Meister des Gravierstahls
Neues Buch würdigt umfassend und mit vielen Bildern den sächsischen Stempelschneider Friedrich Wilhelm Hörnlein





Die von Hörnlein gestaltete Dreimarkmünze von 1913 mit dem Völkerschlachtdenkmal bei Leipzig wurde massenhaft geprägt und liegt daher auch heute in vielen Sammlungen. Das kann man vom Dreimarkstück von 1917 mit dem Bildnis Friedrichs des Weisen nicht behaupten.



Die Drei- und Fünfmarkmünzen von 1929 zeigen nicht, wie es Hörnlein vorschlug, den Meißner Löwen, sondern einen stehenden Markgrafen unter dem Baldachin mit zwei Wappenschildern in den Händen.



Das Gemälde zeigt Hörnleins Eindrücke, die Friedrich Wilhelm Hörnlein in der Metallschmelze der Münze zu Muldenhütten bei Freiberg gewonnen hat.



Die Medaille von 1912 schuf Hörnlein anlässlich der Dreihundertjahrfeier der Schmelzhütte zu Halsbrücke bei Freiberg.



In manchen Sammlungen dürften Hörnlein-Medaillen liegen, die Not, Hunger und Wucher in der Zeit der Inflation anklagen und nach alter Tradition miteilen, was 1923, auf dem Höhepunkt der Geldentwertung, für Nahrungsmittel zu zahlen waren.





Die Medaillen auf Abraham Gottlob Werner und Martin Luther beweisen Meisterschaft als Porträtist und Schriftgestalter.



Der Numismatischen Verein zu Dresden brachte 2017 eine Medaille anlässlich der Herausgabe des Nachtrags von Hörnleins Werkverzeichnis heraus. (Repros aus dem besprochenen Buch)

Die Geschichte der deutschen und ausländischen Münzen und Medaillen ist gut erforscht und publiziert. Es gibt kaum ein Gebiet, das nicht in die letzten Winkel durchleuchtet worden wäre. Numismatiker kennen Studien und Kataloge über die Hinterlassenschaften von Ländern und Kommunen. Es gibt Darstellungen über einzelne Themen wie Dichter, Musiker, Maler und Mediziner, über Tiere und Pflanzen, Krieg und Frieden, Bauwerke und Denkmäler, über Schiffe sowie Luft- und Raumfahrt, nicht zu vergessen über die Geschichte der Münztechnik und die Hinterlassenschaften der verschiedensten Münzstätten sowie zum Thema Falschmünzerei und Münzfälschungen. Was Stempelschneider und Medailleure schufen, ist gut bekannt und wird bei Beschreibungen im Münzhandel zitiert. Genannt seien Meister des Gravierstahls wie Abramson, Barduleck, Dadler, Faltz, Goetz, Güttler, Hörnlein, König, Kullrich, Loos, Oexlein, Posch, Sturm und Vestner, um einige Prominente zu nennen.

Was der sächsische Münzgraveur Friedrich Wilhelm Hörnlein, der 1873 in Suhl geboren wurde und am 13. Februar 1945 sein Leben und sein Werk beim anglo-amerikanischen Bombenangriff auf Dresden verlor, geschaffen hat, wurde bereits 1992 von Paul Arnold, Max Fischer und Uli Arnold publiziert. Jetzt liegt eine weit darüber hinaus gehende, mit vielen farbigen Abbildungen versehene Publikation über das Leben und Werk des aus einer Suhler Handwerkerfamilie stammenden Graveurs vor. Nach der damals üblichen Wanderschaft erhielt er eine Ausbildung an der Bildhauerklasse der Dresdner Kunstgewerbeschule bekam damit auch Zugang in Künstlerkreise der sächsischen Haupt- und Residenzstadt. Verfasser dieses großartigen, von Udo Becker im Auftrag der Freiberger Münzfreunde herausgegeben Buches "Friedrich Wilhelm Hörnlein. Ein bedeutender deutscher Medailleur des 20. Jahrhunderts und der Märzbund" (Freiberg 2018, 243 S., 175 Abb., 49,90 Euro, ISBN 987-3-86012-595-9) ist der 2015 in Bautzen verstorbene Hans-Günter Hartmann. Dessen Frau Jutta Hartmann hatte Hörnlein noch als Schulkind gekannt. Mit ihrem Mann trug sie alles zusammen, was dieser hoch talentierte Künstler von zierlicher Erscheinung geschaffen und hinterlassen hat.

