In einem Radius von etwa nur einem Kilometer besitzt die brandenburgische Landeshauptstadt Potsdam vier Museen - das Potsdam Museum im barocken Rathaus am Alten Markt und gleich nebenan das Museum der Moderne im wieder aufgebauten Palais Barberini, ferner ein paar Schritte weiter das Filmmuseum im Marstall aus der Zeit Friedrichs des Großen am Lustgarten und das Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte im Kutschstall am Neuen Markt, der wie durch ein Wunder als einziges Bauensemble aus dem 18. Jahrhundert weitgehend den schrecklichen Bombenangriff vom 14. April 1945 auf die Stadt überstanden hat und in DDR-Zeiten als Gemüselager ein kümmerliches Dasein fristete.
Wenn man es richtig anstellt, kann man alle Ausstellungen ziemlich zügig besuchen, hat dann allerdings den Kopf so voll mit Eindrücken, dass man anschließend Mühe haben könnte, alles zu sortieren und einzuordnen. Als Kultur- und Forschungseinrichtung sammelt, bewahrt und erforscht das Museum Kunstwerke, Fotografien, historische Gegenstände und Dokumente zur Geschichte und Kultur der Stadt vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Mit mehr als 270.000 Objekten ist das Museum eine der größten kunst-, kultur- und regionalgeschichtlichen Sammlungen Land Brandenburg. Schwerpunkt bilden das 19. bis 21. Jahrhundert mit den Bereichen Bildende Kunst, Fotografie, Militaria, Alltagskultur und Angewandte Kunst, Schrift und Druck. Außerdem verfügt das Museum über eine umfangreiche wissenschaftliche Bibliothek.
Vergoldeter Atlas trägt die Weltkugel
Von Potsdamer Bürgern im Jahr 1909 gegründet, wurde das Potsdam Museum 2012 im ehemaligen Rathaus am Alten Markt neu und großzügig eingerichtet. Erbaut von 1753 bis 1755 nach Ideen von König Friedrich II., dem Großen, durch Jan Boumann d. Ä. und Christian Ludwig Hildebrandt, ist das Haus schon von Weitem an seinem mit grün patiniertem Kupferblech bedeckten Turm zu erkennen, auf dem ein vergoldeter Atlas die Weltkugel trägt. Verbunden durch einen schmalen Trakt mit Eingang, Kasse, Buchstand und Fahrstuhl, gehört das sogenannte Knobelsdorff-Haus mit seinem ungewöhnlichen, aus Chinesenköpfen bestehenden und einem vergoldeten Balkongitter Fassadenschmuck dem Museumsensemble an.
Im Alten Rathaus und seinen Nebengebäuden regen rund 500 Objekte und zahlreiche Medienstationen auf 1300 Quadratmeter Ausstellungsfläche an, sich mit der Potsdamer Geschichte zu beschäftigen. Der Bogen wird von der Urkunde aus dem Jahr 993, die die spätere Stadt an der Havel erstmals als "Poztupimi" erwähnt, zu Bildern und Objekten aus der jüngsten Zeit vor und nach dem Ende der DDR und der Wiedervereinigung von 1990. Anlässlich der friedlichen Revolution und des Falls der Berliner Mauer und der innerdeutschen Grenze vor 30 Jahren sind im Potsdam Museum und an anderen Orten Ausstellungen und Vorträge geplant, es finden darüber hinaus Gottesdienste und Kranzniederlegungen statt. Bei diesen Gelegenheiten wird auch daran erinnert, dass Potsdam nach 1945 ein zentraler Ort der sowjetischen Besatzungsmacht war, die sich, wie nach 1949 die Staatssicherheit der DDR auch, auf perfide Weise ihrer Gegner entledigte. In den Gedenkstätten Lindenstraße und Leistikowstraße wird es zu diesem dunklen Kapitel der Stadt- und Landesgeschichte verschiedene Veranstaltungen geben.
