Als Bärte noch Geld kosteten
Zar Peter der Große rückte mit aller Macht sein Reich Europa an und bediente sich dabei diktatorischer Methoden



Die farbige Grafik zeigt, wie einem Bojaren auf Befehl des Zaren der Bart gestutzt wird. Peter der Große, hier dargestellt auf einem Fünfhundertrubelschein, trug nur einen kleinen Oberlippenbart, der auch in Westeuropa üblich war.



Das Kupferzeichen, volkstümlich Bartkopeke genannt, diente im frühen 18. Jahrhundert als Quittung für die von Peter dem Großen erhobenen Bartsteuer.



Numismatische Zeitschriften der Barockzeit machten ihre Leser auch mit russischen Münzen bekannt und erläuterten, was man auf ihnen erkennt.



Der Dukat von 1720 kombiniert das Brustbild des Zaren mit dem in Russland als Landcespatron verehrten Heiligen Andreas. Die Umschrift sagt, dass das Goldstück zwei Rubel wert ist.



Die silbernen Rubel Peters des Großen sind sämtlich nach dem Schema Brustbild und Doppeladler gestaltet, ab und zu hat man sich im 19. Jahrhundert um neue Rückseitenbilder bemüht.



Katharina II., die Große, auf einer Medaille von 1763 auf die Reformierung des russischen Münzwesens, symbolisiert durch eine große Spindelpresse, über der der Zarenadler kreist.



Die Zarin errichtete in Sankt Petersburg ihrem Vorgänger auf dem Zarenthron, Peter dem Großen, ein monumentales Denkmal, das auch Eherner Reiter genannt wird. Alexander Puschkin widmete 1833 ihm ein berühmtes Gedicht. (Fotos/Repros: Caspar)

Peter I., der Große, wie die Mit- und Nachwelt den berühmtesten aller Zaren nennt, war ursprünglich zur Thronfolge nicht bestimmt. Mit zehn Jahren wurde er 1682 nach dem Tod seines älteren Bruders, des Zaren Fjodor III., unter Umgehung seines schwachsinnigen Stiefbruders Iwan V. zum Zaren ausgerufen. Da Peter noch zu jung war, übernahm seine Stiefschwester Sophie die Regentschaft. Um ihn von den Geschäften fernzuhalten, hat man ihn fern von Moskau aufwachsen lassen. Dort befasste sich der junge Mann mit Kriegs- und Flottenspielen und interessierte sich für technische Fragen. Er betätigte sich handwerklich und suchte Kontakt zu gebildeten Westeuropäern. 1689 entmachtete Peter seine Stiefschwester, schickte sie ins Kloster und übernahm die Allein- oder Selbstherrschaft, wie es auch auf russischen Münzen heißt. Sein Ziel war es, das Russische Reich dem Standard westeuropäischer Ländern anzugleichen und es zu einer allgemein geachteten, ja gefürchteten Großmacht zu entwickeln. Das gelang durch gesetzgeberische und organisatorische Maßnahmen, die der Zar mit aller Macht durchsetzte.

Aus dem Nordischen Krieg von 1700 bis 1721 ging Peter nach vielen Schlachten zu Wasser und zu Lande gegen König Karl XII. von Schweden siegreich hervor. Seinen Triumph über diesen seinen Hauptfeind ließ der Zar auf zahlreichen Medaillen feiern, und auch sonst spielten Krieg und Frieden, aber auch die Entwicklung des Landes zu einer Großmacht mit einer starken Armee und Flotte auf Medaillen eine große Rolle. Das Geld ist erhoben

Der Einfluss der westeuropäischer Politiker und Berater an seinem Hof prägte Peters Weltbild, das mit den altrussischen Verhältnissen in Konflikt geriet. Der Zar reorganisierte die Verwaltung und schränkte den Einfluss der Kirche ein. Dass er sich mit Ausländern umgab, trug ihm den Hass vieler Landsleute ein, die sich zurückgesetzt fühlten. Peters Wunsch, dass sich russische Männer Bart abschneiden lassen und westeuropäische Kleider tragen sollen, wurde zähneknirschend befolgt. Die in Moskau als Quittung für die Entrichtung einer speziellen Steuer für das Tragen von Bärten geprägten Kupfermarken, populär Bartkopeken genannt, sind begehrte Sammelstücke und suchen in der internationalen Münzgeschichte ihresgleichen. Auf ihnen ist zu erkennen, was den Zaren störte und woraus er Geld zu schlagen verstand. Denn zu seiner Zeit war in vornehmen Kreisen westlich der Grenzen seines Reiches eine solche Gesichtsbehaarung verpönt. Peter selber trug nur einen dünnen Oberlippenbart. Wer also als "echter Russe" seinen Bart behalten wollte, musste eine Steuer entrichten und bei Kontrollen als Beweis ein Bartzeichen vorweisen.

