Sachsen zehrte von altem Glanz
Herrscherhaus der Wettiner spielte im deutschen Kaiserreich nur noch eine untergeordnete Rolle



Nach dem Tod des sächsischen Kurfürsten Friedrich August II., zugleich König August III. von Polen, am 5. Oktober 1763 übernahm dessen kranker Sohn Friedrich Christian (links) die Herrschaft in Kursachsen, starb allerdings schon am 17. Dezember 1763. Für dessen minderjährigen Sohn Friedrich August III. (rechts) übernahm Prinz Xaver (Mitte) bis 1768 die Regentschaft. Die Konventionstaler wurden 1763, 1768 und 1783 geprägt.







Einer der Profiteure des Kampfes um Land und Menschen war der sächsische Kurfürst Friedrich August III. Er tauschte 1806 seinen Kurhut mit der Königskrone und ließ gleich nach seiner Erhebung zum König von Sachsen die Münzstempel verändern. Die Medaille und der so genannte Königstaler von 1806 feiern die Erhöhung des Sachsenherrschers, der einer der treuesten Verbündeten des französischen Kaisers Napoleon I. war und nie ohne Perücke in Erscheinung trat.



Französische Medaille von 1806 mit dem mythischen Sachsenkönig Widukind und Friedrich August I. auf der einen sowie Napoleon I. und Karl dem Großen auf der anderen Seite.



Das Denkmal Friedrich Augusts des Gerechten, wie man ihn schon zu Lebzeiten nannte, steht auf dem Dresdner Schlossplatz am Fuß der Brühlschen Terasse. Von Ernst Rietschel geschaffen, schmückte es von 1843 bis 1929 den Hof des Dresdner Zwingers und stand danach in der Nähe des Japanischen Palais. Ende Mai 2008 wurde das Bronzemonument am heutigen Platz neu aufgestellt.



Friedrich August I. von Sachsen trug den Titel eines Herzogs bzw. Großherzogs von Warschau, zu sehen auf einem Dukaten von 1812, als Napoleon I. mit seiner Grande Armée ein furchtbares Desaster erlebte.



Zu den großen Raritäten der sächsischen Münzgeschichte gehört der Probetaler von 1813. Er stammt aus den Jahr, als Friedrich August I. nach der Völkerschlacht bei Leipzig in preußischer Gefangenschaft geriet.



Nie zeigte sich Friedrich August, genannt der Gerechte, ohne Zopf und gelockten Haaren, und als Mann des Ancien régimes trug er auch dann noch eine Puderperücke, als diese schon längst aus der Mode war. Zu sehen ist die altertümliche Kostümierung auf einer Medaille von 1818 aus das fünfzigjährige Regierungsjubiläum des Sachsenkönigs.



Als Sachsens erster König 1827 starb, richteten sich alle Hoffnungen auf seine Nachfolger, doch erkanten auch diese nicht die Zeichen der Zeit, so dass sich Volkswut und Enttäuschung in der Revolution von 1848/49 massiv entluden. (Fotos: Caspar)

Im Vergleich zur herausragenden Stellung, die Preußen als größter Territorialstaat sowie als Wirtschafts- und Militärmacht im 1871 gegründeten deutschen Kaiserreich innehatte, war die Rolle, die das benachbarte Sachsen spielte, von eher untergeordneter Bedeutung. Seine Könige beherrschten ein nur 15 000 Quadtratkilometer großes Land mit etwa vier Millionen Einwohnern. Sachsen, dessen Kurfürst Friedrich August III. sich Ende 1806 mit Unterstützung seines großen Gönners Kaiser Napoleon I. von Frankreich zum König ausrufen ließ und sich Friedrich August I. nannte, zehrte im 19. Jahrhundert vom Glanz vergangener Tage. Man war vor allem auf das "augusteische Zeitalter", der bau- und kunstfreudigen Epoche Augusts des Starken und seines Sohnes Friedrich August II. in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, stolz und konzentrierte sich vor allem auf kulturelle Dinge und wirtschaftliche Prosperität, während das Militärische eine untergeordnete Rolle spielte. Dank des sprichwörtlichen Fleißes der Sachsen und guter Standortbedingungen stand der Staat der Wettiner wirtschaftlich gut da, ja er war nach 1871 wegen der entwickelten Arbeiterbewegung und seiner Opposition gegenüber dem Reichskanzler Otto von Bismarck als "rotes Sachsen" gefürchtet.

