Preis der Freiheit
ZDF-Dreiteiler schildert Machenschaften des Stasi-Unternehmens Kommerzielle Koordinierung und zeigt, wie vor 30 Jahren die Opposition die Mächtigen in der DDR das Fürchten lehrte



Erich Honecker konnte den sowjetischen Partei- und Staatschef Michail Gorbatschow partout nicht riechen, machte aber bei Begegnungen mit dem "Erfinder" von Glasnost und Perestroika gute Miene zum, wie er meinte, bösen Spiel.



Honeckers Nachfolger Egon Krenz hatte im Mai 1989 das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking als legitim bezeichnet und war schon deshalb der Opposition in der DDR suspekt. Der Handzettel lud zum 9. Juni 1989 zu einer Demo im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg ein. Sie war eine von vielen Aktivitäten, die die Stasi auf den Plan riefen.



In der Berliner Gethsemanekirche wurde im Herbst 1989 die Freilassung der Demonstranten gegen das SED-Regime gefordert. Die Staatsmacht traute sich nicht, die Aktionen unter dem Dach der Kirche zu zerschmettern.



Ende 1989 brauchte man keinen besonderen Mut, um den als Lügenbaron karikierten Egon Krenz und seiner abgewirtschafteten SED "Auf Nimmerwiedersehen" zuzurufen. Das Plakat wurde am Leipziger Matthäikirchhof hoch gehalten.



Mit dem imperialistischen Klassenfeind, hier drastisch dargestellt auf einer Grafik im Berliner Stasi-Museum, Geschäfte zu machen, war für die SED- und Staatsführung der DDR kein Problem.



Gutes Leben versprachen Honecker und Genossen ihren Untertanen, doch reichten Schlagworte wie "Satt, warm und sauber" nicht aus, weshalb sich mit den Jahren erhebliches Widerstandspotential ansammelte.



In den achtziger Jahren wurde die Erlöserkirche in Berlin-Lichtenberg bekannt durch die Aktivitäten der Friedensbewegung, die ständig Repressalien ausgesetzt war. Polizei und Staatssicherheit hatten überall ihre Augen und Zuträger. Während der Wendezeit 1989 gingen Bilder der Erlöserkirche um die Welt. Tausende drängten kamen hier zu Protestveranstaltungen und Fürbittengottesdiensten zusammen.



Der heutige Linken-Politiker Gregor Gysi, der auf der Karikatur mit einem Sack Geld verschwinden will, könnte Auskunft über verschwundene Milliarden. Was gefunden wurde, hat man zur Wiedergutmachung und als Entschädigung für Opfer des SED- und Stasistaates verwendet.



Große Wut richtete sich gegen das Ministerium für Staatssicherheit, das am 15. Januar 1990 gestürmt wurde, um weitere Aktenvernichtungen zu stoppen. Die Verschiebung von SED-Vermögen und die Suche nach ihm waren damals und sind heute ein großes Thema. (Fotos/Repros: Caspar)

In dem neuen ZDF-Dreiteiler "Preis der Freiheit" und einer Dokumentation dazu geht es kurz vor dem 30. Jahrestags des Mauerfalls um die Machenschaften der von dem Stasi-Oberst Alexander Schalck-Golodkowski geleiteten Kommerziellen Koordinierung (KoKo), um erhebliche Konflikte in einer mit Problemen der DDR-Wirtschaft befassten Funktionärsfamilie und um den Häftlingsfreikauf. Die Zuschauer nehmen teil an illegalen Ermittlungen von Aktivisten der in der Zionskirche im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg tätigen Umweltbibliothek sowie an gelungenen und vergeblichen Fluchtversuchen, an Stasiterror und hilflosen und ganz und gar unangemessenen, weil ausschließlich auf Unterdrückung setzenden Reaktionen der Führungsschicht auf das, was sich in den späten 1980-er Jahren an politischem und wirtschaftlichem Sprengstoff angesammelt hat.

