischen Kronprinzen Friedrich und seines Freundes Katte vor der Despotie des Sodatenkönigs schlug gründlich fehl, und die Konsequenzen waren schrecklich. Holzstich von Adolph Menzel 1840



Friedrich, über den das Schloss Köpenick tagende Kriegsgericht nicht urteilen wollte, musste der Hinrichtung von Katte in Küstrin zusehen. Er bestieg 1740 den preußischen Thron als Friedrich II. und regierte das Land bis 1786. Farbige Grafik um 1900



Von seinen Generalen, Offizieren und allen anderen Untertanen verlangte Friedrich II. Gehorsam und unverbrüchliche Treue, aber auch Verzicht auf jedgliches Räsonnieren über Sinn und Zweck seiner Befehle. Wer aus der Reihe Tanzte, riskierte Karriere, Freiheit und leben. Holzstich von Adolph Menzel 1840



Die satirische Grafik geißelt das Wüten preußischer Marodeure im Siebenjährigen Krieg.





Der Plünderung des Charlottenburger Schlosses (oben) folgte prompt die Zerstörung des Schlosses Hubertusburg durch preußische Soldaten. Holzstiche von Adolph Menzel 1840



Der Mut des Hubertusburg-Marwitz in der Kirche zu Friedersdorf in schwungvoller Schrift gelobt.



In dem kursächsischen Palast wurde 1763 der Frieden von Hubertusburg ausgehandelt und unterzeichnet. Mit ihm endete der Siebenjährige Krieg. Die Gedenkmedaille mit der Ansicht des Schlosses Hubertusburg und sowie der Allegorie des Friedens und der Inschrift "Nunica pacis jam redire audet Germanie pacata" (Schon wagt die Botin des Friedens zurückzukehren (in) das befriedete Deutschland) wurde 1763 geprägt. (Fotos/Repros: Caspar)

Die Hohenzollern verlangten von ihren Beamten, Militärangehörigen und allen anderen Untertanen unbedingte Loyalität und pünktliche Befolgung ihrer Befehle, auch wenn sie noch so absurd sind. Wer sich den Kurfürsten von Brandenburg und Königen von Preußen nicht unterordnete sondern, bildlich gesprochen, aus der Reihe tanzte, hatte mit Konsequenzen zu rechnen. Über Befehle und Edikte des Königs wurde höchstens hinter vorgehaltener Hand diskutiert. Subordination unter den Willen des Landesherrn galt auch für Mitglieder der eigenen Herrscherfamilie. So stand das Leben des Kronprinzen Friedrich auf der Kippe, der es gewagt hatte, mit seinem Freund, dem Leutnant Hans-Herrmann von Katte, der Gewalt des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I. zu entfliehen und von dessen Häschern gefasst wurde.

Während der vor ein Kriegsgericht gestellte Katte am 6. November 1730 in Küstrin wegen Fahnenflucht geköpft wurde, kam der spätere König Friedrich II. mit dem Leben davon. Wenn es nach dem König gegangen wäre, hätte es Katte wegen des begangenen Majestätsverbrechens verdient, "mit glühenden Zangen gerissen und aufgehänget zu werden." Nur mit Rücksicht auf seine Familie blieben dem 26-jährigen Offizier diese Qual und der Tod am Galgen erspart. Vor der Hinrichtung wurde Katte mitgeteilt, dass es Seiner Königlichen Majestät leid täte, "es wäre aber besser, dass er stürbe, als dass die Justiz aus der Welt käme".

Kronprinz entging dem Henker

Der mit dem Tod bedrohte, verzweifelte Kronprinz musste der Exekution seines Freundes Katte in Küstrin zusehen und gab sich zerknirscht und reumütig. Das im Schloss Köpenick tagende Kriegsgericht sah sich außerstande, über den des Hochverrats und der Fahnenflucht angeklagten Kronprinzen zu urteilen und legte dessen Schicksal in die Hand des Vaters. Dieser ließ sich erweichen und gewährte Gnade vor Recht, sicher auch in Erwägung der Folgen, die ein Todesurteil über den eigenen Sohn für sein Ansehen in der europäischen Fürstenfamilie gehabt hätte. Denn in schlechter Erinnerung war damals, dass Zar Peter der Große seinen ihm bei der Modernisierung Russlands im Wege stehender Sohn Alexej nicht nur von der Thronfolge ausschloss, sondern vor ein Sondergericht stellen ließ, das ihn am 5. Juli 1718 zum Tode verurteilte. Bevor sich Peter sich zur Vollstreckung durchgerungen hatte, verstarb der Zarewitsch am 7. Juli 1718 in der Peter-und-Paul-Festung, angeblich an den Folgen eines Herzinfarkts, den er bei der Verkündung des Urteils erlitten hatte. Aufzeichnungen von damals legen nahe, dass er an den Folgen von Folter gestorben war.

