Barrengeld und zerhackte Münzen
Berliner Museum für Vor- und Frühgeschichte präsentiert Hinterlassenschaften alter Völker



Bronzezeitliche Funde in den Räumen des Neuen Museums auf der Berliner Museumsinsel zeigen eindrucksvoll die Mannigfaltigkeit der Waren, welche über weite Strecken gehandelt wurden. "Dieselben sind meist in Schränken und auf Consolen aufgestellt und zerfallen nach den Perioden ihrer Entstehung in steinerne, bronzene, eiserne und goldene", heißt es in einem Museumsführer aus dem Jahr 1869.





Bronzene Ringe, Barren oder Äxte bekamen die Bedeutung eines Wertmaßstabs, und zwar lange bevor die Lyder ihre ersten Münzen aus Elektron, einer natürlichen Mischung von Gold und Silber, geprägt haben. Das Münzkabinett zeigt die kleinen Geldstücke und weitere antike Prägungen in seiner ständigen Ausstellung im Bode-Museum und auch in der Schatzkammer, die im Alten Museum eingerichtet ist.







Armringe und andere Gegenstände aus Bronze, Silber und Gold besaßen bei den Menschen der Bronzezeit hohes Ansehen. Wenn es sein musste, hat man von ihnen Stücke abgeschnitten und mit ihnen eine Ware oder Dienstleistung bezahlt, lange bevor man dafür Münzen hergestellt hat.



Der aus der Bronzezeit stammende Goldhut wurde von einem unbekannten Herrscher bei zeremonialen Handlungen aufgesetzt, die Ornamente auf dem dünnen Blech werden als Kalendarium gedeutet.. (Fotos: Caspar)

Das Museum für Vor- und Frühgeschichte der Staatlichen Museen zeigt seit zehn Jahren seine bis dahin über Ost- und Westberlin verstreuten Schätze wieder im Neuen Museum auf der Berliner Museumsinsel. Unter ihnen befinden sich vier- bis fünftausend Jahre alte Zeugnisse der Bronzezeit, die auch für Zwecke des Handels und Austauschs verwendet wurden. Zu sehen sind mit Metallarbeiten aus Bronze gefüllte Grab- und Schatzfunde, die unsere Vorfahren aus Kupfer und Zinn erzeugt haben. Von dieser Legierung wurde die Bezeichnung Bronzezeit abgeleitet, eine Periode, die im mitteleuropäischen Raum die Jahre von 2200 bis 800 vor Christus umfasste. Da Metallvorkommen ungleich verteilt waren und vor allem das zur Herstellung benötigte Zinn selten war und von weither herangeführt werden musste, entwickelte sich ein globales Handelsnetz, welches neben Waren aller Art auch kulturelle Ideen und handwerkliche Fertigkeiten in alle Himmelsrichtungen verbreitete.

Geschickte Handwerker haben Waffen, Gefäße, Kultgegenstände, Schmuck und andere Objekte hergestellt und, da sie großen Wert besaßen, an unterschiedlichsten Stellen deponiert sowie Toten in die Gräber gelegt. Im Neuen Museum sind zahlreiche Beispiele für den hohen Respekt zu sehen, den man der Bronze entgegen brachte. Bestimmte Gegenstände aus Bronze oder auch aus Gold, das man bei der Betrachtung des Themas nicht außer Acht lassen darf, wurden als eine frühe Art von Geld sowohl bei Opferhandlungen als auch im Wirtschaftsverkehr verwendet.

