An der Wiege des Rundfunks
Erste Aufnahmen entstanden 1923 in einem provisorischen Studio, das im Museum Königs Wusterhausen nachgestaltet ist





Das erste Weihnachtskonzert wurde in Königs Wusterhausen in einem provisorischen Tonstudio aufgenommen. Mit den Jahren entwickelte sich der Sender und legte sich neueste Technik zu. Das Rundfunkmuseum auf dem Funkerberg wurde 1996 in den alten Sendegebäuden eingerichtet und zieht jährlich unzählige Enthusiasten an. Fotos: Rundfunkmuseum Königs Wusterhausen



Das Radio kreierte einen ganz neuen Wirtschafts- und Kulturbereich, für den viel Reklame gemacht wurde.



Eine Sammlung von alten Radioapparaten kann man im Deutschen Technikmuseum an der Trebbiner Straße im Berliner Bezirk Kreuzberg sowie in anderen Sammlungen betrachten.



Der Volksempfänger, abgebildet in der Freiluftausstellung der Topographie des Terrors, ermöglichte es, Hitlerreden und NS-Parolen, aber auch unterhaltsame Beiträge und Konzerte in die entferntesten Winkel des Deutschen Reichs zu übertragen. 1941 sollen 65 Prozent aller Haushalte einen solchen preiswerten Apparat besessen haben. Das Abhören von so genannten Feindsendern war im Nationalsozialismus streng verboten und wurde mit dem Tod oder Zuchthaus bestraft. Zur Abschreckung wurde öffentlich mit blutroten Plakaten berichtet. Bei jedem Radioapparat gab es solche Schilder mit Hinweisen auf hohe Strafen.



Wer nicht ganz immun war und es besser wusste, erlag den auch im Radio verbreiteten Nazi-Parolen. Erst als sich im Zweiten Weltkrieg das Blatt wendete, begegnete man den vor allem durch den Rundfunk verbreiteten Siegesmeldungen und Verheißungen von Hitler und Goebbels mit zunehmendem Misstrauen. Hier ein Blick in eine unter dem Hakenkreuz gezeigte Rundfunkausstellung. (Fotos: Caspar)

"Achtung. Achtung. Hier ist die Sendestelle Berlin im Vox-Haus auf der Welle 400 Meter. Meine Damen und Herren, wir machen davon Mitteilung, dass am heutigen Tag der Unterhaltungsrundfunk mit Verbreitung von Musikvorführungen auf drahtlosem Wege beginnt. Die Benutzung ist genehmigungspflichtig." Mit dieser Ansage begann am 29. Oktober 1923 der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland sein Programm, produziert im Vox-Haus in der Potsdamer Straße in Berlin und ausgestrahlt von der Deutschen Reichspost durch den Sender Königs Wusterhausen bei Berlin. Auf dem Funkerberg von Königs Wusterhausen gibt es im Sender- und Funktechnikmuseum einen urtümlich anmutenden, freilich nachgestalteten Senderaum "der ersten Stunde", zahlreiche Apparaturen zum Versenden und Empfangen von Radiowellen und einen 1000 PS-Dieselmotor der Firma Deutz aus dem Jahre 1937. Mit ihm wurden die Sendeanlagen mit Strom versorgt.

Lange Jahre außer Gebrauch, haben Mitglieder des Fördervereins des Senders Königs Wusterhausen das Aggregat wieder flott gemacht. Das Geld für die Restaurierung, Wiederringangsetzung und technischen Prüfung wurde durch eine Spendenaktion beim "Tag des offenen Denkmals" gesammelt. Wenn sich jetzt der 30. Jahrestag des Mauerfalls jährt, dann wird dieses welthistorische Ereignis im Museum mit einer musikalisch umrahmten Diskussionsveranstaltung gefeiert. Dabei wird unter anderem der Frage nachgegangen, wie man die von Günter Schabowski eher beiläufig in einer Pressekonferenz verkündete, längst fällige Öffnung der Grenze in Königs Wusterhausen erlebte und was das für die Stadt nahe Berlin und die Sendestation bedeutete, aus der 1996 ein Museum gemacht wurde.

