Freundliche Übernahme
Bewährte Vorbilder wurden ab und zu in anderen Ländern bei der Münzprägung neu belebt





Die niederländischen Dukaten mit dem stehenden Ritter und der Schrifttafel waren so gut und so beliebt, dass man sie anderenorts, hier in Hamburg, leicht verändert nachgeahmt hat.





Vorbild für die Taler des Deutschen Ordens aus dem frühen 17. Jahrhundert waren die Tiroler Guldengroschen von 1486. Er ist der Vater aller Taler, deren Namen vom Prägeort, der böhmischen Bergstadt Sankt Joachimsthal, abgeleitet wurde.



Venedig und das Königreich Italien haben talerförmige Silbermünzen mit Symbolfiguren geprägt, bei deren Gestaltung die Maria-Theresien-Taler Pate standen.



Die Zehn-Rubel-Stücke von 1977 können mit den Originalen von 1923 nicht verwechselt werden. Bei Russlandsammlern freuen sich diese wie jene großer Beliebtheit. (Fotos/Repros: Caspar)

In der Münzgeschichte kann man immer wieder beobachten, dass bewährte Bilder auf Geldstücken nach langer Zeit neu belebt wurden. Die Gründe dafür waren vielfältig, vor allem dass man vom Erfolg eines fremden Nominals profitieren wollte und es ähnlich wie dieses gestaltete. Zu beobachten ist das etwa bei niederländischen Dukaten mit dem stehenden Ritter auf der Vorderseite und der Schrifttafel auf der Rückseite, die auch außerhalb ihrer Heimat fleißig bis in unsere Tage nachgeprägt werden. Da es kein Copyright auf das Design gab, nimmt niemand an dieser Praxis Anstoß. Sammler werden mit einiger Übung und unter Zuhilfenahme einschlägiger Münzkataloge herausfinden, woher das Vorbild stammt. Altbewährtes praktizierte die Hansestadt Hamburg im frühen 19. Jahrhundert, indem sie nach altem Brauch vor Weihnachten stets mit einer neuen Jahreszahl Dukaten als Geschenke für Familienmitglieder, Hausangestellte und Lieferanten herausbrachte. Es wird erzählt, dass die stark an niederländische Ausgaben angelehnten Goldstücke von erheblicher Kaufkraft bald nach Neujahr Wechslern und Banken für kurantes Geld verkauft und damit dem Schmelztiegel überantwortet wurden.

Ein berühmtes Beispiel für diese Art der freundlichen Übernahme von Münzbildern sind die Reichstaler des Deutschen Ordens aus dem frühen 17. Jahrhundert, die sich nahezu wortwörtlich an die ersten Taler, damals noch Guldengroschen genannt, des Erzherzogs Sigismund von Tirol anlehnen. Auf den 1486 in Hall geprägten Silbermünzen des auch Sigismund der Münzreiche genannten Potentaten im Wert eines Goldguldens ist der gekrönte Landesfürst stehend in voller Rüstung dargestellt. Ein Löwe mit dem österreichischen Bindenschild in den Klauen und ein mit Federn geschmückter Helm flankieren das Bild des stolz den Betrachter anschauenden Herrn über reiche Silbergruben, aus denen das Metall für diese und weitere Geldstücke gewonnen wurden. Auf der Rückseite erkennt man Sigismund als Reiter mit einer Lanze in der Hand, an deren Spitze eine kleine Fahne weht. Umgeben ist der Reiter von einem Kranz mit den Wappen jener Territorien, die dem Erzherzog gehörten oder auf die er Anspruch erhob.

Schwert statt Keule

Mit dem neuen Guldengroschen schloss der auf großem Fuß lebende, jedoch hochverschuldete Landesfürst von Tirol die Lücke zwischen dem Silberkreuzer und dem Goldgulden. Das etwa eine Unze (31 Gramm) schwere Silberstück erregte Aufsehen, weshalb es schon bald in umliegenden Territorien nachgeahmt wurde. Am ehesten lehnte sich die Stadt Bern an Sigismunds Kreation an. Allerdings ist auf dem Guldengroschen von 1494 nicht mehr der Erzherzog angebildet, sondern der Heilige Vincenz als Stadtpatron, während der Berner Bär auf der Rückseite von einem Wappenkranz umschlossen ist.

