Scharfe Prägung in flacher Schüssel
Neues Buch mit Einsichten in das Innenleben des VEB Münze der DDR sowie über Gestalter und Themen





Was sich hinter den Mauern des bis 1990 bestehenden VEB Münze der DDR am Berliner Molkenmarkt tat, konnte erst nach dem Ende der DDR aufgeklärt und beschrieben werden. Manche Fragen sind noch offen, so die Arbeit für das Ausland oder warum geradezu inflationär Motiv- und Materialproben hergestellt wurden, die heute für viel Geld angeboten werden. Die Staatliche Münze Berlin ist seit 2006 heute im Bezirk Berlin-Reinickendorf tätig.



Mit Zwanzigmarkstück zur Erinnerung an Gottfried Wilhelm Leibniz (Gestalter: Axel Bertram und Dietrich Dorfstecher) startete die DDR 1966 ihre bis 1990 laufende Gedenkmünzenserie. Ein "ewiger Pfennig" erinnert auf dem Zehnmarkstück von 1981 an 700 Jahre Münzprägung in Berlin (Gestalter: Heinz Rodewald). Die Dresdner Semperoper auf dem Zwanzigmarkstück von 1985 (Gestalter: Volker Beier und Joachim Rieß) von passt gut in eine Sammlung zum Thema "Architektur auf Münzen und Medaillen".



Zu den schönsten DDR-Münzen gehört das Zwanzigmarkstück von 1986 mit dem gestiefelten Kater zu Ehren der Sprachforscher und Märchensammler Jacob und Wilhelm Grimm (Gestalter: Heinz Hoyer und Sneschana Russe-wa-Hoyer), daneben ein Thannhäuser-Motiv auf der Münze zum 100. Todestag von Richard Wagner (Gestalter: Gerhard Rommel und Dietrich Dorfstecher) sowie Szene aus "Nathan der Weise" auf einer Münze von 1979 zum 250. Geburtstag von Gotthold Ephraim Lessing (Gestalter: Gerhard Rommel).



Die Pestalozzi-Medaille und die Humboldt-Medaille weisen ähnliche Merkmale wie Gedenkmünzen der DDR auf.



Große Künstler wie Albrecht Dürer, Lucas Cranach und Tilman Riemenschneider wurden 1971, 1972 und 1981 mit ihren Signets beziehungsweise einem Bildnis gewürdigt (Gestalter: Axel Bertram (2) und Heinz Rodewald).



Auf die DDR-Kursmünzen zu fünf, zehn und zwanzig Mark aus unedlem Metall hat man im Vergleich zu den Gedenkmünzen weniger Sorgfalt verwandt.



Im Archiv der Kreditanstalt für Wiederaufbau am Berliner Gendarmenmarkt befinden sich zahlreiche Entwürfe und Dokumente zu den Kurs- und Gedenkmünzen der DDR sowie Bleiabschläge aus dem Bestand der ehemaligen Staatsbank der DDR zur Begutachtung der Prägungen, hier Thälmann 1986 (Gestalter: Heinz Hoyer und Sneschana Russewa-Hoyer), Johann Gottfried Schadow 1989 (Gestalter: André Kahane und Gerhard Rommel) und 40 Jahre DDR 1989 (Gestalter: Heinz Rodewald).







Das in Silber geprägte Zehnmarkstück von 1978 auf den Weltraumflug von Sigmund Jähn und Waleri Bykowski (Gestaltung: Reiner Radack und Erika Schöneberg) und das mit einem P für Probe versehene "Posthorn" von 1990 gehören zu den großen Raritäten der in dieser Hinsicht nicht armen DDR-Münzgeschichte. (Fotos/Repros: Caspar)

Die Münzprägung des Arbeiter-und-Bauern-Staats, wie die DDR sich immer bezeichnete, ist ein für Historiker und Sammler interessantes Gebiet. Während in der Bundesrepublik Deutschland Münzanstalten in Hamburg, Karlsruhe, Stuttgart und München für die Herstellung des Hartgeldes zuständig waren, prägten in der DDR zunächst zwei Geldfabriken - der VEB Münze Berlin und der in Muldenhütten bei Freiberg. Die letzten aus der sächsischen Prägeanstalt stammenden und mit einem "E" gezeichneten Ein-, Fünf- und Zehnpfennigstücke aus Aluminium tragen die Jahreszahl 1953, versehen mit der Staatsbezeichnung DEUTSCHLAND. Sie drückt die Hoffnung der damaligen Machthaber in Ostberlin und der hinter ihnen stehenden Sowjets aus, die Herrschaft in ganz Deutschland zu übernehmen, natürlich unter kommunistischen Vorzeichen.

