Jaeger weiß alles
Katalog der ab 1871 geprägten deutschen Münzen einschließlich der Euromünzen erschien wesentlich erweitert in 26. Auflage



Die Münzen Kaiser Wilhelms II. könnten den Anfang einer Reichsmünzensammlung bilden. Der nunmehr in 26. Auflage erschienene Jaeger-Katalog bietet dafür viele interessante Informationen.



Der Stern auf dem Zwanzigpfennigstück von 1887 deutet an, dass es sich um die erste Prägung in der neuen Geldfabrik Muldenhütten handelt, die nach der Aufgabe der Dresdner Anstalt bei Freiberg eingerichtet wurde.



Die Aluminiummünzen stammen aus der unseligen Inflationszeit nach dem Ersten Weltkrieg und hatten so geringes Ansehen, dass man sie zu Fingerhüten und Hundemarken verarbeitete. Einige seltene Ausgaben erzielen Liebhaberpreise.







In vielen Sammlungen liegen diese und weitere DDR-Münzen neben denen der Bundesrepublik Deutschland. Heute bekommt man sie zu moderaten Preisen, vor 30 Jahren musste man bei manchen Stücken recht tief in die Tasche greifen.



Münzen der Bundesrepublik Deutschland sind beliebte Sammelthemen und werden, da sie in hohen Auflagen geprägt wurden, vom Handel preiswert angeboten und sind auch auf Börsen zu finden.





Bei den Fünfzigern von 1950 mit BANK DEUTSCHER LÄNDER aus Karlsruhe, kenntlich am Buchstaben G, ist auf Echtheit zu achten, denn es gibt auch illegal hergestellte Nachprägungen. Während der probeweise hergestellte DDR-Fünfziger von 1949 mit der schmalen Ziffer 50 extrem selten ist und hohen Auktionsergebnisse erzielt, ist der laut Jaeger-Katalog in einer Auflage von über 67 Millionen Stück geprägte Jahrgang von 1950 für wenige Euro zu haben. (Fotos/Repros: Caspar)

Während vor 30 Jahren auf den Straßen der DDR "Wir sind das Volk", "Für unser Land" und "Keine Gewalt", aber schon bald "Deutschland einig Vaterland" gerufen wurde und sich die alten Machtstrukturen der Staatspartei SED und der von ihr abhängigen Regierung auflösten, prägte der VEB Münze der DDR am Ost-Berliner Molkenmarkt unverdrossen und als ob nichts geschehen wäre seine Kurs- und Gedenkmünzen. Ungeheuerliche Tatsachen über Machtmissbrauch und Korruption kamen nach und nach ans Tageslicht. Die Wut des Volkes richtete sich auf die "Stasi-Krake", die alle gesellschaftlichen und auch viele private Bereiche durchdrungen hatte, es aber nicht vermochte, den Untergang des SED-Regimes zu verhindern und ihn statt dessen wegen skrupelloser Spitzelei und Repression nur noch beschleunigte.

Seinen 41. Gründungstag erlebte der zweite deutsche Staat nicht mehr. Am 3. Oktober 1990 war er nach der ersten freien und geheimen Wahl zur Volkskammer, nach schwierigen Verhandlungen, heftigen innenpolitischen Auseinandersetzungen über das Für und Wider der Vereinigung und der Währungsunion vom 1. Juli 1990, mit der die D-Mark im ostdeutschen "Beitrittsgebiet" eingeführt wurde, sowie in Abstimmung mit den Siegermächten des Zweiten Weltkriegs der Bundesrepublik Deutschland beigetreten. Dem Jubel folgte bei vielen Menschen der Katzenkammer, Euphorie kehrte sich in Enttäuschung und Frust um. Neben Gewinnern der Einheit betrachten sich nicht wenige ehemalige DDR-Bewohner als Verlierer und fühlen sich bis heute als Deutsche zweiter Klasse behandelt.

Manche Auflagezahlen stimmem nicht

Mit der Wiedervereinigung war auch die Münzgeschichte der DDR beendet. Hammer, Zirkel und Ährenkranz hatten ausgedient. Sammler hüben und drüben hielten eifrig nach Belegstücken Ausschau und mussten zuweilen recht tief in die Tasche fassen, denn DDR-Münzen erlebten in den frühen 1990er Jahren einen Höhenflug. Wie sich erst nach dem Ende des zweiten deutschen Staats heraus stellte, stimmten viele offiziell angegebenen Auflagezahlen nicht. Denn eben geprägte Münzen wurden, weil man sie nicht absetzen konnte, zum Zwecke der Rohstoffgewinnung wieder eingeschmolzen und erlebten im VEB Münze Berlin ihre Wiedergeburt mit neuen Prägebildern.

