Der preußische Apoll
Kunstgewerbemuseum im Schloss Köpenick widmet dem 1806 gefallenen Prinzen Louis Ferdinand eine sehenswerte Ausstellung



Das Kunstgewerbemuseum Schloss Köpenick ist täglich außer montags von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Eine neue Sonderausstellung ist dem Prinzen Louis Ferdinand von Preußen gewidmet.



Eng mit Preußens König Friedrich Wilhelm III. verwandt, hatte der allseitig gebildete Prinz am Berliner und Potsdamer Hof so etwas wie Narrenfreiheit. Es bleibt Spekulation, welche Höhen er erklommen hätte, wäre er nicht am 10. Oktober 1806 bei Saalfeld im Kampf gegen die Franzosen gefallen. Rechts Gemälde von Jean-Laurent Mosnier 1799.



Dreizehn Kompositionen des Prinzen wurden, stets mit dem preußischen Adler geschmückt, veröffentlicht, auch heute werden sie gespielt.





Kostbarer Porzellane und Bronzen aus Berliner Manufakturen lassen ahnen, wie es zur Zeit des Prinzen Louis Ferdinand in Berliner Salons ausgesehen hat.



Die schönen Schwestern Henriette (rechts) und Elisabeth Fromme wurden 1804 von Johann Gottfried Schadow porträtiert.



Als Heldentod betrauert, war das jähe Ende des Prinzen am 10. Oktober 1806 vielfach Thema von Romanen, Gedichten und Bildern, hier eine Zeichnung von Richard Knötel um 1900.



Den mit einer Krone geschmückten Sarg des Prinzen Louis Ferdinand kann man in der Hohenzollerngruft des 1905 eingeweihten Doms am Berliner Lustgarten betrachten.



Das von Schinkel entworfene und von Tieck ausgeführte Denkmal in Wöhlsdorf unweit von Saalfeld erinnert mit seinem schönen Jüngling an den frühen Tod des Prinzen Louis Ferdinand von Preußen. Rechts erinnert die Medaille von 1793 an die Rettung eines österreichischen Soldaten durch Louis Ferdinand bei der Belagerung von Mainz. (Fotos/Repros: Caspar)

"Sechs Fuß hoch aufgeschossen, / Ein Kriegsgott anzuschaun, / Der Liebling der Genossen, / Der Abgott schöner Fraun, / Blauäugig, blond, verwegen / Und in der jungen Hand / den alten Preußendegen - Prinz Louis Ferdinand" - so begann Theodor Fontane sein Gedicht über eine schon zu Lebzeiten und erst recht nach seinem Soldatentod am 10. Oktober 1806 bei Saalfeld von manchen Legenden umwölkte Ausnahmeerscheinung in der Hohenzollerndynastie - Prinz Louis Ferdinand von Preußen. Sein Vater August Ferdinand von Preußen war der jüngste Bruder Friedrichs II., des Großen, mithin war der am 18. November 1772 im Berliner Schloss Friedrichsfelde geborene Louis Ferdinand ein Neffe des wohl bekanntesten Preußenkönigs. Weil die Mädchen und die Schulden den Prinzen aufzehren, wie Fontane schrieb, und um ihn zur Räson zu bringen, hat man ihn in die preußische Provinz, nach Magdeburg abgeschoben und mit einem militärischen Kommando betraut.

Der "preußische Apoll", wie man Louis Ferdinand bewundernd nannte, fand Mittel und Wege, um heimlich in das eigentlich für ihn gesperrte Berlin und zu seinen Geliebten zu gelangen, denn von denen hatte er mehrere. Nicht lange, da war es um den erst 34 Jahre alten Außenseiter geschehen. Zusammen mit der aus Mecklenburg-Strelitz stammenden Königin Luise und einigen Mitstreitern hatte Louis Ferdinand den zögerlichen König Friedrich Wilhelm III. in einen Krieg gegen Napoleon I. gedrängt. Diesen Krieg konnte das angeblich unbesiegbare, in Wahrheit aber von alten Generalen geführte und mit veralteter Taktik agierende preußische Heer nicht gewinnen. Unmittelbar vor der Entscheidungsschlacht von Jena und Auerstedt am 14. Oktober 1806 zwischen Preußen und Frankreich starb Louis Ferdinand, von französischen Säbelhieben getroffen, nahe Saalfeld in Thüringen. Fontane schrieb: "Vorauf den andern allen / Er stolz zusammenbrach; / Prinz Louis war gefallen / Und Preußen fiel - ihm nach."

