Kutschstall als Bildungs- und Begegnungsstätte
Museum der Brandenburg-Preußischen Geschichte steht an exquisitem Standort / Ehrung für Theodor Fontane ab Juni 2019



Wieder wie im 18. Jahrhundert farblich gefasst, lädt der Kutschstall am Neuen Mark in Potsdam zum Besuch ein. Im Hof befindet sich ein modernes Ausstellungs- und Vortragsgebäude.



Kutscher Pfundt bekam bei der Generalsanierung und Restaurierung des Kutschstalls seine Hände zurück und kann nun seine feurigen Rösser wieder antreiben.



Trotz der Ansiedlung von Instituten der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften in sanierten Bürgerhäusern am Neuen Markt war das Schicksal des Kutschstalls lange unklar. Heute zeigen sich das bedeutendste Haus am Platze und seine Randbebauung in guten Zustand.



Das vom Umgang unterhalb der Kuppel der Nikolaikirsche aufgenommene Foto zeigt eines der vier Achteckenhäuser, ein zweites soll in den kommenden Jahren nach alten Plänen neu gebaut werden. Für die Freifläche daneben ist der Bau einer Synagoge geplant.





Was aus der Geschichte des Landes Brandenburg erhalten und berichtenswert ist, wurde und wird im Potsdamer Kutschstall in Dauer- und Sonderausstellungen gezeigt. Zum 300. Geburtstag Friedrichs des Großen 2012 zog die Dokumentation "König und Kartoffel" zahlreiche Besucher an.



Kutschen, Sänften, Schlitten und andere historische Fahrzeuge des preußischen Hofes werden in der Remise des Schlosses Paretz gezeigt. Dieses Foto zeigt eine vor mehreren Jahren im Schloss Charlottenburg präsentierte Kutsche.



Wer Geld hatte, ließ sich in Kutschen und Sänften durch die Berliner Straßen transportieren. Ihr Zustand muss ganz schlimm gewesen sein und war deshalb eine Zumutung für vornehme Damen und Herren. Der Kupferstich aus dem 18. Jahrhundert zeigt eine solche Straßenszene. (Fotos/Repro: Caspar)

Gut besucht ist der Kutschstall am Neuen Markt im Herzen der brandenburgischen Landeshauptstadt, der 2001 als Haus der Brandenburg-Preußischen Geschichte genutzt wird und interessante Ausstellungen über Land und Leute, Geschichte, Kultur und Kunst auf sich aufmerksam macht. Bis April 2019 dokumentiert das Haus noch die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft es alten Kutschstalls, es folgt ab 6. Juni bis Ende des Jahres eine große Ausstellung über den Romancier und Wanderer durch die Mark Brandenburg, Theodor Fontane, dessen 200. Geburtstag groß gefeiert wird. Die Ausstellung folgt Fontane bei seinen Entdeckungsreisen und beantwortet die Frage, wie sich der Autor auf seine Fahrten vorbereitete und nach welchem Plan er durch die brandenburgische Provinz gereist ist und was er beiseite ließ. In der Dokumentation geht es auch darum, wer seine Begleiter und Informanten waren, was er gesehen und gelesen und mit wem hat er gesprochen hat. Schließlich vermittelt die Schau Einblicke in Fontanes Schreibwerkstatt und zeigt, wie das recherchierte Material in den Texten arrangiert und fast vier Jahrzehnte lang immer wieder neu bearbeitet wurde.

Von weitem ist das im Stil des Frühklassizismus erbaute Gebäude als frühere Heimstatt von Kutschen und Pferden zu erkennen. Über dem von Säulen flankierten Eingang steht eine steinerne Figurengruppe, die Johann Georg Pfundt zeigt, den Leibkutscher Friedrichs des Großen. Er treibt vier feurige Rösser an, die eine Karosse in Richtung Schloss ziehen. Der ungewöhnliche Dachschmuck wurde von den Brüdern Wohler und von Johannes Eckstein geschaffen. Im Material und der Gestaltung unterscheidet sich diese Quadriga ganz und gar von der vor über 200 Jahren von Johann Gottfried Schadow geschaffenen Quadriga auf dem Brandenburger Tor in Berlin. Diese Kupfertreibarbeit ehrt die Friedensgöttin Eirene, die mit ihren vier Pferden Kultur, Frieden und Wohlstand in die preußische Haupt- und Residenzstadt bringt.

Sorgenkind der Denkmalpflege

Bereits 1671 hatte der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg unweit seines damals noch recht bescheidenen Residenzschlosses einen Reitstall errichten lassen. Davor gab es nur den Stallplatz, auf dem Pferde ein- und ausgespannt wurden. 1725 verkleinert und mit einer neuen Pflasterung versehen, bekam das Areal den Namen Neuer Markt. Unter Friedrich dem Großen repräsentativ ausgebaut, genügte der bisherige Kutschstall nicht mehr damaligen städtebaulichen und architektonischen Ansprüchen, weshalb Hofbaumeister Andreas Ludwig Krüger das Haus um- und ausgebaut hat. Bis zum Ende der Monarchie wurden hier Pferde des kaiserlichen Hofes versorgt sowie dessen Kutschen, Sänften und Schlitten untergestellt. In Berlin gab es für diesen Zweck den weitaus größeren, nach Plänen des Architekten Ernst von Ihne erbauten Marstall wenige Schritte vom Stadtschloss entfernt, das seine Wiedergeburt als Humboldt Forum erlebt.

