"Eintracht innen, draußen Friede"
Die Freie und Hansestadt Lübeck erwarb im Mittelalter das Münzrecht und brachte 1913 ihre letzten Mark-Stücke heraus



Unverkennbar Lübecker Herkunft sind die Taler mit dem Bild von Johannes dem Täufer und der weiß-roten Hanseflagge als Wappen sowie weitere Geldstücke. Durch Hinzufügung eines schwarzen Streifens entstand 1871 die schwarz-weiß-rote Fahne des deutschen Kaiserreichs.



Dass die Hansestadt Goldmünzen wie diesen eineinhalbfachen Dukaten mit unverkennbar spätgotischem Design prägen durfte, verdankt sie einem Privileg von Kaiser Ludwig dem Bayern. Das seltene und wertvolle Goldstück stammt aus der Zeit um 1500. Rund 300 Jahre später stellte Lübeck seine Münzprägung ein.



Um ein Haar hätte man um 1850 das berühmte Holstentor abgerissen, um Platz für einen Bahnhof zu machen.



Vordergründig ging es im biedermeierlichen Lübeck gemütlich und sittsam zu, doch hinter den Kulissen spielten sich Machtkämpfe, Liebesdramen und andere unschöne Dinge ab.



Der Holzschnitt in einem Münzbuch aus dem Jahr 1572 bildet Geldstücke der Mitgliedstädte des Wendischen Münzvereins ab.



"Breit" nennt man doppelte und mehrfache Taler, die wie diese undatierte Lübecker Ausgabe aus den Jahren 1603 bis 1609 den Durchmesser einfacher Taler deutlich überschreiten.



Lübeck hat in der Kaiserzeit sein altes Münzrecht neu belebt und ließ verschiedene Gold- und Silbermünzen wie dieses Fünfmarkstück von 1913 in Berlin prägen. (Fotos/Repros: Caspar)

Das Europäische Hansemuseum im Lübecker Burgkloster An der Untertrave 1 lädt zum Besuch in eine Zeit ein, als die Freie und Hansestadt noch "Königin der Hanse" war. Anhand von Szenarien und Figurengruppen sowie kostbaren Urkunden, Drucken, archäologischen Fundstücken und anderen Exponaten kann man eine Zeitreisende durch das Auf und Ab in der Stadtgeschichte unternehmen. Sich mit ihr vertraut zu machen, war unlängst bei der Jahrestagung des Verbands der deutschen Münzenhändler reichlich Gelegenheit. Zu sehen waren unter anderem eine Verkaufshalle im flandrischen Brügge, der Sitz von Hansekaufleuten in London sowie ein Umschlagplatz für Stockfisch im norwegischen Bergen. Dokumentiert wird in der Ausstellung, wie Lübeck durch den Handel mit Salz reich und mächtig wurde, und wie ein Hansetag im Mittelalter verlaufen ist, bei dem sich Vertreter zahlreicher dem Verbund von Kaufmanns- und Handelsstädten in der durch stolze Sakral- und Profanbauten geschmückte sowie durch Bastionen und Toren geschützte Stadt trafen. Eine andere Station thematisiert die Auswirkungen der Pestepidemie im 14. Jahrhundert. In weiteren Räumen präsentiert das Museum Goldschmiedearbeiten, historische Möbel sowie Gold- und Silbermünzen, die auf die ins Mittelalter zurückreichende Geld- und Münzgeschichte der Hansestadt weisen.

Blick ins Mittelalter

Dass Lübeck aufgrund eines kaiserlichen Privilegs eigene Münzen von hoher Qualität prägen durfte, war für die Entwicklung der Stadt und ihres Fernhandels wichtig und wird im Hansemuseum gebührend gewürdigt. Wer möchte, kann eine archäologische Grabungsstätte betrachten. Nachdem bei Arbeiten für einen Neubau historisch bedeutsame Reste des alten Burghügels zutage getreten waren, wurde beschlossen, die Grabungen und ihre Funde museal aufzubereiten und Besuchern zugänglich zu machen. So lernen sie Überreste der slawischen Burg kennen, die dort um 800 errichtet wurde. Die Klosteranlage selbst stammt aus dem 13. Jahrhundert und wurde in den vergangenen Jahren aufwändig restauriert. Sehenswert sind die Wandmalereien im Kloster, das nach der Reformation unter anderem als Armenhaus, Hospital, Gefängnis und Gericht genutzt wurde.