Götter sollten milde gestimmt werden

Indem man solche Objekte den Göttern opferte, sicherte man sich deren Wohlwollen, das auch auf die Bronzen selbst übertragen wurde. Anfangs hat man in der frühen Bronzezeit Beile und Ringe mit ähnlich schweren Gewichten gegossen, später kamen Sicheln und auch Goldschmuck hinzu. Gegen Ende der Bronzezeit hat man Ringschmuck und zerbrochene Geräte aus der Legierung zum Bezahlen verwendet, wobei man kleine Werte durch Zerbrechen oder Zerhacken gewann. Wichtig war nicht die Form, sondern das Gewicht des jeweiligen Zahlungsmittels. Später verfuhr man ähnlich auch mit Silber, weshalb in einzelnen Vitrinen auch solches Hacksilber gezeigt wird. Schwere Barren repräsentieren einen hohen Wert. Indem man sie als Opfergabe niederlegte oder in ein Grab legte, entzog man sie dem Wirtschaftskreislauf, bekundete aber seinen Respekt vor irdischen sowie über- und unterirdischen Mächten. Der Brauch diente der Besänftigung der Unterwelt, der die Menschen der Bronzezeit durch den Bergbau kostbare Rohstoffe entnommen hatten.

Die Ausstellung verdeutlicht, dass Opferzeremonien im Leben unserer Vorfahren ein ganz großes Thema waren. Sie machten die Götter für ihre eigenen Geschicke verantwortlich und suchten sie durch Geschenke milde zu stimmen. Während als Wohnsitze der Götter errichtete Tempelbauten nur im Mittelmeerraum nachgewiesen sind, galten im kontinentalen Europa Flüsse, Moore, Höhlen, Brunnen, Felsspalten, Bergsporne und andere markante Punkte in der Landschaft, aber auch nach astronomischen Erfordernissen ausgewählte Orte als heilige Plätze. "Hier fanden regelmäßig Zeremonien mit Brandopfern von Feldfrüchten und Tieren statt. Weihegaben wurden aber auch an topographisch unauffälligen Orten deponiert, zu denen nur der Spender einen ganz persönlichen Bezug hatte", heißt es auf einer erklärenden Tafel. Weil die Rohstoffe, die man zur Herstellung der Bronze mangels eigener Vorkommen benötigte, von weither transportieren musste, hat man auf den Ausbau gute Verkehrswege zu Wasser und zu Lande geachtet. Das förderte den Wagen- und Schiffbau und führte zu manchen Innovationen. Beim Güterverkehr wechselten Tiere, Waffen, Schmuck und wohl auch Sklaven den Besitzer. Manch kostbarer Import dürfte als politisches Geschenk oder als Tributzahlung an einen weit entfernten Bestimmungsort gelangt und lange Zeit später von den Archäologen freigelegt worden sein.

Armringe, Sicheln und Stangen

Im Museum lernt man sogenanntes Beilgeld sowie Armringe, Sicheln, Stangen und linsenförmige Gebilde kennen, die als Vorformen des Geldes verwendet wurden, lange bevor die Lyder in Vorderasien mit dem Prägen der ersten Münzen aus Elektron begannen, einer natürlichen Mischung aus Gold und Silber. Je nach gewünschtem Gewicht hat man die Bronzen zerhackt. Münzfreunde kennen vor allem das "vormünzliche" Geld (aes grave) aus dem dritten vorchristlichen Jahrhundert, dessen man sich in der Frühzeit der römischen Republik bediente. Diese unterschiedlich großen und schweren gegossenen Barren zeigen Motive wie das Rind (pecus, daher die Ableitung pecunia oder pekuniär), den doppelten Kopf des Janus und weiter Götterbilder, den Vorderteil eines Schiffes (Schiffsschnabel) und andere Bilder, ergänzt durch Punkte zur Bestimmung des Wertes dieser auch Schwergeld genannten Nominale.

