"Kunstscheune" im Zwielicht
Der teure Neubau für das Museum des 20. Jahrhunderts auf dem Berliner Kulturforum ist nicht jedermanns Sache





Neben der Sankt-Matthäus-Kirche aus dem 19. Jahrhundert soll bis 2026 auf dem Kulturforum die Kunst des 20. Jahrhunderts eine neue Heimstatt finden, weil die Neue Nationalgalerie wenige Schritte weiter die in Frage kommende Gemälde und Skulpturen nicht mehr fassen kann.



Das Kulturforum ist eine riesige Baustelle. Aktuell werden überall Bodenplatten verlegt, die bei Regen ziemlich rutschig sind. Dass der Platz auch begrünt wird, ist im Moment nicht zu erkennen.







Bisher kann man im Foyer der Gemäldegalerie auf dem Kulturforum nur Fotos, Simulationen und einige Modelle betrachten, deren Anblick die Gemüter erhitzt. Es könnte sein, dass sich diese beruhigen, wenn der Neubau 2026 eröffnet sein wird. Bis dahin aber kann sich noch viel ereignen und alles noch teurer werden. In Berlin kennt man das. Die Ansicht von oben, eine Simulation und das Modell gewähren einen Blick auf das Kulturforum von oben und in das Innenleben des Museums des 20. Jahrhunderts. (Fotos/Repros: Caspar)

Wenn in Berlin große Bauten in Angriff genommen werden, darf man sicher sein, dass ihre Ausführung länger dauert als geplant und auch die Kosten in die Höhe schnellen. So ist es auch mit dem Museum der Moderne, das auf einer freien Fläche an der Potsdamer Straße neben der Sankt-Matthäus-Kirche gebaut werden soll. Mit diesem Museum soll das Kulturforum, auf dem gerade Arbeiter dabei sind, es mit zahlreichen Steinplatten zu belegen, vollendet werden. Kaum waren die von einer Jury zur Ausführung bestimmten, im Vestibül der Gemäldegalerie auf dem Kulturforum gezeigten Entwürfe der Schweizer Architekten Jaques Herzog und Pierre de Meuron bekannt, da wurden sie schon heftig kritisiert. Von "Kunstscheune" ist die Rede, von einem besseren Bierzelt und vergrößerter Kaufhalle, die überhaupt nicht zu den anderen Gebäuden an diesem prominenten Ort im Bezirk Tiergarten unweit des Potsdamer Platzes passt.

Seitdem heraus ist, dass die geplanten Baukosten nicht 200 Millionen Euro, sondern mindestens 450 Millionen Euro betragen werden, ist das Entsetzen groß. Die Bundesregierung und die Stiftung Preußischer Kulturbesitz tun alles, um Form und Kosten des "Museums des 20. Jahrhunderts der Nationalgalerie am Berliner Kulturforum", so der offizielle Name, zu rechtfertigen und den Neubau der Öffentlichkeit schmackhaft zu machen. Die Kostensteigerungen haben vielfältige Ursachen, die man angeblich erst jetzt wahrgenommen hat. So mussten die Architekten ihre Pläne ändern, weil sie das Galeriegebäude zu dicht an die Sankt-Matthäus-Kirche gerückt hatten. Das aber gefiel dem Berliner Denkmalschutz überhaupt nicht. Um all die vielen Kunstwerke unterbringen zu können, hätte das Haus sehr hoch gebaut werden müssen. Es hätte in dieser Form die anderen Gebäude am Kulturforum überragt und eine zu dominante Rolle gespielt, weshalb es gegen diese Variante Widerstand gab. Um das Platzproblem zu meistern, werden nun große Teile der Ausstellungsflächen in den Untergrund verlegt. Allerdings ist dies weder einfach zu bewerkstelligen noch preiswert zu haben, weil die Kelleräume gegen eindringendes Wasser gesichert werden müssen. Der feuchte und schwankende Untergrund hat schon immer den Hausbau in Berlin erschwert und teuer gemacht, und das alles hätte man schon bei der Planung und der Auswahl der Entwürfe berücksichtigen müssen.

Unterirdischer Gang von hier nach dort

Das Museum des 20. Jahrhunderts nimmt Konvolute der Sammlungen Pietzsch, Marx und Marzona auf, überdies hat auch der Maler Gerhard Richter zugesagt, eine große Zahl seiner Werke ihm zur Verfügung zu stellen. Arbeiten aus dem benachbarten Kupferstichkabinett und der Kunstbibliothek werden die Präsentation abrunden. Um trockenen Fußes vom Museum für die Kunst des 20. Jahrhunderts zur in die Neue Nationalgalerie zu gelangen und umgekehrt, wird ein unterirdischer Tunnel angelegt. Die von der James-Simon-Galerie ausgehende Archäologische Promenade, die die einzelnen Häuser auf der Museumsinsel verbindet, könnte für den neuen Verbindungsgang Pate gestanden haben.

