Sonderbares Mittelding zwischen fünf und drei Mark
Augsburger Prägeanstalt Drentwett stellte 1904 ein Viermarkstück her, biss mit seiner Initiative aber auf Granit



Das Umrechnen von Talern und Gulden auf Mark und Pfennig nimmt diese Karikatur aus den "Fliegenden Blättern" von 1872 aufs Korn.



Eine numismatische Eintagsfliege war das Viermarkstück von 1904 ab und zu in Auktionskatalogen und Preislisten auftaucht. Korrekt handelt es sich um eine privat hergestellte Medaille.





Die nach der Reichseinigung von 1871 probeweise geprägten Hamburger Handelstaler blieben ein numismatisches Kuriosum und begeistern heute nur noch Spezialsammler.



Das Berliner Dreimarkstück von 1905 mit dem Reichsadler auf der Rückseite im Vierpass war ein Vorläufer der 1908 gesetzlich beschlossenen Ausgabe, die den Vereinstaler ablöste.



Bei den Werten zu 25 Pfennigen zeigt sich, dass es in der Kaiserzeit bei der Suche nach neuen Münzbildern recht modern zuging. (Fotos/Repros: Caspar)

In der Münzgeschichte des 1871 gegründeten deutschen Kaiserreichs gibt es manche Kuriositäten. Sammler kennen Stücke, die in Bild, Größe und Metall von der Norm abweichen, und sie sind bereit, für diese Sonderlinge zum Teil recht hohe Preise zu zahlen. Für die Probemünzen der vor einhundert Jahren in der Novemberevolution von 1918 untergegangenen Monarchie und die Zeit danach liegt das Buch von Rudolf Schaaf aus dem Jahr 1979 vor, das sich bescheiden "Versuch einer Katalogisierung" nennt, aber mehr als nur ein Versuch ist. Schaaf hat zahlreiche Stücke erfasst und abgebildet, die das Bild der Münzprägung im Kaiserreich und der Zeit danach mit vielen neuen und überraschenden Motiven und Abarten bereichern. Sie unterstreichen, dass zumindest die Münzstätten damals und verschiedene Künstler recht experimentierfreudig waren, etwa als es nach der Jahrhundertwende darum ging, neuartige Werte vom Pfennig bis zur Mark zu kreieren. Dass es ihre zum Teil überraschend modernen Entwürfe nicht zur Massenprägung brachten, steht auf einem anderen Blatt. Es zeigt sich, dass in den vergangenen 40 Jahren das eine oder andere Stück hinzu gekommen ist, welches in eine Neubearbeitung dieser verdienstvollen Publikation gehört. Was vor 1871 an solchen Geprägen hergestellt wurde und was auch das Ausland in dieser Hinsicht zu bieten hat, wartet auf systematische Aufarbeitung.

Viele kreative Köpfe

Dass Probemünzen keine Erscheinung allein des neuzeitlichen Münzwesens sind, stellte Heinz Thormann im Vorwort zum Versteigerungskatalog der Sammlung Egon Beckenbauer von 1987 klar (7. Auktion von Fritz Rudolf Künker, Osnabrück 1987). Im Deutschen Reich mit seinen technisch hochstehend eingerichteten Münzstätten sei es möglich gewesen, zur Gestaltung von Entwürfen für neu auszugebende Münzen nicht nur die beamteten Medailleure wie Wilhelm Kullrich, Emil Weigand oder Otto Schulz in Berlin, Johann Adam Ries und Alois Börsch in München, Max Barduleck und Wilhelm Hörnlein in Dresden, Karl Schwenzer in Stuttgart und Christian Schnitzspahn in Darmstadt, sondern auch viele freie Künstler heranzuziehen. Thormann nannte in diesem Zusammenhang die Münchner Professoren Bernhard Bleeker, Maximilan Dasio, Adolf von Hildebrandt und Theodor Georgii, ferner die Berliner Professoren Otto Eckmann und Paul Sturm, aber auch August Hummel in Schrobenhausen und nicht zuletzt den so außerordentlich produktiven Karl Goetz in München.

Bei der Bearbeitung der fast 500 Proben aus der Beckenbauer-Sammlung wurden laut Thormann zahlreiche, in erster Linie das Material betreffende Irrtümer im Buch von Rudolf Schaaf berichtigt. So geriet der Beckenbauer-Katalog von 1987 zu einer für den Probensammler wichtigen Ergänzung für das Buch von Rudolf Schaaf und damit zu einem weiteren nützlichen Nachschlagewerk. Die genannten Publikationen wurden bei späteren Versteigerungen, allen voran die der Heidelberger Münzhandlung Herbert Grün (Nr. 26, 1999), als Referenzwerke herangezogen. Inzwischen ist auch dieser Katalog mit über 500 Nummern ein wichtiges Nachschlage- und Zitierwerk.

