Dreister Raub im Grünen Gewölbe
Täter drangen in die Dresdner Schatzkammer Augusts des Starken ein und machten sich ungehindert mit Juwelen aus dem Staub



Der Einbruch in das Grüne Gewölbe des Dresdner Schlosses hat das ganze Land aufgeschreckt. Die Ermittler gehen von einer zielgerichteten und gut vorbereiteten Tat aus und vermuten, dass mindestens vier Personen beteiligt waren.



Von beispiellos roher Gewalt in der Schatzkammer der sächsischen Kurfürsten und Könige die Rede, von einer furchtbaren Blamage für Sachsen und die Hüter seines kulturellen Erbes.



August der Starke stritt sich mit dem französischen "Sonnenkönig" Ludwig XIV. darum, wer die schönsten und meisten Diamanten besitzt. Stücke aus der Diamantrosengarnitur wie der Ordensstern und der Degen wurden Opfer des Raubzugs. Bei den Staatlichen Kunstsammlungen und nicht nur dort hofft man auf eine schnelle Verhaftung der Diebe und die unbeschädigte Rückführung ihrer Beute.



Außer seinen Brillantgarnituren haben die Einbrecher nichts angefasst. So blieb im Grünen Gewölbe auch der goldene, von Johann Melchior Dinglinger geschaffene "Hofstaats des Großmoguls Aureng Zeb" an seinem Platz.



Kurfürst Friedrich August I. von Sachsen hieß als polnischer König August II. Auf der Medaille ist er als unbezwingbarer Hercules saxonicus dargestellt.







Sachsens berühmtester Herrscher, August der Starke, ist an verschiedenen Orten in Dresden präsent, so als Relief am Johanneum unweit des Residenzschlosses sowie hoch zu Ross als "Goldener Reiter" in der Dresdner Neustadt.



Über den seltenen Schmetterlingstaler mit dem Monogramm AR für Augustus Rex gibt es nach wie vor viel Rätselraten.



Die "roten Seufzer" von 1702 erzeugten viel böses Blut bei den Untertanen Augusts des Starken. Dass er mit den minderwertigen Geldstücken seinen Hang zu Juwelen und schönen Frauen finanzierte, wussten nur wenige.

Prunkvoll gestaltet ist der Dukat anlässlich des Vikariats von 1711, der den Herrscher reitend mit den Insignien eines Königs und Kurfürsten zeigt. (Fotos/Repros: Caspar)

Im Dresdner Grünen Gewölbe gab es am Morgen des 25. November 2019 einen dreisten Einbruch. Teile aus drei Brillantgarnituren von August dem Starken wurden gestohlen. Sofort hat man sich an die kanadische Riesengoldmünze erinnert, die in der Nacht zum 27. März 2017 aus der Ausstellung des Münzkabinetts im Bode-Museum auf der Berliner Museumsinsel auf spektakuläre Weise gestohlen wurde und nie wieder aufgetaucht ist. Die mutmaßlichen Diebe stehen derzeit in Berlin vor Gericht. Die Einbrecher in das wie ein Hochsicherheitstrakt geschützte Grüne Gewölbe im Dresdner Residenzschloss drangen durch eine kleine Fensteröffnung ein, nachdem sie ein starkes Gitter davor durchtrennt hatten. Auf Videos ist zu sehen, wie die Diebe das Sicherheitsglas einer Vitrine mit Brillantgarnituren des sächsischen Kurfürsten und polnischen Königs Augusts des Starken zerschlugen, und alarmierten sofort die Polizei. Doch als diese ankam, waren die Diebe bereits verschwunden. Da die Wachen unbewaffnet waren, konnten sie die Täter selber nicht stoppen und festnehmen. Erschwerend kam hinzu, dass das Umfeld des Dresdner Schlosses zur Tatzeit unbeleuchtet war. Die Polizei vermutet einen Zusammenhang mit einem Brand an der Augustusbrücke unweit des Dresdner Schlosses. In der Tatnacht war die Feuerwehr zu einem brennenden Stromverteilerkasten gerufen worden. Weil dieser außer Betrieb war, war der Bereich rund um das Schloss dunkel, so dass die Einbrecher praktisch unsichtbar alle Hürden nehmen und sich an den Juwelen "bedienen" konnten.

Demonstration von Macht und Reichtum

Dass die Diebe unbemerkt ein Eisengitter durchtrennen, ein Fenster aufhebeln und in das mit neuester Sicherheitstechnik ausgestattete Grüne Gewölbe eindringen konnten, zeigt einmal wieder, wie anfällig solche Museen sind. Der Leiter der Sonderkommission "Epaulette", Kriminalrat Olaf Richter, ist sich sicher, dass ein nahe der Autobahn in einer Tiefgarage in Brand gesetztes Auto das Fluchtfahrzeug ist. In dem Wrack wurden Spuren vom Tatort gefunden. Gestohlen wurden Stücke aus der Diamantrosen- und Brillantgarnitur sowie dem Brillantschmuck der sächsischen Königinnen, so ein brillantbesetzer Bruststern des polnischen Weißen Adler-Ordens, eine große Brustschleife ganz mit Brillanten besetzt sowie eine Kette aus sächsischen Perlen, ein Epaulette genanntes Schulterstück sowie ein mit mehr als 770 Diamanten besetzter Degen. Mit diesen und weitern Juwelen stellte August der Starke, der von 1694 bis 1733 regierte, im Wettstreit mit dem französischen Sonnenkönig Ludwig XIV. und anderen Potentaten der Barockzeit seinen Reichtum und seine Macht zur Schau. Dass an den Juwelen und anderen im Grünen Gewölbe ausgestellten Preziosen das Blut und der Schweiß seiner Untertanen klebt, ließ den bau- und prunksüchtigen Kurfürsten und König kalt.

