Glänzende Geschichte endete in Zerstörungswut
Wie Stempelschneider Max Barduleck 1887 die letzten Tage der Dresdner Münze erlebte



Der Name Münzgasse erinnert in der Dresdner Innenstadt zwischen Frauenkirche, Neuem Markt und der Brühlschen Terrasse daran, dass es hier bis 1887 eine Geldfabrik gegeben hat. Schon lange in die Jahre gekommen, musste sie den unter König Albert errichteten Prunkbauten weichen. An der Kuppel mit vergoldeter Victoria obenauf ist die Kunstakademie zu erkennen, erbaut 1887 bis 1894 nach Plänen von Konstantin Lipsius. Die Kuppel erhielt wegen ihrer speziellen Form den Spitznamen "Zitronenpresse". Zur Entstehungszeit war sie heftig umstritten, weil man in ihr eine Konkurrenz zur Kuppel der Frauenkirche sah. Heute wird sie als Bereicherung der Altstadt verstanden.





So könnte es Mitte des 19. Jahrhunderts auch in der Dresdner Münzstätte beim Stanzen der Ronden, dem Prägen an der Kniehebelpresse sowie dem Walzen der Metallbänder sowie ganz hinten beim Gießen des Metalls ausgesehen haben. Alle diese Arbeiten wurden stets in ein und derselben wenig ansehnlichen Geldfabrik absolviert, wie man auf dem alten Foto erkennt.





Die Kniehebelpresse und die Scheuertrommel mit Gießformen rechts im Hintergrund stammen aus Muldenhüttenn und werden im Hausmannsturm des Dresdner Schlosses mit anderen historischen Geräten gezeigt.



Aus dem Inventar der Dresdner oder der Muldenhüttener Münzstätte stammt dieser Durchstoß im Dresdner Münzkabinett, mit dem man aus schmalen Metallbändern die Münzronden geschnitten hat.



Das B auf den unter König Johann geprägten Geldstücken weist auf Münzmeister Buschick, der 1887 die letzten Dresdner und die ersten Muldenhüttener Pfennige auf besondere Weise zeichnete und berühmt machte.



Die Medaille auf die Achthundertjahrfeier des Hauses Wettin mit dem Kopf von König Albert und einer Allegorie ist ein Werk von Max Barduleck, dem wir interessante Einsichten in das Innenleben der Dresdner Münze verdanken. (Fotos/Repros: Caspar)

Die Münzgeschichte des deutschen Kaiserreichs kennt viele Kuriositäten und Raritäten. Dem Dresdner Stempelschneider Max Barduleck verdanken wir eine Information über die letzten in der sächsischen Hauptstadt am 7. Februar 1887 geprägten Einpfennigstücke, die als extraordinäre Seltenheiten enorme Preise erzielen, wenn sie denn vom Münzhandel angeboten werden sollten. Die Auflösung der im 16. Jahrhundert eingerichteten Dresdner Münze war nach der Reichseinigung von 1871 schon lange im Gespräch. Die in der Nähe des Dresdner Schlosses und der Brühlschen Terrasse befindliche sächsische Staatsmünze zog 1887 nach Muldenhütten bei Freiberg um und war bis 1953 im Auftrag der DDR-Regierung mit der Herstellung von Aluminiumpfennigen und -groschen befasst.

Erkennbar sind diese Geldstücke am Münzzeichen E, das seit der Reichseinigung von 1871 von der Dresdner beziehungsweise der Muldenhüttener Münze verwendet wurde. Nachdem 1953 der Muldenhüttener Prägebetrieb eingestellt war, gelangten die Münz- und Medaillenstempel sowie einige historische Prägemaschinen und weitere Geräte ins Dresdner Münzkabinett. Versuche sächsischer Münzfreunde nach der Wiedervereinigung 1990, die Geldherstellung in Muldenhütten wieder aufleben zu lassen und dadurch dem deutschen Münzwesen die traditionsreiche Kennung E zurückzugeben, scheiterten am Desinteresse in der Politik und an den Kosten, die dieses Projekt verursacht hätte.

