"Friede den Hütten, Krieg den Schlössern"
Bismarcks Geburtshaus im altmärkischen Schönhausen und viele andere Bauten wurden nach 1945 Opfer kommunistischer Bilderstürmerei





Von Bismarcks Geburtshaus in Schönhausen blieb nur ein Seitenflügel erhalten, das heutige Museum. Die Postkarte aus der Kaiserzeit zeigt das Schloss I und das Schloss II, in dem das eigentliche Bismarck-Museum untergebracht war.



Die Kanonen auf dem Vorplatz des Bismarck-Museums stammen aus dem deutsch-französischen Krieg von 1870/71. Oberhalb des Zündlochs erkennt man Jahreszahlen und ein gekröntes N im Lorbeerkranz, das auf den in der Schlacht von Sedan am 2. September 1870 unterlegenen und bald danach in preußische Gefangenschaft abgeführten Kaiser Napoleon III. weist.



Der zweihundertste Geburtstag des Reichskanzlers Otto von Bismarck wurde 2015 auch durch eine silberne Gedenkmünze gefeiert, daneben Medaillen mit seinem Bildnis sowie von Reichspräsident Paul von Hindenburg sowie der preußischen Militärs Albrecht von Roon und Helmuth von Moltke.



Ostdeutsche Plakate aus der Nachkriegszeit werben mit der Parole "Junkerland in Bauernhand" für die Bodenreform sowie die Enteignung von Großgrundbesitzern und Großbauern, die pauschal mit Reaktionären, Militaristen und Faschisten gleichgesetzt wurden. Auf dem Plakat links oben ist ein Hakenkreuz über ein Gutshaus gelegt und durchgestrichen.



Die Verwendung als Diabetikersanatorium verhinderte, dass das Rheinsberger Schloss in DDR-Zeiten durch Vernachlässigung großen Schaden nahm, allerdings gingen die Nutzer mit den Innenräumen alles andere als pfleglich um. Die Preußische Schlösserstiftung hat die kostbar ausgestalteten Räume und den Park mit großer Sorgfalt wiederhergestellt.



Das Sommerschloss preußischer Könige in Paretz ist ein Juwel klassizistischer Schlossbaukunst. Nach dem Zweiten Weltkrieg geplündert, hat es, zur Unkenntlichkeit verunstaltet, die DDR-Zeit als Bauernhochschule "Edwin Hoernle" überstanden (älteres Foto).



Das Schloss in Schwedt an der Oder (Aufnahme vor 1945) war bei den Kämpfen Ende des Zweiten Weltkriegs stark zerstört worden, galt aber unter Fachleuten als wiederaufbaufähig, vergleichbar mit den Ruinen des Berliner beziehungsweise des Potsdamer Stadtschlosses. (Fotos/Repros: Caspar)

Das altmärkische Dorf Schönhausen, wenige Kilometer von Stendal, Tangermünde und Jerichow in Sachsen-Anhalt entfernt, ging als Geburtsort des in der Kaiserzeit als "Schmied des Reiches" verehrten Politikers Otto von Bismarck in die Geschichte ein. Die Gemeinde besitzt außer dem nur noch als Fragment erhaltenen des barocken Gutshaus und einem weiteren Bismarck-Schloss eine spätromanische Backsteinkirche, ein Kriegerdenkmal von 1870/71, zahlreiche Bauernhäuser und Gewerbebetriebe. Der preußische Ministerpräsident und ab 1871 deutsche Reichskanzler wurde am 1. April 1815 wurde in Schönhausen als Sohn eines preußischen Gutsbesitzers geboren und starb am 30. Juli 1898 in Friedrichsruh nahe Hamburg. Hier wie dort und auch sonst in Deutschland wurden 1998 und 2015 Gedenkfeiern zum einhundertsten Todestag beziehungsweise zweihundertsten Geburtstag veranstaltet, wobei dieser die Prägung einer Zwanzig-Euro-Münze wert war.