Musik und schöne Frauen

Das Kunstgewerbemuseum der Staatlichen Museen zu Berlin Preußischer Kulturbesitz widmet dem hochadligen Schöngeist, Salonlöwen und begnadeten Komponisten in Zusammenarbeit mit dem Verein Musik in Brandenburgischen Schlössern im Schloss Köpenick eine bis zum 6. Oktober 2019 laufende Ausstellung. Louis Ferdinands Leben wird anhand von Bildern und Schriftstücken, Möbel und Einrichtungsgegenstände aus dem Bestand des Kunstgewerbemuseums und anderer Sammlungen nachgezeichnet. Sie vermitteln einen lebhaften Eindruck von den Berliner Salons, in denen sich um 1800 Damen und Herren von Rang und Stand, Geist und Geld trafen, um miteinander über Gott und die Welt zu parlieren und gepflegte Hausmusik zu machen. Die Ausstellung schildert, in welchem goldenen Käfig der Prinz aufwuchs und was er meinte, als er mit sieben Jahren seinen strengen und ungeliebten Vater wissen ließ: "Ich muss jetzt ein bisschen Prinz sein, die Leute wollen es durchaus so haben."

Musik war neben schönen Frauen die zweite große Leidenschaft des wegen seines luxuriösen Lebenswandels bis über die Ohren verschuldeten Prinzen. Während sein Friedrich II., der Große, virtuos die Flöte blies und komponierte und sein Neffe und Nachfolger Friedrich Wilhelm II. das Cello strich, verstand sich Louis Ferdinand aufs Klavierspielen und das Komponieren. Einige Stücke wurden gedruckt und können in der Ausstellung zusammen Lobessprüchen von Komponisten der damaligen Zeit betrachtet werden. Der berühmte Komponist und Musikschriftsteller Robert Schumann nannte Louis Ferdinand einen seiner Lieblingsmeister und hielt 1840 fest: "Vielleicht erinnert man sich auch des romantischsten aller Fürstensohne, des Prinzen Lous Ferdinand von Preußen und seiner Quartette, die ihm in der Geschichte der Musik ein unvergleichliches Andenken sichern." Über den hochbegabten Prinzen sagte Ludwig van Beethoven 1796: "Er spielt gar nicht königlich oder prinzlich, sondern wie ein tüchtiger Clavierspieler." Wer möchte, kann der Musik des Prinzen sowie Kompositionen von Zeitgenossen im Rahmen des Festivals "Berliner Frühlingsklassik" im Gobelin-Saal des Bode-Museum sowie in der Konzertreihe "Musik der Salons" im Köpenicker Schloss zuhören. Man bekommt so, ergänzt durch Bilder und Informationen aus der Ausstellung, einen guten Eindruck von der Musikpflege in Berlin und Preußen in der Zeit der Napoleonischen Kriege, zu deren prominentesten Opfern der Prinz gehörte.

Als Preußen nach dem Krieg von 1806/7 am Ende war und der König mit seiner Gemahlin Luise und den Kindern auf beschwerlichem Weg nach Ostpreußen geflüchtet waren und dem Diktatfrieden von Tilsit zustimmen mussten, ergoss sich Wut auf Louis Ferdinand, den man für einen unverantwortlichen Kriegstreiber hielt. Er sei ein Mann ohne Moralität gewesen, hieß es 1807 in einem Pamphlet. Er habe sich dem Champagner und schönen Mädchen hingegeben und Abwechselung bei Musik und Jagd gesucht. Doch das waren Stimmen von Außenseitern, denn in den Nachrufen überwogen wahre Trauer, und so kam es, dass man auf Berliner Straßen zur Leierkastenmusik sang: "Klaget, Preußen, ach, er ist gefallen, / Der geliebte Menschenfreund als Held".