Freunde von Schiffsmotiven auf Münzen und Medaillen und insbesondere Sammler von numismatischen Zeugnissen zum Thema Hanse konnten sich 2006 über ein Zehn-Euro-Stück freuen, das 650 Jahre Städtehanse feiert. Dargestellt ist auf der Vorderseite eine mittelalterliche Kogge, wie sie von Mitgliedern der Städtehanse bei Fahrten über die Meere benutzt wurde. Die in Hamburg geprägte Hanse-Münze mit der Randschrift WANDEL DURCH HANDEL VON DER HANSE NACH EUROPA erinnert an einen bedeutenden Städte- und Verteidigungsbund mit wechselnden Mitgliedschaften in norddeutschen sowie ost- und nordeuropäischen Ländern. Gegründet wurde die Hanse zur Wahrung gemeinsamer Handelsinteressen, zur Errichtung von Handelsmonopolen und zur gegenseitigen Unterstützung der Kaufleute in fernen Ländern. Mit der Zeit entwickelte sich die Vereinigung, die im 14. und 15. Jahrhundert ihre Blütezeit mit etwa einhundert Mitgliedstädten erlebte, zu einem bedeutenden politischen und wirtschaftlichen Machtfaktor im Ostseeraum.

Holstentor wurde gerettet

Lübeck wurde im März 1942 Opfer eines verheerenden Bombenangriffs der Royal Air Force, bei dem über 300 Menschen ums Leben kamen und ein großer Teil der Altstadt zerstört wurde. Durch behutsamen Wiederaufbau unter Beachtung der historischen Stadtstruktur gelang es nach dem Zweiten Weltkrieg, das historische Antlitz der Stadt weitgehend zurückzugewinnen. 1987 wurde die durch markante Kirchtürme, das Rathaus, das Holstentor und stolze Patrizierhäuser geschmückte City zum Weltkulturerbe der Unesco erklärt. Das führte 2007 zur Prägung einer goldenen Hundert-Euro-Münze. Diese und das Zwei-Euro-Stück von 2006 mit dem Holstentor könnten Ausgangspunkt einer Lübeck-Sammlung sein, zu der auch das Drei-Mark-Stück von 1926 mit dem Stadtwappen passt.

Seit dem 16. Jahrhundert erlebte das Hansebündnis einen Niedergang angesichts des Übergewichts junger Seehandelsnationen wie England, Niederlande, Dänemark und Schweden. Dieser Abstieg ging mit dem Verlust wichtiger Einfluss- und Absatzgebiete einher. Im 17. Jahrhundert gerieten die ehemals reichen und mächtigen Hansestädte Wismar und Stralsund unter schwedische Kontrolle, wodurch ihre Einfluss- und Entwicklungsmöglichkeiten stark beschnitten wurden. Außerdem zwangen deutsche Fürsten verschiedene Hansestädte zum Austritt aus dem Verbund. Der letzte Hansetag fand 1669 mit nur noch sechs Städten statt. Hanseatischer Geist ließ sich nicht unterdrücken und ist auch heute in den Hansestädten wie Bremen, Hamburg, Lübeck, Lüneburg, Rostock, Wismar und Stralsund präsent.

Die Ursprünge der Lübecker Münzprägung liegen im Dunkeln. Im frühen 12. Jahrhundert geprägte Denare werden mit Alt-Lübeck in Verbindung gebracht, einer Siedlung, die 1138 zerstört wurde. Das Münzkabinett der Hansestadt Lübeck kann im Internet unter der Adresse www.stadtarchiv-luebeck.findbuch.net/ eingesehen werden und umfasst etwa 3000 Nummern, beginnend bei einem doppelseitigen Denar aus der Zeit nach 1114 und endend bei einem Dukaten von 1801. Erfasst sind Denare, Hohlpfennige, Blafferte, Witten, Scherfe, Dreilinge, Sechslinge, Schillinge, Doppelschillinge, Düttchen, Mark, Taler, Dukaten sowie Münzen des Deutschen Reichs, aber auch Verdienst-, Jubiläums-, Konsular-, Schieß- und Ausstellungsmedaillen sowie Amts- und Geschäftszeichen. Außerdem enthält die Sammlung Münzen des Bistums Lübeck sowie Prägestempel und Werkzeuge zur Herstellung von Medaillen.

