"Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben"
Staatliche Münze zitiert auf neuer Silbermedaille Michail Gorbatschows berühmte Warnung von 1989



Obwohl der originale Wortlaut anders war, hat es Gorbatschows berühmter, nunmehr 30 Jahre alter Ausspruch in den internationalen Zitatenschatz und jetzt auf eine Medaille der Staatlichen Münze Berlin geschafft.



Die Staatliche Münze Berlin stellt nicht nur 20 Prozent des deutschen Hartgeldbedarfs sowie zahlreiche Gedenkmünzen aus Silber und Gold her, sondern in fremdem und in eigenem Auftrag auch Medaillen wie diese aus den Jahren 2015, 2018 und 2016 mit Motiven aus der jüngeren Berliner und deutschen Geschichte sowie Porträts von Persönlichkeiten aus Politik, Kultur und Kunst.







Die Staatliche Münze Berlin stellt nicht nur 20 Prozent des deutschen Hartgeldbedarfs sowie zahlreiche Gedenkmünzen aus Silber und Gold her, sondern in fremdem und in eigenem Auftrag auch Medaillen wie diese aus den Jahren 2015, 2018 und 2016 mit Motiven aus der jüngeren Berliner und deutschen Geschichte sowie Porträts von Persönlichkeiten aus Politik, Kultur und Kunst.

Michail Gorbatschow, der Vater von Glasnost und Perestroika, schritt nicht ein, als vor 30 Jahren die DDR bebte und das SED-Regime auf den Müllhaufen der Geschichte landete. Vielen Menschen, die nach 1989 geboren sind, ist er kaum noch ein Begriff. Allenfalls begegnet er uns in historischen Publikationen und Dokumentarfilmen oder wenn er bei Gedenkfeiern erwähnt wird. Leibhaftig ist der Politiker, dem man im heutigen Russland die Zerstörung und Degradierung der ruhmreichen Sowjetunion vorwirft, manchmal in Souvenirshops oder auf Trödelmärkten als Matroschkapuppe zu finden. . Im Ausland verehrt und im Inland als Totengräber der sowjetischen Supermacht verachtet, erhielt Michail Gorbatschow 1990 den Friedensnobelpreis. In der Russischen Föderation war ihm das politische Comeback versagt. (Fotos: Helmut Caspar)

Die Staatliche Münze Berlin bringt seit vielen Jahren Silbermedaillen zu aktuellen Ereignissen und historischen Gestalten heraus. Neuester Beleg für die Mühen des mit dem "A" zeichnenden Traditionsbetriebs, mit geprägtem Metall Politik- und Geschichtsverständnis zu fördern, ist eine 32,5 mm große Silbermedaille, deren Auflage mit 1989 Stück begrenzt ist und damit auf die friedliche Revolution in der DDR vor 30 Jahren weist. Abgebildet ist auf der Vorderseite der damalige sowjetische Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow, der mit seinem Ausspruch "Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben" zitiert wird. Im Vordergrund ist eine Uhr zu sehen, deren Zeiger als mit "fünf vor zwölf" gedeutet werden können. Auf der Rückseite ist das Brandenburger Tor zu erkennen, das am 22. Dezember 1989 offiziell wieder eröffnet wurde.

Mit großem Gepränge wurde vor 30 Jahren der 7. Oktober 1989 als 40. Jahrestag der DDR gefeiert. Mit unbewegter Mine schauten Staats- und Parteichef Erich Honecker und seine Genossen von der Ehrentribüne in der Berliner Karl-Marx-Allee auf die vor ihnen im Stechschritt marschierenden Soldaten und das Defilee der herbei beorderten Untertanen. Richtige Festtagsstimmung kam an jenem Tag nicht auf. Als sich am Abend die DDR-Elite mit zahlreichen Ehrengästen, allen voran Michail Gorbatschow, im Berliner Palast der Republik zum Galaempfang versammelte, ertönten draußen Pfiffe und "Gorbi"-Rufe. Die Stasi prügelte auf die aufgebrachten Menschen ein und ließ sie nicht an die Feiernden heran. Zahlreiche Demonstranten wurden verhaftet und zu brutalen Verhören abgeführt. Angesichts der durch die Massenflucht im Sommer 1989 verstärkten instabilen Lage der DDR und des Niedergangs ihrer Wirtschaft fassten führende SED-Funktionäre am 18. Oktober 1989 Mut, sich des gesundheitlich angeschlagenen Partei- und Staatschefs Erich Honecker zu entledigen. Die friedliche Revolution in der DDR nahm ihren Lauf, ein Markstein war der Fall der Mauer am 9. November 1989.

