Was Griechen und Römer prägten
In der Barockzeit entwickelte sich die Numismatik zu einer akademischen Disziplin / Blick ins Gothaer Münzkabinett



Nur wenige, manchmal als Narren verspottete Privilegierte konnten es sich leisten, Münzen und Medaillen zu sammeln und die oft kostbar ausgestatteten Kataloge und Journale zu kaufen. Beliebt waren Allegorien mit kleinen Engeln, die mit Münzen spielen.



Die Bestände des Münzkabinetts im Berliner Schloss wurden in aufwändig mit Kupferstichen und Münzabbildungen ausgestatteten Folianten publiziert und trugen zum Ruhm der Hohenzollern als Mäzene und Sammler von Kunstwerken bei. Auf den Tischen sind Antiquitäten ausgestellt, in den Schränken liegen numismatische Kostbarkeiten.



Herzog Carl Eugen von Württemberg belohnte die Beschäftigung mit den numismatischen Hinterlassenschaften unserer Altvorderen durch diese undatierte, ab 1777 verliehene Preismedaille der Hohen Karlsschule im Schloss Solitude bei Gerlingen. Auf der Rückseite schreibt ein weiblicher Genius mit einer Münze in der Hand in das Buch der Geschichte, assistiert von Chronos, dem antiken Gott der Zeit und Geschichte. Das lateinische Motto SUPPLET UBI DEFICIO bedeutet "Er ergänzt wo ich versage", womit die Rolle von Münzen als wichtige Geschichtsquellen gemeint ist.



Die Medaille ehrt Josef Hilarius Eckel, den Begründer der Numismatik als Wissenschaft. Mit seinem achtbändigen Hauptwerk "Doctrina numorum veterum" entwickelte er ein System, das das Münzensammeln auf eine wissenschaftliche Basis stellte.







Das Münzkabinett ist im Gothaer Schloss Friedenstein untergebracht (oben). Die Medaille von 1713 auf das für 100 000 Taler dem Schwarzburger Grafen Anton Günther II. abgekauften Münzkabinetts im Friedenstein und der Kupferstich aus dem frühen 18. Jahrhundert belegen das Interesse von Herzog Friedrich II. an Münzen und Medaillen.



Die im Gothaer Schlossmuseum aufgestellten barocken Münzschränke unterstreichen, wie sehr man numismatische Hinterlassenschaften alter Völker schätzte und in welchem künstlerischen man sie aufbewahrt wissen wollte.



Eiserne Prägestempel aus der Barockzeit sind selten, im Gothaer Münzkabinett sind einige erhalten und werden auch gezeigt. (Fotos: Caspar)

Obwohl es Hinweise gibt, dass schon in der Antike Münzen gesammelt wurden, weil man sie schön und interessant fand, weil sich mit ihnen ein besonderes Ereignis oder eine berühmte Person verband, weil sie als selten galten oder man sie einfach nur "kurios" fand - erst richtig kam das Münzensammeln in der Renaissance auf. In jener Zeit also, da sich Gelehrte und Künstler auf die Kultur und Kunst der alten Griechen und Römer besannen und nach Zeugnissen aus diesen Zeiten suchten. Überliefert ist, dass sich fürstliche Heerführer beim Anblick von Kaiserbildnissen auf Römermünzen zu Heldentaten und Mut angestachelt gefühlt haben, und auch die Verarbeitung solcher Gepräge zu Hals-, Finger- oder Gefäßschmuck spricht für die Wertschätzung alten Geldes. Von da ab war es nicht weit, dass Münzkabinette systematisch angelegt und die ersten Kataloge mit Münzabbildungen und -beschreibungen veröffentlicht wurden.

Selbstverständlich war das in der Barockzeit sogar zu den "ritterlichen Tugenden" gerechnete Hobby nur solchen Personen vorbehalten, die es sich leisten konnten, alte Silbertaler oder Golddukaten beiseite zu legen, um sich an ihrem Anblick zu erfreuen. Einer der frühen Münzsammler und Kenner der antiken Münzgeschichte war der Nürnberger Patrizier, Ratsherr und Gelehrte Willibald Pirckheimer. Vom Rat zu Nürnberg mit wichtigen militärischen und diplomatischen Aufträgen betraut, gehörte er zu jenen Personen, die zu Beginn des 16. Jahrhunderts den Wert antiker Münzen für die Geschichtsforschung erkannten. Dies in einer Zeit, da das Münzensammeln bei Fürsten und Gelehrten und die damit verbundene Beschäftigung mit numismatischen Zeugnissen als Quelle der Geschichtsschreibung gerade erst aus der Taufe gehoben wurden.