Witten, Taler und Dukaten

Die anfangs in Lübeck geprägten herzoglichen Münzen waren bescheidene Denare. Ein solcher trägt die ins Deutsche übersetzte Umschrift "Der altehrwürdige heilige Johannes zu Lübeck" und weist damit auf den in der Stadt an der Trave besonders verehrten Apostel Johannes, der auf vielen ihrer Münzen abgebildet ist. Heinrich der Löwe, der 1195 verstorbene und auf einem prächtigen Wandgemälde im Treppenhaus des Lübecker Rathauses gefeierte Herzog von Sachsen und Bayern, gehörte zu den machtvollsten und umstrittensten Persönlichkeiten des 12. Jahrhunderts. Braunschweig, Lübeck, Lüneburg, München, Schwerin, Ratzeburg, Regensburg und weitere "Löwenstädte" verdanken ihm ihre Gründung, ebenso gehen bedeutsame Dome wie der Bischofskirche in Lübeck, Ratzeburg und Schwerin sowie verschiedene Klöster auf Stiftungen zurück, dessen Herrscherkarriere viele Höhen und Tiefen umfasste. Machtbesessen und seine eigenen Möglichkeiten überschätzend, machte er sich seine fürstlichen Zeitgenossen zu Feinden. Einige Chronisten schildern den Welfen als frommen Christen, andere sahen in ihm einen machtbesessenen Herrscher mit Blut an den Händen.

Kaiser Friedrich I. Barbarossa übernahm 1181 die Herrschaft in Lübeck und ließ dort Münzen mit seinem Namen, aber ohne Bezug auf den Prägeort herstellen. Historiker vermuten, dass bereits in dieser Zeit Lübecker Bürger die Münzprägung beaufsichtigten, denn stabile Geldverhältnisse waren für sie und ihre Geschäfte von großer Bedeutung. Offiziell verlieh der Stauferkaiser Friedrich II. der Stadt anno 1226 das Münzrecht. Sie verpflichtete sich, dafür jährlich 60 Mark Silber, das waren etwa 14 Kilogramm, an ihn zu zahlen und ihre Hohlpfennige mit einem Königskopf zu versehen. Ab 1339 waren andere Darstellungen zulässig. Mit der Erteilung des Münzrechts hatte erstmals im römisch-deutschen Reich eine Kommune dieses politisch wichtige und einträgliche Privileg erhalten.

Dass Lübeck eigenes Geld von hoher Qualität prägen durfte, war für die Entwicklung der Stadt und ihres Fernhandels von eminenter Bedeutung. Bis 1801 hat die Hansestadt davon regen Gebrauch gemacht, weshalb sich Sammlern ein weites und hochinteressantes Feld öffnet. Zu den frühen Pfennigen und Halbpfennigen aus Silber gesellten sich 1341 aufgrund eines Privilegs von Kaiser Ludwig dem Bayern Goldgulden, die nach florentinischem Vorbild geprägt wurden. Auf der Vorderseite ist der in Lübeck und Florenz verehrte Johannes der Täufer abgebildet, während man auf der Rückseite eine Lilie und den Hinweis erkennt, dass es sich bei dem Goldstück um einen Lübecker Gulden handelt. Später hat man Dukaten, Taler und weitere Münzen ebenfalls mit Johannes dem Täufer und dem doppelköpfigen Adler als Hinweis auf die Reichsunmittelbarkeit der Stadt geprägt. Zu Pfennigen und Scherfen kamen im 14. Jahrhundert einfache Witten im Wert von vier Pfennigen sowie doppelte und vierfache Witten hinzu. Größere Beträge wurden mit Silberbarren von einem bestimmten Gewicht bezahlt.