Weihnachtslieder aus dem provisorischen Studio

Am Originalschauplatz erzählt die Ausstellung die spannende Geschichte des Senders. 1919 hatte die Deutsche Reichspost auf Betreiben des Staatssekretärs Dr. Hans von Bredow die bisherige Militärfunkstation auf dem Funkerberg zivilen Zwecken zugeführt. Auf Anregung von ortsansässigen Postbeamten begann die probeweise Übertragung von Nachrichten und Musikdarbietungen. Bereits am 22. Dezember 1920 konnte das erste Konzert mit Weihnachtsliedern in den Äther geschickt werden. Das war die eigentliche Geburtsstunde des Rundfunks in Deutschland. Empfangen wurden die Musikstücke und alsbald auch Sprechbeiträge aus Königs Wusterhausen nicht nur von offiziellen Rundfunkteilnehmern, die ihre Gebühren bezahlt hatten, sondern auch von zahlreichen Schwarzhörern sowie im benachbarten Ausland.

Im Museum auf dem Funkerberg erleben die Besucher im allerersten provisorischen Rundfunkstudio, unter welch schwierigen Bedingungen pfiffige Postbeamte ihre Aufnahmen machten. So wurden Telefonhörer mit Gummibändern an die Instrumente gebunden und dienten so als Mikrophone, während alte Decken aus Militärbeständen als Schallschutz fungierten. Irgendwie hat es geklappt, die kratzigen und jaulenden Aufnahmen wurden sogar noch in zweitausend Kilometern empfangen und begeisterten viele Zuhörer, die noch nichts anderes kannten als diese Töne und sich vielfach mit selbst gebastelten Empfängern begnügten, weil reguläre Radioapparate noch recht teuer waren.

Darüber hinaus zeigt die Ausstellung Antennenmodelle, Senderausstattungen sowie alte und neue Rundfunkgeräte aus westlicher und östlicher Produktion, ergänzt durch Antriebsaggregate wie den erwähnten Dieselmotor, vermutlich die letzte stationäre Anlage dieser Art in Deutschland. Besucher erfahren Einzelheiten über die Verlagerung des Mittelwellensenders 2 in einer Nacht-und-Nebel-Aktion während der Berliner Blockade 1947/49 von Tegel im französischen Sektor Berlins nach Königs Wusterhausen im sowjetischen Herrschaftsbereich.

Nazis erkannten Macht des neuen Massenmediums

Die Ausstellung lädt zur Beschäftigung mit der Geschichte des neuen Massenmediums. das vor hundert Jahren seine ersten Schritte unternahm und aus unserem heutigen Leben nicht mehr wegzudenken ist. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 veränderte sich auch der bis dahin politisch fast völlig neutrale deutsche Rundfunk. Die neuen Machthaber erkannten sehr schnell die propagandistischen Möglichkeiten des modernen Rundfunks und forcierten seine Entwicklung mit aller Macht. Durch die starke Verbreitung der sogenannten Volksempfänger war es mittlerweile fast überall möglich, Rundfunk zu hören. Im Zuge der Entwicklung und im Hinblick auf die bevorstehende Olympiade 1936 wurde vor allem der Sendestandort Zeesen stark erweitert. Es kamen die Sendehäuser 5 und 6 hinzu, in denen jeweils vier Kurzwellensender mit einer Sendeleistung von 40-Kilowatt-Träger-Leistung aufgebaut wurden, welche bis zum Jahr 1945 in Betrieb blieben.

Einer der skrupellosesten Einpeitscher nationalsozialistischen Gedankengutes war schon vor der Errichtung der NS-Diktatur Joseph Goebbels. Als Berliner Gauleiter der NSDAP organisierte der Rheinländer Straßenschlachten mit den Kommunisten, hetzte als Reichspropagandaleiter gegen Juden und die Weimarer Republik. Nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzlers am 30. Januar 1933 mit dem Posten des Reichsministers für Volksaufklärung und Propaganda belohnt, machte sich Goebbels sofort daran, das Kultur- und Kunstleben sowie die Zeitungs- und Rundfunklandschaft im Sinne des Nationalsozialismus umzubauen. Von der Kraft und den Möglichkeiten der damals noch neuen Medien Film und Rundfunk überzeugt, baute er diese zügig als Propagandamittel aus. In Millionen Haushalten wurde der Volksempfänger aufgestellt, ein Mittelwellensender mit der auf den 30. Januar 1933 deutenden Bezeichnung VE 301, der im Volksmund auch Goebbelsschnauze genannt wurde. Allerdings durfte man sich nicht erwischen lassen, das Gerät so zu bezeichnen, weil man sofort eine Anklage wegen Volksverhetzung bekommen hätte.

