Schatzkammer am Lustgarten
Berliner Münzkabinett zeigt im Alten Museum Spitzenstücke antiker Geldgeschichte



Im Alten Museum zeigt das Berliner Münzkabinett eine repräsentative Auswahl seiner antiken Schätze. Eine kleine Vitrine in der Schatzkammer stellt die "Besondere Münze des Monats" vor.



Die silberne Dekadrachme aus der Zeit nach 467 vor Christus kombiniert den behelmten Kopf der Athene mit einer Eule, die in kämpferischer Pose ihre Flügel spreizt.



In vielen Versionen kommen die Silbermünzen Alexanders des Großen vor. Der Herakleskopf steht für den göttlichen Ursprung der makedonischen Königsfamilie, Gottvater Zeus thront rückseitig mit einem Adler in der Hand.



Da man nicht immer sicher sein konnte, ob eine Gold- oder Silbermünze durch und durch aus Edelmetall besteht, hat man bisweilen zur Prüfung Kerben eingeschlagen. In der Schatzkammer ist diese Keltenmünze als Beispiel ausgestellt.



Der Denar des Titus Carisius aus der Zeit um 45 vor Christus zeigt sowohl den Kopf der für die Münzprägung zuständigen Juno Moneta als auch Zange, Amboss und Hammer, die man in antiken Münzstätten und lange danach zur Geldherstellung benutzte.





Unter hunderten Römermünzen ist Kaiser Nero an seinem feisten Gesicht unschwer zu erkennen, hier auf einem Sesterzen und einem Dupondius, darunter auf einem Sesterzen mit der Ansicht des Rom vorgelagerten Hafens von Ostia. Nach dem Selbstmord des Despoten mit Hang zur Kunst, Christenverfolgers und mutmaßlichen Brandstifters von Rom im Jahr 68 nach Christus hat man seine Bildnisse und Münzen eingesammelt und vernichtet, sofern man ihrer habhaft wurde.



Der Sesterz des Kaisers Hadrian feiert mit der Personifikation dessen Gerechtigkeit und Freigebigkeit, das Kolosseum in Rom ist auf dem Sesterzen des Domitian für seinen vergöttlichten Bruder Titus in seiner ganzen Pracht abgebildet.



An verschiedenen Orten im Alten Museum sind Zeugnisse antiker Goldschmiedekunst wie dieser mit zwei spätrömischen Goldmünzen besetzten Armreifen als Beispiel für die Verwendung solchen Prägungen zur Schmuckherstellung ausgestellt. Diese und weitere Kostbarkeiten wurden 1909 bei Assiut in Ägypten gefunden. (Fotos: Caspar)

Die Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin zeigt im Alten Museum am Lustgarten Zeugnisse des klassischen Altertums und schildert anhand von Statuen und Reliefs aus Marmor und Keramik, aber auch von Bronzegüssen und anderen Hinterlassenschaften, welch enorme Wirkungen diese Periode auf die geistige und kulturelle Entwicklung der Menschen bis heute hatte und hat. Griechische - und in besonderem Maße athenische - Literatur, Architektur und bildende Kunst galten bereits wenige Generationen nach ihrem Entstehen als mustergültig und maßstabgebend. Die Ausstellung vermittelt ein facettenreiches Bild des "klassischen" Griechenland sowie des Römischen Reichs und zeigt, welche Nachwirkungen diese Perioden in späteren Jahrhunderten bis heute hatten und haben. Ein besonderer Raum in der oberen Etage ist der dreihundertjährigen Geschichte der Berliner Antikensammlung gewidmet und würdigt Museumsleute, Forscher und Ausgräber, die sich um sie besonders verdient gemacht haben.

Das Berliner Münzkabinett, das im Bode-Museum auf der Museumsinsel eine in mehreren Räumen eingerichtete Ausstellung mit Münzen und Medaillen von den Anfängen bis heute zeigt, steuert der Ausstellung im Schinkelbau am Lustgarten, dem Humboldt Forum gegenüber, in einer gesonderten Schatzkammer Spitzenstücke der antiken Münz- und Geldgeschichte bei. Die Münzen regen dazu an, Werke der Großplastik mit diesen wunderbar gestalteten Miniaturen aus Silber, Gold, Bronze und Messing zu vergleichen und der Frage nachzugehen, was es kostete, Tempel und Paläste, Straßen, Stadtmauern und Kanäle und andere Bauwerke zu errichten, und wer die Menschen waren, die diese mit ihrer Hände Arbeit schufen, und was in ihren Geldbeuteln klapperte.