Der Dreiteiler unterstreicht, dass sich führende Wirtschaftsfunktionäre im Klaren darüber waren, wie prekär die Lage der DDR und wie hoch ihre Verschuldung ist. Doch hat die SED-Führung, namentlich Erich Honecker und sein Wirtschaftssekretär Günter Mittag, alle Warnungen in den Wind geschlagen. In einer Szene wirft Mittag Gerhard Schürer, dem Vorsitzenden der Staatlichen Plankommission beim Ministerrat der DDR und Mitglied des Politbüros des ZK der SED, dessen auf schlimme Zahlen und Fakten beruhende Ausarbeitung vor die Füße. Schürer hatte das 1971 von Honecker verkündete Dogma von der "Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik" infrage gestellt und die drohende Devisenzahlungsunfähigkeit der DDR angesprochen, worauf Honecker erklärt haben soll, er werde "diesen Mist" nicht lesen und Schürer sabotiere seine Arbeit.

Geheimes Schürer-Papier

Egon Krenz, seit dem 18. Oktober 1989 als Nachfolger des angeblich aus gesundheitlichen Gründen ausgeschiedenen Honecker neuer SED-Generalsekretär und bald darauf Staatsratsvorsitzender, erteilte Schürer und vier andere Ökonomen den Auftrag für eine schonungslose Analyse der finanziellen und wirtschaftlichen Lage der DDR. Als Geheime Verschlusssache b5 - 1158/89 deklariert, listet das so genannte Schürer-Papier detailliert auf, warum und wie stark die DDR überschuldet ist. "Allein ein Stoppen der Verschuldung würde im Jahre 1990 eine Senkung des Lebensstandards um 25-30 Prozent erfordern und die DDR unregierbar machen", betonen die Autoren, unter denen auch KoKo-Chef Alexander Schalck-Golodkowski war. Zu den Ursachen der mangelhaften wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zählen sie den katastrophalem Zustand der Produktionsanlagen und betonen: "In bestimmten Bereichen der Volkswirtschaft sind die Ausrüstungen stark verschlissen, woraus sich ein überhöhter und ökonomisch uneffektiver Instandhaltungs- und Reparaturbedarf ergibt. Darin liegt auch eine Ursache, dass der Anteil der Beschäftigten mit manueller Tätigkeit in der Industrie seit 1980 nicht gesunken ist, sondern mit 40 Prozent etwa gleichblieb." Auf der anderen Seite seien die Ziele bei der Konsumtion, im Wohnungsbaus und der Sozialpolitik übererfüllt worden, was aber wirtschaftlich nicht mehr zu verkraften sei. Honecker hatte diese "Linie" ausgegeben, um sich bei seinen unzufriedenen Untertanen Liebkind zu machen, was auch bei vielen gelang und heute, 30 Jahre später, in der Debatte um die DDR und ihr Erbe eine nicht geringe Rolle spielt.

Um die DDR vor dem Kollaps zu bewahren, forderten die fünf Ökonomen eine grundsätzliche Änderung der Wirtschaftspolitik, eine Wirtschaftsreform und die Umstrukturierung des Arbeitskräftepotentials, "um das Missverhältnis zwischen produktiven und unproduktiven Kräften in der gesamten Wirtschaft und im Überbau zu beseitigen". Damit war gemeint, dass es in der DDR, die sich ihre Vollbeschäftigung zugute hielt und sie genüsslich der Arbeitslosigkeit und sozialen Spannungen im Westen gegenüber stellte, zu viele Arbeitskräfte im nichtproduktiven Sektor gibt. Deshalb fordern Schürer und Genossen einen drastischen Abbau der Verwaltungs- und Bürokräfte sowie "hauptamtlich Tätiger in gesellschaftlichen Organisationen und Einrichtungen". Damit waren der aufgeblähte Partei- und wohl auch Sicherheitsapparat und alles gemeint, was mit Bürokratie zu tun hat, und weitere Bereiche, die nur Geld kosteten.