Menschenfreund und Held

Louis Ferdinand, der Inbegriff für Tatendrang, Kraft, Schönheit und Kunstverständnis, Leichtigkeit und Leichtsinn, wurde am 18. November 1772 im Schloss Friedrichsfelde, das im heutigen Tierpark Friedrichsfelde als Veranstaltungsort genutzt wird, als Sohn des Prinzen August Ferdinand und der Prinzessin Anna Elisabeth Luise von Brandenburg-Schwedt geboren. Der Vater machte den Siebenjährigen Krieg (1756-1763) als Generalmajor mit, tat sich aber durch besondere militärische Leistungen nicht hervor. Er war ein Mann ohne besondere Eigenschaften, wenn man von seinem Hang zur Sparsamkeit, um nicht zu sagen zum Geiz und von seiner Kränklichkeit absieht, mit der er das damals ungewöhnlich hohe Alter von 83 Jahren erreichte.

Die Erziehung des aufgeweckten und wohl auch widerspenstigen Louis Ferdinand verlief nach dem Standard für preußische Prinzen. Dass er schwer zu lenken war, war nichts Besonderes, auch andere Hohenzollernsprösslinge machten ihren zivilen Hauslehrern und militärischen Ausbildern das Leben nicht leicht. Was der Heranwachsende aus Überzeugung tat, das tat er mit Hingabe, wird erzählt, etwa wenn er anderen Leuten helfen konnte. So soll er einen Teil seines nicht großen Taschengeldes an Bedürftige gegeben haben, und als sich das herumsprach und der junge Mann von allen möglichen Leuten seiner Umgebung angepumpt wurde, hagelte es väterliche Verbote. Zu vermerken ist, dass der aufgeweckte Prinz gern und viel las.

Eckart Kleßmann hat in seiner fundierten Biographie von 1972 über Louis Ferdinand von Preußen mit dem Untertitel "Gestalt einer Zeitenwende" neben vielen anderen wenig bekannten oder noch nie ausgewerteten Quellen auch die Lese- und Bücherliste des Prinzen zwischen 1780 und 1787 analysiert. Von den Titeln kann man auf ausgeprägte geistige Interessen des Heranwachsenden schließen. Pädagogische und aufklärerische Schriften hat er gelesen, Robinsonaden und modische Romane. Dazu kommen Geschichtsbücher und militärische Schriften sowie Lebensbeschreibungen berühmter Zeitgenossen und Darlegungen über Kriege des 18. Jahrhunderts. Dass er auch zeitgenössische deutsche Literatur las, ist, bis auf Klopstocks "Messias", nicht belegt. Kleßmann weist eine Bemerkung des preußischen Zeitkritikers August Varnhagen von Ense zurück, wonach Louis Ferdinand aus Büchern wenig gelernt habe. Im Gegenteil darf man annehmen, dass bei ihm manches haften geblieben ist und sein Weltbild beeinflusst hat.

Leben im goldenen Käfig

Angehörige des Hauses Hohenzollern zu sein, hatte manche Licht- und Schattenseiten. Sie unterlagen hartem Drill, entbehrten in der Regel emotionaler Zuwendung durch die Eltern, wurden schon früh im Repräsentieren geübt, alles unterlag der Überwachung und Kommentierung. Eheliche Verbindungen wurden in der Regel nicht aus Liebe, sondern aus Gründen der Staatsräson geschlossen. Als Prinz hatte Louis Ferdinand viele Privilegien, er musste sich keine Sorgen um sein Fortkommen machen. Für ihn war alles vorbestimmt - Eintritt in die Armee als Knabe, regelmäßige Beförderungen, Übertragung von militärischen Kommandos, zwischendurch höfische Vergnügungen und viel Freizeit. Gutmeinende Beobachter wie der spätere Reformpolitiker Karl Reichsfreiherr vom und zum Stein setzten in den Prinzen hohe Erwartungen. Er sei ein Mann "von Anlagen und großen Vorsätzen", werde aber der Kleinlichkeit und Weichlichkeit des Zeitalters nicht widerstehen, "wenn ihm nicht große Situationen, in welche er in Zukunft kommt, dagegen schützen." Der spätere Reformpolitiker bemängelte, dass der Prinz mehr mit seinen Vergnügungen und Zerstreuungen beschäftigt ist, als es ihm gut tut. "Ich fürchte, der widersteht nicht dem Geist der Persönlichkeit und der Weichlichkeit seines Zeitalters."