Für das Museum der Moderne soll im Herbst 2019 der traditionelle Spatenstich stattfinden, mit seiner Fertigstellung wird für 2026 gerechnet. Wie der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, erklärte, sei die Entwurfsplanung des Architekturbüros Herzog & de Meuron abgeschlossen. "Die jetzt vorliegende Berechnung geht von Baukosten in Höhe von 364,2 Millionen Euro für den Neubau aus. Außerdem müssen 52,2 Millionen für künftige Bau-Indexsteigerungen und 33,8 Millionen Euro Risikokosten hinzugerechnet werden, so dass sich die Gesamtsumme dann auf 450,2 Millionen Euro beläuft. Wir beschreiten jetzt einen Weg der Klarheit und wir freuen uns auf ein spektakuläres Haus, mit dem wir international aufschließen können." Er, Parzinger, sei der Bundesregierung, vor allem der Kulturstaatsministerin Monika Grütters und dem Bundesfinanzminister Olaf Scholz, aber auch dem Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages sehr dankbar, dass sie den Erweiterungsbau der Nationalgalerie unterstützen. "Wir wissen, dass es hier um mehr als ein Museumsneubau für eine der wichtigsten Sammlungen der Welt geht. Nach Jahren fruchtloser Debatten wird nun endlich das Kulturforum vollendet. Gerade das verbindende Element und die städtebauliche Kraft sind die bestechenden Gedanken des Entwurfs von Herzog & de Meuron, auf den sich die Jury seinerzeit einstimmig verständigt hatte. Es profitieren alle davon - die Gäste der Philharmonie ebenso wie die Besucher der Matthäus-Kirche, die Nutzer der Staatsbibliothek wie die Liebhaber der Gemäldegalerie."

Plattform für interdisziplinäre Debatten und Forschungsarbeiten

Der Direktor der Neuen Nationalgalerie, Joachim Jäger, betont, dass der Bau dringend gebraucht wird. "Unsere Sammlung hat sich seit den 1960er Jahren durch die Zusammenlegung der Bestände aus Ost und West, durch zahlreiche Ankäufe und Schenkungen mindestens verdreifacht. Aber sie ist zerrissen, über viele Standorte verteilt und aus Platzgründen immer nur in Ausschnitten zu sehen. Viel zu vieles schlummert im Depot." Mit dem Neubau werde die Platznot behoben, und es werde möglich sein, die Kunst des 20. Jahrhunderts von Max Beckmann bis Bruce Nauman, von Kurt Schwitters bis Jason Rhoades als Kontinuum zu erfahren. Die Vision für das Museum des 20. Jahrhunderts bestehe darin, die Kunst in Kontexten zu zeigen, die jenseits einer Ästhetikgeschichte auf politische und sozialgeschichtliche Bezüge verweisen. In diesem Sinne sei der Neubau auch eine Plattform für interdisziplinäre Debatten und Forschungsarbeiten.

Der Architekt Jacques Herzog kann die Aufregung rund um den neuen Galeriebau und die Kostensteigerung nicht verstehen. "Das Museum des 20. Jahrhunderts ist eine eigenständige Architektur, wie der Bau von Mies und die Architekturen von Scharoun. Außer seiner Funktion für die Präsentation von Kunst hat es aber noch eine andere, ganz wesentliche Aufgabe: Das Verbinden und Vernetzen der umliegenden Gebäude und Außenräume zu einem städtebaulichen Ganzen - einem Kulturforum für das 21. Jahrhundert. Wir haben gemeinsam mit den Bauherren und Nutzern entscheidende Fortschritte gemacht. Große Tore und Eingänge schaffen eine räumliche Verbindung zwischen dem Museum und den umliegenden Plätzen und Straßenräumen. Ein Ost-West-Boulevard ist als öffentlicher Weg durch das Gebäude vorgesehen. Das weite Giebelfeld wendet sich hin zur Philharmonie und zum Kammermusiksaal. Die Nordfassade ist großflächig verglast und ermöglicht direkte Blickbezüge vom Museum auf den Scharounplatz und die Potsdamer Straße. So wird das Museum von außen erlebbar und zugleich Teil des Lebens auf dem Kulturforums." Angesichts des Klimawandels und zu erwartender Hitzeperioden wird es nicht leicht sein, ein solcherart verglastes Haus im Interesse der Besucher und Mitarbeiter sowie der ausgestellten Kunstwerke kühl zu halten.

27. September 2019

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