In vielen Publikationen wird die wechselvolle Geschichte der DDR-Münzen beleuchtet, in Katalogen finden Sammler detaillierte Angaben über Ausgaben, Auflagezahlen, Varianten und andere wichtige Daten. Der eben in 26. Auflage im Battenberg Gietl Verlag Regenstauf erschienene Katalog "Die deutschen Münzen seit 1871" (978 Seiten, zahlreiche Abb., 34,90 Euro, ISBN 978-3-86646-182-6) listet alles auf, was im Deutschen Reich und nach ihm in der Bundesrepublik Deutschland sowie der DDR an Kurs- und Gedenkmünzen in großen und manchmal auch winzigen Auflagen geprägt wurde. Erstmals 1942 von Kurt Jaeger verfasst und dann ständig erweitert sowie nach dessen Tod 1975 von Helmut Kahnt und heute von Michael Kurt Sonntag fortgeführt, ist der "Jaeger" das wohl wichtigste Nachschlage- und Zitierwerk und behauptet sich sehr gut gegenüber anderen Büchern dieser Art.

Erfasst sind Gepräge des 1871 gegründeten Kaiserreichs, der 1918 aus der Taufe gehobenen Weimarer Republik, der 1933 errichteten Nazidiktatur sowie der Bundesrepublik Deutschland bis heute und der DDR bis 1990. Hinzu kommen Münzen der genannten Nebengebiete und Notgeld aus dem Ersten Weltkrieg, deutsche Kolonien, Staatliche Notmünzen und weitere Ausgaben von häufig bis extrem selten. Der Katalog erwähnt viele numismatische Sonderlinge und Kuriositäten und nennt die Künstler, die an den Emissionen ab 1871 beteiligt waren. Vergleicht man frühere Auflagen mit der aktuellen, dann sieht man, dass die Forschung viele neue Erkenntnisse erbracht hast, die dann in das Buch eingearbeitet wurden. Ebenso sind Preise sowie spektakuläre Auktionsergebnisse vermerkt, so dass Sammler in der Lage sind, ihre eigenen Bestände einstufen zu können.

Kuriositäten und Raritäten

Bei vielen Stücken entscheiden ein kleiner Buchstabe, eine veränderte Jahreszahl, eine auffällige Haarlocke, ein Punkt oder ein Stern darüber, ob man beim Erwerb 20 oder 2000 Euro und mehr bezahlen muss. Paradebeispiel aus neuerer Zeit ist das bundesdeutsche Fünfzigpfennigstück von 1950 mit der Umschrift "Bank deutscher Länder". Der Buchstabe G auf der Wertseite steht für die Münzstätte Karlsruhe, in der es in jenem Jahr zu einer peinlichen Verwechslung kam. Während die in 30 000 Exemplaren hergestellte "Fehlprägung" mit durch die Gründung der Bundesrepublik überholten Umschrift BANK DEUTSCHER LÄNDER je nach Erhaltung zwischen 320 und 800 Euro bringt, werden für das ebenfalls im Jahr 1950 geprägte Stück mit dem korrekten Hinweis BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND wenige Euro gezahlt. Da die G-Rarität von 1950 später noch einmal von Mitarbeitern der Karlsruher Münze illegal nachgeprägt wurde und außerdem von ihr viele Fälschungen kursieren, wird zur Echtheitsprüfung geraten.

Das immer wieder aktualisierte Nachschlagewerk bietet alles, was man über die Geschichte, Gestalter und Themen der Münzen wissen sollte. Erfasst in dem umfangreichen, mit unzähligen Münzfotos ausgestatteten Nachschlagewerk sind neue und sogar künftige Euro-Münzen, aber auch lesenswerte Hinweise zur Entwicklung des Hartgeldes seit der Reichsgründung von 1871. Wer sich mit dem Thema beschäftigt, begegnet manchen Kuriositäten und Raritäten, und bei manchen stehen statt der Schätzpreisen das Kürzel LP, das für Liebhaberpreis steht. So werden Sammler kaum in den Besitz der Jäger-Nummer 212 von 1908 gelangen, mit dem ein Hamburger Zwanzigmarkstück gemeint ist, das in einer Auflage von nur 14 Exemplaren für Führungskräfte der Reichsbank hergestellt wurde. Andere Goldmünzen der Kaiserzeit, die in weitaus größeren Stückzahlen geprägt wurden wie die württembergischen Zwanzigmarkstücke von 1913 und 1914, sind mit LP ausgewiesen, weil sich wegen des Ersten Weltkriegs kaum ausgegeben wurden. Unbedingt muss man in dem Buch auf den Hinweis F für Fälschung achten, denn bei Münzen gibt es nichts, was nicht nach- oder neugeprägt, kopiert oder manipuliert wurde.

9. November 2019, am 30. Jahrestag des als Erlösung erlebten Falls der Berliner Mauer und der innerdeutschen Grenze mit besten Grüßen an alle Leser dieser Internetseite

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