Zweifellos lag die "Welt", vor allem die Frauenwelt dem schönen, eleganten und weltläufigen Louis Ferdinand zu Füßen. Die Liste der Damen, mit denen er Liebesbeziehungen hatte, ist lang, doch keine verfügte über einen langen hochadligen Stammbaum, war also dem Prinzen nicht ebenbürtig. Louis Ferdinand war an der auch von seinem Vater favorisierten Verbindung mit der vermögenden und als reizend und "mit Demut" begabt geschilderten Prinzessin Wilhelmine von Kurland interessiert. Die Hochzeit hätte den Vorteil gehabt, dass er aus der Schuldenfalle gekommen wäre, die ihn zunehmend belastete. Doch hatte das Familienoberhaupt König Friedrich Wilhelm II. aus außenpolitischen Gründen und wegen Wilhelmines Nähe zu Russland Einwände. Kinder aus der Verbindung wären nicht thronfolgeberechtigt gewesen, und außerdem hielt er Wilhelmines Mutter für eine "höchst intrigante Frau", mit der er, der König, nichts zu tun haben möchte. Das Verhältnis zwischen Preußen und Russland war delikat, zwischen denen Polen stand, das gerade von beiden Staaten im Verbund mit Österreich zerstückelt wurde. Vielleicht dachte Friedrich Wilhelm II. auch daran, dass sein Einfluss auf den aufgehenden Stern am preußischen Himmel durch die Heirat mit der Kurländerin schwindet und er gar einen Konkurrenten bekommt.

Suche nach der standesgemäßen Gemahlin

Louis Ferdinand wusste sich über die Eingriffe des Königs in seine Hochzeitspläne zu trösten. Geheiratet hat er nicht, er hatte damit auch keine Eile. Wer hätte denn ahnen können, dass sein Leben schon mit 34 Jahren enden würde, ähnlich früh wie das der König Luise von Preußen. Ein Mann wie er hatte an Frauen keinen Mangel, weder solchen von Adel noch solchen bürgerlichen Standes. Mätressen zu haben, war damals in gehobenen Kreisen Usus und galt nicht als anstößig. Wichtig war es für die Königsklasse, dass legitime Nachkommen als potenzielle Thronerben und zur Einheirat in andere fürstliche Familien gezeugt wurden. Der bis 1797 regierende Friedrich Wilhelm II. ging mit leuchtendem Beispiel voran, denn auch er hatte neben dem Thronfolger Friedrich Wilhelm (III.) und weiteren legitimen Kindern auch einige Nachkommen mit seinen Mätressen, um die er sich liebevoll sorgte und mit Adelstiteln versah.

Mit einer seiner vielen Geliebten hatte Louis Ferdinand ebenfalls uneheliche Kinder, einen Sohn und eine Tochter. Ihre Mutter war Henriette Fromme, Tochter eines Berliner Fabrikanten und Enkelin eines Amtsrates, der auf dem dem Prinzen gehörenden Gutes Schrike bei Magdeburg tätig war. Als dieser die Sechzehnjährige kennenlernte, war er Feuer und Flamme. Sie muss eine gute Bildung gehabt haben, denn das Paar korrespondierte auch in französischer Sprache, und außerdem wird ihr ordentliches, diskretes Betragen bescheinigt. "Jettchen haucht meinem musikalischen Genie Seele ein und lindert die Langeweile meines Aufenthalts", schrieb Louis Ferdinand. Die Kinder, die "Mademoiselle Fromme" ihm schenkte, waren für den Prinzen wichtig. Sie im Falle seines Todes gut versorgt zu wissen, war ihm ein großes Anliegen. Ludwig und Blanka Fromme wurden 1810 von Friedrich Wilhelm III. in den Adelsstand erhoben und erhielten den Namen "von Wildenbruch". Ludwig von Wildenbruchs Sohn, der 1845 geborene Ernst von Wildenbruch, war in Kaiserzeit ein viel gelesener, mit dem Königs- und Kaiserhaus verwandter Dichter.

