Darüber lacht die Welt
Deutsche Münzentwürfe legen bis zur Prägung einen langen Weg zurück, doch nicht immer kommen sie beim Publikum an



Man braucht eine Lupe um zu sehen, was auf der Zweieuromünze von 2019 zu sehen ist, bei der Ausgabe zu 25 Jahren deutsche Einheit (links) war übersichtlicher gestaltet.



Nicht gut kam beim Publikum die leere Mattscheibe auf der Gedenkmünze von 2002 zu 50 Jahren Deutsches Fernsehen an.



Als Strichmännchen aufgefasst sind die Spitzen der mittelalterlichen Gesellschaft auf der Gedenkmünze zu 600 Jahren Konzil zu Konstanz.



Nicht immer müssen es Porträts oder Straßenszenen sein, die es auf Gedenk- und Kursmünzen schaffen, zu sehen auf Gedenkmünzen von 2010 zum 25. Jahrestag der deutschen Einheit (Auto: Erich Ott) und zur Dreihundertjahrfeier der Gründung der Meißener Porzellanmanufaktur (Autor: Ulrich Böhme).



Eine der schönsten deutschen Gedenkmünzen der vergangenen Tage stammt aus dem Jahr 2014 und ehrt den Berliner Bildhauer Johann Gottfried Schadow wurde von Bodo Broschat ganz gewiss nicht am Bildschirm, sondern traditionell mit Hilfe eines Gipsmodells geschaffen.



Originale Prägewerkzeuge sind selten und stehen in Museen und Prägeanstalten unter Verschluss, werden aber auch in Ausstellungen gezeigt. (Fotos/Repro: Caspar)

Numismatische Projekte müssen in der Bundesrepublik Deutschland langwierige Abstimmungsrunden zwischen Ministerien und anderen Beteiligten absolvieren, und viele Entwürfe bleiben dabei auf der Strecke. Etwa zwei Jahre dauert es, bis ein vom Bund, den Ländern und Kommunen, von Verbänden, Kirchen und einzelnen Personen der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) eingereichter Vorschlag realisiert wird, vorausgesetzt er schafft die Hürden, und die sind sehr hoch gelegt. Nicht immer finden die dann in den fünf deutschen Prägeanstalten Berlin (Münzzeichen A), München (D), Stuttgart (F), Karlsruhe und Hamburg (J) realisierten Gedenk- und Kursmünzen die Billigung des Publikums. Ein schlechtes Beispiel dafür ist das neue Zweieurostück "30 Jahre Mauerfall 2919". Von einem Designer der Monnaie de Paris (!) gestaltet, zeigt die Münze jubelnde Menschen am Brandenburger Tor in Berlin. Dagegen ist nichts einzuwenden, denn auch die Zweieuromünze von 2015 schildert auch, wie sich Menschen vor diesem Symbol deutscher Einheit und Teilung friedlich versammeln.

Während man aber bei der Ausgabe von 2015 sehen kann, was oben und unten ist, hat man damit bei der Prägung von 2019 Schwierigkeiten. Man sieht, wie die Berliner sagen würden, "nur Bahnhof", mit anderen Worten, man muss eine Lupe zur Hand nehmen um zu sehen, wie man das Geldstück halten soll, um überhaupt etwas erkennen zu können. Mir gelang das auch, als ich die Jahreszahl 2019 ganz unten entdeckte und oben das winzige Brandenburger Tot sah. Die wuselige Menschenmenge, die sich durch einen Spalt der Mauer schiebt, ist durch die vielen in die Höhe gehobenen Hände angedeutet. Dazwischen fliegen Vögel, die vielleicht Friedenstauben sein sollen. Das Bild macht einen unaufgeräumten, um nicht zu sagen unordentlichen Eindruck und zeigt nichts von der ungeheuer emotionalen Stimmung, die damals an der am 9. November 2019 geöffneten Berliner Mauer und der innerdeutschen Grenze herrschte.

Botschaft ist klar, Umsetzung verfehlt

Über den Münzentwurf lacht die Welt. Zwar ist die Botschaft klar, aber die gestalterische Umsetzung lässt zu wünschen übrig. Ob jemand im europäischen Ausland etwas mit dieser Münze anfangen kann, ist die Frage. Wer diesem misslungenen Entwurf von 2019 zugestimmt hat, konnte ich im Bundesfinanzministerium und im Bundesverwaltungsamt nicht erfahren. Was ich aber inoffiziell hörte ist ein gewisses Unbehagen an den Münzwettbewerben und ihren Ergebnissen. Angeblich favorisiert man in den zuständigen Gremien Entwürfe am Computer, aus denen dann solche unansehnliche "Flachmänner" wie die Mauermünze von 2019 entstehen. Dass sie Zustimmung der dazu berechtigten Gremien finden, ist nicht zu verstehen und sollte diese veranlassen, sich kritisch zur eigenen Arbeit zu äußern. Ich hoffe, dass mein "Einwurf Euer Ehren" und viele Leserzuschriften zu kritischer Selbstreflexion führen.