Schmutzige Geschäfte mit DDR-Häftlingen

Im Dreiteiler "Preis der Freiheit" tragen die Schwestern Margot Schindler, eine überzeugte Genossin und leitende Mitarbeiterin in der Koko, und die unzufriedene Buchhändlerin Lotte Bohla heftige politische Konflikte miteinander aus. Dann gibt es noch eine dritte Schwester Silvia Bohla, die schon lange Zeit aus dem Leben der Familie verschwunden ist und auf westlicher Seite unter dem Namen Ina Winter mit dem Häftlingsfreikauf zu tun hat. Ihre beiden Kinder wachsen bei der Pflegemutter Margot auf. Die ausgesprochen selbstbewusste Wirtschaftsfunktionärin bei der Koko hilft, durch legale und illegale Geschäfte Devisen für ihr nahezu bankrottes Land zu beschaffen. Durch Waffenhandel, Erlöse aus dem Häftlingsfreikauf und der Entsorgung von West-Sondermüll im Osten - in der Doku wird die Deponie Schöneiche bei Berlin erwähnt - hilft sie die Zahlungsbilanz der DDR zeitweilig aufzubessern.

In dem Film "Preis der Freiheit" spielen in der Zionskirche tätige Umweltaktivisten eine große Rolle. Der KoKo-Chef lässt für Devisen westlichen Gift- und anderen Müll in der Umgebung von Berlin abkippen, was aber nicht geheim bleibt. Am 25. November 1987 dringen Stasileute und Polizei erstmals seit den fünfziger Jahren in die Kirche ein, um das "Treiben" der feindlich-negativen Elemente, wie es im Stasijargon hieß, zu unterbinden und diese zu verhaften. In der Umweltbibliothek werden illegale Drucktechnik sowie Drucksachen beschlagnahmt. Eine Mahnwache an der Zionskirche sowie landesweite und internationale Proteste machen die Übergriffe in den westdeutsche Medien weithin bekannt. Die DDR-Führung sieht sich gezwungen, die Festgenommenen freizulassen.

Der Häftlingsfreikauf begann Ende 1962 und endete im Herbst 1989.In dieser Zeit wurden insgesamt 33.755 politische Häftlinge für mehr als 3,4 Milliarden DM in den Westen unter Aufgabe ihrer Staatsbürgerschaft entlassen. Manche DDR-Bewohner wurden nur deshalb wegen lächerlicher Vergehen verurteilt, um sie anschließend für viel Geld in den Westen abzuschieben. In dem Film erhöht ein DDR-Unterhändler den "Kaufpreis" für zwei inhaftierte Ärzte von etwa 87 000 DM auf 200 000 DM mit dem Argument, sie hätten ja auf Kosten des Staates studiert. Silvia Winters Frage, warum denn solche wertvollen Arbeitskräfte eineinhalb Jahre im Gefängnis verbringen mussten, bleibt unbeantwortet. Der Geldfluss von West nach Ost trug zur Stabilisierung der DDR bei, die ab den 1970er Jahren in ständigen Finanznöten steckte. Bei der Vermittlung spielte das Diakonische Werk der Evangelischen Kirche in Stuttgart eine Rolle. Im Film werden die alles andere als freundlich zu nennenden Verhandlungen glaubhaft nachgespielt. Als wie aus dem Nichts die für tot erklärte Ina auftaucht, bekommt Margot Probleme, denn sie ist wegen dieser "Westverwandtschaft" erpressbar.

Die alleinerziehende Lotte schließt sich der von der Stasi als feindlich-negativ eingestuften Umweltbewegung an. Als ihr Sohn Ingo im Juni 1987 bei einem großen Open-Air-Konzert auf West-Berliner Seite friedlich auf der östlichen Seite der Mauer mitrockt, wird er verhaftet und geschlagen. Nach einer Nacht im Knast ist er nicht mehr derselbe. Seine Mutter muss hilflos mit ansehen, wie er sich bei Neonazis radikalisiert, die es eigentlich in der DDR nicht gab. Als Kombinatsdirektor weigert sich Margots Mann, Kühlschränke für Westgeld unter den Gestehungskosten zu bauen, weshalb er vom obersten Wirtschaftslenker und Honecker-Freund Günter Mittag regelrecht "zur Schnecke" gemacht wird. Unverdrossen versucht er, statt seine Erzeugnisse zu verschleudern besser moderne, FCKW-freie Kühlschränke herzustellen, mit denen man auf dem Weltmarkt punkten kann. Dass er damit nicht durchkommt, lässt ihn schier verzweifeln.