Kronprinz Friedrich musste sich in Küstrin und Ruppin (Neuruppin) als Verwaltungsbeamter und Offizier bewähren und lernte viel, was er ab 1740 als König gebrauchen konnte. In Rheinsberg schuf er sich, nachdem er die Gnade seines Vaters wieder erlangt hatte, einen kleinen Musenhof, den später sein jüngerer Bruder Heinrich übernahm und weiter ausbaute. Weit von seinem despotischen Vater entfernt, verlebte Friedrich hier im Kreise kluger Freunde nach eigenem Bekunden und ganz ohne Sorgen seine schönsten Jahre.

Widerwärtiger Befehl wurde ignoriert

Auch wenn Friedrich II. seine Generalen und Offizieren im Siebenjährigen Krieg vor schwierigen Schlachten fragte, ob sie bei ihm bleiben oder ihn verlassen wollen, hat sich niemand getraut, diesem nur rhetorisch gemeinten Anerbieten zu folgen. Als Kanonenfutter missbrauchte Soldaten ergriffen die Flucht, wo immer ihnen sich Gelegenheit bot. Schmach bis in alle Ewigkeiten wäre ihm und seiner Familie gewiss gewesen. Dennoch traute sich Oberst Johann Friedrich Adolf von der Marwitz, einen widerwärtigen Befehl seines Königs zu ignorieren. Der Mann, dem die Nachwelt einen ganz besonders festen Charakter bescheinigte, war 1723 auf Schloss in Friedersdorf (Landkreis Märkisch-Oderland) geboren und schlug das Mitglied der weit verzweigten Familie derer von der Marwitz die Karriere eines Soldaten ein. Da er von Adel war, stieg er in der militärischen Hierarchie auf und wurde im Siebenjährigen Krieg (1756-1763) vor eine schwierige Entscheidung nicht um Leben oder Tod gestellt.

Mitten in diesem letzten und entscheidenden Krieg um die zum österreichischem Herrschaftsgebiet gehörenden schlesischen Herzogtümer war die aus Sachsen, Russen und Österreichern bestehende Militärallianz bis nach Berlin und in das Schloss Charlottenburg vorgedrungen, eine der vielen Residenzen Friedrichs II. Die fremden Soldaten fügten dem königlichen Schlossbesitzer schmerzhafte Verluste durch Kunstraub und Vandalismus zu. Sie taten allerdings nur das gleiche, was sich preußische Soldaten schon vorher in Sachsen erlaubt hatten, Befehle von ganz oben, also vom König selbst, ausführend.

Preußen und Sachsen am Rand des Abgrundes

Als Friedrich II. am 29. August 1756 mit seinen Truppen in Kursachsen einmarschierte, war nicht abzusehen, dass dieser so genannte dritte Schlesische Krieg sieben Jahre dauern und sowohl Preußen als auch das Reich des sächsischen Kurfürsten Friedrich August II., der sich als König von Polen August III. nannte, an den Rand des Abgrundes bringen würde. Der preußische König fühlte sich zur Eröffnung der Kampfhandlungen ermuntert, weil Frankreich und England seit 1755 einen Krieg um ihre amerikanischen Kolonien führten, und er durch seine Spione erfahren hatte, dass Österreich mit seinen Verbündeten das in den Kriegen 1740 bis 1742 sowie 1744 und 1745 eroberte Schlesien Preußen wieder abjagen will. So entschloss er sich zu einem gewagten Präventivschlag und stand mit seinem Land in den folgenden Jahren mehrfach am Rand des Abgrundes.

Kaum waren preußische Truppen in Kursachsen einmarschiert, ließ Friedrich II. die Besitzungen seines Intimfeindes, des mit List und Tücke vom Pagen zum kurfürstlich-sächsischen und königlich-polnischen Premierministers, Kammerpräsidenten und Inspektor sämtlicher Kassen aufgestiegenen Reichsgrafen Heinrich von Brühl, plündern und setzte eine Hetzkampagne ohnegleichen gegen diesen seinen Intimfeind in Gang. Bis heute ist das von Hass und Verzerrung geprägte Bild des Standesherrn von Pförten (heute Brody, Polen) durch die von Friedrich II. und weiteren Autoren in Umlauf gesetzten Geschichten geprägt. Das Schloss des Grafen Brühl in Pförten und alles andere, was an den Emporkömmling erinnerte, wurden zerstört.

König war rasend in seiner Rache

Damit aber nicht genug, denn Friedrich II. war rasend in seiner Rache. Den Befehl für den Angriff auf das das prächtig ausgestattete kurfürstliche Jagdschloss Hubertusburg bei Wermsdorf erhielt Johann Friedrich Adolf von der Marwitz. Theodor Fontane widmete dem "Hubertusburg-Marwitz" in seinen "Wanderungen durch die Mark Brandenburg ehrende Worte. Im Abschnitt "Das Oderland" schreibt er, der König habe nicht vergessen, dass sächsische Truppen 1759 das Schloss Charlottenburg geplündert hatten. Voll Begier nach Revanche habe er, der König, nach dem Rücken seiner Soldaten in Sachsen sofort Befehl, Schloss Hubertusburg bei Wermsdorf zu zerstören. "Der Befehl zur Ausführung traf unsern Marwitz, der damals Oberst war. Dieser schüttelte den Kopf. Nach einigen Tagen fragte ihn der König bei Tisch, ob Schloss Hubertusburg ausgeplündert sei? ,Nein', erwiderte der Oberst. Eine halbe Woche verging und der Königwiederholte seine Frage, worauf dieselbe lakonische Antwort erfolgte. ,Warum nicht?' fuhr der König auf. ,Weil sich dies allenfalls für Offiziere eines Freibataillons schicken würde, nicht aber für den Kommandeur von Seiner Majestät Gensdarmes.'" Der König sei von der Tafel entrüstet aufgestanden und habe den Obersten Quintus Icilius beauftragt, der darauf das Schloss "rein" ausplünderte, wie Fontane schreibt. Mut zum Widerspruch

