Hindenburg, Stein und Goethe
Rudolf Bosselt schuf für die Weimarer Republik charakteristische, zum Teil auch umstrittene Gedenkmünzen





Beim so genannten Hindenburg-Taler von 1929 und der Goethe-Münze von 1932 stellte Rudolf Bosselt sein ganzes Können unter Beweis, musste aber manche Kritik über sich ergehen lassen. Wie kaum ein anderer Münz- und Medaillekünstler hat er in der Fachpresse seine Arbeitsweise dargestellt.



Bosselt hat für seine Goethe-Münze umfangreiche Untersuchungen angestellt und eine Büste des "Alten von Weimar" nach dem Vorbild der Zeichnung von Ludwig Sebbers geschaffen.



Nach einem Besuch 1816 in Weimar bei Goethe schuf der Berliner Bildhauer und Grafiker Johann Gottfried Schadow diese Bronzemedaille mit dem Pegasus auf der Rückseite.



Frankfurt am Main widmete 1899 ihrem großen Sohn eine großartige, mit dem Bildnis des jungen Goethe sowie Allegorien der Wahrheit mit Spiegel und Dichtung mit Lyra geschmückte Medaille.







Rudolf Bosselt war ein exzellenter Porträtist, wie die Notmünze von 1923 mit dem Bildnis des preußischen Reformpolitikers Karl Reichsfreiherr vom und zum Stein sowie die Gedenkausgabe von 1931 zu dessen einhundertstem Todestag zeigen.



In der Bundesrepublik Deutschland und der DDR war Johann Wolfgang von Goethe mehrfach Thema von Gedenkmünzen. Geschaffen wurden sie von Frantisek Chocola, Hubert Klinkel sowie Wilfried Fitzenreiter und Axel Bertram. (Fotos/Repros: Caspar)

Reichskunstwart Edwin Redslob, der sich in der Weimarer Zeit unter anderem auch um die Gestaltung der Kurs- und Gedenkmünzen kümmerte, hatte es nicht leicht. Wie ein Blick in die im Berliner Bundesarchiv befindlichen Akten seiner beim Reichsinnenministerium angesiedelten Behörde zeigt, wurden viele von Redslobs Ideen verwirklicht, doch manche auch nicht, und einige stießen auf heftige öffentliche Kritik. Oft genug musste sich Kunsthistoriker und Museumsmann unfairer, hinterhältiger Angriffe erwehren. Als 1929 der zehnte Jahrestag der Gründung der Weimarer Republik begangen wurde kam ein Drei- und Fünfmarkstück mit dem Kopf des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg und der so genannten Schwurhand heraus, das nicht jedem gefiel.

Gestalter der Münze von 1929 war der durch eindrucksvolle Porträtdarstellungen auf geprägtem Metall bekannt gewordene Braunschweiger Bildhauer Rudolf Bosselt. Dass ausgerechnet ein Freund und Verteidiger der Monarchie, der frühere kaiserliche Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg, durch eine Gedenkmünze zum zehnjährigen Bestehen der von ihm und seinesgleichen verachteten Republik geehrt wurde, war nicht Redslobs Entscheidung, sondern kam von "ganz oben", von der Reichsregierung. Das aber spielte in der Kritik an dem "Verfassungstaler" oder "Hindenburgtaler" keine Rolle. Seine Gestaltung wurde dem Reichskunstwart in ziemlich rüder Form angelastet.

In den Berliner Münzblättern vom Mai 1930 äußert sich der vom Direktor der Bremer Kunsthalle Emil Waldmann in der Zeitschrift "Cicerone" frontal angegriffene Rudolf Bosselt mit einem Offenen Brief, dem er den schlichten Titel "Der Hindenburgtaler" gab. Selbstverständlich sei es gutes Recht eines Rezensenten, seine Meinung vorzutragen, die in der Behauptung gipfelte, die neue Münze sei so ziemlich das Elendste, was einem Volk geboten werden darf und schlimmer könne es nun nicht mehr werden. Waldmann tat ahnungslos, als er im "Cicerone" forderte, es müsse sofort eine Reichsstelle geschaffen werden, um eine solche Blamage, gemeint war der "Hindenburgtaler", zu verhindern. Bosselt konterte: "Dass diese Reichsstelle besteht, und dass sie mit Ihrem Kollegen - ein Kunsthistoriker müsste es doch wohl auf jeden Fall sein - Dr. Redslob besetzt ist, wissen Sie. Also gilt Ihre Forderung nur einer anderen Besetzung dieser Stelle. Ihre Bewertung des jetzigen Inhabers geht mich nicht an; ich habe es mit einem beamteten Kunstsachverständigen zu tun, wie Sie ihn fordern".