Im frühen 19. Jahrhundert war die europäische Landkarte umgemodelt worden. Königreiche und Fürstentümer wurden liquidiert beziehungsweise neu geschaffen. Alteingesessene Dynastien wurden gestürzt und vom neuen starken Mann auf dem Kontinent, Napoleon Bonaparte, seit 1804 Kaiser Napoleon I., durch neue, Frankreich ergebene oder aus dem Bonaparte-Clan stammende Herrscher ersetzt. Ein schlimmes Geschacher um Titel und Throne, Pfründe und Privilegien fand statt, und wer sich als erster dem ebenso bewunderten wie gefürchteten Aufsteiger von der Insel Korsika andiente, hatte die besten Chancen, von ihm mit Land und Leuten bedacht zu werden.

Markstein auf dem Weg zur deutschen Einheit

Dass auf Grund des Reichsdeputationshauptschlusses von 1803 die Zahl der geistlichen und weltlichen Fürstentümer im römisch-deutschen Reich stark schrumpfte, war ein geschichtlicher Fortschritt und ein wichtiger Markstein auf dem Weg zur deutschen Einheit sowie zur Vereinheitlichung des Münz-, Maß- und Gewichtswesens. Eine Statistik besagt, dass durch den Reichsdeputationshauptschluss 112 deutsche Reichsstände rechts des Rheins ihre Souveränität verloren, und zwar fast alle geistlichen Fürstentümer sowie 44 Reichsstädte und eine Vielzahl von kleinen Fürstentümern und Herrschaften. Preußen wurde mit dem Fünffachen seiner linksrheinischen Gebietsverluste entschädigt, Baden erhielt das Achtfache und Württemberg das Vierfache. Vergrößert wurden auch Österreich, Bayern, Hannover, Oldenburg, Hessen-Kassel, Hessen-Darmstadt, Nassau und andere Fürstentümer. Es versteht sich, dass bei solchen Gebietszuwächsen die Abneigung gegenüber Napoleon Bonaparte schrumpfte, allerdings nur für begrenzte Zeit, wie sich schon zehn Jahre später zeigte.

Die Abschaffung der Miniaturfürstentümer und die Gebietsveränderungen wurden von den einen begrüßt und als längst fälliger Abschied von einer altertümlichen, zopfigen Zeit empfunden. Andere sahen darin einen Angriff auf ihre Souveränität, Rechte und Freiheiten. Die betroffenen Reichsfreiherrn, Grafen und Fürsten sowie die Reichsäbte und Bischöfe ließen sich die Enteignungen mit hohen Abfindungen und vielen Sonderrechten vergolden. Bis heute gehen immense Zahlungen vom Staat an die Kirchen aufgrund der Verpflichtungen aus dem Reichsdeputationshauptschluss von 1803, ein Anachronismus, den kaum einer noch versteht.

Getreuer Gefolgsmann Kaiser Napoleons I.

Am 6. August 1806 erklärte der römisch-deutsche Kaiser Franz II., sein Amt nicht mehr ausführen zu können. Er entband alle Kurfürsten, Fürsten und Stände von ihren Pflichten gegenüber ihm, dem gesetzlichen Oberhaupt des Reiches, und nannte sich fortan Kaiser Franz I. von Österreich. Nach 844 Jahren hatte der im Jahre 962 von Kaiser Otto dem Großen gegründete Staatenbund auf schmähliche Weise aufgehört zu bestehen, und kaum jemand weinte ihm eine Träne nach. Franz II. sah sich zu dem Schritt genötigt, nachdem drei Wochen zuvor unter dem Protektorat von Europas starkem Mann, Napoleon I., der Rheinbund gegründet worden war. Dessen Mitglieder erklärten ihren Austritt aus dem Reichsverband und stellten sich unter den Schutz des Kaisers der Franzosen. Dafür wurden sie mit Standeserhöhungen und manchem territorialem Zuwachs belohnt.