Möbel, Militär und Modelle
Das Museum präsentiert zu seiner ständigen Ausstellung wissenschaftlich fundierte und spannend inszenierte Sonderschauen zur Kunst, Kultur und Stadtgeschichte. Damit wird das Haus am Alten Markt für die Einwohner der Stadt und ihre Gäste zu einem interessanten und zudem noch zentral gelegenen Ort der Begegnung und des Lernens. Das hier eingerichtete Forum für Kunst und Geschichte bietet darüber hinaus Begleit- und Veranstaltungsprogramme zu den Ausstellungen und aktuellen Themen der Landeshauptstadt an. Für junge Besucher gibt es abwechslungsreiche und spannende museumspädagogische Angebote. Besucher erleben anhand von Grafiken und Gemälden, Büchern und Plakaten, Möbeln, Keramiken und Gläsern, kunsthandwerklichen Erzeugnissen, Modellen von Bauwerken sowie Hinterlassenschaften des früher über alle Maßen das Stadtbild prägenden Militärs, wie sich die kurfürstliche und königliche Residenz- und Garnisonstadt im Laufe der Jahrhunderte zu einer respektablen Großstadt gewandelt hat. So weit Grafiken, Drucke und Handschriften gezeigt werden, können sie aus konservatorischen Gründen nur als Reproduktionen präsentiert werden.
Das Museum schildert, was es mit dem berühmt-berüchtigten, von Monarchisten, Militaristen und Faschisten gepflegten "Geist von Potsdam" auf sich hat und mit welch brachialen Mitteln dieser in DDR-Zeiten aus der Stadt und den Köpfen vieler ihrer Bürger ausgetrieben wurde. Durch Abriss ungeliebter Bauten, allen voran des beim Bombenangriff vom 14. April 1945 schwer beschädigten Stadtschlosses und der Garnisonkirche, sowie die Umgestaltung ganzer, zum Teil intakter Straßenzüge und Plätze sollte Potsdam in eine "sozialistische Bezirkshauptstadt" verwandelt werden. In den mit vielen Kostbarkeiten bestückten Vitrinen wird gezeigt, wie sich die in der Ausstellungen durch verschiedene Porträts präsenten Hohenzollern um den Ausbau und die Verschönerung der Stadt an der Havel mühten und was davon nach der Bombardierung drei Wochen vor Kriegsende geblieben ist. Viele Besucher werden überrascht sein wenn sie sehen, dass Potsdam mit seinen Manufakturen und Fabriken bereits im 18. Jahrhundert ein wichtiger Wirtschaftsstandort war. Hier gab es eine florierende Gewehrfabrik und Textilproduktion, die für die Armee tätig waren, während eine ausgeprägte Glas-, Keramik- und Möbelfabrikation die Bedürfnisse des königlichen Hofs und des gehobenen Bürgertums befriedigte.
Luxuswaren für den königlichen Hof
Was ab Mitte des 18. Jahrhunderts in Potsdam, nach Berlin und Frankfurt an der Oder die wichtigste Manufakturstadt in Preußen, hergestellt wurde, kann man beim Rundgang anhand ausgewählter, manchmal ausgesprochen exquisiter Exponate sehen. Nach dem Tod Friedrichs II. im Jahr 1786 ging die Herstellung von Luxuswaren für den königlichen Hof zurück, erfährt man beim Rundgang, weshalb Manufakturen, Künstler und Handwerker in große Not gerieten und sich mit anderen Tätigkeiten über Wasser zu halten suchten.
Deutlich wird, wie sehr Potsdam von der Zuwanderung aus anderen Ländern profitiert hat. So ist dem Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm zu verdanken, dass er mit dem "Edikt von Potsdam" von 1685 den wegen ihres Glaubens aus dem katholischen Frankreich geflüchteten Hugenotten Hilfe, Freundschaft und Vergünstigungen zusagte. Auch spätere Monarchen siedelten Kolonisten aus anderen Ländern an und sorgten dafür, dass sie in Brandenburg-Preußen und natürlich auch in Potsdam Arbeit, Wohnung und Brot bekamen. Darüber hinaus zeigt die Ausstellung, dass sich die beschauliche Stadt der Schlösser und Gärten nach der Reichsgründung von 1871 zu einem wichtigen, weltweit geachteten Wissenschaftsstandort entwickelt und uns wichtige Erkenntnisse über Astronomie und alles beschert hat, "was die Welt im Inneren zusammenhält", um Johann Wolfgang von Goethe zu zitieren, der sich hier im Mai 1778 umgesehen und wenig erfreuliche Eindrücke von den Schlössern Friedrichs II. und seinen Höflingen empfangen hat. Geschildert wird ferner die Rolle des Ortsteils Babelsberg als Zentrum der Filmindustrie, doch wer es genauer wissen möchte, kann sich im Filmmuseum am Lustgarten umfassender informieren.