Mit DEUTSCHLAND ist auch ein Fünfzigpfennigstück gezeichnet, das 1949 in geringer Auflage und 1950 in einer Stückzahl von über 67 Millionen mit der Ansicht eines Pflugs vor rauchenden Fabrikschornsteinen geprägt wurde. Erst 1956 wurde die Staatsbezeichnung in DEUTSCHE DEMOKRATISCHE REPUBLIK verwandelt, kombiniert mit dem Staatswappen Hammer und Zirkel im Ährenkranz als Sinnbild eines Landes, in dem angeblich Arbeiter und Bauern das Sagen haben, in Wahrheit aber dessen führende Kraft, die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED), alles bestimmt und keinen Widerspruch zulässt. Die Blockparteien und Massenorganisationen, die es da noch gab, hatten nur Alibifunktionen.

Proben, Varianten und Abschläge

In der Berliner Münze wurden ab 1956 neue Geldstücke aus Aluminium zu einer Deutschen Mark, ab 1957 zu zwei Deutschen Mark, ab 1958 zu 50 Pfennig, ab 1960 zu einem und ab 1963 zu zehn Pfennig, ab 1958 zu fünf Pfennig geprägt. 1972 kam ein Zwanzigpfennigstück und 1969 ein Fünfmarkstück hinzu, das XX JAHRE DDR feiert. Beide Nominale bestehen aus einer Kupfer-Zink-Legierung. Daneben gibt es auch Proben aus anderen Legierungen sowie Abschläge mit fehlerhaften Randschriften und weitere Abweichungen. Bis zur Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 wurden in der Berliner Münze 123 Gedenkmünzen zu 20, 10 und - ab 1968 - fünf Mark geprägt, hinzu kommen noch einige andere Stücke, die außerhalb des offiziellen Programms hergestellt wurden, so dass die eigentliche Zahl etwas höher liegt.

Die Ausgabe von Gedenkmünzen zu Ehren des Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz sowie des Architekten Karl Friedrich Schinkel im Jahr von 1966 war so etwas wie ein silberner Paukenschlag. Ihnen waren Versuche vorangegangen, Nominale bis fünf Mark aus einer besseren Legierung als Aluminium auszugeben. Anlässe fanden sich immer - die so häufig gefeierten und zur politischen Selbstbeweihräucherung genutzten Staats- und Stadtjubiläen, aber auch Geburtstage und Todestage von Politikern, Künstlern und Wissenschaftlern. Außerdem wurden berühmte Bauwerke, Mahnmale und andere Sehenswürdigkeiten auf Silber- und Neusilbermünzen dargestellt. Mit ihnen präsentierte sich die DDR als ein weltoffenes Land mit langer humanistischer Tradition und als eines, das die Krone der deutschen Geschichte darstellt und dem im Unterschied zu der als "imperialistisch und militaristisch" verteufelten Bundesrepublik die Zukunft gehört.

Was sich hinter dicken Mauern tat

Klar von den Münzen der Bundesrepublik wichen viele DDR-Gedenkmünzen durch ihre schüsselförmigen, scharfrandig geprägten Vorderseiten ab. Diese Form war technisch schwer auszuführen, aber die Regierung versprach sich von den Stücken internationale Aufmerksamkeit und einen guten Absatz. Man erreichte für die wie aus einer Mulde ragenden Reliefs größere Höhen, die man normalerweise nicht zu schaffen vermochte. Erfahrungen gab es damit bei den zahlreichen, mit hohen Reliefs ausgestatteten Auszeichnungsmedaillen, an denen es in der DDR keinen Mangel gab.