Originale und Nachbildungen

Pirckheimer verfasste einen Katalog in lateinischer Sprache über seine Münzsammlung und gab mit ihm einen Anstoß für Zeitgenossen, numismatische Hinterlassenschaften untergegangener Reiche systematisch zusammenzutragen und mit ihrer Hilfe Fragen an die Geschichte zu stellen. In seiner posthum veröffentlichten Schrift "Aestimatio priscorum numismatum ad monetae Norimbergensis valorem" hat der Humanist, Jurist und Übersetzer, Feldherr, Künstler und Kunstsammler sowie Mäzen und Freund von Albrecht Dürer das Geld der Griechen und Römer in die Währung seiner Zeit umgerechnet, wobei namentlich Nürnberger Münze genannt wird. Die Schrift erschien 1533 in Tübingen 1542 in zweiter Auflage 1542 in Nürnberg (siehe auch Numismatische Literatur 1500 - 1864. Die Entwicklung der Methoden einer Wissenschaft, hrsg. von Peter Berghaus, Wolfenbütteler Forschungen Bd. 64, Wiesbaden 1995, S. 12). Da es im 16. Jahrhundert noch nicht genügend Originale gab, begnügte man sich mit Nachbildungen antiker Münzen. Die berühmtesten gingen als "Paduaner" in die Münz- und Medaillengeschichte ein, benannt nach den Kopien römischer Münzen durch den in Padua lebenden Stempelschneider Antonio Cavino.

Nicht nur Willibald Pirckheimer, sondern auch Martin Luther und sein Mitstreiter Philipp Melanchthon beschäftigten sich mit Münzen und Medaillen. Luther verschenkte Taufmedaillen an Gemeindemitglieder und besaß Medaillen, die ihm Freunden und Sympathisanten geschenkt hatten. In der Wittenberger Lutherhalle kann man eine Auswahl dieser Stücke betrachten. Melanchthon genoss die Beschäftigung mit seinen alten Griechen als "wunderbares Vergnügen". An der 1694 vom brandenburgischen Kurfürsten Friedrich III. gegründeten Universität in Halle an der Saale erlebte die wissenschaftliche Numismatik Anfang des 18. Jahrhunderts einen großen Aufschwung. Ein 1738 von Johann Heinrich Schulze gehaltenes Münzkolleg gilt als erste numismatische Vorlesung, in der den Studenten die "Untersuchung der alten Welt" durch Münzen "recht angenehm und leicht gemachet" werden sollte. Die Universitätsmünzsammlung geht auf diesen bedeutenden Gelehrten zurück, einen Schüler von August Hermann Francke. Der Staatsrechtler und Kanzler der Fridericiana, Johann Peter von Ludewig, veröffentlichte 1708 das Buch "Einleitung zum deutschen Münzwesen mittlerer Zeiten", in der er sich unter anderem mit mittelalterlichen Brakteaten befasste, was damals noch ungewöhnlich war.

Überall wurden fürstliche Kuriositätenkammern, Bildergalerien und Münzkabinette angelegt. In Das Münzkabinett im Bodemuseum auf der Berliner Museumsinsel die älteste Sammlung der Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz mit einer ins 16. Jahrhundert zurück gehenden Geschichte. In der neu eröffneten James-Simon-Galerie wird ausdrücklich darauf verwiesen, dass brandenburgische Kurfürsten und preußische Könige Gefallen an alten Münzen fanden und ihren Agenten beauftragten, welche im europäischen Ausland zu kaufen. Durch Erbschaften gelangten zahlreiche Münzen in das kurfürstliche, ab 1701 königliche Kabinett, das anfangs im Berliner Schloss aufbewahrt wurde und 1868 den Rang eines eigenständigen Museums innerhalb der großen Familie der Königlichen, nach dem Ende der Monarchie 1918 Staatlichen Museums erhielt.

Historische Münzbelustigungen

Große Münzsammlungen wurden in Dresden, Gotha, London, München, Paris, Sankt Petersburg, Wien und anderen Haupt- und Residenzstädten als Archiv der eigenen Münz- und Medaillengeschichte sowie für numismatische Zeugnisse aus anderen Ländern und Epochen angelegt. Neben solchen Staatssammlungen gab und gibt es unzählige private Münzsammlungen. Nach dem Tod ihrer Besitzer wurden manche vielfach großen öffentlichen Kabinetten einverleibt. Die Ankaufetats waren früher nun einmal üppiger als heute! Als Orientierungshilfe für ihr Steckenpferd standen Sammlern gedruckte Kataloge und auch schon die ersten Münzzeitschriften zur Verfügung. Berühmt wurden die in Nürnberg zwischen 1729 bis 1750 von Johann David Köhler veröffentlichten "Wöchentlichen Historischen Münzbelustigungen", in denen Münzen und manchmal auch Medaillen barock-umständlich und jedes Mal mit einem Titelkupferstich des betreffenden Stücks vorgestellt wurden.