Hohe Strafen für Abhören von Feindsendern

Rundfunk und Film, ab Mitte der 1930-er Jahre zaghaft auch das Fernsehen, wurden in den Dienst des NS-Regimes gestellt. Unaufhörlich prasselten auf die "Volksgenossen" Visionen vom Tausendjährigen Reich herab. Jüdische und regimekritische Journalisten, Wissenschaftler, Museumsleute und Bibliothekare, Schauspieler und Regisseure wurden entlassen und mit Arbeitsverbot belegt. Am 21. März 1933 inszenierte Goebbels den auch im Rundfunk landesweit übertragenen "Tag von Potsdam", an dem Reichspräsident Paul von Hindenburg dem neuen Reichskanzler Hitler in der Potsdamer Garnisonkirche die Regierungsgewalt in die Hand legte. Die vom Propagandaminister beherrschten Medien beschworen die neue Einheit von altem Reich und neuer Kraft und meinten damit den Nationalsozialismus, von dem man sich Errettung von allen Übeln und eine Spitzenstellung des neuen deutschen Reichs unter den Völkern versprach.

Da Rundfunkwellen keine Grenzen kennen, ließ es sich nicht vermeiden, dass im Reich auch so genannte Feindsender wie BBC London oder Radio Moskau gehört wurden. Das war strengstens verboten und wurde im Krieg wegen Wehrkraftzersetzung und Kollaboration mit dem Feind wegen so genanntem Rundfunkverbrechen mit dem Tode oder hohen Zuchthausstrafen geahndet. Als der Krieg schon längst verloren war, hielt Goebbels unbeirrt zu seinem Führer und verbreitete im Radio seine Lügenmeldungen über den unmittelbar bevor stehenden Endsieg. Hitler ernannte ihn zu seinem Nachfolger, bevor er sich selber und seine gerade angetraute Frau Eva Braun in der Reichskanzlei umbrachten, ihm folgten Goebbels und seine Familie in den Tod.

Demontage durch sowjetische Besatzungsmacht

Durch die starke Verbreitung der sogenannten Volksempfänger war es mittlerweile fast überall möglich, Rundfunk zu hören. Im Hinblick auf die bevorstehende Olympiade von 1936 wurde vor allem der Sendestandort Zeesen stark erweitert. Es kamen die Sendehäuser 5 und 6 hinzu, in denen jeweils vier Kurzwellensender mit einer Sendeleistung von 40-Kilowatt-Träger-Leistung aufgebaut wurden, welche bis zum Jahr 1945 in Betrieb blieben. In den letzten Kriegsjahren wurde das Haus 7 gebaut. Es verfügte über eine Netzersatzanlage mit zwei 2100 Ps starken Dieselmotoren, die Generatoren mit einer Leistung von 1100 Kilowatt bei 6 Kilovolt antrieben. Die Sendeanlagen auf dem Funkerberg in Königs Wusterhausen und in Zeesen überstanden den Zweiten Weltkrieg fast völlig unversehrt und wurden unmittelbar nach seinem Ende von sowjetischen Truppen besetzt. Nachdem sie sich von der Funktionstüchtigkeit der Anlagen überzeugt hatten, wurden große Teile der Anlagen auf dem Funkerberg sowie alle sendetechnischen Anlagen in Zeesen im Rahmen von Reparationsleistungen abgebaut. Die Sendehäuser in Zeesen wurden gesprengt. Im Haus 1 auf dem Funkerberg wurden bereits im Juni 1945 20-Kilowatt-Kurzwellen-Sender für militärische Zwecke in Betrieb genommen.

Ein weiterer Kurzwellensender diente ab November 1945 zur Abstrahlung des Programms des Berliner Rundfunks, welcher ab Dezember 1945 auch von einem im Haus 3 aufgebauten Langwellensender abgestrahlt wurde. Ebenfalls im Haus 3 wurde im August 1946 ein 100-Kilowatt-Langwellensender in Betrieb genommen. Dieser diente bis 1992 als sogenannter Wartungssender für den Langwellensender in Zehlendorf bei Oranienburg, der das Deutschlandradio abstrahlte. Die deutsche Einheit 1990 brachte auch für den Sendestandort Königs Wusterhausen einschneidende Veränderungen. Der reguläre Sendebetrieb auf dem Funkerberg wurde nach und nach verringert und im Sommer 1995 endgültig eingestellt. Ein Jahr später öffnete an der gleichen Stelle das Rundfunkmuseum.

20. Oktober 2019

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