Gold aus der späten Römerzeit
Sensationelle Münzfunde werfen neues Licht auf die frühe Geschichte von Mecklenburg-Vorpommern



Als die fünf spätrömischen Goldmünzen bei Gützkow in Mecklenburg-Vorpommern entdeckt wurden, waren sie von 70 Gramm schweren Golddraht umwickelt. Foto: AiD Heft 3/2019



Im Museum von Bergen auf der Insel Rügen wird unter anderem der in der Bergener Vieschstraße entdeckte Silberschatz mit Münzen aus der Zeit zwischen 1564 und 1672 gezeigt. Die Schlussmünze stammt aus dem brandenburgisch-schwedischen Krieg, in dessen Verlauf die schwedischen Truppen aus Bergen und der Insel vertrieben wurden.



In Wismar war vor längerer Zeit zu sehen, welche Münzschätze in den vergangenen Jahren bei Ausgrabungen und anderen Gelegenheiten ans Tageslicht kamen.



Der Münzfund von Cottbus mit Kleingeld aus der Zeit Friedrichs II., des Großen, kann mit weiteren Hinterlassenschaften im Archäologichen Landesmuseum zu Brandenburg an der Havel besichtigt werden. (Fotos: Caspar)

Im Unterschied zu anderen Gegenden in Deutschland sind Goldmünzenfunde in Mecklenburg-Vorpommern eher eine Ausnahme, schon garnicht solche aus der Spätantike. In der Regel kommen in dem nördlichen Bundesland bei Hausabrissen und Bauarbeiten in Altstädten sowie der Anlage von Straßen zum Teil bedeutende Silberschätze ans Tageslicht, die in Kriegs- und Krisenzeiten dem Boden anvertraut wurden. Sie erzählen viel über die Lebensweise in uralten Zeiten, von denen Urkunden und Chroniken normalerweise nichts oder wenig zu berichten wissen. Archäologen haben 2018 auf einem Acker bei Schaprode auf der Ostseeinsel Rügen einen wertvollen Silberschatz aus dem späten zehnten Jahrhundert und damit aus der Umbruchsphase von der Wikingerzeit zum Christentum entdeckt. Er besteht aus kunstvoll geflochtenem Halsschmuck, Perlen und Fibeln sowie 500 bis 600 zum Teil zerhackte Münzen. Mehr als einhundert Geldstücke können dem legendären Dänenkönig Harald Blauzahn zugeordnet werden. Der Schatz wurde von dem Schüler Luca Malaschnitschenko mit einem Metalldetektor gespürt. Er hatte zunächst geglaubt, ein wertloses Stück Aluminium entdeckt zu haben. Hobbyarchäologe René Schön, mit dem der Dreizehnjährige unterwegs war, erkannte jedoch schnell, dass es sich um mehr handelt. "Dieser Schatz gilt als größter Einzelfund von Blauzahn-Münzen im südlichen Ostseeraum und ist damit von herausragender Bedeutung", kommentiert der Archäologe und Grabungsleiter Michael Schirren vom Schweriner Landesamt für Kultur und Denkmalpflege die Entdeckung. Ähnlich große Münzfunde habe es bislang nur auf dem Gebiet des Dänenreiches geben, so in Husby und Harndrup.

Verbindungen zur islamischen Welt

In der Nähe von Anklam (Mecklenburg-Vorpommern) haben Archäologen zehn vollständige und 530 fragmentierte Münzen arabischer Herkunft gefunden. Der Schatz ist nicht der erste, der hier entdeckt wurde, denn schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte ein Bauer beim Pflügen einen solchen Dirham-Schatz entdeckt und etwa einhundert Exemplare dem Anklamer Museum geschenkt. Der neue Fundort in Drewelow erstreckt sich über eine Fläche von rund 600 Quadratmetern. Dass die Stücke aus der Zeit zwischen 900 und 920 zerschnitten oder zerhackt wurden, hat mit dem Brauch zu tun, Silber nach seinem Gewicht zu bewerten und kleine Summen mit zerstückelten Werten zu bezahlen. Der Fund wirft ein Schlaglicht auf den Fernhandel vor über 1000 Jahren zwischen dem Ostseeraum und der islamischen Welt. Solche seinerzeit von Wikingern verborgene Silberschätze sind seit dem 18. Jahrhundert in den Anrainerstaaten der Ostsee dokumentiert. Forscher schätzen, dass im neunten und zehnten Jahrhundert ?mehrere Millionen Silber-Dirhams aus Zentralasien im Tausch gegen Bernstein, Pelze und Sklaven in den Ostseeraum gelangt sind.

