Von guten und schlechten Talern
Berühmtes Nachschlagewerk des Leipziger Formschneiders und Verlegers Wolff Stürmer aus dem Jahr 1572 erlebte viele Auflagen





Sammler der Barockzeit bedienten sich gedruckter Talerkabinette, um mit ihnen nach gängigen und seltenen Münzen Ausschau zu halten, das gleiche galt auch für Dukaten und andere Goldmünzen sowie für Groschen und andere Kleinmünzen. Um die Buchpreise erträglich zu halten, hat man in der Regel auf Illustrationen verzichtet. Es wurden allerdings auch sehr aufwändig Prachtwerke mit zahlreichen Kupferstichen publiziert. Da die Forschung in den vergangenen drei Jahrhunderten weitergegangen ist, ist der Gebrauchswert all dieser Bücher nur noch begrenzt.



Das 1709 in Halle an der Saale gedruckte Buch macht mit mittelalterlichen Brakteaten bekant, rechts warnt der Einblattdruck von 1494 im Besitz der Berliner Staatsbibliothek vor falschen Goldgulden.



Dem umständlich formierten Titelblatt lässt Wolff Stürmer eine Serie von Holzschnitttafeln mit den wichtigsten Talern und deren Teilstücken folgen, die Abbildungen auf der rechten Seite sind gleich groß, obwohl es sich oben um einen halben und darunter einen ganzen Guldiner handelt, wie man damals zu den neuartigen Silbermünzen Erzherzog Sigmund des Münzreichen von Tirol sagte. Schon bald bürgerte sich die Bezeichnung Thaler oder Taler analog zu den im böhmischen Sankt Joachimsthal geprägten Joachimsthaler ein.





Reizvoll ist es, die Illustrationen in Stürmers Buch mit den tatsächlich geprägten Talern zu vergleichen, hier ein Joachimsthaler der Grafen Schlick von 1526.





Der kursächsische Klappmützentaler ohne Jahresangabe kann gut mit dem Holzschnitt in Stürmers Buch verglichen werden. Ob dem Holzschneider Originale vorgelegen hatten, kann nicht beantwortet werden.



Wie in- und ausländische Kleinmünzen in deutsche Währungen umzurechnen sind, hat Wolff Stürmer in seinem Buch von 1572 auch berücksichtigt. (Fotos/Repros: Caspar)

Was wären Münzen- und Medaillensammlern ohne Kataloge, Fachzeitschriften und gute Monographien, die ihren helfen, ihre numismatischen Lieblinge besser kennenzulernen und in die Geschichte des Münz- und Geldwesens einzudringen? Die numismatische Literatur füllt viele Bücherregale, der Handel bietet ab und zu historische und neue Publikationen an, darunter auch solche in wundervollen Einbänden und ausgestattet mit prachtvollen Holzschnitten und Kupferstichen, die bereits mehrere Jahrhunderte alt sind. Die Taler-, Groschen- und Dukatenkabinette sind inhaltlich überholt, bieten aber eine Fülle interessanter, auch heute lesenswerter Informationen und dazu viel historisches Anschauungsmaterial. Sammler können sich glücklich schätzen, wenn sie beides, Münzen und Medaillen sowie die alten Münzbücher beisammen haben. Da viele kaum noch zu haben sind, tun auch fotomechanische Nachdrucke und weitere Kopien gute Dienste.

Münzbücher wurden nicht für Gelehrte und Sammler verfasst, die oft beides in einer Person waren, sondern auch für Kaufleute, Bankiers, Wechsler sowie Finanzbeamte. Die waren wichtig, um sich im Dschungel der Münzsysteme und Währungsverhältnisse zurechtzufinden. Solides Wissen über den aktuellen Wert einzelner Stücke aus Gold, Silber und Kupfer war wichtig, um sich und den Fiskus vor Verlusten zu bewahren, denn Taler und Gulden waren, wie wir wissen, nicht immer gleich Taler und Gulden, denn es gab zwischen diesen und anderen Nominalen ganz erhebliche Unterschiede. Deshalb gehörten nicht nur Verrechnungstabellen und andere einschlägige Bücher zum Handwerkszeug dieses Berufsstandes, sondern auch große und kleine Präzisionswaagen, mit deren Herstellung sich zahlreiche Manufakturen beschäftigten und die ein hochinteressantes Sammelgebiet bilden.