Schulden, nichts als Schulden

Das nicht sehr üppige Offiziersgehalt, die Apanage als preußischer Prinz und Einkünfte aus seinen Landgütern und dem Amt als Magdeburger Dompropst reichten nicht aus, den aufwändigen Lebenswandel zu bezahlen, den Louis Ferdinand pflegte. Er wandte viele Taler für Gelage und Mätressen, Kleidung und Reisen auf, verschenkte, großzügig und leichtsinnig wie er war, an Freunde und Bittsteller größere Beträge und unterzeichnete Schuldscheine, ohne genau hinzusehen. Auf der anderen Seite stand er bei Lieferanten und Gläubigern tief in der Kreide. Da sie einen Prinzen von Preußen vor sich hatte, liehen sie ihm allzu gern Geld und schickten ihm allerlei Waren auf Kredit ins Haus. Dies natürlich in der Erwartung einer Rückzahlung mit Zins und Zinseszins und Gunsterweisung.

Rettung erhoffte sich Vater Ferdinand durch einen strengen Sparkurs. So wurde Louis Ferdinand nach dem Krieg mit Frankreich, in dem er sich durch kühlen Kopf und persönlichen Heldenmut bei der Rettung eines österreichischen Soldaten auszeichnete, auf ein Kommando in die Provinz, nach Magdeburg, abgeschoben und verpflichtet, mit dem hauszuhalten, was ihm er bekommt. Doch der Prinz dachte nicht daran, seinen Lebensstil den finanziellen Verhältnissen anzupassen und seine Schulden abzutragen. So durchziehen zu diesem Thema ständige Klagen und Vorhaltungen die letzten zehn Lebensjahre des Prinzen. Als sich der verzweifelte Vater hilfesuchend an König Friedrich Wilhelm III. mit dem Hinweis wandte, sein Sohn habe während des Frankreichfeldzugs "außerordentliche Ausgaben" gehabt und ob er nicht zur Tilgung beitragen könnte, erhielt er die brüske Antwort: "...ich gebe mier mit fremde Schulden nicht ab."

Als im Jahre 1800 der Louis Ferdinands Schuldenberg auf die enorme Summe von mehr als 185 000 Talern angewachsen war, wurde die Notbremse durch Einsparungen in seinem Hofstaat und Entlassung von Domestiken gezogen. Hilfe kam aus Rheinsberg vom Prinzen Heinrich, einem Bruder sowohl Friedrichs II. als auch von Vater Ferdinand. Viel war es nicht, doch konnten wenigstens drei neue Pferde als Ersatz für Tiere angeschafft werden, die bei einem Transport nach Magdeburg verbrannt waren. Als Prinz Heinrich 1802 in Rheinsberg starb, wurde Ferdinand, sein Bruder, Haupterbe, aber viel lieber hätte Heinrich dessen Sohn Louis Ferdinand dazu gemacht. Die aus kostbaren Gemälden, Skulpturen, Büchern, Möbeln und Juwelen bestehende Hinterlassenschaft des kinderlos gestorbenen Herrn von Rheinsberg wurde durch eine Auktion in alle Winde verstreut, deren Erlös in die Staatskasse kam beziehungsweise zur Auszahlung von Legaten und Tilgung von Heinrichs eigenen Schulden diente. Louis Ferdinand erhielt aus dem Erbe seines Onkels Heinrich, der ihm herzlich zugetan war, nur wenige Silbersachen, Porzellan, Gläser, Bettzeug und "musikalische Instrumente", und schob nach 1802 weiter eine Bugwelle hoher Schulden vor sich her.

