Das ganze Deutschland sollte es sein
Warum die frühen Münzen der DDR auf eine eigene Staatsbezeichnung verzichteten





In riesigen Stückzahlen geprägt, sind die Alupfennige und Fünfziger aus Bronze der frühen DDR-Zeit in vielen Sammlungen zu finden.







Bei der Kombination von Brandenburger Tor und Kölner Dom und weiteren DDR-Münzentwürfen von 1949 ist es geblieben. Gäbe es von ihnen Probeabschläge, würden Sammler sie sehr teuer bezahlen.



Die DDR-Bevölkerung durch sich immer wiederholende Festivals, Kundgebungen, Wettbewerbsaufrufe und Selbstverpflichtungen bei Laune und an der Stange zu halten, ging nicht gut. Foto von 1974 auf dem mit Plakaten und Parolen zugekleisterten Berliner Lustgarten vor dem Alten Museum.



Die Anklage "Hier leben noch Menschen" wurde 1990 an die Mauer eines völlig verrotteten Altbaugebiets in Halle geschrieben. (Foto/Repro: Caspar)

Der Jubel über die überraschende Öffnung der Mauer und das Ende des SED-Regimes war vor 30 Jahren groß. Bald schon wurde aus "Wir sind das Volk" der Ruf "Wir sind ein Volk" und "Deutschland einig Vaterland". Mit dem Ende der DDR war auch deren Münzgeschichte abgeschlossen. Die bis 1953 in riesigen Stückzahlen geprägten Aluminiumpfennige und der Bronze-Fünfziger von 1950 mit Fabrik und Pflug tragen die Staatsbezeichnung DEUTSCHLAND. Die Angabe drückte die Hoffnung der SED- und Staatsführung in Ostberlin und ihrer sowjetischen Befehlsgeber, eines Tages die Macht in ganz Deutschland übernehmen zu können, natürlich unter kommunistischen Vorzeichen.

Diesem Ziel diente zeitweilig eine massiv von Ostberlin aus betriebene "gesamtdeutsche" Propaganda. Sie malte unter dem Motto "Deutsche an einen Tisch" und "Deutschland einig Vaterland" die Vision aus, dass eines Tages die Sonne des Sozialismus und Kommunismus "schön wie nie" über ganz Deutschland aufgeht, um eine Zeile aus der DDR-Hymne von Johannes R. Becher zu zitieren. Zum anderen wurde unterstrichen, dass die DDR neben der Bundesrepublik Deutschland ein souveräner Staat ist, der als einziger das "wahre Deutschland" repräsentiert. Das war mit der Bundesrepublik nicht zu machen, die den zweiten deutschen Staat konsequent "Sowjetzone" nannte.

Nach Annahme des Gesetzes über das Staatswappen der DDR vom 26. September 1955 wurde ein neues Münzdesign eingeführt, das auf der Rückseite Hammer und Zirkel im Ährenkranz mit einem darum gewickelten schwarz-rot-goldenen Band sowie die Bezeichnung DEUTSCHE DEMOKRATISCHE REPUBLIK zeigt. Im VEB Münze der DDR am Berliner Molkenmarkt wurden ab 1956 neue Stücke zu einer Deutschen Mark, ab 1957 zu zwei Deutschen Mark, ab 1958 zu 50 Pfennig, ab 1960 zu einem, ab 1963 zu zehn Pfennig, ab 1958 zu fünf Pfennig geprägt. 1972 kamen ein Zwanzigpfennigstück und 1969 ein Fünfmarkstück hinzu, das "XX Jahre DDR" feiert. Beide Nominale bestehen aus einer Kupfer-Zink-Legierung beziehungsweise Kupfer-Nickel. Daneben gibt es die von Sammlern gesuchten und teuer bezahlten Proben aus anderen Mischungen sowie Abschläge mit fehlerhaften oder ganz anderen Randschriften und weiteren Abweichungen.

Wie weit der Drang der DDR-Führung ging, sich ganz Deutschland unter den "Nagel" zu reißen, illustriert ein Lied, das Johannes R. Becher zum Tod des sowjetischen Diktators Josef Stalin am 5. März 1953 schrieb. Die letzten Strophen dieses ganz dem damalige Stalinkult verpflichteten Elaborats lauten so: "Vor Stalin neigt euch, Fahnen, lasst euch senken! / Es soll ein ewiges Gedenken sein! / Erhebt euch, Fahnen, und weht im Gedenken / An Stalin bis hinüber an den Rhein. / In Stalins Namen wird sich Deutschland einen. / Er ist es, der den Frieden uns erhält. / So bleibt er unser und wir sind die Seinen, / Und Stalin, Stalin heißt das Glück der Welt. / Die Völker werden sich vor dir erheben, / Genosse Stalin, und zu dir erhebt / Mein Deutschland sich: in unserm neuen Leben / Das Leben Stalins ewig weiterlebt." Ob sich der Dichter und DDR-Kulturminister später seiner Lobhudelei geschämt hat, als der ganze Umfang der Massenmode und Verbrechen des "großen Stalin" bekannt wurde, bleibt Spekulation. Wenigstens brachte die DDR es nicht über sich, ihm eine Gedenkmünze zu widmen.

Versehen mit der Anfangszeile "Auferstanden aus Ruinen und der Zukunft zugewandt" wurde die DDR-Hymne zum ersten Mal in Berlin am 6. November 1949 anlässlich einer Festveranstaltung zum 32. Jahrestag der Sozialistischen Oktoberrevolution gesungen und soll hervor geht, vom Publikum ergriffen und begeistert aufgenommen worden sein. Der vom SED-Politibüro genehmigte Text von Becher kennzeichnete die Aufbruchstimmung nach dem Zweiten Weltkrieg. Aber schon der nächste Satz "Lasst uns dir zum Guten dienen, Deutschland einig Vaterland" war über 20 Jahre später wegen der vom SED-Generalsekretär und Staatschef Erich Honecker praktizierten Abgrenzungspolitik nicht mehr opportun, weshalb Lied nur noch vom Orchester gespielt, nicht aber gesungen werden durfte. Von "Deutschland" wurde nur noch in der Vergangenheitsform gesprochen. Im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung gab es vergeblich den Versuch, die "Becherhymne" mit der dritten Strophe des Deutschlandlieds von Hoffmann von Fallersleben zu kombinieren. Dabei blieb es aber, und so wird bis heute "Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Vaterland" gesungen, ob das Nörglern von links bis rechts gefällt oder nicht.

12. Mai 2019

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