Wie im Neuen Museum zu erfahren ist, orientierte man sich bei der Bewertung der Barren nach deren Gewicht. In der Bronzezeit existierten offenbar mehrere Gewichtssysteme nebeneinander, wobei Grundeinheiten von 26 und 63 Gramm bevorzugt wurden. Hervorzuheben ist, dass viele in Form von Beilen und anderen Werkzeugen hergestellte Barren aus "Bleibronze", die wegen der "weichen" Zusammensetzung des Metalls als solche unbrauchbar waren. Da die Erzlagerstätten im alten Europa und angrenzenden Gebieten auf wenige Orte beschränkt waren, pflegten die alten Völker einen ausgedehnten Tauschhandel, doch gelangten auch durch Kriegszüge, Tributzahlungen oder Geschenke die begehrten Rohstoffe und metallenen Wertgegenstände in entlegene Gegenden, wo sie häufig als Opferbeigaben vergraben oder in Gewässern versenkt wurden. Die Ausstellung zeigt, wie die Metalle gewonnen, legiert und gegossen wurden, und welche Objekte man aus ihnen hergestellt hat. Zu erleben ist die Entwicklung künstlerischer Fertigkeiten und technische Kenntnisse, und man erfährt, warum sich bronzene Waffen, Schmuckstücke und Gebrauchsgegenstände äußerlich ähneln, obwohl sie aus entgegen gesetzten Himmelsrichtungen stammen.

Metall nach Gewicht bewertet

Das Museum für Vor- und Frühgeschichte zeigt aus Funden stammende Münzen der Antike, der Völkerwanderungszeit und des Mittelalters und betont, dass das europäische Münzwesen durch spätantike Traditionen und oströmisch-byzantinische Vorbilder geprägt wurde. Maß aller Dinge war der goldene Solidus beziehungsweise sein Drittelstück, der Triens. Diese Münzen dominierten bis Mitte des nachchristlichen 7. Jahrhunderts den Geldverkehr teils in Form byzantischer Importe, teils als Nachahmungen oder autonome "nationale" Prägungen. Außer solchen Goldprägungen werden auch silberne Pfennige präsentiert, die ab dem 8. Jahrhundert eine größere Rolle spielten. Dass man Silber nach dem Gewicht bewertete und unbekümmert Pfennige, auch Denare genannt, zerstückelt oder zerschnitten hat, zeigen in der Ausstellung präsentiertes Hacksilber, das mit silbernem Schmuck und andere Erzeugnissen uralter Silberschmieden gefunden haben.

Bliebe noch ein Hinweis auf Highlights des Museums für Vor- und Frühgeschichte. Aufgrund des russischen "Beutekunst-Gesetzes" wird der Sammlung der in der Bronzezeit geschaffene und von dem Troja-Ausgräber Heinrich Schliemann 1881 dem damaligen Völkerkundemuseums übereignete "Schatz des Priamos" durch die russische Regierung vorenthalten. Daher behilft man sich mit Nachbildungen, ansonsten sind alle Exponate Originale, darunter der 1996 erworbene "Berliner Goldhut", ein 74 Zentimeter hoher Kegel, der von oben bis unten mit Ornamenten bedeckt ist. Der bei rituellen Zeremonien verwendete Kopfschmuck aus der Bronzezeit, dessen Ornamentik als Kalender gedeutet wird, zählt zu den besonderen Anziehungspunkten der von der Altsteinzeit bis zum Mittelalter reichenden Schau. Der Mond, der auf dem Goldblech dargestellt ist, erlaubte eine Einteilung des Jahres in Monate und Wochen.

Wer sich auf diesem Gebiet auskannte, konnte Mondfinsternisse voraussagen und Termine für Festtage bestimmen. Die Entzifferung der Muster vermittelt neue Erkentnisse über das astronomische Wissen in der Frühzeit des Menschen. Dass Mittel- und Nordeuropäer in der Bronzezeit souverän komplizierte Metalltechniken beherrschten, zeigen unter anderem Beigaben aus dem 1899 entdeckten "Königsgrab von Seddin" im Kreis Prignitz und andere sowohl in der Erde als auch in Gewässern aus rituellen Gründen versenkte Schätze. Auch sie zählen zu den besonderen Anziehungspunkten der Ausstellung, die auch schildert, wie man Metalle abgebaut sowie gegossen und geschmiedet hat.

12. Oktober 2019

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