Selten wurde eine deutsche Gedenkmünze bei ihrem Erscheinen mit solch großem Unverständnis, ja Spott quittiert wie das 2002 in Karlsruhe geprägte Zehn-Euro-Stück zu 50 Jahre Deutsches Fernsehen. Eine leere Mattscheibe, und das war's denn auch, lauteten die meisten Kommentare für die mit der Randschrift INFORMATION BILDUNG UNTERHALTUNG versehenen Münze, ergänzt durch die Frage, ob dieses Bild nicht vielleicht satirisch die Leere und Ödnis meint, die diesem inzwischen wichtigsten Massenmedium zuweilen eigen ist.

Leere Mattscheibe und Strichmännchen

Die Jury hatte über mehrere Vorschläge zu befinden und kürte Jordi Regels Entwurf mit den Worten, er setze das Thema durch äußerste Reduktion mit größter Plausibilität um. "Das Thema wird auf den Faktor konzentriert, der in den fünf Jahrzehnten der konstante und unabdingbare Vermittler des Programms war: den Fernseh-Bildschirm. Dessen optische Hervorhebung bewirkt einen unmittelbaren, hohen Wiedererkennungswert, der zugleich Symbolwert ist". Der Bildschirm sei zum Einschalten bereit, er signalisiere damit die Offenheit des Mediums für die bisher entwickelte und die künftige Vielfalt der Programme und der Veranstalter und unterstreiche, dass er "gefüllt" wird durch die Auswahlentscheidung des Souveräns des Fernsehens, des Publikums. Die betont minimalistische Komposition sei eine zeitgemäße und künstlerisch gelungene Lösung, zu der auch die Adlerseite passe.

Die Jury konnte sich nicht entschließen, einen anderen, die Entstehungs- oder Wirkungsgeschichte des Deutschen Fernsehens erzählenden Entwurf zur Ausführung vorzuschlagen, und davon gab es mehrere Vorschläge. Eines dieser Modelle kombinierte die den Fernsehzuschauern von den Abendnachrichten bestens bekannte Weltkarte mit einem Auge, angeboten wurde aber auch das augenförmige Logo der frühen Fernsehjahre mit der auf 20 Uhr, dem Beginn der Hauptnachrichtensendung in der ARD, eingestellten Uhr darin. Es lag auch ein Modell mit wagerecht angeordneten Bildern, die Elemente des Fernsehens - Bildung, Sport, Spielfilm, Nachrichten und die Sendung mit der Maus - zeigen. Doch nichts dergleichen wurde umgesetzt, und so mussten sich die Empfänger der Fernseh-Münze von 2002 mit einer leeren Mattscheibe zufrieden geben.

Als misslungen muss man auch die Zehneuromünze von 2014 "600 Jahre Konzil zu Konstanz" bezeichnen. Auf der Versammlung hoher geistlicher und weltlicher Würdenträger in der Stadt am Bodensee ging es 1412 bis 1418 um die Frage, ob und wie die ganz und gar verrottete und in sich zerstrittene Papstkirche reformiert werden kann. Ungeachtet der Zusage, er erhalte freies Geleit, wenn er auf dem Konzil zu seiner Lehre Stellung bezieht und ihr abschwört, wurde der tschechische Theologe und Kirchenrebell Jan Hus in Konstanz verhaftet und am 6. Juli 1415 als Ketzer verbrannt. Was aber stellt die Münze dar, die diesen Markstein auf dem Weg vom Mittelalter in die Renaissance würdigen soll? Als Strichmännchen gestaltet, schildert Kathrin Pannicke disputierende Kardinäle und weltliche Fürsten und zeigt links unten angedeutet einen Mann, der der brennende Hus sein soll.

Als Entwurfszeichnung könnte man das Münzbild noch durchgehen lassen, aber als Münzbild, das ja vom Relief lebt, ist dieses Design ungeeignet und traf folgerichtig beim Erscheinen auf beißenden Spott. Ähnlich erging es auch anderen Gedenk- und Kursmünzen. Man möchte den politischen Gremien, den Preisgerichten und den Künstlern zurufen, mutige, auf die lange Geschichte des Münzwesens bauende Entwürfe vorzulegen und die wirklich besten zur Prägung bestimmen. Dabei sollte durchaus die Meinung der Konsumenten, also auch von uns Sammlern, getestet und berücksichtigt werden.