"Bitteres aus Bitterfeld" verstört die Führung

In der zweiten Folge wird gezeigt, wie sich die friedliche Revolution in der DDR ungeachtet des aggressiven Vorgehens der Stasi formiert und Mitglieder der Umweltbibliothek in der Zionskirche ausgekundschaftet und verhaftet werden. Lotte und ihre Freunde bieten dem Staat, so weit sie können, mutig die Stirn. In einer gewagten Aktion gelingt es ihnen, brisantes Bildmaterial über die unfassbare Umweltverseuchung durch den schwer kontaminierten "Silbersee" in Bitterfeld und an anderen Orten in den Westen zu schmuggeln. Der im Westfernsehen gezeigte Film "Bitteres aus Bitterfeld" macht sprachlos. Stasiminister Mielke befiehlt "Ich will die alle im Sack haben und dann schlagen wir drauf, bis nichts mehr übrig bleibt." Unter dem Eindruck der Giftfässer und verdächtig stinkender Gewässer verliert Margot ihre Selbstbeherrschung und reißt Gemüse aus dem Garten ihrer unweit der Mülldeponie in Schöneiche wohnenden Mutter und sagt ihr, was in den Früchten steckt. Worauf die von der Sieghaftigkeit des Sozialismus und Kommunismus "dreihundertprozentig" eingestellte Genossin demonstrativ in einen Kohlrabi beißt. Tatsächlich diente die Deponie südöstlich von Berlin wegen des von der Firma INTRAC organisierten Müllhandels als "Hausmüllkippe von West-Berlin". Wie es möglich sein konnte, dass Giftmüll den "Brüdern und Schwestern im Osten" vor die Füße gekippt wurde, um Geld für regelrechte Entsorgung zu sparen, wird in dem Film nicht weiter thematisiert, wäre aber mindestens einen Dokumentarfilm wert.

"Bitteres aus Bitterfeld. Eine Bestandsaufnahme" prangerte 1988 das Ausmaß der Umweltverschmutzung in der von Chemiebetrieben geprägten Industrieregion um Bitterfeld anprangert. Das Video war zunächst nur in privaten und kirchlichen Kreisen der DDR zu sehen. Doch dann strahlte das ARD-Magazin Kontraste im Herbst 1988 Auszüge aus, die von vielen Fernsehstationen im Ausland übernommen wurden und von der SED- und Staatsführung als peinliche Bloßstellung empfunden wurde. Der Stasi gelang es trotz intensiver Suche nicht, die Filmemacher aus dem Netzwerk ARCHE zu überführen. Die Kombinatsleitung und der Geheimdienst standen Kopf und mühten sich um Schadensbegrenzung. So wurde die Deponie "Freiheit III" mit Planierraupen und meterdicker Erde zugeschoben. Eine "Lageeinschätzung - Umweltbelastung im Kreis Bitterfeld" der Stasi konstatierte die "teilweise extremen Verunreinigungen der Atmosphäre", "schwerwiegende gesundheitsschädigende Belastungen der Menschen" und eine Wasserqualität der Mulde, "die jede Nachnutzung unmöglich macht." Die Verfasser von Eingaben seien mit allgemeinen Versprechungen abgespeist worden. MfS-Dienststellen hatten schon 1987 vergeblich auf akute Gefahren bei der Chemieproduktion hingewiesen. Stasi-Minister Mielke beklagte am 13. November 1989 in der Volkskammer unter dem Gelächter der Abgeordneten, Warnungen seines Ministeriums seien nicht berücksichtigt worden. Wer da was nicht für "voll" nahm, verriet er allerdings nicht. Den Devisenbeschaffern in der KoKo schwant, dass sie die DDR mit ihren dunklen Geschäften nicht mehr retten können. Gefahr lauert im sowjetischen "Bruderland", denn Gorbatschows Politik von Glasnost und Perestroika trägt zur instabilen Lage in der DDR bei. Deshalb müsse man sich auf die Bundesrepublik Deutschland ausrichten. So entwickeln sich die Dinge, wie wir sie kennen. Die Montagsdemonstrationen nehmen an Schwung und Kraft zu, die SED entledigt sich Honeckers, Mittags und des Propagandachefs Herrmann.