Götterbilder und Herrscherporträts

Zu sehen sind Glanzstücke griechischer und römischer Münzkunst sowie Hinterlassenschaften des Byzantinischen Reichs und keltischer Völkerschaften, die das umlaufende, zum Teil von weither stammende Geld mehr oder weniger gut nachzuahmen verstanden. Von meist unbekannten Stempelschneidern geschaffene Götterbilder und Herrscherporträts, Tier- und Pflanzendarstellungen sowie Bauten gehören zu den besonderen Schaustücken der Schatzkammer. Reich vertreten ist der mächtige Stadtstaat Athen mit seinen berühmten Eulenmünzen. Sie waren in Kleinasien, Ägypten und in der Levante so begehrt, dass man sie nachahmte, um die Nachfrage zu befriedigen. Zu den außergewöhnlichen Schaustücken der Schatzkammer gehört das in nur wenigen Exemplaren überlieferte Athener Dekadrachmon aus der Zeit nach 467 v. Chr. Die Silbermünze unterscheidet sich von den anderen athenischen Geldstücken sowohl durch ihre Größe und das Gewicht von 42,7 Gramm, sondern auch durch das Aussehen der Eule. Das Silberstück zu zehn Drachmen fällt aus der langen Reihe der gleichförmigen athenischen Eulenmünzen heraus. Es lässt sich aufgrund von Schatzfunden in die Jahre kurz nach 467 vor Christus datieren. Auf der für Großzahlungen im Fernhandel bestimmten Münze ist die Eule als Symbolfigur der Athener frontal mit weit abgespreizten Flügeln abgebildet. Angriffsbereit, kämpferisch und aggressiv, spiegelt der Vogel Stolz und Selbstbewusstsein der Athener nach den Siegen über die Perser wider. Mit diesem Bild demonstrierten die Athener ihre Bereitschaft zur Übernahme von Macht und Herrschaft.

Während Kaiserbilder in den unterschiedlichsten Formen die Vorderseiten römischer Münzen schmücken, sind auf manchen Tempel, Arenen, Viadukte und Triumphbögen zu erkennen, hier der Janustempel und der Isistempel Sesterzen des Nero und des Vespasian, geprägt um 66 und 71 nach Christus. Einhiebe auf der keltischen Goldmünze sowie Einschnitte an den Kanten zeigen, dass man Münzen nicht ohne weiteres akzeptiert, sondern sie genau geprüft hat. Münzbetrug gab es schon vor langer Zeit, etwa indem Geldstücke mit einem unedlen Kern mit einem dünnen Gold- oder Silberüberzug versehen und unter echte, guthaltige Münzen in der Hoffnung gemischt hat, dass sie unerkannt bleiben.

Kampfeule mit aggressiv geöffneten Flügeln

Die Seltenheit der Zehndrachmenstücke zeigt, dass die wegen ihre Größe und des Gewichts auch technisch schwer herstellbaren Silbermünzen nicht in erwartetem Maße akzeptiert wurden, wohl nicht einmal bei der eigenen Bevölkerung. In Athen gab es Diskussionen, wie man mit der aus dem Schutzbündnis entwachsenen neuen Weltlage umgehen sollte. Möglicherweise wurde aus diesem Grund das Dekadrachmon mit der "Kampfeule" wieder abgeschafft. In einer Zeit, in der der Delisch-Attische Seebund zu Bundesversammlungen zusammentrat, mochte ein so demonstriertes aggressives Führungsstreben die Verbündeten befremden. Schon bald wurde der Hegemonialanspruch Athens unverblümt erhoben. Die Bundeskasse wurde 454 vor Christus von Delos nach Athen in den Parthenon verlagert, und Athen verlangte von seinen Partnern, ihre Münzprägungen zugunsten der athenischen Tetradrachmen mit der Eulen aufzugeben, die zu einer Art Euro der Antike avancierten.

Im Römischen Reich wurden Münzen vielfach für Propagandazwecke und zur Verherrlichung ihrer Herrscher und deren Familienangehörige genutzt. Daher wirken diese Geldstücke wie ein aufgeschlagenes Geschichtsbuch, das den ganzen Kosmos damaliger Herrschaftsverhältnisse und die Weite von Kunst und Religiosität offenbart. In der Renaissance waren die Gepräge begehrte Sammelstücke und wurden vielfach nachgeahmt. Aufgrund der massenhaften Ausprägung und ihres häufigen Auftretens in Schatzfunden sind auch heute noch recht viele Exemplare erhalten. Goldmünzen und bessere Silberstücke sowie solche aus Bronze, Messing und Kupfer mit ihren abwechselungsreichen Kaiserbildnissen und Darstellungen aus der Mythologie, dem Leben der Herrscherfamilie und dem Alltag erzielen hohe Preise vor allem dann, wenn sie ungewöhnlich gut erhalten und/oder in nur wenigen Stücken überliefert sind.

Meister der Verstellung und Selbstdarstellung

Als Meister der Verstellung und der Selbstdarstellung verstanden es die römischen Kaiser und nach ihnen andere Herrscher glänzend, die Münzprägung in ihren Dienst zu stellen. Die Münzen beschreiben Herrschertugenden, und sie behaupten, dass sich der Kaiser persönlich um die Sicherheit des Reiches und seiner Untertanen kümmert, ein Füllhorn des Wohlstandes über das Land gießt und der Inbegriff von Hoffnung und Siegeszuversicht ist. Münzen gingen von Hand zu Hand und machten die Bildnisse der Kaiser und in vielen Fällen auch die ihrer Frauen, Mitregenten und Kinder bis in entfernte Gegenden bekannt. Selbstverständlich kehrten die Geldstücke nur die positiven Eigenschaften des jeweiligen Herrschers heraus - Frömmigkeit und Treue, Weisheit und Weitsicht, Familiensinn, Liebe zu den Künsten, aber auch militärische Erfolge sowie die Niederwerfung fremder Völker und die Kultivierung eroberter Provinzen. Wie viele großartige Staatsdenkmäler feiern Münzen die Cäsaren als Inbegriff von Gerechtigkeit und Milde. Doch zeigt ein Blick in die Geschichtsbücher, dass man das von den wenigsten Herrschern behaupten kann.