Begnadet und privilegiert

Kaufmännische Handbücher mit Angaben über umlaufende Münzen sind Kinder des 16. Jahrhunderts. Die Buchdruckerkunst und die Technik des Holzschnitts, später auch des viel teureren Kupferstichs brachten eine Fülle illustrierter Aufklärungsschriften und kritische Würdigungen der aktuellen Geldverhältnisse hervor. Schon Ende des 15. Jahrhunderts gab es Einblattdrucke und Flugschriften, mit denen vor falschen Münzen gewarnt wurde. Die Staatsbibliothek der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Berlin verfügt über eine stattliche Zahl solcher Inkunabeldrucke aus der Zeit nach Gutenberg mit einfachen Beschreibungen und Illustrationen im Holzschnittverfahren.

Jahrzehnte später erlebten vor allem für Kaufleute und Finanzbeamte bestimmte Bücher über aktuell kursierende Münzen bisweilen große Auflagezahlen, und da sie sehr beliebt waren, bemächtigten sich sehr zum Ärger der Verfasser und Verleger so genannte Raubdrucker ihrer. "Cum gratia et privilegio", also begnadet und privilegiert, erschien 1572 in Leipzig ein Münzbuch, das viele Auflagen und illegale Nachdrucke erlebte. Autor ist Wolff Stürmer I. der Ältere, dessen Nachfolge sein Sohn Wolff Stürmer II. der Jüngere antrat. Im Vorwort zu einem 1979 im Berliner transpress Verlag herausgebrachten fotomechanischen Reprint nach einem Exemplar des Dresdner Münzkabinetts ging Jürgen Gottschalk der Entstehungsgesichte des mit vielen Holzschnitten ausgestatteten Nachschlagewerks auf den Grund, von dem noch 1623 eine späte Auflage unter verändertem Titel zuteil wurde. Die wichtigsten Ausgaben sind in dem Werk von Johann Gottfried Lipsius "Bibliotheca numaria" (Leipzig 1801) verzeichnet.

Umständlich formuliertes Titelblatt

Wie damals üblich, hat Stürmer auf dem Titelblatt in groben Zügen den Inhalt seines Buchs so zusammengefasst. "Vortzeichnus vnd Gepräge Der Groben vnd Kleinen Müntzsorten / Welcher sich die Churfürsten / Fürsten / vnd Stende in dem Obern Sächssischen Krais / vermöge des Heiligen Reiches Müntzordnung / vnd darauff eruolgten Krais vnd Probationstägen vorglichen / Darinne anfangs die Guten Taler / so hinfüro geng vnd gebe / sein sollen / Vnd dann volgents auch die Groben vnd Kleinen geringen Valuirten Sorten zubefinden / so auff den Bruch / in die verordnete Wechssel geantwortet werden sollen."

Im Anschluss an ein Inhaltsverzeichnis ersetzen 182 Holzschnitttafeln, beginnend bei den "Guten Alten Talern" Erzherzog Sigmund des Münzreichen aus dem Jahr 1486 und von Kaiser Maximilian I. umständliche Beschreibungen. Die Taler und ihre Teilstücke, leider aber keine Goldmünzen, werden nach meißnischer und lübeckischer "Wehrung" taxiert, was auf das Verbreitungsgebiet des Buches im norddeutschen Raum schließen lässt. Erfasst sind deutsche sowie spanische, burgundische, dänische, schwedische, italienische und andere Taler, mit anderen Worten alles, was damals in den Geldbeuteln gut betuchter Bürger klapperte, weil einheimische Silbermünzen nicht in gebotenem Maße zur Verfügung standen und man sich mit ausländischem Geld behelfen musste. Dass ihr Gepräge von gewohnten Darstellungen abwich und auch Herrscher über weit entlegen befindliche Territorien zeigte, hat man billigend in Kauf genommen.

Vom höchsten zum geringsten Wert

Deshalb bieten Münzfunde eine bunte Vielfalt eigener und fremder Münzen, und manchmal kann man in ihnen Stücke identifizieren, die noch nie in der Literatur beschrieben wurden. Nebenbei gesagt: In Brandenburg-Preußen etwa war es zu Beginn des 18. Jahrhunderts üblich, das man mit "Franzgeld" zahlte, weil es zu wenig Münzen mit Bildnis und dem Wappen der Hohenzollern gab. Ein Register der "taxirten Taler / von höchsten bis auffn geringsten Werdt" hilft, die Stücke in Stürmers Buch zu finden. Stürmer schließt mit einer "Taxa der Golder / nach inhalt des Heiligen Reichs Ordnung", also mit einer Auflistung des Wertes von einfachen und mehrfachen Dukaten, Kronen und anderen Goldmünzen, berechnet wiederum nach meißnischer und lübeckischer Währung.