Wendischer Münzverein

Um Ordnung, Sicherheit und Übersicht in ihren Währungsverhältnissen zu gewährleisten und fremdes, falsches oder minderwertiges Geld abzuwehren, schlossen sich 1379 die Hansestädte Lübeck, Hamburg, Wismar und Lüneburg zum Wendischen Münzverein zusammen. Zeitweilig gehörten dem Bund Stralsund, Greifswald, Stettin und Demmin sowie Hannover an. Er hatte das Ziel, "umme guder endracht willen", also um guter Eintracht willen, und zum Nutzen der Kaufmannschaft und der Handelsleute silberne Witten mit einheitlichem Feingehalt herzustellen. 176 dieser Münzen sollten aus der Lübischen Mark im Gewicht von 234 Gramm ausgebracht werden. Ein Witten sollte 1,394 Gramm und ein Pfennig, auch Viertelwitten genannt, 0,4532 Gramm wiegen. Die in rauchigen Schmieden am Amboss mittels Hammer und Handstempel geschlagenen Silberstücke zeigen auf der Vorderseite ein Kreuz mit einem sechsstrahligen Stern in der Mitte als Zeichen des Wendischen Münzvereins und auf der Rückseite das aus einem Doppeladler bestehende Stadtwappen, das bis heute als Zeichen der Freien und Hansestadt verwendet wird. Den Adler mit zwei Köpfen zeigen auch kleine Geldstücken wie Dreilinge, Sechslinge und die "hohl" geprägten Blafferte.

Die von den Mitgliedern des Wendischen Münzvereins geprägten Nominale sind von gleichem Standard und ähnlichem Aussehen. Gemeinsames Zeichen der Witten war ein sechsstrahliger Stern in der Mitte eines Kreuzes. Da die Silberstücke erfolgreich waren und überall angenommen wurden, haben norddeutsche Städte sie nachgeahmt, ohne selber dem Wendischen Münzverein anzugehören. Nach und nach wurde der ehemals gute Standard der Witten herabgesetzt, und so sank dieses Silberstück mit der Zeit zu einer billigen Scheidemünze von geringem Ansehen herab. Neben den Witten brachte der Wendische Münzverein die schweren Ein- und Zwei-Mark-Stücke heraus, aber auch Doppelschillinge, Schillinge, Dreilinge und weitere Nominale. Die Städte des Wendischen Münzvereins brachten eine Gemeinschaftswährung in Gestalt der ganzen sowie Halb-, Drittel- und Viertelmark heraus. Dazu kamen die Zweidrittelmark und die Doppelmark.

Die Mark und ihr Vorbild

Mit der Prägung von Doppelschillingen ab 1492 und Markstücken ab 1502 legten sich Hamburg, Lübeck, Lüneburg und Wismar ein einheitliches Münzdesign zu. Es zeigt auf der Vorderseite das Wappen einer dieser Städte und auf der anderen Seite die heraldischen Zeichen der drei anderen. Ähnlich gestaltet sind die Markstücke, die ab 1502 von den vier Städten geprägt wurden. Als 1566 die Augsburger Reichsmünzordnung beschlossen wurde, gingen die im Wendischen Münzverein zusammengeschlossenen Städte zur Talerwährung über. Das Doppelmarkstück wurde in den Rang von Reichstalern erhoben. Diese schweren Silbermünzen sowie ihre Stückelungen sind bis 1776 mit fast unverändertem Design - Johannes der Täufer und Doppeladler - geprägt worden. Als nach dem deutsch-französischen Krieg von 1870/71 über den Namen der neuen deutschen Reichswährung nachgedacht wurde, einigte man sich auf die Bezeichnung Mark in Anlehnung an das hohe Ansehen der vom Wendischen Münzverein geprägten Markstücke des 16. Jahrhunderts.