Wer in der Barockzeit genügend Geld übrig hatte und Münzen sammelte, befand sich in allerbester Gesellschaft. Die gelehrte Freizeitbeschäftigung gehörte neben der Jagd, dem Tanzen und Fechten, der Reitkunst, Baukunst, Schifffahrt und anderen Beschäftigungen zu den ritterlichen Tugenden und wurde der "politischen Jugend" anempfohlen. Ein 1702 in Hamburg gedrucktes Buch mit dem Titel "Der Geöfnete Ritter-Platz" schildert Hauptsächliches und Merkwürdiges aus verschiedensten Wissensgebieten und geht dabei auch auf den Nutzen des Münzensammelns und des Besuchs der "vornehmsten Cabinetten und Kunst-Kammern" ein. Von ihnen gab es in der Barockzeit bereits viele, und an fürstlichen Höfen wurde viel Geld ausgegeben, um die bereits in der Renaissancezeit angelegten Sammlungen zu hüten und zu mehren und in aufwändigen Büchern mit vielen Kupferstichtafeln weithin bekannt zu machen.

Kuriositäten und Raritäten

Wer das unter der Regentschaft des kunstsinnigen und sozial ambitionierten Herzogs Ernst des Frommen erbaute Schloss Friedenstein in Gotha besucht, taucht in eine wundersame Welt ein. Hier ist eines der ältesten deutschen Münzkabinette untergebracht, und hier kann man sich in den original erhaltenen barocken Prunkräumen in aller Ruhe mit den von den Herzögen angehäuften numismatischen Schätzen befassen. Die Kunstkammer enthielt kostbare Bilder und Skulpturen, aber auch Kuriositäten aus Bernstein, Elfenbein, Perlmutt, Kristall, Halbedelsteinen und anderen exotischen Materialien. Kostproben werden im Schloss als Hinweis auf den bunten und oft auch absonderlichen Inhalt solcher Raritätenkabinette präsentiert. Dem ersten Inventar von 1656 bis 1659 der im Gothaer Residenzschloss aufbewahrten Kunstwerke kann man entnehmen, dass dort Gemälde, Figuren, gedrehte Sachen aus allerhand Materialien, Trink- und Tafelgeschirr, künstliche Uhrwerke, wissenschaftliche Geräte, Rüstungen und Kleider, Bücher mit Kupferstichen, aber auch Skelette sowie "Mineralia, Vegetabilia und Animalia" aufbewahrt wurden. Natürlich fehlen auch "alte und neue Münzen und allerhand Antiquitäten fremder Nationen" nicht, und daher nimmt es auch nicht wunder, dass Numismatisches in der nachgestalteten Raritäten- und Wunderkammer ausgelegt ist.

Ein besonderer Augenschmaus im Bereich der Historischen Forschungsbibliothek ist ein Saal aus der Barockzeit, in dem Herzog Friedrich II. von Sachsen-Gotha sein berühmtes Münzkabinett untergebracht hat. Das Aussehen des prächtig ausgestatteten, in den vergangenen 25 Jahren restaurierten Saals ist durch zeitgenössische Kupferstiche überliefert. Wenn man den Prunkraum mit gemalten Allegorien auf die damals bekannten Kontinente Europa, Asien, Afrika und Amerika an der Decke betritt, dann sieht man, dass sich an den kostbar dekorierten Münzschränken mit Fächern für numismatische Bücher sowie vergoldeten römischer Kaiserbüsten darauf wenig verändert hat. Das 1713 von Herzog Friedrich II. gegründete Münzkabinett gehörte schon im 18. Jahrhundert zu den führenden Kollektionen dieser Art in Europa und wurde in der damaligen numismatischen und Reiseliteratur als besonders reichhaltig sortiert gepriesen. Der kunstbegeisterte Herr über das kleine Herzogtum Gotha hatte der schon von seinem Vorfahren Herzog Ernst dem Frommen übernommenen Sammlung das mit vielen Seltenheiten bestückte Kabinett des Fürsten Anton Günther II. von Schwarzburg-Arnstadt hinzugefügt und dafür seinem in finanzielle Schwierigkeiten befindlichen Nachbarn die enorme Summe von 100 000 Talern gezahlt.

Indem Friedrich II. sein Münzkabinett aus der Kunstkammer im Schloss löste und es seiner Bibliothek angliederte, schuf er günstige Voraussetzungen für die Forschung und Bearbeitung des Bestandes. In weiser Voraussicht bestimmte der Herzog, dass seine Sammlung mit Beständen von der Antike bis zur Barockzeit immer beieinander bleiben soll und niemals Teile aus ihm verkauft werden dürfen. Die Nachfolger des kunst- und münzbegeisterten Herzogs hielten sich an dieses Hausgesetz und förderten die Mitte des 19. Jahrhunderts bereits etwa 80 000 Objekte umfassende Kollektion in 40 Schränken durch weitere Ankäufe sowie Einstellung namhafter Gelehrter mit Berendt Pick an der Spitze. Zu sehen sind im Schlossmuseum Spitzenstücke der Sammlung aus Gold und Silber, darunter auch solche, die 2012 von Coburg an ihren Ursprungsort Gotha zurückgeführt werden konnten.

19. Juli 2019

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