Für Schönhausen waren die Daten ein guter Anlass, um an den berühmten Altmärker zu erinnern und Touristen aus aller Welt in die Region zu holen. Im Ort wird daran erinnert, dass das um 1700 erbaute Geburtshaus des späteren Reichskanzlers 1958 abgerissen wurde, angeblich weil sich der zerstörerische Hausschwamm in dem Gebäude zu sehr ausgebreitet hatte und seine Statik nicht mehr sicher war. In Wirklichkeit aber sollte das Andenken an den seit der Kaiserzeit von Sozialisten und Kommunisten als Junker, Reaktionär und Arbeiterfeind verteufelten Fürsten getilgt werden. Die Maßnahme war Teil der von der SED und ihrem Anführer Walter Ulbricht betriebenen Bilderstürmerei unter dem aus dem 19. Jahrhundert übernommenen Motto "Friede den Hütten, Krieg den Palästen". Hunderte Schlösser und Gutshäuser samt kostbaren Inneneinrichtungen fielen quer durch die DDR rasender, ideologisch begründeter Wut zum Opfer, darunter auch solche, die noch intakt waren und nach Vertreibung ihrer Besitzer noch gute Dienste als Wohnungen und Ämter hätten leisten können.

Erinnerungen an "Eisernen Kanzler"

Die erhalten gebliebenen und aufwändig restaurierten Teile von Bismarcks Geburtshaus in einer barocken Parkanlage, genannt Schloss I, die romanische Kirche, in der er getauft wurde, sowie ein weiteres erhaltenes Gutshaus der Familie von Bismarck, das Schloss II, sind stumme Zeugen der lang zurück reichenden Geschichte und Kultur. In der anno 1212 geweihten Kirche hängen Epitaphien aus der Barockzeit von Angehörigen der Familie von Bismarck. Das älteste Kunstwerk ist ein um 1236 datiertes geschnitzter Kruzifix im Triumphbogen, das zu den bedeutenden Werken der spätromanischen Skulptur gehört.

Die Bismarck-Stiftung Schönhausen zeigt in dem bei der Sprengung des Schlosses I verschonten Seitenflügel von Schloss I Erinnerungsstücke aus dem Leben und Schaffen des "Eisernen Kanzlers" sowie Einrichtungsgegenstände des Schlosses. Zu sehen sind in dem 1998 zum einhundertsten Todestag des Reichskanzlers eingerichteten Museum Präsente von Fürsten und kleinen Leuten, Ehrenbürgerbriefe und Diplome, Büsten und Bildnisse, Geschmiedetes, Gesticktes und Gedrechseltes, kostbare Staatsgeschenke ebenso wie Sofakissen, Tabaksbeutel zu Ansichtskarten. Nicht mehr greifbar sind die Würste und Schinken, Zigarren und Spirituosen, Früchte und Konserven, Geflügel und Wildbret, die, verbunden mit "rührenden Schreiben", Otto von Bismarck aus allen Gauen erreichten, wie der Forschungsreisende und Bismarck-Verehrer Emil Wolf schon vor über hundert Jahren notierte. Als der alte Reichskanzler 1890 vom jungen Kaiser Wilhelm II. unter erniedrigenden Umständen entlassen und aus seinem Amtssitz in der Berliner Wilhelmstraße vertrieben wurde, richtete er in Schönhausen ein eigenes Museum ein, bestückt mit Kitsch und Kunst, wie man sie vor und nach 1900 so sehr liebte. Als das Museum 1948 aufgelöst wurde, "um der Reaktion keine Kultstätte zu geben", wie es damals hieß, verschwanden die Exponate im Schloss Wernigerode und im Altmärkischen Museum Stendal.