Krieg gegen das napoleonische Frankreich

Nachdem Louis Ferdinand auf Legate aus Heinrichs Hinterlassenschaft wohl auf Druck seiner Eltern verzichtet hatte, weil sie ihn für einen Bruder Leichtfuß hielten und das Geld selber brauchten, wandte er sich an den König und bat um die Gnade eines Darlehens von 100 000 Talern, um Grundbesitz zu erwerben. In Sachen Schuldentilgung sonst zurückhaltend, half Friedrich Wilhelm III. dem Prinzen, sich als Gutsbesitzer zu etablieren und endlich Abschied von seiner Sturm- und Drangzeit zu nehmen. So wurde Louis Ferdinand Herr auf dem bereits erwähnten Gut Schrike bei Magdeburg und dem weitläufigen Rittergut Wettin mit dem Stammschloss der sächsischen Dynastie der Wettiner und weiteren Ländereien. Dass der Prinz auf der einen Seite hohe Schulden hatte und sich auf der anderen Seite teuren Landbesitz zulegte, war kein Widerspruch. Da alles auf Pump gekauft war, hatten die Eltern und der König den Widerspenstigen wenigstens an der finanziellen Leine. Doch wenn er gut wirtschaften würde, so war die Überlegung, könnte er seine Kredite mit Zins und Zinseszins nach und nach abtragen. Wie wir wissen, ist es dazu dann nicht mehr gekommen.

Louis Ferdinand hätte ein schönes Leben führen können, wären die Zeiten nicht stürmisch und gefährlich gewesen. Seit der französischen Revolution von 1789 geriet in Europa das alte Feudalsystem ins Wanken. Dunkle Wolken zogen am Horizont herauf. Nicht zu übersehen war die Reformbedürftigkeit des noch vom Großen Friedrich geprägten preußischen Staates. Sein Oberhaupt Friedrich Wilhelm II. und nach ihm dessen Sohn Friedrich Wilhelm III. standen zwischen Baum und Borke. Der Krieg mit dem revolutionären Frankreich, an dem auch Louis Ferdinand mitgemacht hatte, ging verloren. Zehn Jahre später stand das Römisch-deutsche Reich, in dem die preußischen Könige das Amt eines Kurfürsten ausübte, zur Disposition.

Preußen, das sich durch die polnischen Teilungen im späten 18. Jahrhundert schon stark ausgeweitet hatte, wurde noch größer. Allerdings vergalt Friedrich Wilhelm III. die Gunstbezeugungen dem ungeliebten, intern als blutbesudelter Thronräuber und Königsmörder verunglimpfte Bonaparte nicht. Die Spannungen mit Frankreich wuchsen an. Offiziell mühte sich die Regierung in Berlin um ein gutes Verhältnis mit Paris, was ihr den Ruf der Franzosenfreundlichkeit, ja Napoleonhörigkeit eintrug, ein Vorwurf, dem sich auch andere vor Frankreichs neuem Machthaber zitternden Fürstentümer ausgesetzt waren. In Paris konstatierte man, dass der Staat Friedrichs des Großen zwar von allen heute existierenden Mächten das schönste Aussehen von Festigkeit und Kraft hat, in seinem Verfall aber am weitesten vorangeschritten ist. Preußen "unterhält mit bedeutenden Kosten einen großen militärischen Apparat, aber es lässt durch den Rost der Zeit die Triebfedern zerstören. Das französische Außenministerium sagte voraus: "An dem Tage, an welchem es eine erste Schlacht verloren hat, wird es aufgehört haben zu bestehen."

Das ganze Jahr 1805 hielt sich Preußen aus den militärischen Auseinandersetzungen der Großmächte heraus. Zunächst kämpften Frankreich auf der einen mit Österreich und Russland auf der anderen Seite, außerdem lagen Frankreich und England im Krieg. Nach der Dreikaiserschlacht im böhmischen Austerlitz am 2. Dezember 1805 hatte sich das Blatt gründlich gewendet. Napoleon I. war als Sieger fest entschlossen, jeden Widerstand im römisch-deutschen Reich zu brechen, und forderte von den deutschen Fürsten Unterwerfung. Der Kaiser der Franzosen gründete im Juli 1806 den Rheinbund, der aus ihm hörigen deutschen Fürsten bestand. Sie ließen sich ihre Gefolgschaft durch Standeserhöhungen und Gebietszuweisungen belohnen. Kurz darauf legte der römisch-deutsche Kaiser Franz I. 1806 die Reichskrone nieder und nannte sich von nun an Franz I., Kaiser von Österreich. In dieser Situation stand Preußen isoliert da. Theatralische Freundschaftsschwüre und Hilfsversprechen von Zar Alexander I., bei dessen Besuch Ende 1805 ein bekannter Platz in Berlin in Alexanderplatz umbenannt wurde, hatten nur symbolische Bedeutung.