August der Starke ließ das nach der Wandbemalung benannte Grüne Gewölbe im Erdgeschoss des Dresdner Schlosses auf das Schönste ausstaffieren und öffnete dieses auch dem Publikum, auf dass es angesichts der die Pracht und Herrlichkeit seines Besitzers in Ehrfurcht und Staunen verfalle. Da die Beute wegen ihrer weltweiten Bekanntheit unverkäuflich ist, wird befürchtet, dass die Diebe sowie ihre Auftrageber und Hintermänner sie auseinandernehmen und die Brillanten umschleifen lassen und dann zu Geld machen. Die konkrete Höhe des Schadens konnte und wollte Marion Ackermann nicht genau beziffern. Auf jeden Fall sei der materielle Wert der Preziosen geringer als der kulturelle. Die besondere Bedeutung und Qualität der Dresdner Juwelenensembles liege vor allem darin, dass sie als solche überliefert sind. In der Welt suchen sie ihresgleichen.

Wie konnte es geschehen?

Das Entsetzen über den Einbruch ist riesig. Die Täter waren gezielt auf die Vitrinen mit dem Brillantenschatz Augusts des Starken zugegangen und haben das angeblich einbruchssichere Glas binnen kürzester Zeit zerschlagen. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer zeigte sich bestürzt und sagte: "Nicht nur die Staatlichen Kunstsammlungen wurden bestohlen, sondern wir Sachsen. Man kann die Geschichte unseres Landes, unseres Freistaates nicht verstehen, ohne das Grüne Gewölbe und die Staatlichen Kunstsammlungen Sachsens. Die Werte, die im Grünen Gewölbe und im Residenzschloss zu finden sind, sind von den Menschen im Freistaat Sachsen über viele Jahrhunderte hart erarbeitet worden."

Kulturstaatsministerin Monika Grütters erklärte, angesichts der generalstabsmäßig organisierten, hochkriminellen und äußerst brutal agierenden Täter sei der noch stärkere Schutz unsere Museen und Kultureinrichtungen von größter Bedeutung. "Wir stehen vor extremen sicherheitstechnischen Herausforderungen und können nur ahnen, womit wir es auf diesem Gebiet zukünftig wohl leider nicht zu tun haben werden. In unseren Museen lagern Kunstschätze, die die kulturelle Identität Deutschlands ausmachen und deren Wert in die Milliarden geht. Das gewaltsame Vorgehen der Täter von Dresden zeigt die sicherheitstechnischen Herausforderungen für die Museen. Deshalb müssen wir uns mit der Frage auseinandersetzen, wie diese ihre Objekte künftig besser schützen könnten." Aus diesem Grund lädt sie Vertreter der deutschen Museen zu einer Sicherheitskonferenz ein, um über weitere Maßnahmen zu beraten.

Panzerglas hielt nicht stand

Der Direktor des Grünen Gewölbes, Dirk Syndram, erklärte, das Sicherheitskonzept des Schatzkammermuseums sei vor vier Jahren überprüft worden mit dem Ergebnis, dass "alles bestens" ist. Er sei überrascht, wie schnell das Panzerglas der Vitrine zerstört werden konnte. Man sei davon ausgegangen, dass man eine Viertelstunde mit einer Axt einschlagen muss, bevor es beschädigt wird. Dabei schafften es die Täter binnen weniger Minuten. Da einige Juwelen gut am Untergrund befestigt waren und ihre Entfernung den Dieben zu lange dauerte, ließen sie von ihnen ab. Deshalb konnte die Generaldirektorin des Grünen Gewölbes, Marion Ackermann, feststellen, dass die Juwelen-Diebe weniger mitgenommen haben als gleich nach der Tat befürchtet.

Inzwischen wurde bekannt, dass Sicherheitsmitarbeiter drei Alarmsignale bekommen und auch Videoaufnahmen von dem Einbruch gesehen haben. Daraufhin sei die Nummer 110 gewählt worden, um ihn der Polizei zu melden. "Der Mitarbeiter befand sich mit einem Kollegen gerade auf Streifengang und hat sich gegen die ,Variante Alarmknopf' entschieden, weil er sah, mit welch brachialer Gewalt die Diebe vorgingen. Er habe die Polizei am Diensteingang in Empfang und in den betreffenden Raum geleitet. Insgesamt wurden mehrere Alarme ausgelöst, und zwar beim Einbruch selbst, durch die Bewegungsmelder im Raum, beim Aufbrechen der Vitrine. Um ihre Spuren zu verwischen, haben die Täter das Pulver aus einem Feuerlöscher verteilt, wodurch den Ermittlern zusätzliche Arbeit entstand.

