Der lange Weg der bewegten Bilder
Barocker Marstall am Lustgarten in Potsdam zieht als Filmmuseum Enthusiasten aus aller Welt magisch an



Im barocken Marstall werden die wechselvolle Entwicklung des Filmstandorts Babelsberg und darüber hinaus über hundert Jahre Kinogeschichte erzählt.



Der Kupferstich um 1695 zeigt das Stadtschloss vor dem Umbau durch Knobelsdorff und daneben das Pomeranzenhaus, das später in einen Pferde- und Marstall umgebaut wurde.



Zwischen 1977 und 1981 wurde der Marstall von der Staatlichen Schlösserverwaltung umfassend saniert, restauriert und für das neu gegründete Filmmuseum der DDR hergerichtet.



Friderizianische Historienfilme waren in der Weimarer Republik ein Kassenschlager. Bei ihnen und vielen anderen Streifen kamen Kunst, Kitsch und Kommerz aufs Beste zusammen. Wenn es passte, dichtete man dem König von Preußen sogar erotische Abenteuer mit schönen Rokoko-Damen an. Otto Gebühr verkörperte wegen der Ähnlichkeit wie kein anderer Schauspieler den "Großen König". In dieser Rolle schwor er während des Zweiten Weltkriegs die Deutschen zum Durchhalten und zum Sterben für "Führer, Volk und Vaterland" ein.



Einer der besonders widerlichen und gefährlichen "Dokumentarfilme" ist der Hetzstreifen "Der ewige Jude" von 1940, mit dem der von den Nationalsozialisten organisierte Holocaust gerechtfertigt wurde.



Als staatspolitisch wertvoll ausgezeichnet, sollte der von Propagandaminister Joseph Goebbels in Auftrag gegebene und am 30. Januar 1945 uraufgeführte Historienstreifen "Kolberg" den Durchhaltewillen der Deutschen anstachelt, was aber wenige Wochen vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs und des Naziregimes ganz und gar illusorisch.





Was an einem Schneidetisch der DEFA zu tun ist und womit Kameraleute arbeiten, wird im Filmmuseum anhand originaler Geräte geschildert. Das Filmmuseum setzt darüber hinaus jenen Künstlern und Technikern ein Denkmal, die in der Babelsberger Traumfabrik zu tun hatten und haben und spart auch die dunklen Seiten der deutschen Filmgeschichte nicht aus.





Der Kampf gegen die Nazidiktatur sowie das Leiden und Sterben von Antifaschisten waren bei der DEFA stets ein ganz großes Thema. Wenn es sein musste, wurden Fakten verdreht und/oder unbequeme Themen wie der Holocaust und die Unterstützung großer Teile des deutschen Volkes für Hitler und sein Regime ausgeblendet. Oben Szene aus dem Buchenwald-Film "Nackt unter Wölfen" von 1963 und darunter aus einem preisgekrönten Film von 1955 über den in 1944 im KZ Buchenwald auf persönlichen Befehl von Hitler ermordeten Vorsitzenden der KPD Ernst Thälmann, dargestellt von Günther Simon. (Fotos/Repros: Caspar)

Der Marstall unweit des Potsdamer Stadtschlosses gilt als ältestes Gebäude der brandenburgischen Landeshauptstadt, die in vergangenen Jahrhunderten Zeiten unendlich viel von ihrer bis ins Mittelalter zurückreichenden Substanz verloren hat. In dem 1685 nach Plänen von Johann Arnold Nering für den Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg erbaute Orangerie stellten die Hohenzollern im 17. und frühen 18. Jahrhundert während der kalten Jahreszeit ihre exotischen, unbedingt zu einem fürstlichen Hof gehörenden Pflanzen unter. Dem Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. waren alle die Orangen, Zitronen und anderen kälteempfindlichen Gewächse nur lästig. Er brauchte eine Unterkunft für seine Pferde und Kutschen und ließ den Marstall entsprechend herrichten. Nach dem Tod König Friedrichs II. (1786) wurde am Neuen Markt, nicht weit vom Marstall entfernt, ein neuer Kutschstall erbaut, der heute als Haus der brandenburgisch-preußischen Geschichte, ergänzt durch einen Neubau für Veranstaltungen aller Art, seine Besucher empfängt.

