Verfassungstaler zu Hundemarken
Die Weimarer Republik machte mit ihren Münzen aus Aluminium wenig Staat, und auch die DDR hatte daran wenig Freude



Gewöhnungsbedürftig waren die neuen Fünfzigpfennigstücke aus Aluminium von 1919, bei denen Getreidegarben die Stelle des kaiserlichen Reichsadlers einnehmen. Der Verfassungstaler von 1922 wurde, kaum dass er geprägt wurde, eingeschmolzen oder zweckentfremdet verwendet.



Abweichend von der Norm wurden von manchen Münzen Proben aus Silber hergestellt.



Als 1923 der sozialdemokratische Reichspräsident Friedrich Ebert an den Folgen einer nicht behandelten Blinddarmentzündung starb, wurden ihm diese von Oskar Glöckler geschaffene Medaille gewidmet.



Eberts Nachfolger wurde der kaiserliche Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg gewählt, der 1933 Hitler an die Macht verhalf. Die von Rudolf Bosselt gestaltete Gedenkmünze zu fünf Reichsmark von 1929 wurde zum zehnjährigen Bestehen der Republik geprägt.



Massenhaft verschwanden die Aluminium-Münzen der DDR nach der Währungsunion vom 1. Juli 1990 und damit wenige Wochen vor der der deutschen Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 im Schmelztiegel. Wer als Sammler weiter blickte, legte sich möglichst gut erhaltene Belegstücke zurück.



Schlange stehen waren die DDR-Bewohner gewohnt. Am 1, Juli 1990 und danach bildeten sich am Berliner Alexanderplatz und anderswo lange "Wartegemeinschaften".



Die Münzen der DDR avancierten nach dem Zusammenbruch des zweiten deutschen Staates auch im Westen zu begehrten Sammelstücken. Ihre Preise haben sich auf ein mittleres Niveau eingependelt. (Fotos/Repros: Caspar)

Schaut man in die Literatur, zeigt sich, dass in der Weimarer Republik weitaus mehr Emissionen geplant waren als verwirklicht wurden. Um die Fülle der Motive und künstlerischen Handschriften ermessen zu können, müssen wir jene seltenen Stücke hinzurechnen, die probeweise als Wettbewerbseinsendungen oder zu Anschauungszwecken hergestellt wurden. Die seit 1925 geprägten Gedenkmünzen hatten, was kaum wahrgenommen wird, einen Vorläufer, und zwar das Drei-Mark-Stück von 1922 und 1923 aus Aluminium mit der Umschrift VERFASSUNGSTAG 11. AUGUST 1922. Anlass der Emission war der dritte Jahrestag der republikanischen Reichsverfassung, die am 11. August 1919 vom neu gewählten Reichspräsidenten Friedrich Ebert unterzeichnet wurde. Der Verfassungstag löste "Kaisers Geburtstag", ferner den 18. Januar zum Gedenken an die Gründung des unter preußischer Oberhoheit stehenden Kaiserreichs am 18. Januar 1871 und den als "Sedantag" gefeierten 2. September ab, an dem man eine Entscheidungsschlacht im deutsch-französischen Krieg am 2. September 1870 feierte.

Als wertloses Blech verachtet

Die Aluminiummünze von 1922 erhielt den volkstümlichen Namen "Verfassungstaler", weil nach alter Definition in der Kaiserzeit ein Taler drei Mark wert war. Zwar wurden die Aluminiummünzen in hohen Stückzahlen geprägt, die in den Katalogen vermerkt sind, doch gelangtengroße Bestände nicht zur Ausgabe. Wenn sie in den Geldkreislauf gelangten, dann blieben sie nicht lange dort, sondern wurden, weil sie nur wertloses "Blech" waren, anderweitig verwertet. Für die Drei-Mark-Stücke bekam man in den letzten beiden Inflationsjahren kaum etwas zu kaufen, und sie aus billigem Material bestanden, wurden sie auch nicht für "voll" genommen. Außerdem war der dritte Jahrestag der Weimarer Verfassung kein der Erinnerung wertes Datum, wie auch in der damaligen Presse kritisch vermerkt wurde.

