Vom Erz zum Taler
Historische Prägegeräte sind in der ehemaligen Münzstätte der Stolberger Grafen im Harzstädtchen Stolberg ausgestellt



Das Schloss der Grafen zu Stolberg lädt zum Besuch einer mit vielen sehenswerten Landes- und Kunstgeschichte ausgestatteten Ausstellung ein.



Das Museum Alte Münze, Niedergasse 19, 06547 Stolberg (Harz) ist Mittwoch bis Freitag von 10 bis 16 Uhr geöffnet, 17 Uhr. Telefon 034654/454 oder 19433 und weitere Informationen im Internet unter www.tourismus-suedharz.de/kultur/museum-alte-muenze oder www.stadt-stolberg.de/altemuenze.





Dass der Gulden von 1751 und die Ausbeutemedaille von 1709 aus Stolberg stammt, erkennt man sofort an dem von den Grafen als Wappentier verwendeten Hirsch, hinter dem eine Säule zu sehen ist.



Das manuell bewegte Rändelgerät von 1763 ist noch voll funktionstüchtig und hat wie eine Walze und andere Inventarstücke der Stolberger Münze vor über 200 Jahren die Gefahr der Verschrottung gut überstanden.





In der Ausstellung, in der man Münzstempel, eine Stanze oder Spindelpresse sowie den Arbeitsplatz eines Münzgraveurs und weitere Hinterlassenschaften besichtigen kann, ist zu erfahren, dass die Stolberger Grafen nach dem Siebenjährigen Krieg (1757-1763) ihre Münzstätte an den Dresdner Bankier Cyriakus Zernitz verpachtet haben.



In der Endzeit der DDR wurde Thomas Müntzer, dem Führer des deutschen Bauernkriegs von 1525, auf dem Markplatz seiner Heimatstadt Stolberg ein Denkmal errichtet. Die Gestalt des Theologen und Revolutionärs ist eine freie Erfindung, da ein authentisches Bildnis von ihm nicht existiert. (Fotos: Caspar)



Die von Carsten Theumer gestaltete Medaille kombiniert die Ansicht der Alten Münze in Stolberg in der Art barocker Allegorien mit Engeln, die an einer Spindelpresse arbeiten.

Als im Jahre 1809 die gräfliche Münzstätte zu Stolberg im Harz aufgehoben wurde, hat man die zur Herstellung von Talern, Gulden und Dukaten verwendeten Prägegeräte weggeschlossen und nicht, wie sonst üblich, verschrottet. Diesem umsichtigen Verhalten ist es zu verdanken, dass heute im Museum Alte Münze an der Stolberger Niedergasse eine komplette Münzwerkstatt gezeigt werden kann. Die Ausstellung in einem der schönsten Fachwerkhäuser der Stadt, erbaut 1535, wurde mit Unterstützung des Landesmünzkabinetts von Sachsen-Anhalt gestaltet. Sie präsentiert zunächst eine Auswahl historischer Münzstempel, in die der Hirsch, das Wappentier der Grafen zu Stolberg, graviert ist. Die Besucher erfahren, wie das Münzmetall gegossen, geschmiedet, gestreckt, gewalzt, gestückelt, justiert und schließlich unter kräftigen Hammerschlägen beziehungsweise mit Hilfe einer Spindelpresse oder auf anderem Wege in kurantes Geld verwandelt wurde. Man lernt die manuelle Prägung kennen, die am Amboss mit Hilfe eines darin eingelassenen Unterstempels und des mit der Hand festgehaltenen Oberstempels unter kräftigen Hammerschlägen ausgeführt wurde.

Da diese seit der Antike praktizierte Methode umständlich, ungenau und für die Münzarbeiter auch nicht ungefährlich war, wurde sie ab dem 16./17. Jahrhundert durch neue Verfahren abgelöst, die in der Ausstellung ebenfalls dokumentiert sind. Verwendet wurden bis zum Beginn des Maschinenzeitalters, also bis zum frühen 19. Jahrhundert, zur Münzproduktion Klippwerke, Walzen mit eingravierten Münzbildern und Spindelpressen. Dafür bietet die Ausstellung reichlich Anschauungsmaterial in Gestalt originaler Geräte sowie von Holzschnitten und Stichen mit der Darstellung alter, rauchiger Münzstätten. Ausgestellt sind ferner Geräte, die man in der gräflichen Münze zur Herstellung von Zainen und Ronden, also von gewalzten Blechen und Schrötlingen, benutzte sowie einige Prägestempel mit gravierten Bildnissen und dem Hirsch als Wappentier der Stolberger Grafen. Hinter Glas machen Münzen und Medaillen auf die reiche Prägetätigkeit in der kleinen Grafschaft im Harz.