Seine barocke Gestalt erhielt der Marstall 1746 durch Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff, der für Friedrich II. das benachbarte Stadtschloss umgebaut hat. Aus dieser Zeit stammen auch die von Friedrich Christian Glume dem Jüngeren geschaffenen Pferde und Rossebändiger aus Sandstein auf der Attika, die auf die Funktion des Gebäudes als Pferdestall hinweisen. Der Lustgarten, an dessen Rand das lang gestreckte Gebäude steht, war in der Kaiserzeit und danach Exerzier- und Aufmarschplatz Potsdamer Soldaten. Im Marstall gab es während der Weimarer Republik ein Garnisonmuseum, in dem Schlachtengemälde, Uniformen, Waffen und andere Hinterlassenschaften aus der Militärgeschichte der Residenz- und Soldatenstadt Potsdam gezeigt wurden. Beim Bombenangriff vom 14. April 1945 wurde der Marstall samt Figurenschmuck stark beschädigt, blieb aber stehen und fungierte mehrere Jahrzehnte als Heimatmuseum.

Kinoorgel begleitet Stummfilme

In den 1970-er Jahren saniert und restauriert, wurde der Marstall 1981 als Filmmuseum der DDR eröffnet. Die Dauerausstellung "Babelsberg - Gesichter einer Filmstadt" schildert die Geschichte eines der europaweit ältesten Filmstudios, und man erfährt interessante Details über die Entstehung von Filmen vor und nach 1945, über Filmstars und Regisseure sowie die Nutzung und den Missbrauch des Kinos für politische und ideologische Zwecke. Dokumentiert werden darüber hinaus die beim Drehen eingesetzten Tricks und Techniken, und man erfährt auch einiges über Maskenbildnerei, Filmmusik und Filmarchitektur. Das Museum zeigt Kostüme, Originalfotos, Filmausschnitte, Szenenbildentwürfe, Drehbücher und andere Hinterlassenschaften. Im Kinosaal werden deutsche und ausländische Werke aufgeführt, darunter auch sehr alte, die man in üblichen Kinos nicht mehr zu sehen bekommt, sowie solche, die ungeachtet ihrer Qualität in der heutigen vor allem auf Rendite orientierten Kinowelt wenig beachtet werden oder nach einigen Tagen wieder aus dem Programm verschwinden. Ein besonderes Erlebnis sind die regelmäßig stattfindenden Stummfilmabende, die von einer Welte-Kinoorgel aus dem Jahr1929 begleitet werden. Durch Musik und Nachahmung ungewöhnlicher Geräusche bietet das Instrument dem Organisten die Möglichkeit, das Geschehen von Stummfilmen nach seinen Vorstellungen stimmungsvoll zu untermalen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg befand sich der ehemalige Pferde- und Kutschstall in einem erbärmlichen Zustand. An der Seite zur Schlossstraße gab es eine Hufschmiede, in der Pferde neue Eisen erhielten. Nach umfassender Sanierung und Restaurierung des Marstalls damals im Auftrag der Potsdamer Schlösserverwaltung, bei der auch die beschädigten Figurengruppen auf der Attika durch Kopien ersetzt wurden, konnte das 1981 gegründete Filmmuseum der DDR seine Besucher empfangen. In der Stadt der Babelsberger Filmstudios befindlich, dokumentiert es in seiner ständigen Ausstellung und Sonderschauen die wechselvolle Geschichte der Kinematographie, deren Anfänge im ausgehenden 19. Jahrhundert liegen. Das Museum schildert den langen und oft mühevollen Weg der Filme von der Idee bis zur Premiere. Vorgestellt wird ein sich langsam entwickelndes Massenmedium, das bis heute ungeachtet der Konkurrenz durch das Fernsehen und das Internet an Attraktivität nichts verloren, ja dank aufwändiger Produktionen großen Zulauf hat.