Keine Bedenken hatte Maximilian, Erzherzog von Österreich und Hochmeister des Deutschen Ordens, sich auf seinen zu Beginn des 17. Jahrhunderts geprägten Talern in der Manier der altbewährten Münzen aus Tirol abbilden zu lassen. Wiederum ist der Chef der berühmten Ordensgemeinschaft stehend dargestellt, allerdings nicht mehr eine Keule nach oben haltend, sondern auf ein nach unten gerichtetes Schwert gestützt. Übernommen wurde auf der Rückseite der Reiter im Wappenkranz, doch galoppiert das Pferd nicht mehr so stürmisch wie auf der Silbermünze von 1486, sondern hält sich nur noch ein wenig müde auf seinen vier Beinen. Das Kreuzschild unter dem Reiter weist auf Maximilians Würde als Vorsteher des Deutschen Ordens hin. Warum sich Maximilian in altmeisterlicher Pose darstellen ließ, kann nicht gesagt werden. Traditionsbewusstsein und sicher auch der Wille, seinen Münzen zusätzliches Ansehen zu verleihen, mögen die Gründe dafür gewesen sein.

Vom Norden in den Süden

Der Ende 13. Jahrhunderts an der baltischen Ostseeküste gegründete Deutschordensstaat erlitt im Sommer 1410 bei Tannenberg im Krieg gegen die polnisch-litauische Union eine schwere Niederlage und musste sich später gegen die preußischen Stände zu Wehr setzen. Das führte zum Niedergang des ehemals so mächtigen Ordensstaats, der in seinen besten Zeiten ein Gebiet von rund 200.000 Quadratkilometern umfasste. Nach der Lutherschen Reformation und der Umwandlung der geistlichen Herrschaft in ein weltliches Herzogtum zogen sich die Hoch- und Deutschmeister mit ihrem Anhang in den Süden des Römisch-deutschen Reichs zurück, wo sie über bedeutenden Grundbesitz verfügten und als Landesfürsten auch das Münzrecht ausübten. Die Anführer stammten aus dem katholischen Hochadel und vor allem aus dem Haus Habsburg, das die römisch-deutschen Kaiser stellte. Diese familiäre Verbindung wirkte sich positiv auf die Stellung des Deutschen Ordens im Reich aus, dessen Ritter sich auf kaiserlicher Seite in den damaligen Kriegen und im Kampf gegen die nach Europa vordringenden Osmanen tapfer schlugen.

Doch aller auch durch eine prächtige Münz- und Medaillenprägung unterstrichene Glanz, alles Engagement der bis 1809 in Mergentheim residierenden Ordensgemeinschaft nutzten nichts, ihre Tage waren zum Beginn des 19. Jahrhunderts gezählt, so wie auch viele deutsche Fürsten und Reichsstädte damals ihre Souveränität verloren. Vor allem in den Koalitionskriegen nach der französischen Revolution von 1789 und den sich anschließenden politischen und territorialen Veränderungen ließen Macht und Einfluss des Deutschen Ordens schrumpfen, der sich im frühen 19. Jahrhundert unter den Schutz des österreichischen Kaiserhauses begab und 1938 nach der Annektion Österreichs durch den Hitlerstaat aufgelöst wurde. Heute kümmert sich die sich "Orden der Brüder vom Deutschen Haus St. Mariens in Jerusalem" genannte geistliche Gemeinschaft nach eigenem Bekunden um hilfsbedürftigen Menschen in selbstloser christlicher Liebe. Die Bundesrepublik Deutschland brachte 1990 eine von Hubert Klinkel gestaltete Silbermünze im Wert von zehn DM zur Erinnerung an die Gründung des Deutschen Ordens vor 800 Jahren heraus.