Bronzekanonen aus dem Krieg von 1870/71

Da Bismarck von vielen Deutschen als Schmied der Einheit verehrt wurde, erscheint er unzähligemal gemalt, gegossen, geschnitzt auch als muskelbepackter Arbeiter am Amboss. Ihm hat man eiserne Blumen und andere Kunststücke aus Metall dargebracht, er erscheint als Friedensapostel und Drachentöter, als Roland und Rächer. Und wo die überall im Deutschen Reich aufgestellten Monumente zu wuchtig waren, um sie nach Schönhausen zu schicken, sandte man Fassungen im Miniaturformat. Die Ausstellung belegt, dass Otto von Bismarck stets eine enge Beziehung zur Altmark hatte. Wusste er doch nur zu gut, dass seine adelsstolze Familie hier schon saß, als die Hohenzollern noch Burggrafen von Nürnberg waren. "Wir können zufrieden sein mit unserer Heimat, denn hier in der Altmark wurde das Samenkorn gepflanzt, aus dem der herrliche Baum des Deutschen Reiches entsprossen ist", belehrte der Fürst seine Landsleute.

Ebenfalls zum einhundertsten Todestag des Reichskanzlers wurden die Fundamente des 40 Jahre zuvor beseitigten Schlosses I ausgegraben. So haben Besucher Gelegenheit zu sehen, wo und in welcher Beziehung Bismarcks Geburtshaus zur benachbarten Kirche gestanden hat. Auf dem Vorplatz zum Park hin stehen vier aus dem deutsch-französischen Krieg von 1870/71 stammende Kanonen. Die bronzenen Beutestücke waren Geschenke des preußischen Königs und frisch gekürten deutschen Kaisers Wilhelm I. an seinen treuesten Diener und zierten bis zu ihrer Heimkehr an den alten Ort die Terrasse des Schlosses Wernigerode. Dieses war in DDR-Zeiten ein so genanntes "Feudalmuseum" eingerichtet, in dem nicht nur der Glanz früherer Jahrhunderte, sondern auch deren Elend dokumentiert wurde, wie es in einem Museumsführer von 1974 heißt. Um zu verdeutlichen, dass "die da oben", das heißt der degenerierte und skrupellose Adel, in Saus und Braus lebten und "die da unten", also das einfache Volk, nichts zu beißen hatten, wurden die passenden Exponate aus Schlössern in Blankenburg, Ilsenburg und anderenorts passende herbeigeschafft und "klassenmäßig" präsentiert.

Auf den Trümmern der Vergangenheit leuchtet die Zukunft

Blicken wir zurück in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Vernichtung von Schlössern, Herrenhäusern, Scheunen und anderen Gebäuden in der Sowjetischen Besatzungszone und ab 7. Oktober 1949 Deutschen Demokratischen Republik war ein Teil der Bodenreform, durch die Großgrundbesitzer und Großbauern enteignet und vertrieben wurden. Unter dem Vorwand, Steine, Dachziegel, Holz und anderes Baumaterial für Neubauernstellen gewinnen zu wollen, gaben der Parteivorstand der KPD beziehungsweise ab 1946 der SED und in ihrem Gefolge die Landesregierungen die Weisung heraus, möglichst viele Schlösser und Herrenhäuser zu schleifen.

Die Bilderstürmerei, und nichts anderes war die Maßnahme, wurde mit einer Wolke ideologischer Rechtfertigungen vernebelt, wobei der Hinweis auf die "Große Sowjetunion" und ihren obersten Führer Josef Stalin nicht fehlte. Das war eine gewagte Sache, denn Lenin und sein Nachfolger Stalin legten Wert auf die Sicherung kultureller Hinterlassenschaften aus der Zarenzeit, um ihre eigene Herrschaft umso besser legitimieren zu können. Dabei wurden in der Sowjetunion nach dem Zweiten Weltkrieg bedeutende Bau- und Kunstdenkmale, die von den deutschen Okkupanten zerstört worden waren, mit riesigem Aufwand wiederaufgebaut. Auf dem III. SED-Parteitag (1950) gab Parteichef Walter Ulbricht den Schwarzen Peter an andere weiter, als er behauptete: "Die Neubauern haben das Recht, die Gebäude der alten Gutshöfe, auch die Herrensitze abzureißen und das Material für den Bau von Neubauerngehöften zu verwenden, wenn kein anderes Material beschafft werden kann". Auf den Trümmern der Vergangenheit leuchtet die Zukunft umso heller, war ein damals vielfach gebrauchtes Bild.