Kompliziertes Findungsverfahren

Dabei ist eigentlich alles ganz einfach. In einem komplizierten Verfahren müssen mehrere pro Jahr ausgegebene Münzmotive hieb- und stichfest gemacht werden. Die Themen des Bundesverwaltungsamt organisierten Wettbewerbs sollen im weitesten Sinne konsensfähig sein. Nach Möglichkeit sollen sich alle Bevölkerungsgruppen und Regionen angesprochen, niemand soll sich ausgegrenzt fühlen. Geburtstage und Todestage bedeutender Politiker, Künstler und Wissenschaftler, herausragende politische, kulturelle und wissenschaftliche Ereignisse, der Rückblick auf wichtige historische Begebenheiten, aber auch Jubiläen von Bund, Ländern und Kommunen und die Würdigung bedeutender Erfindungen und Leistungen, welche die Menschheit vorangebracht haben, sind bevorzugte Themen. Nicht alle haben mit der Vergangenheit zu tun. So weisen einige Gedenkmünzen auf aktuelle oder sogar erst bevorstehende Ereignisse wie die Olympischen Spiele 1972 in München und die Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland und fungieren nicht nur als Erinnerungsstücke, sondern auch als Werbeträger. Da zu den Gedenkmünzen oft auch Sonderbriefmarken und Numisbriefe erscheinen, sind zusätzliche Abstimmungen mit einem für die Postwertzeichen zuständigen Programmbeirat notwendig. Denn beide Medien - Münzen und Briefmarken - sollen einander keine Konkurrenz machen.

Harmonie von Bild- und Adlerseite

Sind alle Absprachen getan und alle Hürden genommen, kann der künstlerische Wettbewerb ausgeschrieben werden. Dazu werden bekannte und auf diesem Gebiet bewährte Designer eingeladen, ihre Entwürfe und Modelle einzureichen. Um die Arbeit wissenschaftlich zu fundieren und die Künstler zu inspirieren, erhalten sie Dossiers mit Hintergrundinformationen und Bildvorschlägen. Je nach Schwierigkeitsgrad werden ein- oder zweiphasige Wettbewerbe ausgeschrieben. Im letzteren Fall werden etwa 30 Grafiker, Bildhauer und andere Künstler gebeten, Entwürfe für die Bild- und die Wertseite einzureichen, und aus diesen wählt das Preisgericht jene Modelle oder Zeichnungen aus, die ihm als besonders geeignet erscheinen, in die zweite Runde aufgenommen zu werden.

Da von den Modellen Prägewerkzeuge angefertigt werden müssen, werden zu den Beratungen stets Münztechniker hinzugezogen. Sie müssen in einer Vorrunde prüfen, ob sich von den Reliefs überhaupt Vorlagen für die Münzstempel anfertigen lassen und ob diese dann auch eine Massenprägung aushalten. Große Verantwortung liegt hinsichtlich der Auswahl der Münzentwürfe beim Preisgericht. Es setzt sich stets aus anderen Künstlern, Museologen, Historikern und Numismatikern zusammen. Neben den Fachpreisrichtern wirken in der Jury auch Sachpreisrichter mit, also Personen, die direkt mit dem auf der Münze darzustellenden Ereignis oder Jubiläum zu tun haben. Das können Politiker, Museologen, Archivare, Kunst-, Sprach- oder Naturwissenschaftler, Denkmalpfleger und andere Fachleute sein. Während des Auswahlverfahrens werden nicht nur Umschriften für die zu prägenden Münzen, sondern auch deren Randschriften festgelegt. Die Auswahl eines Mottos ist mitunter schwierig, denn es muss prägnant, darf aber nicht zu lang sein, damit es auf der Münze beziehungsweise ihrem Münzrand Platz findet.

Bei den bundesdeutschen Gedenkmünzen ist es ein eisernes Gesetz, dass Bild- und Adlerseite miteinander harmonieren sollen. Wer da zu keinem befriedigenden Ergebnis kommt, hat keine Chance. Nur einmal kam es vor, dass die Bildseite von dem einen und die Wertseite von einem anderen Künstler stammen. Um die Entscheidungsfindung so objektiv wie möglich zu gestalten, erhalten die eingereichten Vorlagen Tarnnummern. Niemand von der Jury weiß, wer hinter diesen Ziffern steckt. Allerdings erkennt man da und dort an der Machart und Handschrift durchaus, dass ein bestimmtes Modell nur von diesem und keinem anderen stammen kann. Die Jury-Sitzungen finden meist in jener Münzstätte statt, in der auch das Gedenkstück geprägt werden soll. Mitunter bereitet die Preisverteilung Schwierigkeiten, denn oft genug liegen hervorragende, gelegentlich aber technisch schwierig auszuführende Vorlagen vor. Manchmal werden bei ähnlich guten Modellen zwei erste Preise vergeben, bisweilen können sich die Juroren nur für zweite Preise entscheiden. Wenn die Münzen geprägt werden, werden sie wohlwollend bis kritisch beäugt. Fragen zur Kompetenz der Preisrichter bleiben da nicht aus, denn bekanntlich lässt sich über Geschmack streiten.

6. Dezember 2019

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