König in den Krieg gedrängt

Im Sommer 1806 spitzte sich die Lage zu, ein neuer Krieg gegen Frankreich stand bevor. Louis Ferdinand hielt es für eine Frage der Ehre und des Bestehens vor der Geschichte, in den Kampf um Sein oder Nichtsein zu gehen. Vielleicht würden sich andere Länder zum Mitmachen angestachelt fühlen, um der zu erwartende Unterjochung durch den Kaiser der Franzosen zu entgehen. In diesem Sinne richtete eine von Louis Ferdinand geführte Gruppe von preußischen Prinzen sowie Offizieren und Politikern, unter denen auch der Reichsfreiherr vom Stein war, Anfang September 1806 eine Denkschrift an Friedrich Wilhelm III. Sie hielten ihm vor Augen, dass Napoleon I. verschiedene Staaten unterjocht hat und damit noch nicht am Ende ist. Was geschehen ist, sei nichts im Vergleich des Bevorstehenden. Es sei nicht zu begreifen, wie das "schöne, unüberwundene Heer Friedrichs, das in so vielen großen und schweren Schlachten so herrlich hervorgeleuchtet und welchem Eure Majestät selber die größte Aufmerksamkeit schenken, für die Erhaltung so heiliger Interessen nicht verwendet wird." Die Verfasser der Petition forderten den ewig zaudernden König auf, seinen der Franzosenfreundlichkeit bezichtigten Kabinettsminister Graf Haugwitz zu entlassen, dessen unpatriotische Haltung sogar mit französischen Geldgeschenken in Verbindung gebracht wurde. Friedrich Wilhelm III. war über die als Zumutung empfundenen Vorhaltungen empört, und schickte Louis Ferdinand, der sie wohl initiiert hatte, an die Front. Als die Preußen tatsächlich in den Krieg zogen, waren sie schlecht ausgerüstet und wenig motiviert. Es musste zur Katastrophe kommen.

Über das unerwartete Ende des Prinzen Louis Ferdinand wenige Tage vor der eigentlichen Entscheidungsschlacht von Jena und Auerstedt gibt es unterschiedliche Nachrichten. Als Befehlshaber einer aus 9000 Mann bestehenden Vorhut traf er am 10. Oktober 1806 bei Saalfeld auf Truppen des französischen Marschalls Lannes. Dessen Übermacht war so groß, das die preußischen und sächsischen Truppen zurück wichen. Als Louis Ferdinand versuchte, die Flüchtenden aufzuhalten, wurde er von feindlichen Soldaten umzingelt und aufgefordert, sich zu ergeben. Dass es sich hier um einen ranghohen Offizier handelt, sahen die Reiter an der Uniform und dem Stern des Schwarzen Adlerordens auf der linken Brust. Vergeblich hatte der Prinz dieses silbergestickte Zeichen in der Minute der Gefahr zu verbergen versucht. Durch Säbelhiebe getroffen, stürzte er vom Pferd und erlag bald darauf seinen Verwundungen. Alle, die dabei gewesen waren, sprechen mit Bewunderung von Tapferkeit und Todesmut des Prinzen. Der noch am selben Tag vom Schachtfeld getragene Leichnam wurde am 11. Oktober 1806 in der Saalfelder Johanniskirche aufgebahrt und von einem französischen Arzt untersucht. Der stellte sechs Säbelhiebe am Kopf und auf der Brust, aber keine Schussverletzung fest und beschrieb den Toten so: "Ich habe an ihm die Schönheit des Gesichts bewundert, die Ruhe der Physiognomie, die Entwicklung der Brust, verbunden mit einer regelmäßigen Form der Glieder, deren stark hervortretende Muskeln auf viel Stärke und Kraft schließen ließen."