Schauspielernachlässe und jede Menge Drehbücher

Das Museum befindet sich seit 1991 in der Trägerschaft des Landes Brandenburg und gehört organisatorisch der Filmuniversität Babelsberg an. Die Sammlungen und Ausstellungen befassen sich mit der Geschichte der Produktionsbetriebe Bioscop, Ufa, DEFA und Studio Babelsberg. Wechselausstellungen, Familienausstellungen und Foyerausstellungen zu deutschen und internationalen Film- und Medienthemen ergänzen das reichhaltige Programm. Nach der Wiedervereinigung 1990 wurden große Anstrengungen unternommen, um die Sammlungen auszubauen, die Forschung zu intensivieren und internationale Verbindungen auszubauen. Die Innenräume des ehemaligen Marstalls wurden modernisiert und durch einen Kinosaal erweitert, außerdem gibt es in dem Gebäude ein Museumscafé. Das Kino im Marstall ist das einzige Filmtheater in der Innenstadt Potsdams und lädt täglich außer montags zu historischen Spiel- und Dokumentarfilmen sowie zu ausgewählten aktuellen Produktionen ein, die im Original mit Untertiteln oder synchronisiert gezeigt werden. Kinderfilme ergänzen das Programm. Die Reihe "Fast verpasst" widmet sich Filmen, die durch die immer schnellere Auswertungskette wenig in den Kinos zu sehen sind.

In den Themenräumen sehen Besucher alles, was mit Besetzung, Kostüm, Maske, Szenenbild, Dreharbeiten, Schnitt, Tongestaltung, Marketing und Verleihung von Filmpreisen zu tun hat. Zu sehen sind Original-Requisiten wie Kostüme, Bühnenbildmodelle, filmtechnische Apparate, Schneidetische sowie Exponate aus Nachlässen von Schauspielern und Regisseuren. Wechselausstellungen befassen sich mit unterschiedlichen Themen, während zusätzlich eine Foyerausstellung inklusive des monatlich wechselnden "Besonderen Objekts" die Besucher auf die Schätze des Hauses einstimmt.

Kino als Waffe im Klassenkampf

Aus einem Fundus von mehr als 3000 Spiel-, Dokumentar- und TV-Filmen haben die Ausstellungsgestalter die treffendsten Beispiele gewählt. Ihnen steht für die Dauerschau und die Sonderausstellungen ein einzigartiger Schatz von Drehbüchern, Kostümen, Kameras, Tonaufnahmegeräten und anderen Hinterlassenschaften zur Verfügung. Ausgestellt sind außer zahlreichen Porträts von Filmstars auch Kulissenarchitekturen wie das Modell einer typischen Berliner Straße aus der Zeit um 1900, der man in manchen Historienfilmen immer wieder neu und umgestaltet begegnet. Nicht verschwiegen wird im Filmmuseum die Instrumentalisierung "bewegter Bilder" für politische Zwecke. So kann man in einem kleinen Vorführraum einen rasanten Zusammenschnitt von Stumm-, Schwarzweiß- und Farbfilmen mit klarer politischer Tendenz betrachten. In der Nazizeit dienten Lustspiele, Liebesfilme und Historienschinken zur ideologischen Beeinflussung der "Volksgenossen", aber auch im Zweiten Weltkrieg zur Stärkung ihrer Durchhaltekraft.

Die DEFA nutzte nach dem Ende des Naziregimes und des Zweiten Weltkriegs Spiel- und Dokumentarfilme sowie die Wochenschau als Mittel im Klassenkampf und um den antifaschistischen Charakter des zweiten deutschen Staats herauszustreichen. Ziel aller Mühen war es, die Vorherrschaft der SED, die sich Partei der Arbeiterklasse nannte, zu festigen und zu legitimieren. Dass das nur bedingt gelang, zeigt die Geschichte der DDR und ihres Verschwindens im Orkus der Geschichte. Sozialkritische und solche Streifen, die nicht ins politisch-ideologische Konzept der Staatspartei passten, wurden nicht gedreht oder wie der berühmte Film von Frank Beyer "Spur der Steine" gleich nach der Uraufführung verboten. Wer genauer über die so genannten Keller- oder Kaninchenfilme Bescheid wissen will, die wie Kurt Maetzigs regimekritischer Streifen "Das Kaninchen bin ich" im Keller eines Archivs verschwanden, kann sich im Filmmuseum gut informieren.