Erst freiberuflich tätig, seit 1911 fest angestellt

Udo Becker, stellvertretender Vorsitzender der Freiberger Münzfreunde e. V., hat es übernommen, mit Unterstützung von Jutta Hartmann das fertige Manuskript zu publizieren und mit weiteren Studien zu vervollständigen. Hervorzuheben ist in dem Buch als interessanter Abschnitt über die Dresdner Künstlergruppe Märzbund und seine Mitglieder, zu denen auch Hörnlein gehörte. Das Kapitel holt ein weitgehend unbeachtetes und unbekanntes Stück sächsischer Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts aus dem Vergessen und würdigt das etwa 350 Medaillen und Plaketten sowie einige Münzentwürfe umfassende Schaffen von Friedrich Wilhelm Hörnlein in größerem Rahmen.

Hans-Günther Hartmann hat aufgrund intensiver Recherchen zahlreiche Medaillen und Plaketten anlässlich von Kunst-, Landwirtschafts- und Gewerbeausstellungen sowie zu weiteren Begebenheiten Hörnlein zugeordnet, was Sammler in den Stand versetzt, sie in eine diesem gewidmete Abteilung zu legen. Zunächst freischaffend als Maler, Medailleur und Bildhauer für Kleinplastik tätig, schuf Hörnlein zahlreiche Medaillen für die Prägeanstalten Glaser und Sohn in Dresden sowie Carl Poellath in Schrobenhausen. Der Künstler gab 1911 seine Freiberuflichkeit auf und nahm als Nachfolger von Max Barduleck eine Anstellung als Münzeisenschneider an der königlich-sächsischen Münze zu Muldenhütten bei Freiberg an. Von nun an war er auch an der Herstellung der dort produzierten Reichsmünzen beteiligt. Ausdrücklich wurde ihm gestattet, weiterhin als "Zubrot" Medaillen und Plaketten für den Staat und Städte sowie Betriebe, Institutionen und Privatleute anzufertigen. Dieses Privileg nutzten schon Max Barduleck und andere Münz- und Medaillenkünstler. Für Hörnlein kam ein Umzug nach Freiberg oder Muldenhütten nicht infrage. Dazu waren ihm der Kontakt zu seinen Dresdner Künstlerkollegen und die Anregungen, die er von den Malerfreunden erhielt, viel zu wichtig.

Völkerschlachtdenkmal war eine Ausnahme

Für Sammler von Münzen der Kaiserzeit und der Weimarer Republik dürfte interessant sein, was Hans-Günther Hartmann zu den Ausgaben von 1913 mit dem Völkerschlachtdenkmal und von 1917 mit dem Porträt Friedrichs des Weisen sowie von 1927 zur Tausendjahrfeier der Stadt Meißen mitzuteilen hat. Die katastrophale Niederlage der Truppen des französischen Kaisers Napoleon I. und seiner Verbündeten in der von 16. bis 18. Oktober 1813 bei Leipzig tobenden Völkerschlacht wurde ein Jahr vor Beginn des Ersten Weltkriegs überall im deutschen Kaiserreich mit Festen, Paraden, Ausstellungen und Denkmalweihen, aber auch mit Medaillen und der erwähnten Dreimarkmünze gefeiert. Auf ihr konnte man beim besten Willen nicht das Bildnis des sächsischen Königs Friedrich August I. platzieren, der als treuer Anhänger der Franzosen zu den Verlierern der verlustreichen Schlacht gehörte, in preußische Gefangenschaft geriet und hinnehmen musste, dass große Teile seines Landes an die siegreichen Preußen fiel. In Muldenhütten wurde von der Völkerschlachtmünze eine Riesenauflage von 999 999 Exemplaren geprägt, von denen viele erhalten und preiswert zu haben sind. Sie ist die einzige Ausgabe aus der Kaiserzeit, auf der ein Bauwerk, in diesem Fall ein Kriegerdenkmal, dargestellt wurde.