Ein dritter, also "krummer" Jahrestag als Grund für eine Gedenkprägung verwundert, doch sollte man das im politischen Kontext sehen. Denn die neue Republik musste alles tun, um ihren Bürgern die Gewissheit zu vermitteln, dass diese junge Republik ihr Staat ist. Außerdem lag der Regierung und den sie tragenden Parteien sehr daran, dass der 11. August als Gedenktag populär wird, was angesichts der Vorbehalte weiter Bevölkerungskreise der neuen Ordnung gegenüber nicht leicht war. Konservative, monarchistische bis rechts gerichtete Kreise taten alles, um die als "System" verunglimpfte Republik zu diskreditieren und ihren Repräsentanten das Leben schwer zu machen. Den Feinden der Republik spielten die hohen Lasten in die Hände, die der von Vertretern der neuen Republik unterzeichnete Versailler Friedensvertrag den Deutschen abverlangte. Wer sich diesem beugte, wurde als "Erfüllungspolitiker" angeprangert und war, wie der Mord am Außenminister Walther Rathenau am 24. Juni 1922 in Berlin zeigt, seines Lebens nicht sicher.

Einigkeit und Recht und Freiheit

Heutige Münzkataloge enthalten zwar Angaben über die Höhe der jährlichen Auflagen des in allen sechs deutschen Münzstätten in unterschiedlich hohen Stückzahlen geprägten Verfassungstalers. Doch sagen sie nichts darüber aus, was von den zum Teil enormen Prägemengen tatsächlich noch erhalten ist. Denn die Münzen wurden als Rohstoff betrachtet und wieder der Industrie zugeführt. Dass es sich beim Verfassungstaler um ein numismatisches Intermezzo handelt, wurde auch schon in der zeitgenössischen Presse bemerkt. Das billige Aluminium war nicht gerade dazu angetan, Vertrauen in das Geld der Republik zu wecken und die Verbundenheit der Bevölkerung zu ihr zu fördern. Das gilt auch für weitere Münzen aus dem Leichtmetall zu 200 und 500 Mark aus dem Jahr 1923. Sie sind ähnlich gestaltet, tragen aber auf der Adlerseite die der dritten Strophe des "Deutschlandlieds" von Heinrich Hoffmann von Fallersleben entlehnte Umschrift EINIGKEIT UND RECHT UND FREIHEIT.

Die "Vossische Zeitung" in Berlin schrieb am 15. Mai 1923 über diese Emissionen unter der Überschrift "Entwöhnung vom Hartgeld", dass die neuen 200-Mark-Münzen ungern im Geldverkehr angenommen werden und die Reichsbank die Kosten der Verpackung von je 100 Stück in eigens gemachten "Düten" Selbstkosten in Höhe von 36 Mark verliert, also noch draufzahlt. Probeweise seien einige Aluminiumstücke zu 1000 Mark "mit Schillerkopf" statt Hoheitszeichen geprägt worden. Dass die Normalstücke nicht ganz wertlos waren, geht aus einer Notiz in den "Blättern für Münzfreunde" vom Mai 1923 hervor, wonach in Läden an der Berliner Friedrichstraße die 200-Mark-Münzen 250 Mark kosten und "daraus gemachte Fingerhüte" sogar 1000 Mark. Dem Hinweis, dass die Verfassungstaler umgeprägt werden sollen, folgte der Ratschlag "Verkauf an Auslandssammler wäre lohnender". Die "Blättern für Münzfreunde" (April/Mai 1925) schrieben, dass die Hamburger Münze die Aluminiumstücke zu 200 Mark zu Hundemarken umgestempelt hat. So hatten diese Münzen wenigstens noch einen praktischen Verwendungszweck.

Proben aus Silber, Kupfer und Eisen

Bei der zum 30. August 1924 für ungültig erklärten Verfassungsmünze, auf der der nach einem Entwurf von Josef Wackerle gestaltete und auch bei vielen anderen Münzen und offiziellen Preismedaillen der Weimarer Republik verwendete Reichsadler erscheint, ist auf Probestücke aus Silber und Nickel sowie aus aluminiumplattiertem Kupfer beziehungsweise Eisen zu achten, die natürlich sehr selten und teurer sind. Weitere der in Rudolf Schaafs Buch von 1979 über die deutschen Probemünzen seit 1871 aufgeführten Geldstücke sind Materialproben und deuten auf große Experimentierfreude sowohl in der Kaiserzeit als auch danach. So kommen die Drei-Mark-Stücke von 1922 und 1923 aus Aluminium auch als Abschläge auf Silber-, Nickel- und Kupferschrötlingen pur oder mit verschiedenen Metallplattierungen vor. Für das Jahr 1922, in dem die Geldentwertung bereits stark vorangeschritten war, sind Fünf-Mark-Stücke aus aluminiumplattiertem Kupfer oder einer Nickel-Legierung überliefert, ja es gibt aus dem gleichen Jahr auch eine Ausgabe zu 1000 Mark aus Aluminium beziehungsweise Silber mit dem Kopf von Friedrich Schiller und der Umschrift "Frei durch Vernunft, stark durch Gesetze". Schaaf zufolge wurden die Münzen im Brandschutt der Stuttgarter Münze gefunden; Exemplare befinden sich im Geldmuseum der Deutschen Bundesbank. Das Beispiel zeigt, wie man in der frühen Weimarer Republik um Formen, Materialien und Themen gerungen hat.