Gekreuzte Schwerter und Rautenkrone

Sachsen blickt auf eine lange Münzgeschichte zurück. Von den vielen Münzstätten, die für die Kurfürsten tätig waren, blieb im 19. Jahrhundert nur die in Dresden übrig. In der kurfürstlichen und ab 1806 königlichen Hauptmünzstätte, die von 1556 bis zum Umzug 1887 nach Muldenhütten an verschiedenen Orten in der Elbmetropole tätig war, entstanden Geldstücke und Medaillen, die in den Angeboten des Münzhandels gut vertreten sind und die Herzen der Sammler höher schlagen lassen. Außer den üblichen Kursmünzen mit landesherrlichem Bildnis, den gekreuzten Schwertern und der Rautenkrone sowie in der königlich-polnischen Zeit mit dem sächsisch-polnischen Allianzwappen wurden prächtige Gedenkmünzen aus Gold und Silber und Medaillen geprägt, auf denen sich die Wettiner als besorgte Landesherrn, große Feldherren und generöse Kunstmäzene präsentierten.

Da der sächsische Staat nach der Reicheinigung von 1871 unter König Albert Neubaupläne für die Brühlsche Terrasse in Dresden und in angrenzenden Straßen hatte, stand die Münze im Wege. Von 1887, also gleich nach dem Auszug der Arbeiter, bis 1894 entstand auf der Brühlschen Terrasse die Kunstakademie nach Plänen von Konstantin Lipsius im Stil der Neorenaissance, weithin sichtbar an einer Glaskuppel mit einem vergoldeten Engel darauf. Das nach König Albert benannte Albertinum nebenan wurde im Stil der italienischen Hochrenaissance als Museumsbau nach Plänen des Architekten Karl Adolf Cranzler erbaut. In dieser edlen Umgebung hatten die alten, unansehnlichen Fabrikgebäude der Münzstätte keinen Platz mehr. Dass unterhalb der Kunstakademie vor langer Zeit Geld hergestellt wurde, verrät nur noch der Name Münzgasse. Die Häuser, die hier gestanden haben, gingen wie fast die ganze Innenstadt in der Bombennacht vom 13. zum 14. Februar 1945 unter. Heute stehen hier in der Nähe der wieder aufgebauten Frauenkirche und des Neuen Markts wenig ansehnliche Wohn- und Geschäftsbauten, und es herrscht reger Betrieb in zahlreichen Restaurants und Souvenirläden.

Zahl der Arbeiter nahm stark ab

Planung und Bau der Kunstakademie gingen einher mit der Empfehlung des Landtages an die Regierung, die Dresdner Münze mit den Freiberger Schmelzhütten zu vereinen sowie den in Dresden den Münzbetrieb einzustellen und die alten Gebäude abzureißen. Am neuen Standort in Muldenhütten sollte ein neues Gebäude für 146 000 Mark gebaut werden. Der Umzug wäre sicher schon schneller vollzogen worden, wäre nicht im August 1885 das altersschwache Wasserrad des Dresdner Silberhammers zusammengebrochen. Dadurch wurde das Streckwerk, auf dem die Zaine gewalzt wurden, betriebsunfähig, was wiederum zur Folge hatte, dass die Ausmünzung bis Dezember 1886 unterbrochen war. Der Silberhammer wurde am 22. Dezember 1886 öffentlich versteigert und von der Stadt Dresden für 70 000 Mark erworben. Das alte Münzgebäude hingegen wurde ohne Rücksicht auf das historisch wertvolle Inventar rücksichtslos ausgeschlachtet und in den folgenden Jahren abgerissen.

Einer Aufstellung von Hugo Fischer in den "Beiträgen zur Geschichte der Technik und Industrie - Jahrbuch des Vereins deutscher Ingenieure" (1926) ist neben den eben genannten Zahlen und Fakten auch der Hinweis zu entnehmen, dass die Dresdner Geldfabrik in den 15 Jahren bis zu ihrer Übersiedlung nach Muldenhütten Münzen für 114 226 729 Mark geprägt hat. Von dieser Summe nahmen die Goldmünzen mit 82 474 310 Mark den Löwenanteil ein, gefolgt von 28 309 707 Mark für Silbermünzen sowie 2,87 Millionen Mark für Nickelmünzen und 0,572 Millionen Mark für Kupfermünzen. Interessant ist auch die Entwicklung im Personalbestand, über den Fischer unter Bezug auf Akten im Hauptstaatsarchiv mitteilt, die Zahl der Arbeiter habe 1871 noch 31 Mann betragen und sei 1879 auf drei bis vier gesunken. In den letzten Jahren habe man selten mehr als drei Mann gezählt. Dieser Personalschwund findet seine Entsprechung in den zurück gehenden Prägezahlen, die in den Münzkatalogen registriert sind.