Neben Bildnissen überliefern die Römermünzen zahlreiche zeitgeschichtliche Begebenheiten wie Feldzüge, Eroberungen und Siege, aber auch Ereignisse in der Herrscherfamilie wie Hochzeiten und Geburten sowie die Errichtung repräsentativer Bauten. Vergleicht man die prächtigen Bilder auf Münzen des Nero und anderer Imperatoren mit der rauen Wirklichkeit, dann erkennt man bald, dass bei der kaiserlichen Selbstdarstellung viel Kalkül und Eitelkeit im Spiel waren. So sind auch die Münzen des Kaisers Commodus (180 bis 192) ein gutes Beispiel dafür, wie weit Anspruch und Wirklichkeit auseinander klafften. Auf seinen Geldstücken begegnet er uns als jugendlicher Held mit edlen Gesichtszügen. Münzen schildern diesen Kaiser, der sich als Inkarnation des Herkules empfand und eine Schreckensherrschaft errichtete, als treusorgender Vater des Vaterlandes, keineswegs als grobschlächtiger Kerl, wie er von Zeitgenossen geschildert wurde, und als einen Mann, der angeblich lieber Gladiator als Kaiser geworden wäre. Interesse verdient die Rückseite eines dieser Goldstücke aus der Münzstätte Rom. Hier hat Commodus auf einer erhöhten Estrade Platz genommen und streckt die rechte Hand einem römischen Bürger entgegen, der sich dem Thron ehrerbietig nähert. Huldvoll reicht der Kaiser ihm eine Marke zum Empfang von Spenden und unterstreicht damit seine Mildtätigkeit und Freigebigkeit gegenüber seinen Untertanen.

Brot und Spiele fürs Volk

Kaiser Septimius Severus zog in einen Krieg gegen die Parther und Araber und drang bis nach Mesopotamien vor. Doch da er dort seine Macht nicht auf Dauer festigen konnte, ließ er seine Truppen wieder abziehen. Ungeachtet dessen wurde der Kaiser mit dem Beinamen ARABICVS und PARTICVS auf seinen Münzen als Eroberer und Besitzer dieser Länder gefeiert. Kaiser Caracalla, der Sohn des Septimius Severus, errichtete ein Terrorregime und verfolgte blutig seine Gegner. Sein Ziel, so bedeutend zu werden wie Alexander der Große und das Römische Reich mit dem Reich der Parther zu verbinden, erreichte er nicht. Mit 31 Jahren wurde der Despot in Mesopotamien ermordet. In besserer Erinnerung sind andere Herrscher wie Trajan, dessen Ruhm durch Münzen und Skulpturen in alle Ecken der damals bekannten Welt getragen wurde. Die Geldstücke dokumentieren die Grundpfeiler seiner Macht - die Mühe des Kaisers um Ausgleich mit dem Senat, das zum Machterhalt wichtige Einvernehmen mit dem Militär und die natürlich die mildtätigen Nahrungsspenden und andere Freundlichkeiten gegenüber dem Volk von Rom, bekannt durch das Schlagwort "Panem et circensis" (Brot und Spiele). Nicht zuletzt kann man der variantenreichen Münzprägung die immense, überaus kostspielige Baupolitik unter diesem Kaiser ablesen, der der Hauptstadt Rom neuen Glanz verlieh und deren Zeugnisse uns heute höchste Bewunderung abverlangen, auch wenn sie nur noch torsohaft überliefert sind.

Da die Römermünzen nicht wie moderne Geldstücke datiert sind, kann man ihre Entstehungszeit ziemlich gut anhand der Titel in den Umschriften feststellen. Anhaltspunkte vermitteln die Stationen in der Biographie des Dargestellten erst als Konsul, dann als Imperator. Auch die auf den Münzen vermerkten Titel wie Pontifex maximus, der auch der Papst trägt, oder Germanicus unterstützen die zeitliche Einordnung. Mit Hilfe von Münzen lassen sich Skulpturen und andere Hinterlassenschaften gut identifizieren. Für Archäologen sind sie unter anderem zur Datierung von Fundstellen wichtig. So steht Kalkriese bei Osnabrück als Schauplatz der Schlacht im Teutoburger Wald im Jahre 9 nach Christus fest, weil dort neben Waffen auch Münzen mit dem einpunzierten Zeichen des von den Germanen unter Hermann dem Cherusker geschlagenen römischen Feldherrn Varus, eines Vertrauten von Kaiser Augustus, gefunden wurden.

3. Oktober 2019, am Tag der deutschen Einheit mit herzlichen Grüßen an alle Leser von Helmut Caspar

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