Erwähnt sei, dass die Aluminiummünze von 1922/2 ein Pendant hatte, nämlich ein Fünfzig-Pfennig-Stück mit den Jahreszahlen 1919, 1920, 1921 und 1922. Da im ersten Jahr der Weimarer Republik noch nach einem gültigen Hoheitszeichen gesucht wurde, half man sich mit der Darstellung von Getreidegarben, auf die die doppelte Schriftzeile "Sich regen bringt Segen" gelegt wurde. Während der Verfassungstaler sowie ein ähnlich gestaltetes Drei-Mark-Stück ohne die auf den 11. August 1919 weisende Widmung eine schöne Antiquaschrift benutzen, hat der Berliner Stempelschneider Reinhard Kullrich eine von ihm entwickelte Fraktur graviert. Erst auf dem von Eddy Smith geschaffenen Drei-Mark-Stück von 1930 zum 700. Todestag des Minnesängers Walther von der Vogelweide findet man eine ähnliche "deutsche" Schrift. In der Zeit des Nationalsozialismus war sie obligatorisch. Zu der von Hitler befohlenen Umstellung aller Medien auf die lateinische oder Antiquaschrift ist es in der Zeit des Zweiten Weltkriegs nicht gekommen. Hitler verschob diesen Plan auf die Zeit nach dem - dann nicht eingetretenen - Endsieg.

Mauerfall, Währungsunion und Einheit

Am 9. November 1989 fiel erst die Berliner Mauer, dann die innerdeutsche Grenze. Das SED-Regime geriet ins Wanken, seine Führer versanken im Orkus der Geschichte. Der Währungsunion vom 1. Juli 1990 folgte drei Monate später die Wiedervereinigung, und schon bald avancierten die Münzen und Geldscheine des zweiten deutschen Staats zu interessanten Sammelstücken. Vor 30 Jahren war es nur eine Frage der Zeit, dass die Teilung Deutschlands aufgehoben wird. Dabei mussten manche Vorbehalte der ehemaligen Siegermächte, aber auch Widerstände beiderseits der bisherigen Grenze überwunden werden. Viele Menschen mögen sich den Vereinigungsprozess leichter vorgestellt haben, zumal Politiker wie der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl den Ostdeutschen "blühende Landschaften" und schnelle Angleichung der Lebensverhältnisse an die im Westen versprachen.

Mit dem Inkrafttreten der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion am 1. Juli 1990 war die Deutsche Mark alleiniges Zahlungsmittel in der DDR, die nach weiteren drei Monaten ihr Leben aushauchte. Vorangegangen waren heftige Auseinandersetzungen über das Für und Wider einer schnellen Währungsumstellung. Dabei machte der Spruch "Kommt die D-Mark, bleiben wir / Kommt sie nicht, dann gehen wir" die Runde und setzte die letzte DDR-Regierung unter Druck. In den Tagen vor der Wirtschafts- und Währungsunion am 1. Juli 1990 und dem Umtauschtermin für die DDR-Mark bildeten sich an den ostdeutschen Banken und Sparkassen lange Schlangen von Menschen, die ihre Anträge abgaben und ein eigenes Konto eröffneten. Schnell deckte man sich für die nur noch wenige Tage gültigen DDR-Münzen und Geldscheine mit Lebensmitteln, Treibstoff und anderen Dingen ein. Irgendwie versuchte jeder, sein Ostgeld anzulegen, die Kaufhäuser und Läden waren wie leer gefegt. Geldhändler tauschten unter freiem Himmel stapelweise Ost gegen West und machten damit gute Geschäfte, ohne von der Polizei behelligt zu werden.

