Langer Abschied vom Kaiseradler
Die vor einhundert Jahren gegründete Weimarer Republik tat sich mit neuen Wappen und Symbolen schwer



Der Silberfünfziger von 1919 wurde auf Vorrat geprägt, als das Ende der Monarchie noch nicht abzusehen war.



Der 1919 probeweise im Duktus einer Jugendstil-Münze von 1909 gefertigte Fünfziger gehört zu den deutschen Top-Raritäten des frühen 20. Jahrhunderts.



Der Buchstabe E zeigt, dass der Groschen von 1922 aus der sächsischen Münzstätte Muldenhütten stammt.



Die Kaufkraft der frühen Aluminiummünzen mit dem Spruch "Sich regen bringt Segen" schwand in der Inflationszeit ins Nichts.







Die mit ungewöhnlichen Bildern und Symbolen geschmückten Kleinmünzen der Weimarer Republik erzielen, vor allem wenn es sich um seltene Jahrgänge und exzellente Erhaltungen handelt, sehr gute Preise. (Fotos: Caspar)

In der an Kuriositäten wahrlich nicht armen Münzgeschichte des 1871 gegründeten Deutschen Reichs stechen Fünfzigpfennig-Stücke und Zehner mit Jahreszahlen zwischen 1919 und 1922 heraus, die noch mit dem alten Kaiseradler geschmückt sind, obwohl die Fürstenherrschaft mit der mehr oder weniger freiwilligen Abdankung Wilhelms II. und seiner gekrönten Kollegen im Zuge der Novemberrevolution und der deutschen Niederlage im Ersten Weltkrieg im Orkus der Geschichte verschwunden war. Zwar hatten Reichskanzler Prinz Max von Baden am 9. November 1918 sowie die SPD-Politiker Philipp Scheidemann und Karl Liebknecht in Berlin auf unterschiedliche Weise, aber unmissverständlich das Ende der Monarchie verkündet. Das aber bedeutete noch lange nicht, dass die Zeitenwende wirklich stattgefunden hat. Zwar war der Kaiser gegangen, aber die Generäle und die alten Strukturen waren geblieben. Dass viele Deutsche den altvertrauten Verhältnissen in dem kaiserlichen Obrigkeitsstaat nachtrauerten und mit der Weimarer Republik auf Kriegsfuß standen, wird ausführlich erörtert werden, wenn mit Reden, Ausstellungen und Publikationen an die Novemberrevolution vor einhundert Jahren erinnert wird.

Auf münz- und geldpolitischem Gebiet tat sich zunächst wenig. Die alten Banknoten und das Hartgeld galten weiter, und es dauerte einige Zeit, bis diese in neue Ausgaben umgetauscht waren. Das Deutsche Reich wurde schon bald von einer verhängnisvollen Inflation geplagt, die sogar Bettler zu Papiergeld-Millionären machte und zu einer Verelendung ungekannten Ausmaßes führte und die Deutschen geradezu hitlerreif machten, um aus dem Buch "Welt von gestern" des bekannten Schriftstellers Stefan Zweig zu zitieren.

Silbergeld auf Vorrat geprägt

Sammler kennen die silbernen Fünfzigpfennig-Stücke von 1919 und die sogar noch mit späteren Jahreszahlen versehenen Zehnpfennig-Stücke, auch Groschen genannt. Die Fünfziger waren in Berlin, München, Muldenhütten, Stuttgart und Hamburg in einer Millionenauflage auf Vorrat geprägt worden, als noch nicht abzusehen war, dass die Monarchie durch die neue republikanische Ordnung abgelöst wird. Da man nichts anderes zur Verfügung hatte, wurde mit ihnen auch nach dem Untergang des alten Kaiserreichs weiter bezahlt. Wie es zu der Groschenprägung von 1920, 1921 und 1922 kam, als sich die Weimarer Republik bereits etabliert hatte und die neue Reichsverfassung in Kraft war, bedarf der Untersuchung in den einschlägigen Regierungsdokumenten. Die Münzen sind im Buch von Rudolf Schaaf "Die Proben der deutschen Münzen. Versuch einer Katalogisierung", herausgegeben von der Münzen und Medaillen AG Basel 1979, und an anderen Orten verzeichnet und werden gelegentlich im Münzhandel angeboten.