Handelspiaster aus Hamburg

Eine Besonderheit der Hamburger Münzgeschichte stellen silberne Handelspiaster dar, über die in der zeitgenössischen Presse einiges Rätselraten angestellt wurde. Die Prägung beruht auf Vorschlägen des Göttinger Professors Adolf Soetbeer, der aus Hamburg stammte. Analog zu den Reichsgoldmünzen, die Privatleute mit eingeliefertem Gold in den offiziellen Münzstätten schlagen ließen, sollten auch silberne Handelsmünzen hergestellt werden. Der prominente Währungspolitiker und Experte für internationales Edelmetallwesen verwies darauf, dass Silber im Orient und in Asien, namentlich in Indien und China, traditionell großes Ansehen besitzt. Durch die Ausprägung solcher Handelsmünzen könnte man inländische Silbervorräte abbauen und ähnlich den österreichischen Maria-Theresien-Talern oder den mexikanischen Peso-Münzen gute Handelsgeschäfte tätigen.

Das Piasterprojekt, über das in den Berliner Münzblättern vom September 1911 mit der Bitte um weitere Informationen berichtet wurde, stieß in der hamburgischen Bürgerschaft und im Senat auf wenig Gegenliebe. Dennoch kam es zur Prägung von Silbermünzen, die in ihrer Größe und den verwendeten Bildern gänzlich von den regulären Reichsmünzen abwichen und daher mit diesen nicht verwechselt werden konnten. Auf einem dieser Stücke finden sich, verbunden mit dem auch auf den Reichsmünzen verwendeten hamburgischen Wappen mit zwei Löwen zur Seite, Angaben über den Feingehalt. Auf einem anderen Piaster mit der Jahreszahl 1877 erkennt man ein flammendes Sonnengesicht über der Hamburgischen Torburg. Ein weiteres Stück ohne Jahreszahl mit der an die guten alten Taler erinnernden Wertbezeichnung 2 ½ Tola ist mit dem lorbeerzweiggeschmückten Kopf der Hammonia, der Schutzgöttin der Hansestadt, geschmückt.

Die Reichsregierung in Berlin war von den numismatischen Novitäten wenig begeistert, weil auf ihnen das Wappen der Freien und Hansestadt erscheint, die ja ein zum Deutschen Reich gehörender Bundesstaat war. Zum anderen stand auch die Öffentlichkeit der Neuauflage von Münzen skeptisch gegenüber, die im 18. Jahrhundert speziell für den Handel mit Ostasien gefertigt wurden. Von den Hamburger Handelspiastern wurden 5459 Stück für das in der Hansestadt ansässige Handelshaus F. W. Burchhard hergestellt. Die meisten Exemplare dürften bald wieder eingeschmolzen worden sein, so dass nur ganz wenige Stücke erhalten sind. Belege für die münzgeschichtlich interessante, letztlich aber ergebnislose Episode werden vom Münzhandel als große Raritäten und Kuriositäten aus der deutschen Kaiserzeit für stolze Preise angeboten.

Beitrag zur Münzgeschichte

Versehen mit dem Kopf von Kaiser Wilhelm II. und der Umschrift BEITRAG ZUR MÜNZGESCHICHTE zeigt eine als Viermarkstück deklarierte Silberprägung aus Augsburg auf der Rückseite die Wertangabe 4 MARK in einem Kranz aus Eichenblättern sowie die Umschrift FÜNFMARKSTÜCK LEBE WOHL. LEBT WOHL IHR THALER ALLE! Um Nachahmer abzuschrecken, haben die Urheber dieser Medaille unter dem Kaiserkopf GES. GESCH. vermerkt und damit betont, dass sie gesetzlich geschützt ist. Hersteller war die Augsburger Medaillenanstalt Carl Drentwett, die seit dem 19. Jahrhundert Deutschland und weitere Staaten mit geprägtem Metall belieferte. Ihr Inhaber Heinrich Schmidt hatte 1904 dem Reichsschatzamt in Berlin Probeabschläge des Viermarkstücks geschickt. Die Behörde antwortete, dass an der Ausgabe einer solchen Münze nicht gedacht wird. Eine weitere Eingabe der Firma von 1907 wurde ebenfalls abschlägig beschieden.

Heinrich Schmidt unterstrich im Brief vom 3. Mai 1907 an das Reichsschatzamt, er habe mit der Erstellung des "Viermärkers" lediglich den Beweis über die Handlichkeit einer solchen Geldsorte erbringen wollen, "weil sie gar nicht so übel in das Dezimalsystem einpasst." Schmidt wies darauf hin, dass die Münze sich gut zwischen dem Taler im Wert von drei Mark und dem Fünfmarkstück einpassen würde, und er versteht nicht, warum das Reichsschatzamt den Gedanken "kurzer Hand zurückgewiesen hat." Das Viermarkstück liege doch "so appetitlich" zwischen beiden strittigen Sorten. Damit war das damals in der Planung befindliche, offiziell aber erst durch einen Zusatz vom 19. Mai 1908 zum Münzgesetz von 1873 aus der Taufe gehobene Dreimarkstück und das wegen seiner Größe und Unhandlichkeit unbeliebte Fünfmarkstück gemeint.