Wo rohe Kräfte sinnlos walten

Über das Innenleben der zwischen Frauenkirche und Cosel-Palais nahe der Brühlschen Terrasse tätigen Geldfabrik sind wir durch einen Bericht des Münzeisenschneiders und Medailleurs Max Barduleck gut informiert. In seinen 1981 posthum von Paul Arnold, dem Direktor des Dresdner Münzkabinetts, edierten Lebenserinnerungen hat sich der Künstler, der 1867 an der sächsischen Münze als Graveur eingestellt wurde und ihr bis zu seiner Pensionierung 1911 diente, kritisch über die nach dem Motto "Wo rohe Kräfte sinnlos walten" aus Schillers "Glocke" chaotischen Umstände geäußert, unter denen die Dresdner Münze aufgelöst und 1887 nach Muldenhütten bei Freiberg verlegt wurde. "Kaum war das letzte Werkzeug in Sicherheit gebracht, da stürzten sich auch schon die Hüttenleute auf die Maschinen und setzten ihr Zerstörungswerk fort. […] Beim Einreißen und Ausräumen der Expeditionen der Münzwardeine hatten die Zimmerleute besonders schlimm gehaust. In einem der Zimmer befand sich eine sehr schöne schwarzgebeizte Holzverkleidung mit einem zierlichen Wandbrunnen aus Zinnguss in der Mitte, der einen Delphin darstellte. Die ganze treffliche Innenarchitektur haben die rohen Gesellen mit dem Hinweis, daß sie dazu vom Hüttenbaumeister beauftragt wären, zerschlagen. Was an wertvollen Gegenständen, die der Erhaltung wert gewesen wären, zugrunde gegangen ist, musste jeden Altertums- und Kunstfreund auf das schmerzlichste berühren." Zu Bardulecks Kummer wurden nicht nur das Ausstattungsstücke von ungebildeten Rohlingen vernichtet, sondern auch wichtige Aktenstücke sowie zahlreiche Münz- und Medaillenstempel. "Wieviel Wertvolles mag noch darunter gewesen sein", lautet der Stoßseufzer des über die brutale Art der Entsorgung von historischem Mobiliar, Dokumenten und Werkzeugen zu Recht empörten Stempelschneiders.

Max Bardulecks 1921 verfassten Erinnerungen sind eine interessante Quelle nicht nur für die letzten Jahre der Münze in Dresden, sondern bestechen auch durch ihre ausgezeichnete Charakterisierung des in Dresden tätigen Personals. Das Spektrum reicht von pflichtbewussten, ja ins Pedantische tendierenden Beamten über Zeitgenossen, die ihren Dienst auf die leichte Schulter nahmen, bis hin zu Geizkragen, Intriganten und unausstehlichen Cholerikern. Manche stürzten sich in Schulden, wurden krank oder vorzeitig in den Ruhestand versetzt. Offenbar bot die Dresdner Münze der gehobenen Mitarbeiterschicht reichlich Gelegenheit, alle Fünfe gerade sein zu lassen. Manche Münzbeamte kamen mit ihrer schlechten Bezahlung nicht aus und unterhielten ein mehr oder weniger lukratives Nebengewerbe, das aber den einfachen Münzarbeitern, die zwölf Stunden tätig waren, kaum möglich war.

Kläglichste Lohnverhältnisse

An den Prägemaschinen, in der Gießerei, an den Walzen und Stanzen und in anderen Bereichen tätig, setzte sich die Belegschaft laut Barduleck "aus allen Berufen und ungelernten Leuten zusammen. Schlosser, wie überhaupt handwerkliche Berufe, von denen man Geschick und Verständnis voraussetzen konnte, waren nur wenige vorhanden. Schmiede waren noch am meisten vertreten, sonst hatten Schneider und Schuster häufig Nadel und Pfriem mit dem Münzberuf vertauscht." Von manchen Familien seien Vater, Sohn und Enkel in der Münze beschäftigt gewesen, und es habe bei deren Angestellten ein Korpsgeist geherrscht. Der sei so weit gegangen, dass die Münzarbeiter beim Finanzministerium eine besondere Kopfbedeckung mit einem bestimmten Abzeichen beantragt hätten, "um sich als zur Münze gehörig legitimieren zu können". Das Ansinnen wurde abgelehnt.

