Vom Vorleser zur Persona non grata
Baron von Pöllnitz verscherzte sich durch Charakterschwäche und Untreue die Gunst Friedrichs II. von Preußen



Friedrich II., den man seit dem Siebenjährigen Krieg einen "Großen" nannte, wird auf einer kostbaren Tabaksdose aus Porzellan gefeiert.



An seiner Tafel hielt der König von Preußen lange, ermüdende Monologe zu immer den gleichen Themen im Beisein illustrer Gäste wie Voltaire, dargestellt auf dem Holzstich von Adolph Menzel aus dem Jahr 1840. Baron Pöllnitz und andere Gäste waren hier derben Späßen ausgesetzt.



In London erschienen Pöllnitz' Reisebeschreibungen sowie posthum in Berlin "Memoiren" zur Geschichte der ersten vier in Preußen regierenden Könige. Die Einkünfte reichten nicht aus, um den Lebensunterhalt des Schriftstellers, Abenteurers und Spielers zu bestreiten. Als er 1775 verarmt in Berlin starb, weinten ihm, einem Bonmot seines ehemaligen Arbeitgebers Friedrich II. zufolge, nur seine Gläubiger Tränen nach.



Preußens berühmter König war sehr auf sein internationales Renommee bedacht. Zahlreiche Schreiber, Maler und Grafiker verbreiteten seinen Ruhm, und er hatte auch nichts dagegen, dass man sein Genie und seine Größe in Bild und Schrift pries. Der Kupferstich zeig eine Auffahrt des Königs in Berlin.



Friedrich II. nahm Pöllnitz übel, dass er Gerüchte um die angeblich giftmörderische Kurfürstin Sophie Dorothea, Gemahlin des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg in Umlauf gesetzt hat. Nichts ist beweisen, aber die Legende lebt. Medaille aus dem Jahr 1670



Spielsucht und die Lottomanie waren im 18. Jahrhundert stark verbreitet und hat manches Leben zerstört. Der durch seine erotischen Abenteuer bekannt gewordene Giacomo Girolamo Casanova blitzte mit übertriebenen Versprechungen über Einkünfte durch das Lottospiel bei Friedrich II. ein Jahr nach dem Siebenjährigen Krieg ab. (Fotos/Repros: Caspar)

Am preußischen Hof in Berlin und Potsdam, und nicht nur hier, trieben im 18. Jahrhundert zwielichtigen Personen ihr Unwesen - Goldmacher und Wunderheiler, Sterndeuter, Wahrsager und Geisterseher, Heilsbringer, Witwentröster und Kraftmeier. Manche brachten es zu Ministern und Feldmarschällen, andere landeten am Galgen oder im Gefängnis. Der umtriebige Baron Karl Ludwig von Pöllnitz (1692 bis 1775) schaffte es bis an illustre Tafelrunde Friedrichs II., des Großen, und war ihm zeitweilig als Vorleser zu Diensten. Aus altadliger Familie stammend und auf den Familiengütern bei Berlin lebend, ging er in jungen Jahren zum Militär, wie es bei Männern seines Standes üblich war, war da aber nicht sonderlich erfolgreich. Ihn zog es hinaus in die weite Welt, wo er an verschiedenen fürstlichen Höfen sein Glück zu machen suchte.

Seinen nicht sehr verlässlichen Memoiren zufolge, hielt sich Pöllnitz in Madrid, London, Warschau, Rom und Sizilien auf. Am kurfürstlichen Hof in Hannover verlor der Glücksritter am Spieltisch sein gesamtes Geld und zog weiter an den königlichen Hof in Paris und Versailles. Um dort seine gesellschaftliche Lage zu verbessern, trat er 1717 zur katholischen Kirche über, und er hatte auch später kein Problem, mehrfach die Konfession zu wechseln. Inzwischen hatte man auch an der Seine erkannt, was für ein "schräger Vogel" dieser Pöllnitz ist, und war froh, dass er weiter nach Polen und Sachsen zog, was damals sehr umständlich und teuer war. Wo immer er auf tauchte, fiel er durch seine Spielsucht auf und kam wegen unbezahlter Rechnungen mehrmals ins Gefängnis. Um sich aus der Schuldenfalle zu retten, wollte er eine reiche Witwe heiraten, die aber noch vor der Vermählung starb, so dass er weiterhin mittellos da stand. Immer auf der Suche nach einer lukrativen Anstellung soll er sich angeblich in Rom dem Papst zu Füßen geworfen haben in der Hoffnung auf eine gut dotierte Stelle als Priester. Doch waren alle Mühen umsonst.