Ein solches, für den täglichen Gebrauch bestimmtes Werk unterlag schnellem Verschleiß. Da sich im damaligen Geldverkehr sehr schnell vieles änderte und zu den vorgestellten Münzen fast täglich neue hinzukamen, waren immer neue Auflagen nötig. Adam Bergs "New Müntzbuch" von 1597 fasste Veränderungen zusammen, die sich seit 1572 ergeben hatten. Da sich Raubdrucker des "Vorzeichnisses" von Wolff Stürmer bemächtigt hatten, sah sich der Verfasser und Verleger zu kostspieligen Prozessen veranlasst, um sein vom Kaiser erteiltes Privileg zu sicher. Raub- und Nachdrucke herzustellen war damals und lange Zeit später ungeachtet von Strafandrohungen gegen geistigen Diebstahl durchaus üblich. Illegale Drucke manchmal mit verändertem Titel und Design hatten auf der anderen Seite den Effekt, dass die in geringen Stückzahlen gedruckten Originale recht weite Verbreitung erfuhren.

In seinem Buch lieferte der "Ehrsam Wolff Stürmer Formschneider, wie sich der Verfasser ziemlich versteckt im Vorwort zu erkennen gibt, ein ziemlich präzises Abbild der Silbersorten, die damals im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation umliefen. Der Autor berücksichtigt die Münzreform von 1559, die Einheitlichkeit und Übersicht in die Geldverhältnisse bringen sollten, es aber nur bedingt taten, weil die klug ausgedachten Bestimmungen von geldgierigen Fürsten und Kommunen unterlaufen wurden. Diese Stücke werden im zweiten Teil des Buches aufgeführt, weil sie "des Heiligen Reichs Müntzordnung vngemess / vnd in der Prob nicht bestanden" haben, mit anderen Worten weil sie in Schrot (Gewicht) und Korn (Feingehalt) nicht den Vorschriften entsprachen. Im Einzelnen hatte ein Mansfelder Georgstaler von 1555 den Wert von 22 Groschen, elf Pfennigen und einem Heller meißnisch beziehungsweise 30 Schillinge und sieben Pfennige lübisch, während nassauische, battenbergische, pfälzische, Thorner, schwedische und andere Münzen weit unter diesem Standard liegen. Einige besonders minderwertige Sorten, die sich unberechtigterweise "Taler" nennen, werden nur mit sieben Groschen oder zehn Schillingen bewertet. Man sieht, das Gefälle ist beträchtlich, und dass Stürmer die Diskrepanzen öffentlich machte, mag manchem Münzstand kaum gefallen haben.

Ärger und Verluste durch Raubdrucker

Um sein Werk vor Nachahmung zu schützen, erwirkte Stürmer bei Fürsten und Ständen des für ihn zuständigen Obersächsischen Kreises für zwei Jahre befristetes Schutzprivileg und erlangte 1574 beim Kaiser in Wien eine "befreihung in zehn Jahren nicht nach zu drucken". Kaiser Maximilian II. spricht in seinem Schutzbrief davon, dass Stürmer von seinem Valvationsbuch etliche tausend Exemplare mit merklichen Kosten hat drucken lassen. Er habe ihn, den Kaiser, "demütiglich" gebeten, ihn vor Schaden zu bewahren. So wurde kraft dieses Briefes verordnet, dass im Heiligen Römischen Reich und in den habsburgischen Landen der Nachdruck des Buches und das Nachschneiden der Bilder sowie der Verkauf verboten. Wer das dennoch tut, verfällt des "Reichs schwere Ungnad" und soll zehn Mark lötiges Gold zahlen, und zwar je zur Hälfte an die kaiserliche Kammer und an den Verleger Wolff Stürmer. Wo immer dieser solche Nachdrucke in die Hände bekommt, soll er mit ihnen tun wie ihm beliebt. Jegliche "Oberkeit", also Obrigkeit, wird aufgefordert, Stürmer bei der Durchsetzung seiner Rechte behilflich zu sein. Als Gegenleistung wurde er aufgefordert, drei Belegexemplare an die kaiserliche Hofkanzlei zu senden. Ob sie sich in einer Wiener Bibliothek stehen und wie überhaupt solche Privilegien funktioniert haben und welche Geldbeträge dabei eine Rolle spielten, wäre eine reizvolle Forschungsaufgabe.

Mit seinem Werk ist der hochverschuldete Wolff Stürmer II., der Jüngere, nicht reich geworden. Nach dem Tod seines Vaters 1571 hatte er das Geschäft weitergeführt, doch der Schaden durch die Machenschaften von Raubdruckern war groß. Sein Vorgehen gegen einen in Magdeburg tätigen Betrüger namens Johann Francke hatte nur geringen Erfolg. Das Verfahren machte dem vom Pech verfolgten Verleger zum armen Mann. Nach seinem Tod 1593 führte Wolff Stürmer III. das Geschäft weiter und edierte Nachauflagen des berühmten, heute von Bücher- und Münzfreunden gleichermaßen geschätzten Münzbuch seines Großvaters.

29. August 2019

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