Die Bauten am Neuen Neue Markt aus dem 18. Jahrhundert hatten am 14. April 1945 wie durch ein Wunder den britischen Bombenangriff weitgehend überstanden, der die halbe Stadt einschließlich des Stadtschlosses und des Alten Marktes in der Nähe in Schutt und Asche gelegt hatte. Seither war der Neue Markt ein ständiges Sorgenkind der Denkmalpflege, die in DDR-Zeiten den schleichenden Verfall nicht verhindern konnte. Die politische Wende vor 30 Jahren gab die Chance für einen Neubeginn des architektonisch überaus reizvollen Gevierts und seine Nutzung als kulturelles Zentrum und Touristenmagnet.

In der Landeshauptstadt hatte man schon lange auf die Revitalisierung des alten Kutschstalls gewartet. In DDR-Zeiten war er als Gemüse- und Fruchthof genutzt. Niemand kümmerte sich um das wertvolle Bau- und Kunstdenkmal, aus dessen Dach Bäume wuchsen, so dass die Potsdamer die Sandsteingruppe als "Zieten aus dem Busch" verspotteten. Nach einer langen Periode des Stillstands und Verfalls, zog 2001, zur Dreihundertjahrfeier des preußischen Königtums, das Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte in das von Dach bis Keller sanierte und restaurierte Stallgebäude und lockt seither mit attraktiven Ausstellungen zahllose Wissensdurstige an. In guter Erinnerung ist unter anderem die Dokumentation "König und Kartoffel" über die Bemühungen Friedrichs des Großen, in seinem Reich die "Erdäpfel" als Volksnahrungsmittel heimisch zu machen.

Ungewöhnlicher Dachschmuck

Dass der unter König Friedrich Wilhelm II., dem Nachfolger Friedrichs des Großen, erbaute Kutschstall eine wichtige Dienstleistungseinrichtung des königlichen Hofes war, zeigen neben Kutscher Pfundt und seine Pferde auch andere Figuren auf dem Dach. Links und rechts der Quadriga sind Stallburschen dabei, Sättel und Zaumzeug in Ordnung zu bringen. Niedliche Putten machen sich ebenfalls an solchen Utensilien zu schaffen. Sie schmücken den Raum zwischen den Säulen und weisen das Gebäude als Stall und Garage des königlichen Hofes aus.

Die strenge Fassadengliederung mit rot gefärbten Säulen und gelben Putzfeldern knüpft an den von G. W. von Knobelsdorff geschaffenen Marstall wenige Schritte entfernt an. Der von polnischen Denkmalpflegern in den späten siebziger Jahren restaurierte Marstall am Lustgarten, einige hundert Schritt vom Kutschstall entfernt, ist durch seine wildbewegten Pferde- und Reiterfiguren schon von weitem ebenfalls als Nutzbau des Hofes zu erkennen. Für ihn fand sich in Gestalt des Filmmuseums schon in DDR-Zeiten mit Ausstellungen zur Geschichte der Kinematographie im Algemeinen und der der UFA und der DEFA im Ortsteil Babelsberg im Besonderen eine angemessene Nutzung. Wer möchte, kann sich im Museumscafé an einem guten kulinarischen Angebot erfreuen.

Als der Kutschstall für die Kaleschen und Schlitten des königlichen Hofes und seine Pferde errichtet wurde, hat man Kutscher Pfundt in friderizianischer Tracht mit Dreispitz auf dem Kopf und seinen vier Pferden auf die Attika gestellt. Solchen Dachschmuck ist in Potsdam nicht ungewöhnlich. Überall in der Stadt kann man diese barocke Hausdekoration bewundern. Ganze Bildhauerdynastien waren im 18. Jahrhundert mit ihrer Herstellung befasst. Nach umfassenden Voruntersuchungen fertigten Steinrestauratoren fehlende Pferdefüße, einen Arm des Kutschers und viele andere Details aus Ummendorfer Sandstein neu an und fügten sie dem Original ein. Außerdem wurde der schwarz angelaufene, stark verschmutzte Sandstein gereinigt und aufgehellt. Neugierige konnten den Steinrestauratoren zuschauen, wie Fehlstellen und Fugen durch Restaurierungsmörtel geschlossen werden. Zum Abschluss der Arbeiten wurden die Ergänzungen in Anlehnung an den Originalstein farblich gefasst, um einen geschlossenen Eindruck zu vermitteln. Alle Arbeiten wurden vom Brandenburgischen Landesdenkmalamt fachlich überwacht.

Ausstellung im Schloss Paretz

Die Preußische Schlösserstiftung zeigt ihre kunsthistorisch bedeutende Sammlung Berliner Prunkschlitten, Kutschen und Sänften des preußischen Königshauses vom späten 17. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts in der Remise des Schlosses Paretz bei Berlin. Hervorgegangen aus dem preußischen Marstall, waren die Wagen, Schlitten und Sänften bis 1942 im Hohenzollern-Museum im Berliner Schloss Monbijou zu sehen. Trotz Auslagerung während des Zweiten Weltkriegs blieben zum Teil erhebliche Beschädigungen nicht aus, die heute noch zu sehen sind. Gezeigt werden ferner einige Hofwirtschafts- und Transportfahrzeuge. Außerdem vermittelt die Ausstellung ein breit gefächertes Bild des künstlerischen und technischen Wagenbaus in Preußen, dessen Geschichte und Bedeutung als Wirtschaftsfaktor ebenso dokumentiert wird wie die der Sammlungen preußischen Marstallsammlungen.

15. Februar 2019

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