Hat wie ein toller Mensch gelebt

In Berlin und ganz Preußen löste der Tod des Prinzen Louis Ferdinand große Bestürzung aus, nur nicht beim König und den Eltern. Während die "ganze Armee" Tränen vergoss, wie der Militärschriftsteller Carl von Clausewitz berichtet, soll Friedrich Wilhelm III. in der ihm eigenen abgehackten Sprache erleichtert und abschätzig gesagt haben: "Hat wie ein toller Mensch gelebt, ist wie ein toller Mensch gestorben, die Scharte nur klein, muss aber ausgewetzt werden". Vater Ferdinand meinte, sein Sohn habe sich den Krieg und den Tod selber zuzuschreiben, die Mutter machte sich Sorgen um einen anderen Sohn, den Prinzen August, und strich Louis Ferdinand aus ihrem Gedächtnis. Im französischen Kriegsbulletin hieß es über den Tod des Prinzen. "Wenn er auch in der letzten Zeit seines Lebens nicht der beste Bürger war, so ist doch sein Ende glorreich und verdient beklagt zu werden. […] Man kann sagen, dass die ersten Streiche des Krieges einen seiner Urheber getötet haben."

Die Eltern des Toten hatten keine Eile, den Sarg des toten Prinzen von Saalfeld nach Berlin zu holen. Louis Ferdinand war in den Augen der Franzosen ein Rebell und Kriegstreiber, und die Heimholung seiner Leiche hätte diese nur noch mehr gereizt. Erst einmal galt es, die vielen Gläubiger des Prinzen zu befriedigen. Schnell stellte sich heraus, dass Louis Ferdinands mehr Schulden als Vermögen hat. Erschwerend kam hinzu, dass Napoleon I. seinen Besitz zugunsten seiner Generale beschlagnahmen ließ. Des Prinzen bewegliche Habe brachte bei einer Versteigerung nicht viel ein. Verzweifelte Gläubiger wurden jahre- und jahrzehntelang vertröstet und bekamen am Ende wenig. Im Mai 1811 wurde der Sarg mit dem Leichnam des Prinzen im Berliner Dom aufgebahrt, der damals noch ein eher bescheidener Bau aus der friderizianischen Zeit war.

In Wöhlsdorf bei Saalfeld, wo der Prinz tödlich verwundet worden war, wurde 1823 ein von Karl Friedrich Schinkel entworfenes und von dem Bildhauer Friedrich Tieck ausgeführtes Denkmal errichtet. In Berlin konnte sich der König dazu nicht entschließen. Auf einem stufenförmigen Unterbau erhebt sich überlebensgroß ein antikisierender Stein mit dreieckigem Giebel. Ein Bronzerelief zeigt einen unbekleideten Genius, hinter dem ein Schild und ein Schwert stehen. Die Inschrift erinnert daran, dass an dieser Stelle Prinz Ludwig Ferdinand von Preußen "kämpfend für sein Vaterland" gefallen ist. Das Grabmal wurde 1981 bis 1984 demontiert, restauriert und neu aufgerichtet.

Nach der verheerenden Niederlage der Preußen und der Sachsen in der Doppelschlacht von Jena und Auerstedt am 14. Oktober 1806, nur vier Tage nach Louis Ferdinands Tod, zog der Kaiser der Franzosen an der Spitze seiner Truppen als Triumphator durch das Brandenburger Tor in Berlin ein und machte sich im Stadtschloss breit. Louis Ferdinand blieb erspart, die Folgen dieses kurzen Krieges erleben zu müssen, aber sah auch nicht den vaterländischen Aufbruch in den Jahren 1813 bis 1815 und was diesem folgte. Zu Großem war der Prinz geboren, es bleibt Spekulation, welchen Weg er genommen hätte, wäre er nicht im Kampf gegen die Franzosen bei Saalfeld gefallen. Dass er in aussichtsloser Lage den Tod auf dem Schlachtfeld gesucht hätte, wie manchmal behauptet wurde, ließ sich nie beweisen.

15. Mai 2019

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