Was bei den Münzen und Medaillen von wem unter welchen Umständen geschaffen wurde und was sich hinter den dicken Mauern der Berliner Geldfabrik tat, ist in der numismatischen Literatur gut beschrieben. Eine erste Würdigung fanden an den Emissionen beteiligte Bildhauer und Grafiker anlässlich der Versteigerung der im Besitz der Staatsbank Berlin befindlichen DDR-Münzen und Banknoten in Katalogen der Münzhandlung Dr. Busso Peus in Frankfurt am Main. Die in mehreren Heften von 1994 bis 2000 publizierten Analysen, verfasst von Wolfgang Steguweit, Elke Bannicke und Gerhard Schön, wurden jetzt in einem Buch der Münzhandlung Guy Franquinet, Werner-von-Siemens-Straße 13 in D-74664 Crailsheim (120 Seiten, zahlreiche Abbildungen, 20 Euro, ISBN 3-921212-01-4) erneut publiziert. So können sich Sammler und Forscher ohne Mühe darüber einen Überblick verschaffen, wie bekannte Künstler von der DDR-Staatsbank mit Münzentwürfen betraut wurden und welche Ideen sie eingebracht haben.

Unterschiede fallen gleich auf

Das Buch stellt Arbeiten von Wilfried Fitzenreiter, Axel Bertram, Gerhard Rommel, Dietrich Dorfstecher, des Künstlerehepaars Sneschana Russewa-Hoyer und Heinz Hoyer, Heinz Rodewald, Evelyn Hartnick-Geismeier und weiteren Künstlern vor und schildert auch, was sie über Münzen und Medaille hinaus gestaltet haben, etwa Bronzeskulpturen, Briefmarken, Plakate und Gebrauchsgrafik. Leser erhalten interessante Einsichten in das Innenleben des VEB Münze der DDR Berlin und erfährt, wie Motive für neue Gedenkmünzen ausgewählt und Entwürfe von der Idee bis zur Ausführung realisiert wurden.

Ziel der Gedenkprägungen war neben der staatlichen Selbstdarstellung natürlich die Erwirtschaftung von harten Devisen. Der unbändige Drang des zweiten deutschen Staats nach "Westmark" trieb auch in diesem Segment seltsame Blüten. So wurden unterschiedliche Versionen ein und derselben Prägung hergestellt, mal in einer vergleichsweise hohen Auflage, mal in geringer Stückzahl und manchmal auch in einem von der Norm abweichenden Metall. Da Sammler danach streben, ihre Kollektion möglichst vollständig zu bekommen, rechneten die Initiatoren dieser so genannten Material- und Motivproben damit, dass sie viel Geld ausgeben, um auch diese Raritäten zu bekommen.

Wer Gedenkmünzen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland nebeneinander legt, wird manche Unterschiede hinsichtlich der Themen und Motivwahl, aber auch was die technische Ausführung betrifft. "Aus der Tiefe des nahezu einmalig konkaven Münzgrundes steigen die Reliefs auf DDR-Münzen zum scharfgratigen Rand empor, den üblichen Randstab meist ignorierend und den Münztechnikern trotzend. Sie sind bereits Teil der deutschen Münzgeschichte des 20. Jahrhunderts geworden und werden auch künftig ihre Liebhaber finden", schreiben Dieter Raab und Christian Stoess für die Münzhandlung Dr. Busso Peus und Wolfgang Steguweit für die Deutsche Gesellschaft für Medaillenkunst. Da man bei den Silbermünzen mit Absicht auf das Randstäbchen verzichtete, welches Münzbilder vor Abrieb schützt und auch das Stapeln der Geldstücke erleichtert, wurden die Porträts und andere Motive auf der Bildseite in einer flachen Mulde oder Schüssel angeordnet. Das bereitete Künstlern und Münztechnikern manche Probleme, und so waren viele Probeprägungen und Berechnungen nötig, bis dieses ungewöhnliche, aber im Ergebnis sehr ansehnliche Verfahren gelang.