Altes Inventar von großer Seltenheit

Originale Ausstattungen dieser Art besitzen großen Seltenheitswert. Dass sie in Stolberg erhalten blieben, ist glücklichen Umständen zu verdanken. Die Geräte waren nach Einstellung des Prägebetriebs 1809 nicht weit von der Alten Münze im Jägerhof eingelagert und wurden erst um 1920 wieder entdeckt. Dies zu einer Zeit, als man solche Zeugnisse der Technik- und Kulturgeschichte wieder zu schätzen verstand und mit ihnen pfleglich umging. Geschichtsinteressierte Bürger hatten erkannt, dass es sich hier um einzigartige Belege einer langen numismatischen Tradition handelt, die man nicht einfach wegwerfen darf sondern erhalten und museal präsentieren muss. Wer die Retter waren und wie das geschah, wird ausführlich in dem Buch von Karl Friedrich "Die Münzen und Medaillen des Hauses Stolberg" (Dresden 1911) dargestellt. 1925 wurden die Geräte im fürstlichen Schlossmuseum zu Stolberg gezeigt und nach dem Zweiten Weltkrieg im örtlichen Heimatmuseum ausgestellt. Die neue Präsentation ist großzügiger und enthält auch viele unbekannte Dokumente, ergänzt durch Medaillen mit münztechnischen Szenen.

Im Münzkabinett der Staatlichen Galerie Moritzburg zu Halle (Saale) gibt es noch eine Besonderheit. Hier wird eine komplette Miniaturwerkstatt mit Spindelpresse, Stanze, Taschenwerk, Streckwerk und anderen Geräten aufbewahrt. Ein solcher Musterkoffer aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts lag vielleicht dem Unternehmer Zernitz vor, als er mit neuartigen Maschinen die Münzprägung in Stolberg modernisierte. Zwar besitzen Münzkabinette und Museen da und dort Geräte zur Herstellung von Münzen und Medaillen sowie viele originale Münzstempel und stellen sie manchmal auch aus. Doch sind diese zwei- bis vierhundert Jahre alten Zeugnisse der Kultur- und Technikgeschichte nur in Stolberg in ungewöhnlicher Reichhaltigkeit erhalten. Man muss schon weit reisen, um im Museum für Münzen und Medaillen in der slowakischen Bergstadt Kremnica (Kremnitz) ebenfalls originale Geräte einer alten Münzstätte zu betrachten.

Rändelmaschine von 1763

Zu den Stolberger Gerätschaften gehören eine im Jahr 1763 gebaute und voll funktionstüchtige Rändelmaschine, die bei der Markierung von Münzrändern eingesetzt war. Solche aus Inschriften, Kerben oder Arabesken bestehende Markierungen waren ein wichtiger Fälschungsschutz und gaben der betreffenden Münzen oder Medaille zusätzliches Ansehen. Ausgestellt sind ferner ein Klippwerk sowie eine Spindelpresse mit langen Schwungarmen. Auf dem Gerät konnte man hochwertige Sorten wie Dukaten, Taler und Gulden sowie Medaillen fehlerfrei prägen. Ein solcher Anwurf oder Balancier wurde speziell für die Ausstellung nach dem Vorbild einer im Gothaer Schloss Friedenstein aufgestellten Spindelpresse neu gebaut. Mit einem Prägedruck von 80 bis 90 Tonnen lassen sich im Keller des Museums Medaillen mit kräftigem Schwung schnell und fehlerfrei herstellen.