Die mit dem gekrönten Reichsadler geschmückten Groschen kommen in unterschiedlichen Metallen wie Aluminium, Nickel und Zink vor. Der Not gehorchend, hat man mit solchen Ersatzmaterialien in einzelnen Münzstätten experimentiert. Noch im Ersten Weltkrieg wurden sehr zur Freude heutiger Proben- und Kuriositätensammler Messing, Kupfer-Nickel, Kupfer und Eisen als Münzrohstoffe verwendet. Aus dem Rahmen fällt und gut bezahlt wird ein seltener Fünfziger von 1919, der ganz im "jugendstiligen" Duktus der unbeliebten Fünfundzwanzigpfennig-Stücke von 1909 bis 1911 gestaltet ist. Diese aus Messing, Aluminium und Zink bestehende Münze ist eine Top-Rarität und wird, wenn sie im Handel auftaucht, sehr gut bezahlt.

Reichskunstwart Edwin Redslob tritt in Aktion

Natürlich ging man in der frühen Weimarer Republik mit der Zeit und mühte sich um neue Formen staatlicher Selbstdarstellung. Für Reichsadler ohne monarchische Attribute sowie Fahnen, Münzen, Geldscheine, Preismedaillen, Briefmarken und Formulare aller Art Vorschläge zu unterbreiten, künstlerische Wettbewerbe auszuschreiben, Designer zu finden und zu fördern, Ausstellungen zu veranstalten und die Öffentlichkeit zu informieren, war Aufgabe einer neuen, von der Nationalversammlung gegründeten Behörde. Die Dienststelle des Reichskunstwarts war beim Reichsinnenministerium angesiedelt und hatte die Adresse Platz der Republik 6, nicht weit vom Berliner Reichstagsgebäude entfernt. Zum Leiter wurde am 1. September 1920 der Kunsthistoriker und bisherige Generaldirektor der württembergischen Museen Edwin Redslob berufen, der bis zur Errichtung der NS-Diktatur für alle staatlichen Kunst- und Kulturfragen der Weimarer Republik zuständig war, in vielen Fällen aber keine Entscheidungsbefugnis besaß.

Zu den ganz frühen Münzen der Weimarer Republik gehört das 1919 bis 1922 in riesigen Mengen geprägte Fünfzigpfennig-Stück mit der auf einem Ährenbündel liegenden Aufschrift "Sich regen bringt Segen". Angesichts der galoppierenden Inflation verloren diese und weitere Aluminiummünzen in Werten zwischen drei und 500 Mark zusehends an Kaufkraft und wurden nur noch als Schrott angesehen oder in Hundemarken und Fingerhüte umgewandelt. Wenn probeweise aus anderen Metallen gefertigte Münzen dieser Art auftauchen sollten, sind auch ihnen gute Preise sicher.

Rückkehr zum Silbergeld

Nach dem Ersten Weltkrieg gab es Ideen, das alte Silbergeld aus der Kaiserzeit, das weitgehend aus der Öffentlichkeit verschwunden war, wieder aufleben zu lassen. So zitieren die Blätter für Münzfreunde (Heft Juli/August 1923), also mitten in der Inflation, eine Stellungnahme im Berliner Tageblatt zugunsten silberner Handelsmünzen im Gewicht von zehn Gramm analog zum bisherigen Zwei-Mark-Stück. Plädiert wurde für eine ein Gramm schwere Silbermünze ähnlich dem "frühere(n) unverständlicherweise wegen Kleinheit verschrieene(n) 20-Pfennigstück", ferner für die Freigabe der Privatprägung dieser mit neuem Namen zu belegenden Münze, die auf Grund des Welthandelspreises von 1 g Feinsilber einen wöchentlichen neu zu regelnden Kassenkurs erhalten könnte. Außerdem sollten neuartige Kupfermünzen geprägt werden. "Die vorgeschlagenen drei Sorten stehen zu einander in bequemer dezimaler Gliederung. Die erhöhte Werteinstellung der Kupfermünze würde außerdem zur Deckung der Prägekosten dienen oder wenigstens wesentlich zu diesem beitragen", wird aus der Zuschrift zitiert. Doch enthielten sich die "Blätter für Münzfreunde" eines Kommentars zu diesem und zu weiteren in der damaligen Presse kursierenden Vorschlägen, die alle zu nichts führten.

15. Februar 2019

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