Das manchen land- und wohnungslosen Bauern und Umsiedlern vielleicht noch einsichtige Argument, Baumaterial gewinnen zu wollen, spielte bei der Liquidierung zahlreicher durch Kriegseinwirkungen mehr oder weniger zerstörter Architektur- und Kunstdenkmale wie des Berliner und Potsdamer Stadtschlosses, des Schlosses in Schwedt sowie von Kirchen und anderen Bauten keine Rolle mehr. Hier wurden städtebauliche Gründe vorgeschoben und der Wille der SED-Führung rücksichtslos durchgesetzt, riesige Aufmarschplätze und breite Avenuen nach Moskauer Vorbild zu gewinnen. Bei einigem guten Willen hätten sich andere Örtlichkeiten in den zerstörten Städten für den gleichen Zweck finden lassen.

Unterschiedlose Hatz auf Junker

Bei der Hatz auf Junker gab es keinen Unterschied, ob es sich um "Reaktionäre, Faschisten und Militaristen" handelt oder um Personen, die man bei einigem guten Willen in das marxistisch-leninistische Gedankengut hätte einfügen können. Daher wurde auch das Schloss eines klugen Preußen, des Schulreformers Eberhard von Rochow, in Reckahn, südlich der Stadt Brandenburg gelegen, geschändet. Fanatischen Bilderstürmern wollten nicht wahrhaben, dass dieser Gutsbesitzer 1773 die erste preußische Dorfschule errichtet hatte, zu damaliger Zeit eine unerhörte "bürgerliche" Neuerung, die zahllose Bewunderer aus ganz Europa in das südlich von Brandenburg gelegene Dorf kommen ließ. Als 1946 sowjetische Truppen aus dem Schloss abzogen, war noch viel von der alten Einrichtung vorhanden. Ein Lehrer rettete Teile des Gutsarchivs, die kulturhistorisch wertvolle Schlossbibliothek hingegen wurde vernichtet.

Ähnlich erging es vielen anderen Adelssitzen. Zu nennen wäre Kunersdorf im Landkreis Märkisch Oderland, in dessen Schloss sich um 1800 die geistige Elite Preußens traf. Der stolze Bau ging nach dem Zweiten Weltkrieg in Flammen auf. Erhalten sind nur noch die Gräber der Familien von Lestwitz und Itzenplitz, gestaltet von solch berühmten Bildhauern wie Schadow, Rauch und Tieck. Wenn wie im Falle des Schlosses Rheinsberg eine Nutzung als Diabetikersanatorium erreicht wurde, war das Glück im Unglück, auch wenn innen und außen erhebliche Veränderungen vorgenommen wurden. Die nach Plänen von Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff für den Kronprinzen Friedrich (II.) errichtet, diente das Schloss seinem Bruder Heinrich ein halbes Jahrhundert hindurch als Sommerresidenz. Mit großen Aufwand wurden die Innenräume weitgehend wiederhergestellt werden. Bis zur Unkenntlichkeit verschandelt hingegen wurde das als landwirtschaftliche Ausbildungsstätte genutzte Schloss Paretz, um 1800 Lieblingssitz der Königin Luise und Friedrich Wilhelms III. Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg hat auch hier mit viel Feingefühl dem Bauwerk innen und seine frühklassizistische Form zurückgegeben und aus ihm ein ansehnliches Ziel für Kunstfreunde aus aller Welt gemacht.