DDR-Zensur unterdrückte missliebige Streifen

Ein großer Teil der von der Zensur unterdrückten Kaninchenfilme stammt aus den Jahren 1965 und 1966, aus der Zeit also, da viele Künstler und Kulturschaffende im Vertrauen auf eine gewisse Liberalisierung Werke schufen, die sich nicht stur an der Parteilinie orientierten, sondern das Leben schilderten, wie es ist und nicht wie es sein soll. Der populärste Kellerfilm war ohne Zweifel der unter der Regie von Frank Beyer gedrehte Film "Die Spur der Steine" mit Manfred Krug in der Hauptrolle. Während in "Das Kaninchen bin ich" die sozialistische Justiz und ein opportunistischer Richter kritisch aufs Korn genommen wurden, spielte "Die Spur der Steine" im Bauarbeitermilieu. Der Film, in dem ein Volkspolizist unter allgemeinem Gejohle ins Wasser geworfen und damit auch die Staatsmacht dem Spott preisgegeben wird, wurde kurzfristig aufgeführt. Partei- und Staatschef Walter Ulbricht und seine Leute organisierten Proteste in den Kinos, weshalb der Streifen zurückgezogen und im Depot der Defa und der Stasi verschwand. Erst 1989 konnte er offiziell wieder gezeigt werden. Weitere seinerzeit verbotene oder nicht fertig gestellte Filme waren (in Auswahl): "Der Frühling braucht Zeit" (Günter Stahnke, 1965), "Karla" (Herrmann Zschoche, 1966), "Berlin um die Ecke" (Gerhard Klein, 1965), Wenn du groß bist, lieber Adam (Egon Günther, 1965), "Hände hoch oder ich schieße" (Hans-Joachim Kasprzik, 1966), "Der verlorene Engel (Ralf Kirsten, 1966, über Ernst Barlach) "Jahrgang 45" (Jürgen Böttcher, 1966). Auch später wurden "missliebige" DEFA-Filme verboten oder bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt.

Nach dem Ende der alles bestimmenden SED tauchten die Film aus der Versenkung auf, und es zeigte sich, dass die in ihnen enthaltene Kritik an den Verhältnissen in der DDR eher verhalten war. Allerdings ging sie den damaligen Machthabern derart auf die Nerven, dass sie sich zu Verboten entschlossen. Das war dem Ansehen es zweiten deutschen Staates alles andere als zuträglich, doch darauf pfiffen die ganz und gar humorlosen Befehlsgeber im SED-Zentralkomitee. Während die von ihnen initiierten Propagandaschinken längst im Orkus der Geschichte verschwunden sind, spricht man auch heute von den einst geschmähten Kaninchenfilmen.

Auf der anderen Seite war das Babelsberger Unternehmen erfolgreich bei der Inszenierung von großen Werken der Weltliteratur, bei spannenden Abenteuer-, Kriminal- und Geschichtsfilmen sowie bei der Darstellung sozialkritischer Themen, soweit sich die damalige Staats- und Parteiführung von ihnen politischen Gewinn versprach. Dass Filme der Zensur zum Opfer fielen, war kein Charakteristikum der DDR, sondern wurde auch in der Kaiserzeit, der Weimarer Republik und verschärft in der Zeit des Nationalsozialismus praktiziert. Das Museum erinnert an das Schicksal zahlreicher Stars, Drehbuchautoren, Filmarchitekten und Komponisten, die bei den Nazis aus rassistischen und politischen Gründen ihre Arbeit und oft genug auch ihr Leben verloren. Die Ausgrenzung ging nach 1945 in der Sowjetischen Besatzungszone und der DDR weiter, wenn auch unter anderen Vorzeichen, weshalb viele dort in Ungnade gefallenen Filmkünstler nur noch Historikern und Cineasten ein Begriff sind. Deshalb ist es nur zu begrüßen, dass ihnen das Filmmuseum im Potsdamer Marstall ein würdiges Denkmal setzt.

Das Museum besitzt umfangreiche Sammlungen zu allem, was mit Filme und Künstlern zu tun hat, die in den Babelsberger Filmstudio gearbeitet haben. Verwahrt und ab und zu in den Ausstellungen gezeigt werden unter anderem Szenen-, Werk-, Aushang- und Porträtfotos, aber auch Szenenbild- und Kostümentwürfe, Modelle, Requisiten, Produktionsunterlagen, Drehbücher und Dokumente, die die Arbeit der Künstler und Techniker dokumentieren oder ihre Biografien erhellen. Wichtig sind darüber hinaus Presseausschnitte, Plakate, Programme und andere Werbeträger sowie Filmpreise. Hinzu kommen Nachlässe und Sammlungen, die durch ein Archiv von Zeitzeugengesprächen ergänzt werden. Ein Videoarchiv und eine Bibliothek stehen für wissenschaftliche Zwecke zur Verfügung. Zur Sammlung kinematographischer Geräte gesellen sich Patente, die Einblicke in die Entwicklungsgeschichte der Film- und Kinotechnik vermitteln.

3. Juni 2019

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