Zu einer gemeinsamen Goldmünze konnten sich die Mitglieder nicht entschließen. Die Goldgulden wurden hingegen mit dem Namen und Zeichen der jeweiligen Stadt geprägt. Die Partnerstädte hatten das Recht, die Münzen der jeweils anderen Vertragsteilnehmer zu prüfen. Die Ergebnisse wurden auf Probationstagen in Lübeck vorgelegt und bewertet. Wer bei Münzfälschung und Aufwechselei erwischt wurde, hatte die Todesstrafe zu erwarten. Wenn Münzverbrecher nicht auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden oder ihren Kopf verloren, büßten sie ihr Vermögen ein und/oder wurden bestenfalls des Landes verwiesen.

Da man mit Kleinmünzen große Beträge nur mühsam begleichen konnte, wurde um 1365 der drei Gramm schwerer Schilling kreiert mit Johannes dem Täufer beziehungsweise dem thronenden Kaiser auf beiden Seiten. Es wird vermutet, dass diese aufwändig gestaltete, ganz noch dem gotischen Kunststil verpflichtete Silbermünze 1375 anlässlich des Besuchs von Kaiser Karl IV. in Lübeck geschlagen wurde. Außer den einfachen Schillingen prägte Lübeck Doppelschillinge und ab dem frühen 16. Jahrhundert die 18 Gramm schwere Mark und ihre Teilstücke. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie die so genannte Mönchsschrift verwenden, eine auch in Messbüchern und frühen Bibeln der Gutenberg-Zeit verwendete Type, die erst im Laufe des 16. Jahrhunderts durch die Antiqua abgelöst wurde. Die Ausgabe der Mark war eine Reaktion auf den seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert in Tirol, Sachsen, Böhmen und in anderen Ländern hergestellten Guldengroschen, den man alsbald nach der böhmischen Bergstadt Sankt Joachimsthal Thaler oder Taler nannte.

Redendes Wappen

Spitzenstücke der Lübecker Münzgeschichte sind unter anderem der mit dem Bildnis Kaiser Karls V. geschmückte Silberguldiner (Taler) von 1528 und der Brömsentaler von 1537. Zu den schönsten Renaissancemünzen in Deutschland gehörend, unterstreicht er die Ehrerbietung des Bürgermeisters Brömsen gegenüber dem kaiserlichen Schutzherren der Hansestadt. Brömsen hat sich auf der Rückseite kenntlich gemacht durch eine Fliege (Bremse) in der Umschrift um einen knienden Ritter. An spricht hier von einem redenden Wappen. Dass der Schildhalter mit Schwert und Rüstung der von Zeitgenossen als "hoffährtig" geschilderte Bürgermeister selber ist, wird angenommen.

In seinem Buch "Münzen und Medaillen der Stadt und des Bisthums Lübeck" (Berlin 1905) weist Heinrich Behrens auf eine Besonderheit lübischer Münzen hin, dass nämlich außer den dort verewigten Münzmeisterzeichen auch das Wappen des jeweiligen Bürgermeisters erscheint, der dem Chef der Münzstätte vorstand. Diese Kombination sucht in der deutschen Münzgeschichte ihresgleichen, denn es war üblich, dass Münzmeister nur Symbole oder Initialen auf den unter ihrer Leitung hergestellten Geldstücken anbringen. Mitte des 18. Jahrhunderts führte König Friedrich II. für Preußen ein feststehendes Münzbuchstaben-Alphabet ein. Heute wird unser Hartgeld mit den Buchstaben A (Berlin), D (München), F (Stuttgart), Karlsruhe (G) und Hamburg (J) markiert.

Schreckliche Franzosenzeit

Lübeck bewahrte nach dem Untergang des römisch-deutschen Reiches im Jahr 1806 seine Souveränität und konnte sie nach den schrecklichen Jahren der Besetzung durch die Franzosen auf dem Wiener Kongress von 1814/15 erfolgreich verteidigen. In der Franzosenzeit litten die Lübecker und die Bewohner weiterer Städte und Fürstentümer an der Nord- und Ostseeküste unter der 1806 von Kaiser Napoleon I. dekretierten, gegen England gerichteten Kontinentalsperre sowie der rücksichtslosen Ausbeutung durch die Besatzer und der Verelendung der Einwohner. Es dauerte Jahrzehnte, bis die zwangsweise in französische Departements verwandelten Territorien die Folgen der Besatzungszeit überwunden haben und zu neuer Blüte kamen.