Zu den Lohnverhältnissen notierte Barduleck, sie seien von jeher "die kläglichsten" gewesen. Bevor der Lohn einmal um zehn Pfennige erhöht wurde, mussten heiße Kämpfe ausgefochten werden. Wenn auch in Muldenhütten die Löhne der Münzarbeiter denen der Hüttenarbeiter etwas angepasst wurden, "so waren sie doch noch äußerst gering, und Kämpfe waren auch hier nötig, ehe einmal der Stundenlohn um Pfennige erhöht wurde". Leider enthalten die Erinnerungen keinen Hinweis darauf, was Barduleck selber für seine Arbeit als Stempelschneider bekam. Die Auflistungen der von ihm geschaffenen Münzen und Medaillen in dem von Paul Arnold herausgegebenen Erinnerungen lassen den Schluss zu, dass die Honorare dem Künstler gezahlten Honorare ein Leben im Wohlstand ermöglichten. Auch aus der Geschichte anderer Münzstätten ist bekannt, dass Münzgraveure und Medailleure nicht schlecht verdienten und Extragratifikationen erhielten, wenn ihnen ein Entwurf oder Stempel den Auftraggebern besonders gut gelungen war. Sicher hat dieses Verfahren die Kreativität und Einsatzbereitschaft der Künstler angespornt, die oft eine akademische Ausbildung besaßen und überdies hochspezialisierte Kunsthandwerker waren.

Nach Beschreibungen der Schäden, die Hochwasser, welches regelmäßig Dresden heimsuchte, sowie der von "modernen Kyklopen" erledigte Arbeit in der Schmelzstube und im weiter weg gelegenen Silberhammer, wo die Münzbleche gewalzt und die Schrötlinge (Ronden) geschnitten, geglüht, justiert und gerändelt wurden, wandte sich Barduleck in seiner Beschreibung dem Prägen zu. "In der Prägestube standen sechs Uhlhorn-Prägemaschinen, zwei große, zwei mittlere und zwei kleine. Als seinerzeit die schweren Eisenkörper der Maschinen aufgestellt wurden, hatten die Arbeiter gesagt, es sind unsere Leichensteine', denn es genügt nur ein Mann zu ihrer Bedienung."

Moderne Kniehebelpressen als Arbeitsplatzfresser

Kniehebelpressen waren schneller als jedes andere Gerät, und wer bisher am Klippwerk oder der Spindelpresse gemächlich gearbeitet hatte, musste befürchten, dass die neuartigen Maschinen ihnen Arbeit und Brot streitig machen, eine Erscheinung, auf die die in anderen Industriebereichen, etwa in der Textilbranche, mit Maschinenstürmerei auf die Arbeitsplatzfresser reagiert wurde. In der Minute schafften ein "Uhlhorn" laut Barduleck 60 bis 70 Münzen mit einem Durchmesser bis zu 20 mm und 40 bis 45 Stück, wenn sie bis 41 mm groß waren, also Doppeltalergröße besaßen. Allerdings seien diese Mengen nicht erreicht worden, weil man die Maschinen schonen wollte. "Hatten nun die Prägemaschinen tagelang geklappert und gestampft, kam der Tag der Ablieferung. Auf dem mächtigen Tisch leerten sich die Säcke, und die glänzenden Münzen häuften sich zu einem hohen Berge, der bei Gold Millionen repräsentierte. Auf Brettern, in die für die verschiedenen Münzgrößen Löcher eingedreht waren, wurden die Münzen gezählt, dann gewogen, versackt, gebucht, nummeriert, zugebunden, etikettiert und versiegelt.[…] An den Fenstern, die zum Zeughof führten, hatten sich auch hier oft große Mengen Zuschauer hinter den Eisengittern angesammelt, die diese Schätze mit begehrlichen Blicken bestaunten und ihre Wünsche austauschten. Wohlverpackt wurden nun die Säcke fortgeschafft und an die Post, die Reichsbank oder das Finanzministerium abgeliefert. So ging es Tag um Tag, Jahr um Jahr, besonders bei der Umwandlung des Münzgesetzes in den 70er Jahren, in denen Tag und Nacht gearbeitet wurde."

Max Barduleck zufolge hatte die Dresdner Münzprägung 1876 ihren Höhepunkt erreicht, danach trat eine Flaute ein, und es mussten viele Arbeiter entlassen werden. Von 1879 sei der Betrieb fast eingeschlafen, und 1882 und 1884 sei überhaupt nicht gearbeitet worden, was Angaben in einschlägigen Katalogen bestätigen. Unter diesen Umständen war es nur eine Frage der Zeit, dass sich die Regierung entschloss, die Dresdner Münze aufzuheben oder an nach Muldenhütten bei Freiberg zu verlegen.



27. März 2019

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