Friedrich August I. war ein treuer Gefolgsmann des Franzosenkaisers. Im Herbst 1806 waren seine Truppen mit dem preußischen Heer bei Jena und Auerstedt geschlagen worden. Während Friedrich Wilhelm III. von Preußen den Krieg noch eine Weile fortführte und 1807 im Frieden von Tilsit die Hälfte seines Staatsgebietes und seiner Untertanen verlor, wechselte der sächsische Kurfürst auf die Seite seines bisherigen Gegners, trat dem Rheinbund bei und erhielt die Zustimmung Napoleons I. für die Annahme des Königstitels. Friedrich August I. verpflichtete sich gegenüber seinem kaiserlichen Beschützer zu unverbrüchlicher Bündnistreue sowie zur Stellung von Soldaten, die in die französische Armee eingegliedert wurden und mit ihr einen hohen Blutzoll leisten mussten.

Gekreuzte Schwerter und Rautenkrone

Friedrich August I. von Sachsen dokumentiert die Annahme seines königlichen Titels durch Medaillen sowie Münzen, die ihn nicht mehr wie bisher in einer Ritterrüstung zeigen, sondern nur den Kopf darstellen. Der Titel eines Herzogs von Sachsen und Kurfürsten wurde in REX SAXONIAE umgewandelt. Auch auf der Wappenseite gab es eine wichtige Neuerung. Das aus den gekreuzten Schwertern und der Rautenkrone bestehende sächsische Wappen unterm Kurhut wurde durch das Rautenwappen mit der Königskrone darüber ausgetauscht, flankiert von Palmenwedeln. Da es damals eine recht umfangreiche Prägung von Talern und anderen Werten gab, sind diese Stücke recht preiswert zu haben, von seltenen Ausgaben und solchen in exzellenter Erhaltung abgesehen. Zu den Raritäten dieser Zeit stammen Probestücke, die vor allem in der Wappengestaltung von der Norm abweichen.

Als einer der treuesten Vasallen des Kaisers der Franzosen wurde Friedrich August I. zum Herzog (ab 1809 Großherzog) von Warschau erhoben, das aus ehemals preußischen Gebieten gebildet wurde. Münzen und Medaillen tragen dieser Tatsache Rechnung, wie überhaupt viele Ereignisse im langen Leben des sächsischen Kurfürsten und Königs auf geprägtem Metall dokumentiert wurden - die Überwindung der Schäden durch den Siebenjährigen Krieg, Wirtschaftsförderung, prächtige Staatsbauten, die Verbesserung des Bildungsniveaus, die Reichsvikariate von 1790 und 1792, die Beteiligung an Kriegen gegen das revolutionäre Frankreich, der Beitritt zum Rheinbund und die Annahme der Königswürde 1806, die guten Beziehungen zu seinem Protektor, Kaiser Napoleon I., aber auch Familienereignisse und Regierungsjubiläen.

In der Völkerschlacht bei Leipzig am 18. Oktober 1813 kämpften sächsische Soldaten als Verbündete an der Seite Frankreichs und erlitten mit diesem eine herbe Niederlage. Friedrich August I. geriet in preußische Gefangenschaft, kehrte erst 1815 nach Sachsen zurück und herrschte noch weitere zwölf Jahre. Wer seinen Ehrentitel "der Gerechte" erfunden hat, ist nicht bekannt. Er meint offenbar die Weisheit und Friedfertigkeit des Kurfürsten und Königs aus und meint wohl auch seine Mühen, dem Land nach den Befreiungskriegen zu Wohlstand zu verhelfen.