Weder Ausschreibungen noch Wettbewerbe

Axel Bertram, der langjährige künstlerische Berater der für die Emissionen zuständigen Staatsbank der DDR, bescheinigte dem Geldinstitut Kompetenz und das Bemühen um partnerschaftliche Zusammenarbeit. Dass es keine Ausschreibungen und Wettbewerbe gegeben hat, führte er auf "enorme" Sparsamkeit der Staatsbank zurück, "aber natürlich auch, weil die Bankleute die Entwurfsarbeit bis zur Realisierung für übertrieben vertraulich hielten". Bertram zufolge habe der Beirat sinnvolle Methoden gefunden, um trotz der fehlenden Wettbewerbsbedingungen eine gewisse Wahlmöglichkeit zu schaffen und die Entwurfsarbeit nicht auf eine schmale oder zufällige Basis zu stellen. So seien zu einzelnen Themen mehrere Künstler beauftragt worden. "Hoffnungsvolle Lösungen wurden dann bis zum sogenannten Roh- oder Entwurfsgips entwickelt, der abermals eine Entscheidung erlaubte. Erst danach wurde die reprofähige Vorlage in Auftrag gegeben, die wiederum oft mehrfach geprüft und überarbeitet wurde", so Bertram in einem Gespräch, das er 1994 mit dem Medaillenspezialisten am Berliner Münzkabinett, Wolfgang Steguweit, geführt hat und das in dem neuen Buch zu finden ist. Bertram zufolge habe kulturpolitische Anspruch bei den Gedenkmünzen gelegentlich groteske Züge angenommen, und manches entbehre aus heutiger Sicht nicht einer gewissen Komik. "Die meisten Themen konkurrierten unverhohlen im deutsch-deutschen Wettbewerb. In unserem Bemühen sprach sich ein Bedürfnis aus, Traditionen aufzunehmen, um neue zu begründen, eine Art geistiger und kultureller Überlebensstrategie. Aber ganz gewiss sahen wir auch damals deutlich die Gefahr einer steifleinernen Klassizität und bereiteten langfristig ganz anders geartete Prägemöglichkeiten vor, auf der Grundlage höherer technischer Standards. Dazu ist es dann nicht mehr gekommen, was niemand bedauern wird." Der VEB Münze der DDR sei bei allen Beratungen zugegen gewesen und habe jederzeit Einwände und Empfehlungen geltend gemacht. "Auf problematische Stellen konnte frühzeitig hingewiesen werden, ohne dass durch eine technische Unzulänglichkeit die gestalterische Idee abgewiesen werden musste". Der Künstler lässt in dem Interview erkennen, dass die Suche nach geeigneten Ausdrucksformen nicht einfach war und wohl auch zum Zusammenprall der Meinungen führte. "Gestaltung bleibt nun einmal eine mühselige, bröselige Arbeitsform und muß sich dem expressiven, spontanen Ausdruckswillen entziehen (ohne ihn hoffentlich zu vergessen)... Mit einem listigen, behutsam dirigierenden Pragmatismus von Fall zu Fall ließ sich doch so etwas wie eine zusammenhängende Auffassung zu Gestaltungsfragen herausbilden".

Das dankenswerterweise von dem Münzhändler Guy Franquinet neu verlegte Buch führt im zweiten Teil mit einem Beitrag von Elke Bannicke in die wechselvolle Geschichte der Berliner Münze, die seit 1750 mit dem Buchstaben A zeichnet und an unterschiedlichen Standorten tätig war. Sodann macht Gerhard Schön mit dem Münzarchiv der Staatsbank der DDR bekannt, das heute in der Kreditanstalt für Wiederaufbau am Berliner Gendarmenmarkt beheimatet ist und zahlreiche reguläre DDR-Münzen auch solche für Anschauungs- und Vergleichszwecke verwendete ausländische Geldstücke besitzt. Wer sich tiefer mit Entwürfen und Gestaltungsvarianten bei den Münzen des zweiten deutschen Staats sowie den probeweise hergestellten Abschlägen meist aus Blei befassen möchte, ist hier an der richtigen Adresse. .



25. Juli 2019

Zurück zur Themenübersicht "Münzen und Medaillen"