Die Aktion "Krieg den Schlössern" wurde im Westen heftig, aber erfolglos verurteilt, in Ostdeutschland fanden zaghafte Gegenstimmen bei den Parteioberen kein Gehör. Bisweilen wurden vor Ort die Anordnungen der Zentrale in Berlin dadurch unterlaufen, dass man sagte, es handle sich bei dem zum Abriss bestimmten Gebäude nicht um ein "Schloss", und man brauche das Haus als Krankenstation, Schule, Büro oder für Wohnzwecke. Um den Forderungen zu genügen, wurden manchmal nur beschädigte Seitenflügel abgerissen. Solch passiver Widerstand blieb nicht unbeantwortet. Führende Funktionäre fühlten sich genötigt, erlahmenden Elan der Genossen in den Städten und Gemeinden anzustacheln. "Bildet Einsatzgruppen für die Gewinnung von Baumaterialien aus den zum Abriss freigegebenen Herrenhäusern, Schlössern und Gutsgebäuden", heißt es in einem Aufruf vom 11. März 1948, in dem der brandenburgische Innenminister Bechler eine "Solidaritätsaktion" ankündigte. "Ich appelliere an alle aufbauwilligen Kräfte des Landes Brandenburg, sich an dem großen Friedenswerk, der Schaffung von Neubauerngehöften, zu beteiligen. Keiner darf abseits stehen! Die Sicherung der Bodenreform bedeutet die Sicherung unserer Ernährung". In einem Vermerk für Bechler vom 31. Mai 1948 wurde festgestellt, dass es im Land Brandenburg 779 Schlösser und Herrenhäuser gibt. Zum Abriss seien 643 freigegeben. Der Rest von 136 Anlagen bleibe als "kulturell wertvolle und bereits durch Verfügung der Landesregierung an Körperschaften vergebene Objekte vorläufig bestehen.

Ulbricht bestimmte, die Genossen führten aus

Mit einem Federstrich wurde das Schicksal eines der bedeutendsten Barockschlösser Deutschlands besiegelt - die Residenz der mit den preußischen Königen verwandten Markgrafen von Brandenburg-Schwedt in Schwedt an der Oder. Der damalige SED-Chef und Staatsratsvorsitzende Walter Ulbricht, auf dessen Konto die Beseitigung dieser und vieler anderer Bauten geht, meldete sich in seiner unnachahmlichen Weise so zu Wort: "Worin besteht also die Frage, Genossen? Die Frage besteht doch darin, dass wir in unserer sozialistischen Deutschen Demokratischen Republik außer an unseren Grenzübergängen keine Schlösser brauchen - ja? Und wenn wir schon Mauern benötigen, Genossen, dann keinesfalls Schlossmauern!" Jeder wusste, dass Ulbrichts flapsige Anspielungen auf den Bau der Berliner Mauer einige Monate zuvor ernst gemeint waren. Und schon gingen örtliche Parteifunktionäre daran, dem Befehl Taten folgen zu lassen.

In der 1980 in zweiter Auflage im Ost-Berliner Henschel-Verlag veröffentlichten Dokumentation "Schicksale deutscher Baudenkmale im zweiten Weltkrieg" wird das als symmetrische Dreiflügelanlage mit integrierter Schlosskirche gebildete Schwedter Schloss als "eines der Hauptbeispiele des nachschlüterschen Barock in Preußen" erwähnt. Die Beschreibung des Außenbaues und der Inneneinrichtung sowie einige Fotos lassen ahnen, was durch jenen Abriss im Herbst 1961 verloren gegangen ist. "Die mit reichen Beständen an Möbeln und Gemälden ausgestatteten historischen Räume waren museal zugänglich. Außerdem befand sich im Schloss ein Jagdmuseum und zeitweilig das Schwedter Heimatmuseum". Lapidar wird am Ende der Auflistung mitgeteilt "Beseitigung der Ruine im Oktober/November 1961". Mehr war in der vom damaligen Institut für Denkmalpflege der DDR unter großen Mühen und nach Überweindung politischer Quertreibereien herausgegebenen Dokumentation nicht möglich. Den Hinweis, dass viele Abrisse politisch motiviert und ganz und gar unnötig waren, mussten sich die Autoren verkneifen, um nicht die Dokumentation über die Kriegs- und Nachkriegsverluste in der DDR zu gefährden.

