Des Hofrats falsche Eulen
Der Wein- und Kunsthändler Karl Wilhelm Becker tat alles, um seine Machwerke echt und alt aussehen zu lassen





Die römischen Denare stammen aus Beckers Werkstatt, die sorgfältig geschnittenen Stempel des Fälschers (oben) gelangten in den Besitz des Berliner Münzkabinetts, das Beispiele im Bode-Museum auf der Museumsinsel zeigt.





Der Brief bittet für den isenburgischen Hofrat Becker (Porträt oben) freies Geleit bei einer seiner vielen Reisen.



Zu seinen Lebzeiten besaß Karl Wilhelm Becker als Kunst- und Münzkenner einen guten Ruf. Seinem fürstlichen Arbeitgeber Carl von Isenburg widmete Hofrat Becker diese Medaille.



Im Mittelalter wurden Mörder, Diebe, Betrüger, Münzfälscher und andere Verbrecher gnadenlos dem Henker übergeben. Einzel- und Massenhinrichtungen wurden zur Abschreckung, aber auch als eine Art Volksbelustigung regelrecht zelebriert. Hofrat Becker blieb dieses Schicksal erspart, aber er hatte ja auch keine aktuell kursierenden Münzen, sondern "nur" historische Objekte gefälscht. (Repros: Caspar)

Nach den Befreiungskriegen von 1813 bis 1815 tauchten in Münzsammlungen numismatische Kostbarkeiten dubioser Herkunft auf. Nur wenigen Sammlern schwante, dass mit den Angeboten etwas nicht stimmt. Noch zu seinen Lebzeiten wurde Karl Wilhelm Becker, ein Tuch-, Wein- und Kunsthändler mit wechselnden Wohnsitzen, darunter einem in Offenbach bei Frankfurt am Main, als Hersteller entlarvt. Die "Beckerschen Fälschungen", die manchen Sammler verwirrt hatten, stiften heute kein Unheil mehr. Zu stark weichen die viel zu schön geratenen Prägestücke von den Vorbildern ab, und außerdem sind sie ausreichend in der numismatischen Literatur dokumentiert. Beckers aus dem Metall alter, aber billiger Münzen hergestellten Machwerke wurden zum Inbegriff von Münzfälscherei. Diese betrifft in vielen Fällen kostbare und teure Sammlerstücke und unterscheidet sich von der Falschmünzerei, mit der sich Betrüger zum Schaden der Allgemeinheit durch Herstellung aktueller Geldstücke und Banknoten bereichern wollen. Sofern sie erwischt werden, sind ihnen drastische Strafen sicher. In früheren Jahrhunderten mussten Münzfälscher mit Verbrennung auf den Scheiterhaufen oder Hängen am Galgen bestraft, wenn die Richter milde gestimmt waren, beließ man es mit Handabschlagen, Prügelstrafe und/oder Landesverweis. Talentierter Stempelschneider

Strafen an Leib und Leben blieben dem talentierten Stempelschneider erspart, der vom Fürsten Carl von Isenburg, einem passionierten Münzensammler, zum Hofrat ernannt wurde. Hätte er doch seine Fähigkeiten besser genutzt, er wäre in ehrenvoller Erinnerung als Künstler geblieben! Sein Oeuvre lässt sich, rein zahlenmäßig, durchaus sehen. In seinem Nachlass fanden sich rund 300 nach historischen Vorlagen beziehungsweise eigenen Entwürfen sorgfältig geschnittene Stempel, und zwar für 110 griechische, 126 römische, 24 westgotische, 24 mittelalterliche deutsche und zwölf neuzeitliche Münzen. Da Becker über seine Bemühungen genau Buch führt, wissen wir, dass er für die Gravur eines einzigen Stempel bis zu vier Tage benötigte.

Die Fälschungen und einige gelungene Gedenkprägungen zeigen, dass er etwas vom Fach verstand. Das zeigen eine Medaille im Mittelalterstil anlässlich des Fundes des Grabsteins Kaiser Rudolph von Habsburg im Dom zu Speyer sowie solche zur Ehren seines Arbeitgebers, des Fürsten Carl zu Isenburg-Büdingen, dem es gelang, nach den Befreiungskriegen über ein winziges Territorium zu herrschen, obwohl man in ihm einen Anhänger des vom Thron gefegten Kaisers Napoleon I. sah. Carl zu Isenburg stand zeitweilig als General in französischen Diensten und hatte von seinem Einsatz in Spanien westgotische Münzen mitgebracht, die sein Hofrat und Bibliothekar Becker als Vorlagen für seine Stempel missbrauchte. Das war verwunderlich, denn eigentlich hatte sich der Meisterfälscher auf Griechen und Römer spezialisiert.