Jahre des Miefs und der Phrasendrescherei sind vorbei

Während auf den Straßen "Wir sind das Volk" und "Keine Gewalt" und schon bald "Deutschland einig Vaterland" gerufen wird, herrscht in der SED-Führung, bei der Stasi und ihrem Firmenimperium Kommerzielle Koordinierung und an anderen Orten hektische Betriebsamkeit. Akten werden geschreddert und Spuren verwischt. Jetzt gelten alte Werte und lange Freundschaften nichts mehr, neue Bande in den Westen, zum imperialistischen Klassengegner, wie es immer hieß, werden geknüpft. Der dritte Teil der Fernsehfolge "Preis der Freiheit" beginnt mit einem Zitat aus einer Rede, die Stefan Heym bei der großen Demonstration auf dem Alexanderplatz am 4. November 1989 hielt. Der von der SED in seinem Schaffen behinderte und gegängelte, aber nie mundtot gemachte Schriftsteller rief in die Menge, was viele empfanden: "Es ist, als habe einer die Fenster aufgestoßen nach all den Jahren der Stagnation, der geistigen, wirtschaftlichen, politischen, den Jahren von Dumpfheit und Mief, von Phrasengewäsch und bürokratischer Willkür, von amtlicher Blindheit und Taubheit. Welche Wandlung! Vor noch nicht vier Wochen: Die schön gezimmerte Tribüne hier um die Ecke, mit dem Vorbeimarsch, dem bestellten, vor den Erhabenen! Und heute? Heute Ihr! Die Ihr Euch aus eigenem freien Willen versammelt habt, für Freiheit und Demokratie und für einen Sozialismus, der des Namens wert ist."

Die in einer anderen, in dem Film ebenfalls zitierten Rede von Willy Brandt genannten "Winde der Veränderung" hatten für die "Erhabenen" in der DDR unterschiedliche Wirkungen. Im Stasi-Ministerium erschießt sich ein General und wird von seinen Genossen prompt als "Weichei" bezeichnet. Während Akten dort geschreddert werden, wird weiteres brisantes Material an einen westlichen Geheimdienst als Rückversicherung und Eintrittskarte für einen Neuanfang "drüben" übergeben. KoKo-Genossin Margot Spindler, die von ihrem Chef Alexander Schalck-Golodkowski Vollmachten für Konten im Ausland erhalten hat, bekennt, sie habe alles falsch gemacht. Obwohl sie behauptet, niemals korrupt gewesen zu sein, hat sie sich ein Haus in der Schorfheide "besorgt", um dort mit ihrem Mann Paul den Lebensabend zu verbringen. Doch der desillusionierte Kombinatsleiter bringt sich um, während am Brandenburger Tor der Jahreswechsel 1989/90 bejubelt wird. Er kann es nicht verwinden, dass er den VEB Kühlautomat an dubiose Geschäftemacher hat abgeben müssen.

Leiche im Garten vergraben

Die Spindler-Kinder erfahren schmerzhaft und wollen nicht glauben, dass ihre bei einer Geburtstagsfeier plötzlich aufgetauchte Mutter Silvia lebt. Deren Mutter, die dreihundertprozentige Altkommunistin, hatte ihnen Silvias Briefe vorenthalten, weil sie nicht wahrhaben wollte, dass ein Mitglied ihre Familie vor vielen Jahren in den Westen gegangen ist. Warum sie das getan hat, wird in allen drei Filmfolgen nicht erörtert, so wie vieles andere auch nur angerissen wird. Als dann noch ein seinerzeit enteigneter Mann aus dem Westen auftaucht und das Haus zurück haben will, das die Großmutter vor vielen Jahren vom Parteichef Walter Ulbricht persönlich übereignet bekommen hatte, ist das Maß voll. Sie bringt den aufdringlichen Gast um und schaufelt ihm im Garten sein Grab. Woher die alte Dame dafür die Kraft nahm, bleibt unklar. Das gilt auch für die im Film gezeigte Episode, in der es um eine alte, von Margot zur Aufgabe der DDR-Bürgerschaft genötigte, dann auf westlichen Druck abgeschobene und beim Grenzübertritt urplötzlich am "Herzstillstand" verstorbene Frau. Die KoKo-Genossin hatte sich im Auftrag höchster Kreise hüben und drüben um ihre Ausreise gekümmert.