Nach dem Stichtag 1. Juli 1990 drängelten sich die Leute stundenlang im Ostteil Berlins und in der Noch-DDR vor den Umtauschstellen, deren Mitarbeiter angesichts mangelhafter EDV-Technik viel Schreibarbeit hatten. Im Besitz der ungewohnten blauen 100-DM-Scheine verfielen viele DDR-Bewohner in einen Glückstaumel, der allerdings nicht lange anhielt. Zwar wurden Löhne, Gehälter, Stipendien, Mieten, Pachten sowie Sparguthaben bis zu 2000 DDR-Mark 1:1 umgestellt. Darüber hinausgehende Konten aber wurden mit 2:1 bewertet, was von vielen Leuten als diskriminierend empfunden wurde. Personen ab dem 60. Lebensjahr hatten Sonderkonditionen, denn sie konnten bis zu 6000 DDR-Mark 1:1 tauschen, was von Unbefugten zur Aufbesserung ihrer Bilanzen schamlos ausgenutzt wurde. In den folgenden Jahren hatten Verfolgungsbehörden alle Hände zu tun, um illegal umgetauschte Summen und verschwundene Vermögenswerte aufzuspüren, und sie sind bis heute damit noch nicht am Ende. Viele Fälle von so genannter Vereinigungskriminalität konnten niemals aufgeklärt werden, und Millionensummen sind verschwunden.

Während die Bewohner des in der Agonie befindlichen zweiten deutschen Staats damit beschäftigt waren, zu retten was zu retten ist und sich in den neuen Verhältnissen zurechtzufinden, standen zahlreiche Betriebe, deren Absatzmärkte in Osteuropa weggebrochen waren, vor dem Aus. Die Konkurrenz aus dem Westen machte sich unerbittlich breit, übernahm zum Nulltarif Betriebe, um sie auszuschlachten und plattzumachen. Niemand hat nachgerechnet, welche Werte in Erwartung des an den Horizont gemalten Aufschwungs von Bewohnern der ehemaligen DDR in den Müll geworfen wurden. Und auch die von Bundeskanzler Helmut Kohl damals versprochenen "blühenden Landschaften" in der ehemaligen DDR entpuppten sich als verblühende Landschaften, in denen sich viele Leute unter Wert behandelt und zudem noch schlechter bezahlt sehen als ihre Landsleute im Westen.

Manipulierte Prägezahlen

Wer 1990 clever war, gab nicht alle seine DDR-Münzen weg, sondern behielt welche. Schon bald avancierten sie zu interessanten Sammlerstücken, zumal dann, wenn es sich um exzellente Erhaltungen und seltene Ausgaben handelte. Nach Öffnung der Archive wurde bekannt, dass bestimmte im DDR-Gesetzblatt veröffentlichten Prägezahlen manipuliert sind, denn vielfach wurden die im VEB Münze der DDR hergestellten Kurs- und Gedenkmünzen wieder eingeschmolzen, um Material für neue Ausgaben zu gewinnen. Das Verfahren war nicht neu, denn auch in der Vergangenheit hat man Münzen zu diesem Zweck dem Tiegel übergeben, denken wir nur an die Zeit nach der deutschen Reichseinigung von 1871, als alte Taler, Gulden und Groschen, aber auch Dukaten und andere Goldmünzen zugunsten von neuen Markstücken und Pfennigen verflüssigt wurden.

In den nach 1990 veröffentlichten Katalogen und Münzbüchern finden sich Angaben über Probeprägungen und andere Ausgaben, für die man heute sehr viel Geld bezahlen muss. Das gilt übrigens auch für die seinerzeit wegen ihres leichten Gewichts verachteten "Alu-Chips", die tonnenweise zur Gewinnung von Bierdosen, Autofelgen und anderen Erzeugnissen aus Aluminium eingeschmolzen wurden. Die Pfennige und Markstücke in exzellenter Erhaltung zu bekommen, ist fast 30 Jahre nach dem Ende der DDR nicht einfach. Und auch sonst kann festgestellt werden, dass der Höhenflug, den DDR-Münzen in den neunziger Jahren wegen der starken Nachfrage im Westen und auch im Osten unternahm, wo man diese nur schwer bekam, inzwischen abgeschwächt ist und sich die Preise auf einem mittleren Niveau eingependelt haben. Die Sammler wird's freuen.

7. Februar 2019

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