Vater von Glasnost und Perestroika

Die Frage ist, ob Gorbatschow seine populäre Warnung wirklich so gesagt hat oder etwas anderes. Zweifel sind berechtigt, denn oft kommt es vor, dass berühmte Aussprüche gar nicht so gefallen sind wie man sie gemeinhin zitiert. Tatsächlich hat der "Vater von Glasnost und Perestroika" am 5. Oktober 1989 bei seiner Ankunft auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld etwas anderes gesagt. Laut Mitschnitt der Aktuellen Kamera, der offiziellen Nachrichtensendung des DDR-Fernsehens, fiel dieser Satz: "Ich glaube, Gefahren warten nur auf jene, die nicht auf das Leben reagieren." Die Redewendung war wenig griffig, und so wurde sie ein wenig hin- und hergebogen und in den berühmten Satz umgewandelt. Gegen die DDR-Machthaber eingesetzt, die starrsinnig an ihren Stühlen klebten und nicht einsehen wollten, dass sie abgewirtschaftet haben, machte er in Windeseile die Runde. In seinen Memoiren schreibt Gorbatschow, er habe Honecker in einem Vieraugengespräch gesagt: "Das Leben verlangt mutige Entscheidungen. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben." Der erste Satz ist ein Allgemeinplatz, der zweite hingegen wurde zu einem Schlüsselwort für das Ende der kommunistischen Herrschaft nicht nur in der DDR, sondern auch in Gorbatschows eigenem Reich.

Zu diesem Zeitpunkt gaben einige um ihren Kopf besorgte Mitglieder des SED-Politbüros die Parole "Rette sich wer kann" aus. Als Schabowski, Krenz, Stoph und andere am 18. Oktober 1989 im Zentralkomitee der SED Honecker zum Rücktritt zwangen, war dieser wie vom Blitz getroffen. "Ich muß ganz offen sagen, dass ich von der ganzen Soße nichts gewusst habe. Das ergab sich einfach daraus, dass ich ein viertel Jahr durch Krankheit und Operation aus der praktischen Arbeit ausgeschaltet war", behauptete der Entmachtete später. Egon Krenz, der langjährige Chef der Jugendorganisation Freie Deutsche Jugend (FDJ) und Sicherheitssekretär im SED-Politbüro, trat die Nachfolge seines Ziehvaters Honecker an. Er kündigte die "Wende" und "Erneuerung auf festem, sozialistischem Fundament" an, versprach Reformen, unter denen er allerdings nur kosmetische Korrekturen verstand. Derweil gingen in Leipzig und anderen Städten erneut die Menschen auf die Straße und forderten Wahlen, die auch wirklich welche sind, "Visafrei bis Hawaii", den Abgang der alten Eliten und schon bald "Deutschland einig Vaterland".

Im Ausland verehrt, zuhause verachtet

Mit der Wahl von Michail Gorbatschow am 11. März 1985 zum Generalsekretär des Zentralkomitees der KPdSU hatte in der Sowjetunion die Ära von "Glasnost und Perestroika" begonnen. Der damals 53jährige Parteichef verkündete ein Programm der wirtschaftlichen Umgestaltung und machte sich für eine "durchsichtige" Informationspolitik stark. Bei der Verwirklichung seines neuen Kurses musste Gorbatschow starke Widerstände in den eigenen Reihen überwinden, doch fand er auch Zustimmung im Volk, das sich von dem neuen Mann an der Spitze des Landes eine spürbare Verbesserung seiner Lebenslage versprach. Allerdings besserte sich für den "kleinen Mann auf der Straße" nicht viel, die Verarmung und damit Unzufriedenheit in weiten Teilen der Bevölkerung setzte sich fort. Es dauerte nur sechs Jahre, bis Hardliner in den eigenen Reihen gegen den Erneuerer der Sowjetunion putschten und der Staats- und Parteichef alle seine Ämter verlor. Der Friedensnobelpreisträger des Jahres 1990 blieb am Leben und verbrachte die folgenden Jahrzehnte als ein im Ausland gefragter, zuhause vielfach verachteter Mahner und Ratgeber im Unruhestand. Der ehemals als Hoffnungsbringer gefeierte Politiker legte sich mit seinen Nachfolgern an der Spitze der Russischen Föderation, Jelzin und Putin, an und erhielt 1996 bei einer Präsidentschaftswahl verschwindend geringe Stimmen.

Gorbatschows Kurs von Glasnost und Perestroika und der konsequenten Abrechnung mit dem Stalinismus wurde von den Herrschern in den übrigen sozialistischen Staaten misstrauisch beobachtet. Offiziell lobte SED- und Staatschef Erich Honecker die deutsch-sowjetische Freundschaft und sagte dem Mann im Kreml jede erdenkliche Unterstützung zu. Insgeheim aber spuckten er und seine Genossen Gift und Galle und ignorierten Gorbatschows Reformpolitik. Mit ihren Befürchtungen lagen Honecker und seine Genossen richtig, denn als mutige DDR-Bewohner auf die Straße gingen, mussten sie ein Einschreiten der Roten Armee nicht befürchten. Gorbatschow hatte erkannt, dass der Lauf der Geschichte nicht mehr aufzuhalten ist und die bestraft werden, die die Zeichen der Zeit nicht erkennen. Er befahl den in der DDR stationierten Sowjetsoldaten, in den Kasernen zu bleiben. Als am 9. November 1989 die Mauer fiel und bald darauf das SED-System zusammenbrach, verhielt sich die Sowjetunion abwartend-neutral. Schon bald ebneten die ehemaligen Siegermächte des Zweiten Weltkriegs den Weg zur deutschen Wiedervereinigung. Dass die Entwicklung friedlich verlief, ist nicht zuletzt ein Verdienst von Michail Gorbatschow.

15. September 2019

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