Der Fall hat landesweit alle Museumsleute aufgeschreckt, die nun ihrerseits sehen müssen, wie sie ihre Häuser und Sammlungen vor solchen Raubzügen schütten können. Jetzt haben also auch die Dresdner Kunstsammlungen und ganz Sachsen ein Problem, und schon wird über Mitwisser, Tippgeber und Profiteure sowie die Art und Weise spekuliert, ob und wie die Juwelen auseinander gerissen und vermarktet werden. Man kann nur hoffen, dass die bald Täter gefasst werden und die Beute unbeschädigt wieder ins Grüne Gewölbe gelangt. Dort wird man sich - so oder so - noch lange daran erinnern, was am 25. November 2019 in dunkler Nacht Dresden und seiner weltberühmten Schatzkammer von skrupellosen Verbrechern angetan wurde.

Ärger mit roten Seufzern

Angesichts der goldschimmernden und brillantblitzenden Pracht im Grünen Gewölbe wird mancher Besucher sich fragen, wie sich August der Starke jene Mittel beschaffte, die ihm eine kostspielige Hofhaltung, den Kauf von Juwelen und Kunstgegenständen, aber auch den standesgemäßen Unterhalt seiner Mätressen erlaubten. Eine große Rolle spielte dabei die starke Besteuerung der Sachsen sowie die Verpfändung von Landesteilen. Der Handel mit Pfründen, Ämtern und Titeln brachte ebenfalls viel Geld in die Staatskasse. Die Einnahmen wurden unter anderem zur Finanzierung der Wahl des sächsischen Kurfürsten zum König von Polen sowie für die Feierlichkeiten anlässlich der Krönung in Krakau verwendet. Später kosteten die Verwicklungen Sachsen-Polens in den Nordischen Krieg das Land ein Mehrfaches dessen, was August der Starke zur Befriedigung seiner Leidenschaften und Vergnügungen aufwandte. Aber das war nichts Besonderes, auch andere Herrscher verprassten rücksichtslos die sauer verdienten Taler und Groschen ihrer Untertanen.

Viel Ärger und böses Blut gab es wegen der Ausgabe minderwertiger Sechs-Pfennig-Stücke, denen das Volk den Spitznamen "rote Seufzer" gab. Geprägt in den Jahren 1701 und 1702, bestanden diese minderwertigen Sechs-Pfennig-Münzen fast nur aus Kupfer. Der hauchdünne Silberüberzug war beim Umlauf schnell abgerieben. Alten Chroniken zufolge sollen die so genannten Landmünzen auf königlichen Befehl in Leipzig im Wert von 560 000 Talern, also in riesigen Mengen, geprägt worden sein. Angeblich hat August der Starke mit dem Gewinn aus dieser Aktion Juwelen für seine Mätressen gekauft haben. Den Landeskassen und der Bevölkerung entstand nach dem Verbot des schlechten Kleingelds großer Schaden. Der Landesherr wusste geschickt die Volkswut über die im Wert auf nur zwei Pfennig herabgesetzten Sechser auf seine Untergebenen zu lenken und wusch seine Hände in Unschuld.

Geld aus dubiosen Quellen

Der des Münzverbrechens beschuldigte Großkanzler Graf Wolf Dietrich von Beichlingen wies alle Vorwürfe zurück. Er gab in aller Bescheidenheit zu bedenken, dass nicht er den Befehl zur Ausmünzung dieser beim Volk verhassten Geldstücke gegeben habe, sondern der König und Kurfürst selber, der ständig in Geldnöten war. Angeblich soll August der Starke mit dem Profit aus der Prägung der minderwertigen Sechser Juwelen bezahlt haben, denn er war, wie ein Besuch des Dresdner Grünen Gewölbes bestätigt, ein leidenschaftlicher Sammler solcher glitzernden Preziosen.

Da bei den roten Seufzern schnell offenbar wurde, dass sie nicht das vorgeschriebene Silber enthalten, wurde ihr Wert von sechs auf drei oder zwei Pfennige herabgesetzt. Viele Leute haben diese Stücke nur noch als Spielmarken benutzt. Die Entwertung kam der Staatskasse zugute, denn jetzt wurden die Sechser nur zu drei oder zwei Pfennigen zurück genommen. Den Schaden hatte, wie immer bei Münzmanipulationen, das gemeine Volk. Selbstverständlich hielt August der Starke an seinen Anschuldigungen gegen den Grafen von Beichlingen fest, der Zeit seines Lebens jedwede Schuld bestritt. Obwohl der ehemalige Großkanzler mit jenen fragwürdigen Münzen direkt nichts zu tun hatte, ist sein Name mit ihnen für immer verbunden. Ohne die Affäre wäre er schon längst vergessen, so kam er wenigstens zu numismatischen Ehren.

28. November 2019

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