Heinrich Schmidt dürften die Bestrebungen der Reichsregierung bekannt gewesen sein, dass eine Münze zwischen zwei und fünf Mark geschaffen werden soll. Er versuchte, seinen Vorschlag dem Reichsschatzamt mit diesen Worten schmackhaft zu machen: "Mein Produkt sollte lediglich bezwecken, auf das ,Ei des Kolumbus' hinzuweisen, und gab ich ihm die scherzhafte Umschrift anstatt ;Deutsches Reich', damit ihm der Charakter eines wirklichen Geldstückes, zu dessen Prägung Private unberechtigt, etwas benommen sei. Der Vermerk ,Gesetzlich geschützt' ist auch auf keiner Geldsorte zu lesen, und habe ich es natürlich nicht schützen lassen." Indem Schmidt dem Reichsschatzamt zwei Probestücke überließ, sprach er die Hoffnung auf dessen Interesse an seinem Vorschlag aus. Da sich aber die Behörde gegen das Viermarkstück entschied, blieb es bei den Münzproben, die korrekt als Medaillen anzusprechen sind und auch in den Reichsmünzenkatalogen nicht vermerkt sind.

Das gilt auch für ein Dreimarkstück mit der Jahreszahl 1905, das es eigentlich nicht geben dürfte. Der Jahrgang dieser mit Kaiserkopf und Reichsadler versehenen Probemünze fällt aus dem Rahmen, weil der Wert ja erst ab 1908 als normale Kursmünze und Gedenkprägung hergestellt wurde. Dass die Silberstücke mit dem normalen Reichsadler beziehungsweise einer abweichenden Version im Vierpass mit dem für Berlin stehenden Kennbuchstaben A in kleiner Stückzahl geprägt wurde, verleiht ihnen einen inoffiziellen Charakter, denn kein privater Hersteller hätte es gewagt, den ersten Buchstaben des Alphabets zu benutzen, den König Friedrich II., der Große, 1750 de ersten Münzstätte seines Reiches verliehen hatte.

Gelochtes Geld für Kolonie

Bei den Münzen der deutschen Kaiserzeit gibt es noch manch anderes zu entdecken, so auch gelochte Geldstücke zu fünf Heller von 1913 mit dem Münzzeichen J für Hamburg und A für Berlin sowie zu zehn Heller von 1908, 1909, 1910 und 1914 (J) und von 1911 (A). Zu den für die Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft hergestellten Stücke kommen von im gleichen Design gestaltete, freilich nur probeweise gelochte Reichsmünzen zu 25 Pfennigen mit der Jahreszahl 1908. Diese Ausgabe hatte im Deutschen Reich keine Chance, weil die Bevölkerung sie mit so genanntem Negergeld verglich und daher ablehnte. Außerdem waren Nominale zu 25 Pfennigen, ganz gleich, wie man sie gestaltet hat, unbeliebt. Zwar wurden die "jugenstilig" gestalten Münzen zwischen 1909 und 1912 in großen Mengen hergestellt, doch erwiesen sich als unpraktisch und strömten in die Ausgabestellen zurück, um alsbald wieder eingeschmolzen zu werden, wie manch andere Münzen davor und danach auch. Das nur in wenigen Exemplaren überlieferte 25-Pfennigstück von 1908 mit dem Loch ähnelt bis auf eine andere Schriftart den Fünf- und Zehnhellerstücken für Deutsch-Ostafrika.

Wie der Sammler Edwin Eggert im Numismatischen Nachrichtenblatt Heft 7/1997, S. 328 ff. in einem Beitrag über Proben der Hamburgischen Münzstätte von 1908 bis 1947 schreibt, hatte er aus einem Nachlass außer dem Stück mit Frakturschrift auch ein weiteres mit kleinerem Durchmesser und einer Art Antiquaschrift erworben. Die beiden Hamburger Lochmünzen zu 25 Pfennigen befinden sich laut Rudolf Schaaf "Die Proben der deutschen Münzen. Versuch einer Katalogisierung" (Basel 1979, Nr. 18 G 36, 37) im Geldmuseum der Deutschen Bundesbank in Frankfurt am Main. Im selben Buch ist eine gelochte Zehn-Heller-Münze 1908 ohne Münzzeichen als Nummer 719 G 2 vermerkt. Der Jahrgang 1912 J müsste bei einer Neubearbeitung des Katalogs von Schaaf eingefügt oder in einem ganz neuen Buch zu diesem Thema berücksichtigt werden. Das trifft auch für zahlreiche andere Stücke zu, die seit Schaafs verdienstvoller Veröffentlichung bekannt geworden sind.

25. Januar 2019



Zurück zur Themenübersicht "Münzen und Medaillen"