Hier wurde Preußen groß
Selbstverständlich sind im Alten Rathaus die dunklen Seiten der Stadtgeschichte präsent - der in Potsdam ausgeprägte Untertanengeist, der dünkelhafte Hochmut, das berüchtigte Schwadronieren und Säbelrasseln in Hof- und Militärkreisen und der Missbrauch "preußischer Traditionen und Tugenden" durch Monarchisten, Militaristen und Nationalsozialisten. Auf einer in der Ausstellung gezeigten Postkarte von 1940 ist dieses Gedicht zu lesen: "Du heiliger Deutscher Boden in heiliger Deutscher Mark, - / Hier wurde Preußen groß, hier wurde Deutschland stark! / Hier hat der große König gern und oft gelebt, - / Hier hat er Deutschen Geist der Landschaft einverwebt. / Betritts Du diese Auen, so hemme Deinen Schritt, / Und nimm in Deine Heimat Dir diese Mahnung mit: / Denk auch daheim daran, nach diesem Geist zu streben, - / Es muss in Deutschland bald zehntausend Potsdams geben!"
Dass es auch das andere Potsdam gab, die Stadt der Kunst und Kultur, des Humanismus und der Toleranz, wird im Museum am Alten Markt nicht verschwiegen. Eine von ihm gestaltete Ausstellung im Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft des Landes Brandenburg an der Henning-von-Tresckow-Straße 2-8 erinnert an den Widerstand Potsdamer Offiziere gegen das Hitlerregime und ihre Rolle beim gescheiterten Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944. Einer von ihnen war Henning von Tresckow. Er trat 1917 als Fahnenjunker in das vornehme 1. Regiment zu Fuß in Potsdam ein und kam später mit Fürsprache des Generalfeldmarschalls Paul von Hindenburgs in das berühmte Infanterie-Regiment 9.
Widerstand gegen Hitler
Henning von Tresckow war einer von wenigen, der die Verbrechen von Wehrmacht, SS und SD insbesondere in den besetzten Gebieten verurteilte. Nach den schnellen Siegen der Wehrmacht in Polen, Frankreich, Skandinavien und anfangs auch in der Sowjetunion war Hitler in großen Teilen der der Bevölkerung ausgesprochen populär. Über den Massenmord an Juden, Sinti und Roma und Kranken wurde hinweg gesehen, und auch die blutige Verfolgung von Widerstandskämpfern und auch von Menschen, die nur "Feindsender" hörten oder einen politischen Witz erzählten, war in vielen Familien kein Thema. Auch in der Wehrmacht, aus der sich später ein Teil der Verschwörer rekrutierte, sah man die Kriegserfolge zunächst mit Genugtuung. Doch wuchsen mit den sich nach 1941 häufenden militärischen Niederlagen und Fehlschlägen die Ernüchterung und der innere Widerstand.
Die Verschwörer des 20. Juli 1944 wollten mit dem Attentat auf Hitler das NS-Regime beenden und die Macht im Reich übernehmen. Kurz vor dem Attentat wurde Henning von Tresckow noch einmal versetzt und fiel daher für die konkrete Planung und Durchführung des Anschlags aus. An seiner Stelle erhielt Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg durch die Teilnahme an einer Lagebesprechung in Hitlers Hauptquartier Wolfsschanze die Gelegenheit, den Bombenanschlag am 20. Juli 1944 durchzuführen, der aber misslang, weil Hitler überlebte. Noch am gleichen Tag erfuhr von Tresckow davon. Da er ahnte, dass seine Beteiligung schon bald aufgedeckt wird, beging Henning von Tresckow am 21. Juli 1944 an der Front bei Ostrow Selbstmord. Stauffenberg und Mitverschwörer wurden noch in derselben Nacht im Berliner Bendlerblock erschossen. Nach den Prozessen vor dem Volksgerichtshof wurde von Tresckows Leiche auf dem elterlichen Gut in Wartenberg von der Gestapo exhumiert und verbrannt.
20. Juni 2019
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