Unzureichende Bildvorlagen

Interesse verdient in der Antwort auf Waldmanns Kritik die Schilderung von Bosselt, wie die Hindenburg-Münze zustande gekommen ist. Ihm habe nur ungenügendes Bildmaterial für den Kopf des Reichspräsidenten zur Verfügung gestanden. Sein Antrag, eine Studie "nach dem Leben" anzufertigen, sei abgelehnt worden, "ebenso dann auch der Wunsch nach einer photographischen Aufnahme, der ich wenigstens hätte beiwohnen können. Es ist sehr wenig, was mir an Unterlagen zur Verfügung gestellt werden konnte." Bosselt musste unter hohem Zeitdruck und dazu mit ungenügenden Bildvorlagen arbeiten. "Ich wiederhole, ich will mich nicht einen Augenblick lang hinter die Zustimmung der Reichsstelle, die Sie fordern, d. h. Dr. Redslobs, verstecken. Er trägt keine Verantwortung, was auch immer er tun mag, denn er hat die Münze nicht gemacht." Bosselt fordert "zur Verhütung von Unglücksfällen" folgendes: "1. Zeit - aber nicht nur für die beratenden Ausschüsse, die sie sich genügend nehmen, sondern auch für den Künstler, damit er die Wirkung seiner Entwürfe auch sich selbst abwarten, Neues versuchen kann. 2. Dass ein Künstler nicht nur eine Münze im Leben zu machen bekommt oder vielleicht zwei, sondern eine Reihe, aus der die eine oder andere missglücken kann, die dann nicht zur Ausgabe gelangt. Das gute Stück muss selbst von dem, der fähig dazu ist, erarbeitet werden. 3. Dass die Münze vom Künstler selbst vertieft in Stahl geschnitten wird. Das kann man natürlich nicht in zwei Größen - 3- und 5-M.-Stück -von ihm verlangen. Diese Wiederholung ist tötend - aber es muss ja auch nicht das gleiche Stück in verschiedenen Werten zur Ausgabe gelangen." Auf Waldmanns Kritik, warum er, Bosselt, den Verfassungstaler nicht in Stahl geschnitten habe, verweist der Angegriffene auf sein technisches Können, genau dies tun zu können. "Aber das erfordert die dreifache Zeit, die für mich nicht zur Verfügung stand und enthebt nicht einer Vorarbeit an den Gipsmodellen. Dann bedarf es für einzelne Arbeiten einer geschulten Hilfskraft, die man nicht hat. Woran sollte man sie erziehen, womit beschäftigen, wovon bezahlen?"

Schützenhilfe vom Reichskunstwart

Auch Reichskunstwart Redslob verteidigt den "Hindenburgtaler", was blieb ihm anderes übrig. In einem Antwortschreiben auf Angriffe der Bayerischen Numismatischen Gesellschaft hinsichtlich der Gestaltung der derzeitigen Reichsmünzen vom 1. Juli 1930 weist er Kritik an der von der renommierten Bildhauerein Renée Sintenis gestaltete Fünf- und Dreimarkmünze "Tausendjahrfeier der Rheinlande" zurück und gibt sich als derjenige zu erkennen, auf den das Motiv zurückgeht. "Der als ,kardinal' hingestellte Proportionsfehler beim Ritter des Rheinlandtalers fällt gegenüber den kompositionellen Vorzügen nicht ins Gewicht. Das Urteil mutet laienhaft gesucht an. […] Außerdem möchte ich betonen, dass der Rheinlandtaler auf Grund meines Vorschlags in dieser Fassung ausgeführt worden ist und dass ich nach wie vor dieses Geldstück für besonders geglückt halte. Ebenso sind die Gedenkmünzen für Lübeck, Nordhausen, Bremerhaven, Dinkelsbühl, Naumburg, Lessing, das Dreimarkstück von Wackerle Stücke, die meiner Auffassung nach bereits einen ganz wesentlichen Fortschritt gegen die Münzen aus der Vorkriegszeit [d. i. Kaiserzeit, H. C.] zeigen. Ich erwähne dieses, weil die Beispiele andeuten, dass ein guter Weg betreten ist, der ein erfolgreiches Vorwärtsschreiten zu verheißen scheint".