Materialgewinnung für Neubauernhäuser

Grundlage der Aktion war der Befehl 209 des "Obersten Chefs der Sowjetischen Militäradministration des Oberbefehlshabers der Gruppe der Sowjetischen Okkupationsarmee in Deutschland" vom 9. September 1947. Marschall Sokolowski befahl den ostdeutschen Landesregierungen, den Bau von 37 000 Häusern in den Neubauernwirtschaften sicherzustellen. Für Brandenburg und Mecklenburg waren 10 000 beziehungsweise 12 000 Häuser vorgesehen. Die Landesregierungen sollten den Vereinigungen der gegenseitigen Bauernhilfe und einzelnen Bauern "die ungehinderte Nutzung von Baumaterialien aus abzureißenden Kriegswerken und Einrichtungen, aus Gebäuden früherer Güter und Ruinen unwirtschaftlicher Gebäude" gestatten. Innenminister Bechler behauptete, der Befehl 209 sei auch als "Auftrag von unseren deutschen werktätigen Menschen" zu verstehen. Er kritisierte, dass der Abriss von Guts- und Herrenhäusern bisher noch "nicht ausreichend" durchgeführt worden sei. Er müsse "im nächsten Jahr noch wesentlich verstärkt werden, wodurch noch wesentliche Mengen an Baumaterialien gewonnen werden können".

Der SMAD-Befehl 209, vorbereitet und untermauert durch eine massive Kampagne in stalinistischer Manier gegen so genannte Volksschädlinge und Lockangeboten an die Neubauern, öffnete alle Schleusen. War in dem sowjetischen Dokument das Ziel noch vage formuliert, so schob das Zentralsekretariat der SED in dem von Walter Ulbricht und Anton Ackermann unterzeichneten Rundschreiben Nr. 8/48 vom 31. März 1948 über den "Abriss von Schlössern und Junkersitzen" den eigentlichen Grund nach. "Die Partei muss es als ihre Aufgabe betrachten, den beschleunigten Abriss der Junkersitze durchzuführen. […] Der Abriss darf nicht nur unter dem Gesichtswinkel betrachtet werden, Baumaterialien für Neubauernsiedlungen zu gewinnen; viel wichtiger ist soweit als möglich die Spuren der Junkerherrschaft auf dem Dorfe zu vernichten."

Die Volksbildungsministerien der Länder reichten der Zentralverwaltung für Volksbildung Listen von erhaltenswerten Objekten ein. Darin sind Bauten als außerordentlich wertvoll, wertvoll und erhaltenswert nach "äußerst strengen Maßstäben" eingestuft. Grundsätzlich erkannte die auch für den Denkmalschutz zuständige Behörde die "weitgehende Beseitigung der ehemaligen Gutsanlagen als wirtschaftliche Keimzellen des ehemaligen Junkertums" an. Zwischen den Zeilen ist zu lesen, dass den Kulturfunktionären die Zerstörung geschichtlicher Werte nicht ganz geheuer ist. Der Kunsthistoriker Gerhard Strauss, im Land Brandenburg für den Denkmalschutz zuständig und später für sein Plädoyer gegen das Berliner Stadtschloss unrühmlich bekannt geworden, sprach sich dafür aus, "dass bei Abbruchmaßnahmen in erster Linie diejenigen Objekte herausgezogen werden, bei denen unsererseits kein Interesse vorliegt und dann erst sukzessiv auf die in der Gruppe ,erhaltenswert' aufgeführten Anlagen zurückgegriffen werden wird".