Die Zuschauer haben auch im dritten Teil des Films Mühe, der turbulenten Handlung zu folgen. Hier sind Rattenfänger in Bomberjacken unterwegs und dort flüchtet der KoKo-Chef vor seinen eigenen Leuten nach West-Berlin und geht freiwillig ins Moabiter Gefängnis, nicht ohne zuvor seiner engen Mitarbeiterin Margot noch einen Entschuldigungs- und Erklärungsbrief übergeben zu haben, den sie dann aber verbrennt. Die Genossin ist bemüht, das DDR- und Parteivermögen in sichere Gegenden zu verschieben. Die Machenschaften der KoKo werden im SPIEGEL aufgedeckt, doch wer dem, Nachrichtenmagazin Informationen über Waffenschiebereien, Korruption und andere Verbrechen gesteckt hat, kann nicht gesagt werden. Es wird vermutet, dass es der Chef selber war. Schalcks Leute glauben zu wissen, dass der Stasi-Oberst den Bundesnachrichtendienst seit Jahren "gefüttert" hat und nun dessen Hilfe beim Aufbau einer neuen Existenz und Milde vor Gericht erwartet. Für die Stasi ist er der Sündenbock, auf den sich die ganze Volkswut konzentriert. In seinem Schatten bahnen sich Mielkes Leute ihren Weg in eine zweite Karriere, alte Überzeugungen über Bord werfend.

Westdeutsche Politiker fordern derweil knallhart die Übernahme der DDR ohne Wenn und Aber und sind bereit, Bundeskanzler Helmut Kohls Wort von den "blühenden Landschaften" im Mund führend, alles zu zerschlagen, was ihnen im Weg steht. Bitten aus der ostdeutschen Bürgerrechts- und Umweltbewegung, der DDR das "Gute" zu lassen, dort gar den demokratischen Sozialismus aufzubauen und sie als sozialistische Alternative zur Bundesrepublik Deutschland zu betrachten, verhallen ungehört.

Alte Machtstrukturen lösen sich auf

Nach und nach lösen sich die alten Machtstrukturen in der DDR auf, die Vertreter der bisherigen Ordnung suchen ihre Schäfchen ins Trockne zu bringen. So verschwinden in der Koko dicke Geldbündel in dunklen Kanälen. Von Schalck-Golodkowski gehortete Goldbarren werden auf drei Lkw verladen, doch nur einer kommt bei der Staatsbank der DDR an, während die beiden anderen in Rostock, bevor sie verschifft werden, Stasileuten in die Hände fallen, übrigens ohne dass ein Schuss fällt. Der Film endet mit der Feststellung, dass die Koko-Milliarden bis heute verschwunden sind und ehemalige Genossen aus geheimnisvollen Quellen mit Renten versorgt werden. Und man sieht, wie es sich einige von ihnen in Sonne der Karibik gut gehen lassen.

Der mit großartigen Schauspielerinnen und Schauspielern wie Nadja Uhl (Lotte Bohla), Barbara Auer (Margot Spindler), Joachim Krol (Paul Spindler), Nicolette Krebitz (Ina Winkler/Silvia Bohla), Thomas Thieme (Alexander Schalck-Golodkowski) und vielen anderen besetzte und in authentisch nachgebauten Kulissen sowie an Originalschauplätzen gedrehte Film in der Regie von Michael Krummenacher nach einem von ihm und Gabriela Sperl verfassten Drehbuch zeigt, wie vor 30 Jahren eine dem SED-Regime treu ergebene Familie zerbricht, während sich andere, nicht angepasste und aufbegehrende Verwandte von ungeliebten Bindungen lösen und neue Wege gehen. Angedeutet wird am Ende, dass die Bürger- und Umweltbewegung, die vor dem Mauerfall unter großen persönlichen Opfern zum Ende der SED-Herrschaft und damit der DDR wesentlich beigetragen hat, im Frühjahr 1990 an Einfluss verloren hat und andere Parteien nun das Sagen haben.

7. November 2019

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