Reiseberichte quer durch Europa

Dann aber verlegte sich der wortgewandte Pöllnitz auf das Schreiben seiner Memoiren und von Klatschgeschichten. Mit seinen fantasievoll ausgemalten Berichten seiner Reisen quer durch Europa hatte er Erfolg. Sie wurden gern gelesen, weil man damals kaum aus seinem Wohnort fort kam und neugierig auf andere Länder war. Manche Historiker sehen in den Büchern einen Vorläufer der Reiseliteratur, die Karl Baedecker im 19. Jahrhundert sprichwörtlich machten, aber weitaus zuverlässiger als die Machwerke des Karl Ludwig von Pöllnitz waren. Dessen wohl größter Erfolg war "La Saxe Galante" aus dem Jahr 1734 über die Liebschaften von August dem Starken. Darüber hinaus nahm er seine Leser auf Reisen in damals feine und teure Badeorte wie Spa und Aachen, wo sich reiche Leute mit Glückspiel und Amouren die Zeit vertrieben.

In einer Fortsetzung seiner Memoiren schilderte aus eigenem Erleben die Zustände am Berliner Hof zur Zeit von König Friedrich I. Inzwischen wieder einmal protestantisch geworden, errang Pöllnitz die Gunst von des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I., der ihn zum Kammerherrn und Mitglied des Tabakskollegiums machte, einem aus Offizieren bestehenden Sauf- und Rauchklub, in dem Hofnarren und Leute wie Pöllnitz zur Unterhaltung beitragen mussten und, wie der berühmte Gelehrte Jacob Paul von Gundling, so sehr gepeinigt und erniedrigt wurde, dass er Reißaus nahm, aber bald wieder in die Fänge des Königs von Preußen geriet und 1731 in Bornstedt bei Potsdam, um ihn noch im Tod zu entehren, in einem Weinfass bestattet wurde.

Mann von unruhiger Gemütsart

Nach dem Tod des Soldatenkönigs übernahm dessen 1740 auf den Thron gelangter Sohn Friedrich II., der Große, den geschwätzigen und welterfahrenen Plauderer. Früheren Widerwillen überwindend und immer auf der Suche nach witzigen Leuten, erhöhte er den kargen Lohn des Barons als Kammerherr auf über tausend Taler. Viel Freude an seinem Gesellschafter hatte der "Philosoph von Sanssouci" nicht. Umgekehrt war der zum königlichen Oberzeremonienmeister ernannte Pöllnitz gelegentlich an der Tafelrunde Opfer derber Scherze. Frustriert wie er war, wollte er den Dienst quittieren. Doch bat der König ihn in einem Brief vom 11. März 1744, diesen Schritt noch einmal zu überdenken. "Sie sind von unruhiger Gemütsart, um jemals irgendwo ruhig leben zu können. Haben Sie es bei mir nicht aushalten können, wo Sie einen Herrn hatten, der Ihnen wohlwollte und Beweise seines Wohlwollens gegeben hat, wie wollen Sie es in einem Kloster aushalten, in dem Sie sich in Pension begeben wollen? […] Übrigens sind Sie Ihr eigner Herr. Gehen Sie meinetwegen nach Rom, wenn Sie Lust haben, oder werden Sie Domherr in Lüttich u.s.w. Ich bin überzeugt, dass Sie alle Ihre Wohltäter mit demselben Undank belohnen werden, wie mich, und dass Ihre Unruhe Sie, wo Sie auch sein mögen, stets in derselben Weise quälen wird. Da Sie die Welt verlassen, so nehme ich Abschied von Ihnen, und überlasse Sie den wunderbaren Abenteuern, welche Ihr Irrstern Ihnen die Zukunft aufbewahrt".