Schwarz-weißer Storch schluckt grünen Frosch

Wie nahe der Sachsenkönig dem französischen Kaiser war, dokumentiert eine 1807 in Paris geprägte Medaille, die eine direkte Linie von Napoleon I. zu Karl dem Großen zieht. Die Rückseite kombiniert Friedrich August I. von Sachsen mit einem seiner mythischen Vorgänger, König Widukind. Absicht dieser ungewöhnlichen Prägung war es, die Legitimität des Bonaparte-Clans im Konzert der europäischen Mächte und die majestätische Abkunft des sächsischen Königs zu unterstreichen. Leider brachte die durch die Medaille und weitere Prägungen beschworene Allianz mit Frankreich, man könnte auch Nibelungentreue dazu sagen, den Sachsen und ihrem eigentlich unmilitärischen und auch nicht machthungrigen König kein Glück. Dieser musste 1815 zwei Drittel seines Territoriums an Preußen abtreten. Gern hätte Friedrich Wilhelm III. auf dem Wiener Kongress ganz Sachsen geschluckt, was aber die anderen Mächte verhinderten, um Preußen nicht übermächtig werden zu lassen. Damals ging das Bonmot um, dass der schwarzweiße Storch den grünen Frosch geschluckt hat, womit Preußen und Sachsen gemeint war, und die davon betroffenen Menschen nannten sich selbstironisch Beutepreußen.

Französische Verhältnisse wurden nicht geduldet

In seiner ungewöhnlich langen Regierungszeit von 1768 bis 1827 führte Friedrich August III./I. Sachsen, der bereits 1763 als Minderjähriger Kurfürst geworden war, aber die Regierungsarbeit seinem Onkel, Prinz Xaver überlassen musste, durch eine Zeit großer politischer, wirtschaftlicher und sozialer Konflikte und Entwicklungen. Er linderte durch ein großartiges Wiederaufbauprogramm die verheerenden Folgen des Siebenjährigen Krieges, in dem Preußens König Friederich II. Kursachsen wie eine Kolonie behandelt und ausbeutet hatte, und er machte Schluss mit dem höfische Luxus und der unseligen Günstlingswirtschaft seiner Vorgänger. Auf dem Programm stand die Förderung der Schulen und des Bildungswesens sowie der Künste und Wissenschaften. Schon als Fünfzehnjähriger stiftete er, von klugen Beratern inspiriert, die Freiberger Bergakademie und gab den Landesuniversitäten in Wittenberg und Leipzig neue Entfaltungsmöglichkeiten. Innovation und Engagement wurden durch Prämientaler und Medaillen mit seinem Bildnis gewürdigt und stimuliert. Die Lernfähigkeit und Aufgeschlossenheit den Landesherrn ging allerdings nicht so weit, dass er "französische Verhältnisse" in seinem Reich zugelassen hätte. So ließ er 1790 einen Bauernaufstand blutig niederschlagen und begegnete auch später allen Veränderungswünschen mit Unverständnis und der ganzen Härte der damaligen Gesetze.

Friedrich August III./I. hätte sich nur zu gern aus den Konflikten seiner Zeit herausgehalten, doch lebte er nicht auf einer Insel der Seligen. Als Mann der Tradition und Kurfürst des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation betrauerte er die Auflösung dieses Staatenbundes 1806, tröstete sich jedoch durch die Annahme des Königstitels. Seine Münzen und Medaillen präsentieren ihn als Jüngling, als Mann in den besten Jahren und als Greis. Hatte er zunächst eine aufgeklärte, reformorientierte Politik betrieben, so vertrat er mit zunehmendem Alter stockreaktionäre Positionen. Sachsen wurde unter seiner Regentschaft zu einem der rückständigsten deutschen Staaten, entwickelte sich aber dank des sprichwörtlichen Fleißes seiner Einwohner und ihres Erfindungsreichtums zum Vorreiter der industriellen Revolution in Deutschland und zu einem Hort der schönen Künste. Als der erste Sachsenkönig am 5. Mai 1827 in Dresden mit 76 Jahren starb, hofften viele Menschen vergeblich auf einen Neuanfang, auf eine Lockerung der bedrückenden politischen Verhältnisse. Seine Nachfolger konnten sich nicht entschließen, das Land liberalen und demokratischen Strömungen zu öffnen.



10. April 2019

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