Die Grafen von Stolberg, deren Schloss hoch über Stolberg in den vergangenen Jahren aufwändig saniert und restauriert und teilweise in ein Museum verwandelt wurde, gehörten keineswegs zu den bedeutenden und reichen Feudalherren im alten römisch-deutschen Reich. Mehrere Landesteilungen ließen ihren Einfluss und ihre Ressourcen schwinden. Mitunter haben Brüder und Cousins gemeinsam in Stolberg, Wernigerode oder an anderen Orten gemünzt und dabei Eintracht und Freundschaft unter Verwandten zur Schau gestellt. Auf neue Geldquellen erpicht, verpachteten die Grafen nach dem Siebenjährigen Krieg ihre Münzstätte an den Dresdner Bankier Cyriakus Zernitz, weil sie keine eigenen Leute dafür einstellen konnten oder wollten. Das war damals durchaus Usus. Zernitz stattete die Stolberger Geldfabrik neu aus, bestellte vor allem in Nürnberg Stanzen, Walzen, Rändelmaschinen sowie Spindelpressen, mit denen man recht effektiv arbeiten konnte.

Pächter agierte mit wenig Glück

Ungeachtet aller Mühen hatte der Münzpächter geringen geschäftlichen Erfolg. Die für das Geldwesen zuständigen Kontrollbehörden in Dresden warfen ihm vor, nicht solide "nach des Reiches Schrot und Korn" zu arbeiten, weshalb die Stolberger Stücke verboten wurden. Außerdem hatte Zernitz wohl auch keine glückliche Hand bei der Wahl seiner Mitarbeiter, die mit den neuen Maschinen nicht viel anfangen konnten und durch hohen Stempelverbrauch die Kosten in die Höhe trieben. Kurzum, die Münzprägung kam unter Zernitz' Verwaltung nicht recht in Gang, und so wurden die letzten Stolberger Münzen im Jahr 1796 geprägt. Offiziell endete die Stolberger Münzgeschichte erst 1809.

Zu besonderen Gelegenheiten stellen Münzknechte heute in historischen Kostümen auf der Spindelpresse Silbermedaillen mit der Ansicht der Alten Münze zu Stolberg und einer Spindelpresse her, an der sich in barocker Manier zwei geflügelte Putten zu schaffen machen. Die Umschrift WIR FEIERN JETZT EIN JUBELJAHR - DAS MUSEUM GIBT DIE MÜNZE DAR wandelt die Umschrift eines Stolberger Reformationstalers von 1717 ab. Der Erstabschlag dieser von dem Hallenser Bildhauer und Medailleur Carsten Theumer, Gewinner des Wettbewerbs um die Zehneuromünze "Friedrich Schiller 2005", geschaffenen Medaille wurde dem damaligen Bundespräsidenten Johannes Rau bei seinem Besuch in Stolberg im März 2004 überreicht.

Ehrung für Thomas Müntzer

Das Jahr 1989 sollte in der damaligen DDR großartig als Thomas-Müntzer-Jahr gefeiert werden. Ähnlich wie im Luther-Jahr 1983 hatte die Partei- und Staatsführung vor, den um 1489 in dem Harzstädtchen Stolberg geborenen Theologen, Reformator und Bauernführer durch vielfältige Veranstaltungen, Publikationen, Ausstellungen und auch Denkmäler zu ehren. Die Idee war nicht schlecht, denn bei solchen Kampagnen wurden staatliche Mittel locker gemacht, etwa um Fachwerkhäuser zu renovieren und Straßen zu bauen. Ein hochrangiges Komitee kümmerte sich um die Vorbereitungen für die 500-Jahr-Feier, die allerdings im Zusammenhang mit den dramatischen Ereignissen im Wendeherbst 1989 aus dem Blick der Öffentlichkeit gerieten.

Mit der Würdigung des lange vergessenen und auch von seinen Gegnern verteufelten Revolutionärs und Bauernführers, der ursprünglich ein Anhänger Martin Luthers war und sich durch radikale Forderungen für einen Umbau der Gesellschaft viele Feinde machte, wollte die DDR eine Traditionslinie zwischen den Erhebungen im Bauernkriegsjahr 1525 und dem Sieg des Sozialismus im "Arbeiter-und-Bauern-Staat" ziehen, und da war es eigentlich unerheblich, dass die größten Auseinandersetzungen zwischen den Bauern und Plebejern im deutschen Süden, also auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik Deutschland, stattfanden. Die Feier in Stolberg und Umgebung war indes gerechtfertigt, weil der Bauernaufstand auf dem Schlachtberg bei Bad Frankenhausen stattfand, der auch von Müntzer angeführt wurde.