Als es Mitte des 19. Jahrhundert in Lübeck um den Bau eines neuen Bahnhofs ging, stand das berühmte Holstentor zur Disposition. Wie man im Holstentor-Museum und beim Stadtrundgang erfährt, wäre das Wahrzeichen mit der ins Deutsche übersetzten Inschrift "Eintracht innen, draußen Friede" an der Fassade um ein Haar abgerissen worden. Der verhängnisvolle Beschluss wurde im Senat mit nur einer Gegenstimme gekippt, und die Lübecker sind glücklich, dass das Tor, welches auf einem 50-Mark-Schein und einer 2-Euro-Münze von 2006 abgebildet ist, nicht schnöden materiellen Interessen, historischer Ignoranz und der Spitzhacke zum Opfer fiel. Als Mitglied des nach der Überwindung der Franzosenherrschaft gegründeten Deutschen Bundes besaß die Freie und Hansestadt den Status eines souveränen Staates, der in den wichtigsten Haupt- und Hafenstädte Gesandtschaften und Konsulate unterhielt.

Im Unterschied zu den Schwesterstädten Bremen und Hamburg, aber auch zu Wismar und Rostock hat Lübeck im 19. Jahrhundert laufende Münzprägung verzichtet. Lübeck trat 1866 dem preußisch dominierten Norddeutschen Bund und 1868 dem Zollverein bei. Nachdem sich die Hansestadt im so genannten Deutschen Krieg von 1866 gegen Österreich und seine Verbündeten auf die Seite Preußens geschlagen hatte, wurde sie mit der Reichseinigung von 1871 gemeinsam mit Bremen und Hamburg als Bundesstaat des Deutschen Reiches anerkannt und besaß wie diese im Bundesrat Sitz und eine Stimme, während Preußen über 17 verfügte, was einiges über die Machtverteilung im deutschen Kaiserreich sagt.

Sensationeller Münzschatz

Als im Sommer 1984 ein Baggerfahrer beim Abriss eines Hauses in der Lübecker Altstadt "eimerweise", so die damalige Presse, grünlich schimmernde Silbermünzen sowie Goldstücke ans Tageslicht holte, waren die Archäologen angesichts dieses Jahrhundertfunds wie elektrisiert. Wie ein aufgeschlagenes Geschichtsbuch gibt er Auskunft über den Geldumlauf in Norddeutschland im ersten Drittel des 16. Jahrhunderts und unterstreicht die Beziehungen der Hansestadt in ferne Länder. Bis heute ist unbekannt, wer der Bürger war, der zwischen 1533 und 1535/7 sein Vermögen unter einer Hausdiele versteckte und warum dieser Schatz später nie gehoben wurde. Die Zusammensetzung des aus 23 228 Silber- und 395 Goldstücken bestehenden Schatzes, in dem über 84 Münzstätten zwischen Ungarn und Spanien, Dänemark und Sizilien vertreten sind, illustriert den "bunten" Geldumlauf in Lübeck und die internationalen Beziehungen seines Besitzers.

Dass man größere Summen in Gold bezahlte, zeigen die zum Fund gehörenden Gulden und Dukaten. Einige Stücke tragen Lübecker Gegenstempel und signalisieren damit, dass man fremdes Geld zu eigenem machte, wenn es den Qualitätsanforderungen der eigenen Münzprägung entsprach. Da die beiden Schlussmünzen aus Nürnberg und Ansbach-Bayreuth die Jahreszahl 1533 tragen, wird als Vergrabungszeit die Zeit zwischen 1533 und 1535 angenommen, eine Periode, in der die nur dem Kaiser verpflichtete Reichs- und Hansestadt in einer innen- und außenpolitischen Krise steckte. Es müssen ernste Umstände vorgelegen haben, dass der Besitzer seinen Sparstrumpf oder seine Geschäftskasse verborgen und niemandem davon erzählt hat. Äußerer Anlass für das Verstecken des Vermögens könnte die Belagerung von Lübeck durch den dänischen König Christian III. im Spätsommer 1534 gewesen sein.

6. Mai 2019

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