Ein als sensationell und einzigartig bezeichneter Fund von etwa 1600 mittelalterlichen Brakteaten wurde auf einem Acker unweit der Landeshauptstadt Schwerin gefunden. Die silbernen Hohlpfennige aus der Zeit um 1200 oder kurz danach waren von ehrenamtlichen Bodendenkmalpflegern entdeckt worden, die im Auftrag des Archäologischen Landesamt unterwegs waren. Da man den schon seit zehn Jahren unter Fachleuten bekannten Fundort vor Raubgräbern geheim halten wollte, wurde die Fläche nach und nach stets im Anschluss an die Ernte untersucht. Nach 23 Motiven wie Burgen, Tiere und Wappen geordnet, sind die hervorragend erhaltenen Silberstücke mittlerweile restauriert. Ihre öffentliche Präsentation ist wünschenswert, steht aber in den Sternen, da das nördliche Bundesland über kein eigenes Archäologie-Museum ähnlich dem Paulikloster in Brandenburg an der Havel verfügt, in dem zahlreiche Münzfunde aus dem Mittelalter und der Neuzeit sogar bis in das 20. Jahrhundert hinein zu sehen sind.

Früher als angenommen besiedelt

In Gützkow (Landkreis Vorpommern-Greifswald) gelang vor einiger Zeit dem ehrenamtlichen Bodendenkmalpfleger Thomas Marlow ein sensationeller Fund, wie die Zweimonatezeitschrift "Archäologie in Deutschland" (AiD), Heft 3/2019, berichtet. Das Ensemble besteht aus einem massiven, spitzoval aufgewickelten Draht, in dem fünf übereinander gestapelte Solidi aus der späten Römerzeit fixiert waren. Insgesamt wiegt der Fund etwas über 93 Gramm. Allein der Spiraldraht entspricht mit 70 Gramm dem Wert von etwa 16 Solidi. Der Neufund gilt als das bisher größte Edelmetalldepot des fünften Jahrhunderts nach Christus in dem nördlichen Bundesland. Vor der Entdeckung des Gützkower Fundes waren in Mecklenburg-Vorpommern lediglich fünf oströmische Goldmünzen aus der gleichen Zeit bekannt. Der Fund unterstreicht, dass die Region in dieser Zeit besiedelt und nicht, wie bisher angenommen, nahezu menschenleer unbesiedelt war.

Der Gützkower Fund besteht aus einem um 462 in Rom geprägten Solidus des Honorius, hinzu kommen zwei Solidi des Valentinianus III. und ein Solidus des Libius Severus. Eine absolute Seltenheit ist der Solidus des Libius Severus, für den es keine Parallelen aus dem rechtsrheinischen Deutschland gibt. Bei einer der Prägungen des Valentinianus III. sind Lötspuren einer verloren gegangenen Aufhängung oberhalb der Kaiserbüste zu erkennen. Ursprünglich besaß das Goldstück ähnlich wie andere spätrömische Münzen und Medaillons aus dem Barbaricum, also der nach römischer Vorstellung von "Barbaren" bewohnten Gebiete jenseits des Limes in Nord-, Mittel- und Südosteuropa, eine Öse, um sie als Schmuck tragen zu können. Die Umwicklung der Münzen mit Golddraht und ein kleiner Anhänger lassen vermuten, dass die Münzen wohl nicht als Zahlungsmittel, sondern als Wertgegenstände oder Rohmaterial gehortet wurden. Durch Metallanalysen soll nun festgestellt werden, ob der Golddraht und der Anhänger aus eingeschmolzenen römischen Goldmünzen hergestellt wurden. Der Goldfund von Gützkow wurde etwas abseits einer Siedlung entdeckt. Die geografische Lage ist interessant, war die Peeneregion in der Völkerwanderungszeit ein wichtiger Raum für Kontakte zwischen Skandinavien und Mitteldeutschland.

Hilfe durch die Ehrenamtlichen

Das Landesamt für Kultur- und Denkmalpflege von Mecklenburg-Vorpommern im Domhof der Landeshauptstadt Schwerin stützt sich auf rund 160 ehrenamtliche Bodendenkmalpfleger. Extra dafür geschult, gehen sie systematisch ihnen zugewiesene Gebiete ab und suchen Oberflächenfunde. Sie benutzen Metalldetektoren und dokumentieren mit GPS-Geräten die Funde und Fundzusammenhänge. Mit ihren Entdeckungen geben sie wertvolle Hinweise auf mögliche Fundstätten, die neue Erkenntnisse zur Landesgeschichte liefern. Das derzeit größte Forschungsprojekt der Landesarchäologie ist ein Schlachtfeld im Tollensetal, auf dem bislang Überreste von rund 140 Menschen gefunden wurden, die bei der Schlacht etwa 1300 vor Christus ums Leben kamen. Mit Hilfe eines Computerprogramms wollen die Spezialisten anhand der Verletzungen an den ausgegrabenen Knochen herausbekommen, wie stark die Wucht der Schläge und Hiebe mit den damaligen Waffen ermitteln. Durch DNA-Untersuchungen wollen sie ermitteln werden, woher die Kämpfer kamen und ob sie möglicherweise miteinander verwandt waren. Helmut Caspar

16. Mai 2019

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