Es wird berichtet, dass Becker seine Machwerke über Mittelsmänner serienweise oder einzeln unter die Sammler brachte. Vergeblich versuchte er, berühmten Münzkabinetten seine Stempel zu verkaufen. Sie lehnten ab, weil die geforderten Preise zu hoch waren. Nach seinem Tod kamen die Eisenwerkzeuge ins Berliner Münzkabinett, wo sie noch heute besichtigt werden können. Obwohl der fürstliche Hofrat immer und immer wieder Betrugsabsichten abstritt und behauptete, Münzsammlern nur einen Gefallen tun zu wollen, damit sie ihre Kollektionen vervollständigen können, lassen sich diese doch unschwer nachweisen. Denn wenn er durch die Lande fuhr, scheuerten seine irgendwo in einem Hinterzimmer hergestellten "alten Herren" in einem Kasten, der unter der Kutsche befestigt war. Die Gold- und Silbermünzen bekamen auf holprigen Wegen mit Hilfe einer Paste aus Fett und Metallspänen das Aussehen abgegriffener uralter Geldstücke. Becker setzte die Stempel absichtlich nachlässig auf das Metall, und er soll seine Falsifikate im Dunghaufen vergraben haben, um ihnen quasi im Schnellverfahren ein altehrwürdiges Aussehen zu verpassen.

Der Rost macht erst die Münze wert

Bei der künstlichen Patinierung beachtete der Kunsthändler, was einer seiner Klienten, Johann Wolfgang von Goethe, im "Faust" geradezu klassisch formuliert hatte: "Das ist es ja, was man begehrt. / Der Rost macht erst die Münze wert". Dem Dichter hat der Hofrat offenbar keine Fälschungen anzudrehen gewagt, zumindest sind in seiner Weimarer Sammlung Stücke aus seiner Werkstatt nicht nachzuweisen, wohl aber andere Nachbildungen. In seinen Tages- und Jahresheften notierte Goethe 1815 bei einem Besuch in seiner Heimatstadt Frankfurt am Main: "Hofrat Becker zeigte bedeutende Gemälde, Münzen und Gemmen vor, nicht abgeneigt, dem Liebhaber [also Goeze selbst, H. C] eines oder das andere Wünschenswerte zu überlassen."

Dass Karl Wilhelm Becker eine gewisse kriminelle Energie besaß, zeigt die Art, wie er sich Vorlagen für seine Stempel beschaffte. Lange nach seinem Tod wurde bekannt, dass er sich beispielsweise im Gothaer Münzkabinett Originale antiker Seltenheiten erschlichen hatte. Karl Wilhelm Becker war zwar einer der produktivsten Fälscher des 19. Jahrhunderts, doch reich ist er mit seinen Schöpfungen nicht geworden. Niemand hat ihn belangt, denn nur die Herstellung minderwertiger oder falscher Kursmünzen stand unter Strafe. Historische Münzen oder Medaillen hingegen genossen damals diesen gesetzlichen Schutz noch nicht.

Als Beckers Nachahmungen publik wurden, wies er Betrugsabsichten wies er weit von sich. Unrechtsbewusstsein scheint ihn, wie auch andere Fälscher, nicht sonderlich geplagt zu haben. Carl zu Isenburg-Büdingen stand zeitweilig in Diensten des französischen Kaisers Napoleon I. Als Herrscher über ein kleines Fürstentum ließ er Münzen prägen, um seine Stellung als Mitglied des Rheinbundes zu unterstrichen. Nach den für ihn demütigenden Beschlüssen des Wiener Kongresses von 1814/15 soll in Isenburg eine Medaille aufgetaucht sein mit dem Monogram des Fürsten und folgender äußerer Umschrift FRUCTUS LIBERTATIS GERMANIA PROMISSAE und innerer Umschrift P E U OE V B M V M A R (= Preußen England Und OEsterreich Vereint Bringen Mich Um Mein Angestammtes Recht). Weitere Ausprägungen dieser Medaille mussten unterbleiben.

9. Februar 2019

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