Großer Dichter, kleine Prägezahl

Im Goethe-Jahr 1932 kulminierte die Weltwirtschaftskrise, das Deutsche Reich hatte ganz erheblich mit innen- und wirtschaftspolitischen Problemen durch die Arbeitslosigkeit von sechs Millionen Menschen und eine Radikalisierung bei den Rechten und der Linken, die sich bis aufs Messer bekämpften zu tun. Die Nationalsozialisten und ihre Anführer strebten an die Macht, die sie dann am 30. Januar 1933 durch die Ernennung von Adolf Hitler zum Reichskanzler erlangten und sofort mit Blut und Terror ausbauten. Ungeachtet der inneren Konflikte und der Ängste von Millionen Menschen verliefen die Goethe-Feiern in Weimar, Frankfurt am Main und an anderen Orten programmgemäß. Theater und Zeitungen hatten mit der Ehrung des Dichters und Staatsmanns viel zu tun, und als dann auch noch die Bosseltsche Münze sowie etliche dem Jubilar gewidmete Medaillen auf dem Markt waren, mussten sich Sammler sputen, um sie in ihren Besitz zu bringen. In allen Münzkatalogen stehen die Zahlen, die in den sechs damaligen Münzstätten erreicht wurden: Berlin (A) 10 838, München (D) 2812, Muldenhütten (E) 1490, Stuttgart (F) 2006, Karlsruhe (G) 1220 und Hamburg (J) 1634. Schwer zu verstehen ist, dass vom Dreimarkstück zwar beachtliche 400 000 Exemplare, von der Ausgabe zu fünf Reichsmarkstück aber nur 20 000 Stück geprägt wurden.

Wie die Goethe-Münze entstanden ist und welche Vorlagen der Bildhauer, Medailleur und Kunstgewerbler Rudolf Bosselt verwendet hat, ist einem Bericht in den "Berliner Münzblättern" vom März 1932 zu entnehmen, um den ihn das Blatt gebeten hatte. In ihm beschreibt Bosselt sowohl die gestalterischen und technischen "Eckdaten" dieser Silbermünze, sondern auch seine Entscheidung, nicht den jungen, sondern den alten Goethe darzustellen. Ursprünglich hatte der Künstler unter das nach links gewandte Profilbildnis des Dichters mit wehenden Haaren hinter der hohen Stirn den Namen GOETHE setzen und die Jahreszahl 1932 links und rechts vom Kopf anbringen wollen. Der Name blieb auf der Vorderseite, während die Jahreszahl "aus mehr außerkünstlerischen Gründen", wie Bosselt schreibt, auf die Rückseite kam, ergänzt durch das Jahr 1932, womit deutlich wurde, dass es sich um die Feier zum einhundertsten Geburtstags handelt. Interessant wäre zu wissen, ob es von der ersten Variante Probeabschläge gibt. Bescheiden schrieb Bosselt, es stehe einem Künstler nicht an, von den Schwierigkeiten zu sprechen, die bei der Lösung einer ihm gestellten Aufgabe zu überwinden sind. Dass er es dennoch tat, ist ein Glücksfall, denn im Allgemeinen ist die Entstehungsgeschichte von Münzen und Medaillen nicht gut belegt und schon gar nicht von dem beteiligten Künstlers.

Volk der Dichter und Denker

Vermutlich befürchtete das Reichsfinanzministerium, kaum vorstellbar für uns heute, bei einer höheren Auflagenzahl mangelndes Käuferinteresse. Immerhin waren fünf Reichmark damals viel Geld, und viele Leute mögen sich in dieser wirtschaftlich angespannten Situation genau überlegt haben, ob sie so viel für "totes Kapital" ausgeben können. Auf der anderen Seite sollte man meinen, dass eine Goethe-Münze im Wert von fünf Reichsmark im "Volk der Dichter und Denker" eigentlich ein gewaltiges Echo hätte finden müssen. Bei der beschämend geringen Stückzahl der Goethemünze zu fünf Reichsmark die schwierige politische und soziale Situation im Jahr 1932 eine Rolle gespielt haben, schließlich war man mitten in der Weltwirtschaftskrise mit einem Millionenheer von Arbeitslosen und schweren inneren Spannungen. Da die Goethemünze auf der Vorderseite außer dem Dichterkopf viel freie Fläche hat, weisen nicht wenige Stücke Kratzer und Schrammen auf, weshalb makellose Exemplare und vor allem solche in Polierter Platte besonders hoch gehandelt werden. Nach einem Seitenhieb auf geschäftstüchtige Kollegen, die sich an berühmte Leute "herandrängen", kommt der Autor auf sein eigentliches Thema. Bei Goethe fehle es nicht an Unterlagen, sein langes Leben sei er immer wieder gezeichnet, gemalt und modelliert worden. "Unter den Künstlern, denen er gesessen hat, sind einige, die heute ,Prominente' genannt würden. […] Die Entscheidung für den alten Goethe, die ich für mich ohne Schwankungen traf, trifft auch wohl eine Entscheidung unserer Zeit. Der späte Goethe, der des Faust, steht uns näher als der frühe." Unter den vielen Vorlagen, die Bosselt zur Verfügung standen, war auch eine im Original verschollene Kreidezeichnung des Porzellanmalers Ludwig Sebbers aus dem Jahre 1826.