Mit der Darstellung des aufgrund einer über Jahre dauernden Sammelaktion quer durch das Deutsche Reich erbauten Völkerschlachtdenkmals konnte Hörnlein nichts falsch machen. Schwieriger war es bei der offiziell in nur einhundert Exemplaren geprägten Gedenkmünze von 1917 zur Vierhundertjahrfeier der Lutherschen Reformation. Da wegen der in der Kaiserzeit geltenden Regeln nur gekrönte Häupter auf Kurs- und Gedenkmünzen erscheinen durften, entschied man sich für das Bildnis des sächsischen Kurfürsten Friedrich des Weisen, der als mächtiger Beschützer des Wittenberger Kirchenrebellen und Reformators in die Geschichte einging. Hörnlein verwendete für seinen Münzstempel ein von Hans Krafft gestaltetes Medaillenporträt aus dem Jahr 1520 und schuf damit eine der schönsten und seltensten Reichsmünzen. Die Mühen des sächsischen Münzmedailleurs von 1915, auch Kursmünzen mit dem Bildnis seines Königs Friedrich August III. in der zur Kriegszeit passenden Uniform eines Generalfeldmarschalls zu schaffen, blieben auf der Strecke, denn die Serie erreichte keine Massenprägung. Von den Probeanschlägen sind wenige in der Sammlung des Dresdner Münzkabinetts erhalten, leider fehlen in dem Hörnleinbuch die passenden Fotos.

Markgraf unterm Baldachin statt Wappenlöwe

Während der Weimarer Republik und in der Zeit des Nationalsozialismus schuf Hörnlein weiterhin zahlreiche Medaillen, aber im Vergleich dazu nur wenige Entwürfe für Münzen. Da die Vergabe von Aufträgen für Kurs- und Gedenkmünzen durch den Reichskunstwart Edwin Redslob erfolgte, war es für Hörnlein und andere Künstler nicht einfach, die begehrten und gut dotierten Aufträge zu erlangen. Die Tausendjahrfeier der Stadt Meißen wurde 1929 nicht durch einen Wappenlöwen, wie von Hörnlein vorgeschlagen, sondern durch die Adaption des ältesten Siegels der Stadt mit der stehenden Figur eines Markgrafen von Meißen unter einem Baldachin.

Bliebe zu sagen, dass sich Friedrich Wilhelm Hörnlein zur eigenen Anschauung und Belehrung eine stattliche Münz- und Medaillensammlung anlegte. Von ihr war lange angenommen worden, dass sie bei dem verheerenden Bombenangriff auf Dresden mit weiteren Unterlagen und geprägten Belegen seiner eigenen Arbeiten vernichtet wurde. Doch offenbar waren damals verschiedene, durch Brandspuren geschädigte Stücke aus dem Trümmerschutt geborgen worden. Herausgeber Udo Becker nennt 88 Medaillen aus fünf Quellen, bei denen die Herkunft aus der Hörnlein-Sammlung vermutet wird. Ganz zum Schluss des lesens- und beherzigenswerten Buches befasst sich der Herausgeber mit der Art und Weise, wie Hörnlein haupt- und nebenamtlich sein Geld verdiente, wie er sich mangels staatlicher Aufträge um solche von privater Seite mühte und wie er mit der Geldentwertung nach dem Ersten Weltkrieg klar kam. Die Ausführungen sind wichtig, weil bei Künstlern in der Regel kaum bekannt ist, womit sie ihren Lebensunterhalt bestritten haben. Hinweisen von damals kann man entnehmen, dass es, von rühmlichen Ausnahmen abgesehen, damit nicht weit her war, zumal dann, wenn eine große Familie zu ernähren war und man mit wirtschaftlichem Niedergang und Auftragsflauten zurecht kommen musste. "Die feste Anstellung bei der Münze in Muldenhütten hat Hörnlein über die schwierige Zeit des ersten Weltkriegs, der Inflation und der Weltwirtschaftskrise hinweggeholfen, fast auch über den zweiten Weltkrieg."

27. August 2019

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