Die meisten auf uns gekommenen Marken sind rund, es gibt aber auch eckige, wohl nur probeweise hergestellte Ausgaben. Gegenstempel auf manchen Stücken beweisen, dass eine Kontrolle vorgenommen wurde. Die russische Inschrift lautet in deutscher Übersetzung "Das Geld ist erhoben". Widerstand gegen die Maßnahmen Peters des Großen und seine Eingriffe in das Privatleben seiner Untertanen war zwecklos und wurde mit Verbannung oder Todesstrafe geahndet. Bei der Verfolgung seiner Feinde konnte der Selbstherrscher aller Reußen unerbittlich und grausam sein, womit er sich nicht von anderen Zaren, sowjetischen Diktatoren sowie weiteren Tyrannen unterschied.

Steuern zur Kriegsfinanzierung

Abgaben auf Bärte aller Art waren nicht die einzigen, mit denen der Zar seine Untertanen erboste und schröpfte, denn er erließ weitere Steuern etwa auf Badehäuser, Stiefel, Brennholz und sogar Ofenrohre. Das lag damals im Trend, im römisch-deutschen Reich gab es Perücken-, Fenster- und Rasierpinselsteuern. Eine allgemeine Besteuerung von Nahrungsmitteln und Verbrauchsgütern wie bei uns kannte man damals noch nicht. 1715 betrug die Bartsteuer 50 Rubel, was für einfache Leute kaum erschwinglich war. Das erwirtschaftete Geld brauchte der Zar zur Finanzierung des gegen Schweden geführten Nordischen Kriegs. Jahrzehnte später hat Katharina II., die Große, die als lächerlich und diskriminierend empfundene Bartsteuer abgeschafft.

Allerdings konnte sich der Zar nie seines Lebens und Throns sicher sein, auch seine Nachfolger schwebten immer in Lebensgefahr, ja einige wurden entweder ermordet oder starben bei Sprengstoffattentaten. Nikolaus II. wurde 1918 mit seiner Familie von den Bolschewiki erschossen. Gelegentlich ausbrechende Aufstände ließ Peter brutal niederschlagen, er soll Rebellen sogar eigenhändig geköpft haben. Seinen Sohn Aleksej ließ er umbringen, weil er in ihm einen Verräter sah, der sich mit ausländischen Mächten einlässt. Das trug ihm den Ruf eines Kindermörders ein, aber solche Verbrechen hat es am russischen Hof immer wieder gegeben. Da Peter der Große bereits 1725 mit erst 53 Jahren starb, blieb sein Werk unvollendet, Russland mit Feuer und Schwert, mit Diplomatie, List und Tücke in die Neuzeit zu führen und innere Unruhen niederzuschlagen. Diese Aufgabe übernahm später die aus dem kleinen deutschen Fürstentum Anhalt-Zerbst stammende Kaiserin Katharina II., genannt die Große.

Übrigens war Russland unter Peter dem Großen nicht das einzige Land mit einer Bartsteuer, das hatte es auch in Frankreich im 16. Jahrhundert gegeben. König Franz I fand stieß sich daran, dass sich Geistliche einen Bart wachsen lassen und des Königs Barttracht nachahmen. Er konnte den Papst bewegen, dass er ihm gestattete, kirchliche Bartträger mit einer Abgabe zu belegen, was zur Spaltung innerhalb der Geistlichkeit führte. Hohe Würdenträger konnten sich ihren Gesichtsschmuck erkaufen und waren sofort als "bessere Menschen" zu erkennen, während sich die niedere Geistlichkeit aus finanziellen Gründen rasieren musste und damit diskriminiert war. Die Pariser Sorbonne entschied 1561, dass das Tragen eines Bartes mit "priesterlicher Ehrbarkeit" unvereinbar ist, und stellte einheitliche Verhältnisse her. Damit war auch die Abgabe vom Tisch, denn Geistliche trauten sich nicht mehr, mit einem Bart unter die Leute zu gehen.

21. Januar 2019

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