Ähnliches, lobenswertes Bildnis

Da Bosselt Lehrer an der Kunstgewerbeschule in Braunschweig war, dürfte ihm die Zeichnung dieses ebenfalls in Braunschweig tätigen Künstlers bekannt gewesen sein. Ihr bescheinigt der Medailleur und Bildhauer einen "sehr wahren, dokumentarischen Eindruck." Überliefert sei, dass der Dichter dem damals noch jungen und unbekannten Inspektor der Braunschweigischen Manufaktur wohl zwanzigmal Modell gesessen hat. Das sei ein ungewöhnliches Entgegenkommen gewesen. Goethe lobte Sebbers Mühen mit den Worten "Er hat sich dabei aber keinen Strich, keinen Punkt aus dem Gedächtnis willkürlich erlaubt: daher dann freilich ein sehr ähnliches und lobenswürdiges Bild entstanden ist". Im Zusammenhang mit dem Bildnis für eine Porzellantasse entstand auch das von Bosselt verwendete Bildnis.

Mit Kennerblick stellte der Bildhauer und Medailleur fest, dass die zeitgenössischen Goethebildnisse untereinander nicht gleichen, obwohl immer derselbe Mann in unterschiedlichem Lebensalter porträtiert ist. Diese Abweichungen gingen so weit, dass selbst für den Ausdruck unwichtige Details nicht übereinstimmen. So seien des Dichters Ohr auf dem bekannten Wachsbildnis des Berliner Bildhauers Johann Gottfried Schadow von 1816 als Vorlage für die bekannte Bronzemedaille mit dem Pegasus auf der Rückseite mit einer Kreidezeichnung von Ferdinand Jagemann von 1817 "unvereinbar". Auch "expressionistische Arbeiten" wie das Bildnis von David d'Angers besäßen nicht unbedingt dokumentarischen Charakter, schreibt Bosselt und berichtet aus eigener Erfahrung, wie schwer es ist, einen Kopf etwa einer Filmschauspielerin nach allen erreichbaren Abbildungen zu modellieren. Angesichts solcher Divergenzen fragt man sich bis heute, wie der berühmte Dichter, Minister, Theaterleiter sowie Kunst- und Medaillensammler Johann Wolfgang von Goethe wirklich ausgesehen hat und was man auch bedeutenden Denkmälern wie dem in Weimar mit Friedrich Schiller an der Seite oder denen in Frankfurt am Main und Berlin zutrauen kann, denn jede Zeit sah ihre Idole anders. Für Numismatiker jedenfalls hat Bosselts Meisterwerk die Vorstellung vom alten Goethe ganz wesentlich geprägt. Wenn man zur Silbermünze von 1932 noch weitere Meisterwerke des Designers mit Bildnissen von Goethe und seines Zeitgenossen, des preußischen Reformpolitikers Karl Reichsfreiherr vom Stein legen kann, darf man sich als Glückspilz betrachten.

Rudolf Bosselt hat den "Medaillen aus Goethes Zeit" kein gutes Zeugnis ausgestellt. "Als Unterlage kann man sie nicht benützen. Die meisten von ihnen sind nicht unmittelbar nach dem Leben modelliert, sondern in Anlehnung an die Büsten von Weisser und Rauch entstanden. Auch die 1826 von Brandt geschaffene ist hiervon, trotz Zeichnungen nach der Natur, nicht ausgenommen". Sammler von Medaillen und Münzen mit dem Bildnis des Weimarer Dichters werden diese Beobachtung durchaus bestätigen können. Auch bei anderen auf Münzen und Medaillen dargestellten historischen Personen zeigen sich solche Divergenzen, man braucht nur Prägungen zu Martin Luther, Friedrich den Großen, Kaiser Napoleon I. oder Reichskanzler Otto von Bismarck nebeneinander zu legen. Das muss kein Nachteil sein, sondern zeigt nur die Breite der künstlerischen Rezeption zu Lebzeiten der betreffenden Person und nach ihrem Tod. Schließlich hat jede Zeit ihre Idole anders gesehen.

27. Mai 2019

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