Maria Theresia und ihre Schwestern

Kaum eine Münze des späten 18. Jahrhunderts ist je in einer solch riesenhaften Stückzahl geprägt worden wie der Maria-Theresientaler von 1780. Allerdings muss man davon ausgehen, dass große Mengen als Rohstoff für Gold- und Silberschmiede oder zur Verwendung in der Industrie eingeschmolzen wurden. Wie viele der ursprünglich in Günzburg geprägten Maria-Theresien-Taler noch existieren, lässt sich daher nicht sagen. Es hat nicht an Versuchen gefehlt, die Beliebtheit des Maria-Thersien-Talers, dessen massenhafte Prägung für Österreich und andere Länder beachtlichen Gewinn, den begehrten Schlagschatz, einbrachte, auszunutzen und mit ähnlich gestalteten Stücken Profit zu machen. So gaben die italienischen Republiken Venedig und Ragusa, das heutige Dubrovnik, Silbermünzen heraus, auf denen statt der Kaiserin nicht minder üppig geformte Stadtgöttinnen erscheinen. Und auch das Königreich Italien setzte seine Symbolfigur, die Italia, auf talerförmigen Silberstücke. Nicht die Liebe zur Geschichte und schon gar nicht zum Haus Habsburg mag es gewesen sein, eine solche Münze herauszubringen, sondern die Hoffnung, durch Umwandlung von Silber in klingende Münze Gewinn zu machen und dem ungeliebten Nachbarstaat Österreich-Ungarn Wasser abzugraben. Auf eine Dame als Schaubild verzichtete König Friedrich II. von Preußen, genannt der Große, als er nach dem Siebenjährigen Krieg (1756-1763) Levantetaler prägen ließ. Der mit einem Lorbeerkranz als antiker Herrscher dekorierte Kriegsgegner von Maria Theresia kam allerdings mit seinen besonders schön geschnittenen Münzen gegen die Maria-Theresien-Taler nicht an.

Wohl um am Erfolg der mit dem Bildnis der römisch-deutschen Kaiserin Maria Theresia Silberstücke partizipieren zu können, änderte Ragusa im ausgehenden 18. Jahrhundert das Design und brachte 1791 und 1795 den Ducato nuovo, auch Libertina genannt, mit dem Bildnis einer Stadtgöttin heraus, für die das kaiserliche Bildnis der Maria Theresia Patin war. Auf der Rückseite dieses doppelten Scudo mit einem Gewicht von rund 28,8 Gramm und einem Feingehalt von 601 Tausendteilen ist unter einer Krone in einer Art Wappenschild das Wort LIBERTAS (Freiheit) vermerkt, während die Umschrift Gottes Führung, Glauben und Gerechtigkeit beschwört.

Mit Hammer und Sichel

Blicken wir in das 20. Jahrhundert, nach Sowjetrussland. Es dauerte bis 1921, bis die Nachfolger des Zarenregimes eigene Münzen ausgaben. Das neue, aus Hammer und Sichel bestehende Sowjetwappen symbolisiert die Einheit von Arbeiterklasse und Bauernschaft, wie man damals sagte. Die Zahlen im fünfzackigen Stern auf den Rubel- und Fünfzig-Kopeken-Stücken geben den jeweiligen Wert an. Die ins Deutsche übersetzte Umschrift "Proletarier aller Länder, vereinigt euch" ist ein Zitat aus dem Kommunistischen Manifest von Karl Marx und Friedrich Engels aus dem Jahr 1848. Zu den silbernen Rubel- und Kopekenwerten traten 1923 Goldmünzen im Wert von zehn Rubeln. Die mit dem Bild eines säenden Bauern vor einer Fabrik mit rauchenden Schloten sowie dem Sowjetwappen geschmückten "Tscherwonzen" wurden nur kurze Zeit vor allem zur Bezahlung von Rechnungen im Ausland hergestellt. In späten Sowjetzeiten hat man diese seltenen Goldstücke mit neuen Jahreszahlen nachgeprägt. Über sie haben sich jene Münzsammler gefreut, für die die seltenen Stücke von 1923 unerreichbar sind. Doch nutzte die Regierung in Moskau Nach- und Neuprägungen, um ihre Goldbestände profitabel zu vermarkten.

10. Februar 2019

Zurück zur Themenübersicht "Münzen und Medaillen"