Gerüchte um mörderische Kurfürstin

Um seiner Verachtung die Krone aufzusetzen, schickte Friedrich II. diesem Brief noch eine humoristisch gemeinte Bewilligung für den Abschied hinterher, um den Pöllnitz gebeten hatte. Dessen Weggang verglich der König mit Desertion und hielt ihm zugute, dass er kein Straßenräuber, Beutelschneider, Mädchenräuber und -verführer war. Nur einmal habe er ihn, den König, zum Zorn gereizt, als nämlich "seine schmutzige Gemeinheit alle Grenzen der Ehrfurcht überschritt, und er auf eine unwürdige und unerträgliche Art die Asche Unserer glorreichen Vorfahren zu entehren und zu verunglimpfen suchte." Damit war die bis heute kursierende Behauptung gemeint, dass Sophie Dorothea, die zweite Gemahlin von Friedrich Wilhelm, des Großen Kurfürsten von Brandenburg, ihren Stiefsohn Carl Emil, vergiftet haben soll, um eigenen Söhnen die Thronfolge zu sichern. Das negative Urteil über die "schwarze Dorothea" geht vor allem auf die Memoiren von Pöllnitz zurück, die nach ihm immer wieder kolportiert und sogar von Theodor Fontane in den "Wanderungen durch die Mark Brandenburg" übernommen wurde. Im Abschnitt über das Schloss Köpenick heißt es: "Todesfälle und plötzliche Erkrankungen regten den Verdacht und die alten Befürchtungen wieder an und nachdem Kurprinz Friedrich selbst bei Gelegenheit eines Festmahls, das ihm die Stiefmutter gab, von einem heftigen Kolikanfall heimgesucht worden war, steigerten sich seine Befürchtungen bis zu solchem Grade, daß er seinen Vater um die Erlaubniß bat, sich nach Schloß Coepenick zurückziehen zu dürfen."

Zwar hatte König 1744 dem Baron von Pöllnitz den Abschied gegeben, aber er nahm dessen reumütigen Brief nicht an, sondern warf ihm vor, ihn schändlich hintergangen zu haben. "Nachdem Sie meinen Schutz und meine Güter wiederholt genossen hatten, nachdem ich Ihnen, abgesehen von andern Wohltaten, Geschenke im Werte von sechstausend Talern gemacht hatte, um Sie aus dem Abgrunde Ihre Schulden herauszureißen, haben Sie sich leichtsinnig, ohne Sinn und Verstand und mit einer fast beispiellosen Unklugheit aus meinen Diensten entfernt."

Nur die Gläubiger trauerten

Indem der König seinen ehemaligen Vorleser und Gesellschafter den traurigen Folgen seiner Torheit überlässt, stellt er ihm die Rückkehr "zu Gnaden" in Aussicht, stellt aber Bedingungen. Niemand soll ihm künftig bei einer Strafe von hundert Dukaten Geld leihen oder Waren borgen, ihm selber ist verboten, das Haus eines Gesandten zu betreten oder dort zu verkehren sowie ihnen irgendwelche Berichte zuzustellen und schließlich soll er, Pöllnitz, wenn er den an die königliche Tafel zugelassen wird, auf keinen Fall die Miene eines betrogenen Ehrenmannes annehmen, "sondern vielmehr dazu beitragen, die heitere Stimmung zu erhalten und zu steigern." Dem Brief vom 24. Juli 1744 fügte der König eigenhändig hinzu: "Wenn Sie lieber Schweinen als großen Fürsten dienen wollen, wie Sie gesagt haben, so wird es Ihnen an Beschäftigung nicht fehlen. […] Sie sind wirklich ein erbärmlicher Mensch. Ziehe ich Sie aus dem Elend, in welches Sie Ihre Narrheit und Ihre Frechheit gestürzt hat, so tue ich es nur aus Mitleid, denn Ihr Benehmen verdiente, dass man Sie für immer in vier Mauern einsperrte." Pöllnitz verbrachte seine letzten Jahrzehnte zurückgezogen in Berlin und dürfte mit Groll und Verbitterung den Glanz gesehen haben, mit dem Zeitgenossen seinen ehemaligen Arbeitgeber umgaben. Als der Abenteurer dort verarmt und unbeachtet am 23. Juni 1775 starb, weinten ihm nur seine Gläubiger Tränen nach, wie Friedrich II. gegenüber Voltaire bemerkte, der ja auch einige Jahre Gast seiner Tafelrunde war und den der König von Preußen als Wegbereiter seines eigenen Ruhms benutzte.

Nach einer Anekdote soll der stets in Geldschwierigkeiten wohl auch wegen seiner Spielsucht befindliche und von seinen Gläubigern bedrängte Pöllnitz den stets zu ehrabschneiderischen Spott gegen andere aufgelegten König um eine größere Unterstützung gebeten haben. "Ja, wie soll ich Ihm bei meinen erschöpften Kassen helfen? Wäre Er doch Katholik, so könnte ich Ihm eine eben offene Pfründe verleihen", soll Friedrich II. gefragt haben. Darauf soll Pöllnitz eine seiner vielen Konfessionswechsel vorgenommen haben und, Katholik geworden, um das mit einer schönen Einnahmequelle verbundene Kirchenamt gebeten haben. Da antwortete der Monarch: "Wie schade, dass sich Seinen frommen Eifer nicht belohnen kann, da die Pfründe unterdessen vergeben ist, doch da fällt mir ein, dass ich eine Rabbinerstelle zu besetzen habe; wenn Er Jude werden will, so soll Ihm diese nicht entgehen."