Der König bestrafte den mutigen Oberst von der Marwitz mit Nichtachtung. Dieser versuchte mehrfach, seinen Abschied aus der Armee zu bekommen, und musste stattdessen immer wieder Kränkungen durch seinen Oberbefehlshaber erdulden. Erst 1769 genehmigte Friedrich II. sein Gesuch. Da war der Hubertusburg-Marwitz 46 Jahre alt. Was folgte, entsprach nicht seinem ruhmreichen Anfang, schreibt Fontane. Der Gutsherr wurde zum Spieler, er tafelte mit großem Aufwand und trank mit seinen Kumpanen oft und viel. Als er 1781, noch zu Lebzeiten seines königlichen Oberbefehlshabers, starb, hat man ihn in Friedersdorf zu Grabe getragen. Sein Mut zum Widerspruch ist auf einer Grabplatte vermerkt, die Jahrhunderte in der Friedersdorfer Kirche überdauerte und heute restauriert besichtigt werden kann. Darauf steht in schwungvollen Buchstaben geschrieben: "Johann Friedrich Adolf. Er sah Friedrichs Heldenzeit und kämpfte mit ihm in allen seinen Kriegen wählte Ungnade wo Gehorsam nicht Ehre brachte." - ein prägnantes Zitat, das für charakterliche Stärke steht. Dem militärischen Widerstand gegen Hitler diente die trotzige Haltung des preußischen Offiziers als Vorbild, aber auch heute wird das Zitat immer wieder verwendet.

Das Schloss Hubertusburg wurde von einem Vertrauten des preußischen Königs ausgeplündert, dem aus einer Hugenottenfamilie stammende Offizier Karl Theophil Guichard, den Friedrich II. Quintus Icilius nannte. Zum Dank bekam der Führer eines Freibataillons das Schloss vom König geschenkt, verkaufte es aber gleich wieder. So zu Geld gekommen, konnte er das Gut Wassersuppe bei Rathenow erwerben. Als ausgezeichneter Kenner der Militärgeschichte blieb er Gesellschafter des Königs sowie Betreuer von dessen Bibliothek. 1769 zum Oberst befördert, verband er sein Wissen mit der Kenntnis der alten Sprachen. Nach seinem Tod 1775 erwarb der König Guichards 5.600 Bände umfassende Bibliothek für 12.000 Taler, die eine eigene Abteilung der Königlichen Bibliothek zu Berlin bildeten und heute zum Bestand der Staatsbibliothek zu Berlin gehören.

Frieden von Hubertusburg beendete elend langen Krieg

Im Schloss Hubertusburg wurde Anfang 1763 der nach diesem benannte Frieden beschlossen. Die Unterschriften leisteten nicht die beteiligten Herrscher, sondern untergeordnete Beamte, die sich in dem ausgeplünderten Palast ausgesprochen unwohl fühlten, wie Zeitgenossen berichteten. Vom ehemaligen Glanz des Schlosses zeugt heute nur noch die unversehrt erhaltene Kapelle, alle anderen Raumausstattungen gingen 1761 verloren. Mit dem am 15. Februar 1763 ging der Name des Schlosses in die europäische Geschichte ein. Im südlichen Flügel fanden die Verhandlungen zwischen Sachsen, Preußen und Österreich statt, da die Räume im Hauptschloss wegen der Plünderung nicht mehr benutzbar waren. Das Ende des Siebenjährigen Krieges bedeutete auch das Ende des sogenannten "Augusteischen Zeitalters" für Sachsen. Schon wenige Monate nach der Unterzeichnung des Friedensvertrages starb der sächsische Kurfürst und polnische König Friedrich August II./August III. am 5. Oktober 1763. Der Preußenkönig überlebte seinen Gegner um 23 Jahre. Sachsen und Preußen brauchten Jahrzehnte, bis sie sich von den Folgen des Siebenjährigen Kriegs erholt hatte.

Die Familie von der Marwitz blieb bis Ende des Zweiten Weltkrieges Besitzer des Gutes Friedersdorf südlich von Seelow, wurde aber im Rahmen der Bodenreform enteignet. 1956 wurde das Schloss, das den Zweiten Weltkrieg fast unbeschädigt überstanden hatte, als angeblicher Hort der Reaktion gesprengt. 1990 kehrte mit Hans-Georg von der Marwitz, ein Enkel des 1945 vertriebenen Besitzers, zurück und begann auf zurückgekauften und gepachteten Flächen mit einem Landwirtschaftsbetrieb.

23. März 2019

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