Schutzlisten wurden im Eifer des Gefechts oft nicht respektiert

Sowjetische Kommandanten und deutsche Funktionäre setzten sich über die ohnehin nur wenige Prozent des Gesamtbestandes umfassenden Schutzlisten hinweg und begannen auch ohne Genehmigung mit der Beseitigung einzelner Schlösser und Gutsanlagen. Die Vernichtung umfasste auch das Inventar, so weit es nicht bereits von der Roten Armee mitgenommen oder von Ortsansässigen für eigene Zwecke, etwa als Möbel, Wandschmuck oder Brennmaterial verwendet wurde. In manchen Fällen wurde Kulturgut gleich im Gutshof verbrannt, manchmal aber auch in Depots und Museen geschafft, wie am Beispiel des Schlosses Wernigerode dargelegt wurde. Noch heute liegt in vielen Sammlungen und Archiven scheinbar herrenloses Gut aus solchen Quellen, und es gibt bei Rückübertragungsverfahren Streit über den weiteren Verbleib dieses Familienbesitzes.

Es gibt kaum ein Dorf in Ostdeutschland, in dem nicht Gutshäuser, Stallungen, Scheunen und anderen Wirtschaftsgebäude, aber auch Anger und andere charakteristische Baulichkeiten, von Kirchen abgesehen, ganz oder teilweise abgetragen worden sind. Architekten wurden schon zu einem frühen Zeitpunkt beauftragt, Straßen zu planen, durch die ein Dorfkern völlig unkenntlich gemacht wird. Der Berliner Historiker Bernd Maether, der über die Vernichtung von Schlössern und Gutshäusern forscht und über dieses Thema publiziert hat, nennt Nonnendorf bei Dahme und Ossendorf bei Neuzelle, deren Gesicht auf diesem Weg gewaltsam verändert wurde. "Man wollte Geschichte unsichtbar machen, den Dörfern ihr Gesicht nehmen. Jedes Mittel war den Machthabern recht". Nach den damaligen Statistiken habe es ein Gefälle zwischen Mecklenburg und Thüringen gegeben. "Im Norden galten nur 4,6 Prozent der historischen Objekte als erhaltenswert, im Süden über 31 Prozent. Brandenburg mit seiner reichen Schlösserlandschaft wurden 9,6 Prozent der Bauten als besonders wertvoll, wertvoll oder erhaltenswert zugestanden".

Dass nach dem schrecklichsten aller Kriege große materielle und kulturelle Werte absichtlich und mit scheinheiligen Argumenten vernichtet wurden, war in der DDR kein Thema. Im Ostberliner Institut für Denkmalpflege nannte man ungern die Dinge beim Namen. Das 1986 von der Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED herausgegebene Buch "Die SED und das kulturelle Erbe" erwähnt die Maßnahmen unter dem Stichwort "Beseitigung der politischen und ökonomischen Grundlagen reaktionärer Kulturtraditionen" eher am Rande. In "voller Übereinstimmung" mit den sowjetischen Behörden seien die gesellschaftlichen Bedingungen für deren Weiterwirken durch "revolutionäre Umgestaltung der Macht- und Besitzverhältnisse" überwunden worden. Die Bodenreform sei ein großer revolutionärer Akt gewesen, "bei dem mehrere hunderttausend Landarbeiter und landarme Bauern die Güter und Höfe ihrer bisherigen Ausbeuter und Unterdrücker in Besitz nahmen". Das habe sich "nicht ohne jede Schädigung bestimmter architektonischer und anderer kultureller Werte" vollzogen. Entgegen den Verleumdungen im Westen seien viele kulturhistorisch wertvolle Gebäude und das entsprechende Inventar erhalten geblieben und teilweise einer neuen Nutzung zugeführt worden, heißt es in der Verteidigungsschrift. "Dabei war der auch in der Partei verbreiteten naheliegenden Auffassung zu begegnen, dass die Schlösser der Junker die Symbole ihrer reaktionären Herrschaft seien und revolutionäre Konsequenz deshalb ihre Liquidierung erfordere".

10. Mai 2019

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