Casanovas Verheißungen

Mit dem Ziel, die Bevölkerung noch intensiver an den Staatsausgaben und der Begleichung von Staatsschulden zu beteiligen, wurde 1763, noch vor dem Ende des Siebenjährigen Krieges, in Berlin eine Lotterie nach dem Muster des in Genua, Rom, Venedig, Mailand, Neapel, Wien und Brüssel eingerichteten Glücksspiels verkündet. Die Aussicht, durch Ziehung einer bestimmten Zahlenkombination zu unerwartetem Reichtum zu gelangen, hat die Preußen offenbar so fasziniert, dass sie viel Geld freiwillig zu den Lotterieeinnehmern trugen. Der König hatte die Idee für eine Lotterie von dem italienischen Abenteurer Antonio di Calzabigi übernommen, der ihm Berge von Geld versprach und für seine Dienste fürstlich bezahlt wurde. Dem "Director der allhier unter allerhöchster Concession etablirten Lotterie" schenkte Friedrich der Große uneingeschränktes Vertrauen. Er lieh gern Leuten sein Ohr, die durch Wagemut und Visionen zu beeindrucken wussten. Auch der berühmte Frauenheld und Spieler Giovanni de Casanova versuchte, Friedrich dem Großen Pläne zur Sanierung der Staatsfinanzen schmackhaft zu machen. Der König hätte den weltgewandten Casanova gern zum Lehrer an der Ritterakademie in Berlin gemacht, doch das Jahresgehalt von 600 Talern erschien dem Italiener denn doch zu gering, und so schlug er die Anstellung aus. Viel lieber hätte Casanova Calzabigi als königlichen Finanzberater abgelöst und auch dessen einträgliche Posten übernommen.

Wohl zu diesem Zweck führte Casanova 1764 mit dem Monarchen im Park von Sanssouci ein Gespräch, dessen Wortlaut überliefert ist. Danach erläuterte Casanova nach eigenem Bekunden dem Preußenkönig drei Arten der Besteuerung von Gütern - die eine sei ruinös, die zweite leider notwendig, die dritte "stets exzellent". "Die ruinöse Besteuerung, Sire, ist die, die der Monarch seinen Untertanen auferlegt mit dem einzigen Ziel, seine Kassen aufzufüllen, ...denn sie zerstört den Geldumlauf, die Grundlage des Handels und die Stütze des Staates." Die "notwendige" Art sei dazu da, um Kriege zu führen: Die "populäre" Form schließlich, den Leuten Geld aus der Tasche zu ziehen, beschrieb Casanova mit den Worten, sei "immer exzellent, denn der König nimmt einerseits seinen Untertanen und gibt ihnen zum anderen, indem er nützliche Unternehmungen fördert und Verordnungen erlässt, die geeignet sind, ihren Wohlstand zu mehren." Dazu zählte der Casanova auch die Lotterie, bei der der König nur "in einem von zehn Fällen" verlieren kann.

Einnahmen aus der Spielsucht

Friedrich II. mag diese Behauptung anmaßend empfunden haben, denn er hatte bereits einiges Geld in der Lotterie verloren und verpachtete deshalb das Monopol an Calzabigi, der sich verpflichtete, jährlich 75 000 Taler als "Pachtschilling" zu zahlen. Entgegen der vollmundigen Ankündigung des Königs von Preußen, die Erträge des Glücksspiels zur "Aufmunterung der Künste und des Fleißes" und wohltätige Zwecke, etwa die Aussteuer minderbemittelter Bräute, zu verwenden, wurde die genannte Pachtsumme in die Verpflegung der Armee und die Aufstellung neuer Regimenter investiert.

Nach Friedrichs II. Tod (1786) setzte sein Nachfolger Friedrich Wilhelm II. die Lotterie mit mäßigem Erfolg fort. Dessen Thronerbe Friedrich Wilhelm III. hielt von "Spielsucht und Leidenschaften" wegen "nachtheiliger Einwirkungen auf die Moralität der minderbegüterten Klassen unserer Unterthanen" wenig. Durch einen Erlass von 1809, mitten in der Krise Preußens nach der Niederlage im Krieg gegen Frankreich, ordnete er die Abschaffung des Lottospiels an. Allerdings hielt die Zurückhaltung nicht lange an, denn die Gewinne wurden zur Bezahlung von Kontributionen an Frankreich und für die Kriegskosten benötigt. So wurde die "Dame Lotto" in Preußen wieder zu neuem Leben erweckt.

8. April 2019

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