An höchster Stelle, dem Politbüro des Zentralkomitees der SED, wurde beschlossen, dass Stolberg ein Thomas-Müntzer-Denkmal erhalten soll. Natürlich wurden die Bewohner nicht gefragt, sondern nur informiert, und das war auch ein Grund dafür, dass es zunächst Diskussionen über Form und Aufstellungsort des Bronzemonuments auf dem Marktplatz gab. Dies um so mehr, als auf der Stelle vor dem Rathaus ursprünglich ein Brunnen stand und vor Müntzers Geburtshaus in der Stolberger Niedergasse unweit der Alten Münze durchaus Platz für ein solches Erinnerungsmal gegeben hätte. Gleich nach der politischen Wende 1989/90 wurde von den Einwohnern Stolbergs mit einer großen Mehrheit entschieden, dass das Denkmal bleiben soll, wo es steht und der Standort auf dem Markt sich eigentlich doch anbietet und vor dem historischen Rathaus einen interessanten Kontrast zum Fachwerk bietet.

Verhüllter Kopf, entblößter Nacken

Mit dem Entwurf des aus sechs Bronzeteilen bestehenden Monuments wurde der Bildhauer Klaus Messerschmidt beauftragt. Er hatte das Problem, dass es von Müntzer, dem Sohn eines Stolberger Münzmeisters, kein authentisches Porträt existiert. Daher plante der Künstler zunächst die Figur einer gebärenden Frau, weil die Geburt eines Menschen schon immer ein Sinnbild für Aufbruch und Beginn einer neuen Zeit darstellt. Zu Messerschmidts Ärger wurde der Entwurf verworfen, und das brachte den Bildhauer so in Rage, dass er den Auftrag zurückgeben wollte. Nur mit Mühe konnte er zum Weitermachen ermuntert werden, und so entwarf er, unter Zeitdruck stehend, ein Standbild des Bauernkriegsführers. Der in ein langes Gewand gehüllte Mann ist ein reines Fantasiegebilde. Angeblich soll der Kopf dem des Bildhauers ähnlich sein. Hinter dem ernst dreinblickenden Müntzer, dessen entblößter Nacken auf seine Verwundbarkeit und sein gewaltsames Ende deutet, steht eine zweite Figur mit verhülltem Kopf. Für sie bieten sich verschiedene Deutungen an. Eine könnte die alte Gesellschaft sein, deren Blick für die Erfordernisse der Zukunft verschleiert ist. Eine andere, naheliegende wäre die Gestalt des Henkers, der auf sein Opfer wartet - deutlicher Hinweis auf den Tod des Revolutionärs am 27. Mai 1525 vor den Toren von Mühlhausen durch Henkershand. Flankiert wird die Gruppe von Heiligenfiguren. Der Bildhauer hat sie gotischen Holzskulpturen aus der Zeit um 1490 im Besitz des Stolberger Museums "Alte Münze" nachgebildet. Sie stammen aus dem Stolberger Müntzerhaus und wurden 1851 bei dessen Brand gerettet. Dargestellt sind die Gottesmutter Maria sowie der heilige Christophorus, der heilige Martin und die heilige Katharina von Alexandria.

Das Stolberger Müntzer-Denkmal wurde am 10. September 1989 feierlich eingeweiht und dürfte das letzte gewesen sein, das in der sich auflösenden DDR der Öffentlichkeit übergeben wurde. Während man auf dem Stolberger Marktplatz noch vom bevorstehenden Sieg des Sozialismus sprach und die feste Verbindung der Werktätigen der DDR zur Partei der Arbeiterklasse beschwor, trafen tausende Menschen zu Protestmärschen gegen das SED-Regime und ganz mutige machten sich auf den Weg, den ungeliebten zweiten deutschen Staat zu verlassen, der dann bald im Orkus der Geschichte verschwand.

14. März 2019

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