Schilder einer Ausstellung
Berliner Gemäldegalerie zeigt in Sonderschau, wie Bilder früher beschriftet wurden und wie die Angaben heute aussehen







Das Kulturforum im Tiergarten mit dem Kunstgewerbemuseum, der Gemäldegalerie, dem Kupferstichkabinett, Musikinstrumentenmuseum und weiteren Sammlungen, hier ein Blick auf die Philharmonie und im Hintergrund die Hochhäuser am Potsdamer , hat den großen Nachteil, dass es verkehrsmäßig schlecht angebunden ist. Ursprünglich im Schatten der Mauer großzügig und weitläufig als Gegenentwurf zur Ostberliner Museumsinsel geplant und gebaut, präsentiert sich das Ensemble in der Nähe des Potsdamer Platzes bis heute als unwirtliche Steinwüste. Da man es nur mit der Buslinie 200 erreichen kann, wirkt sich die etwas abseitige Lage negativ auf die Besucherzahlen aus. Wer jedoch die Sammlungen wie im Bild rechts die Gemäldegalerie besucht, wird angenehm von deren Reichhaltigkeit und Schönheit überrascht sein.







Die Ausstellung zeigt eine Auswahl erhalten gebliebener historischer Schilder sowie einige Gemälde, die noch ihre alten Beschriftungen an den manchmal zu diesem Zweck ausgesägten Rahmen tragen.



Galeriedirektor Julius Meyer schrieb 1874 in gut leserliocher Handschrift auf, welche Aufgaben Museen zur Hebung des allgemeinen kulturellen und ästhetischen Niveaus haben.







Während das Bild "Das Glas Wein" unzweifelhaft von Jan Vermeer van Delft stammt, verlor der berühmte "Mann mit dem Goldhelm" seinen Rang als Porträt von Rembrandts Hand und wird auf dem Schild darunter als aus dem Umkreis dieses Malers stammend bezeichnet. Wer es genauer wissen möchte, kann sich über seinen Audioguide informieren. (Fotos: Caspar)

Die Gemäldegalerie der Staatlichen Museen zu Berlin Preußischer Besitz zeigt in einer kleinen, aber feinen Sonderausstellung bis zum 29. September 2019, wie man Bilder früher in den königlichen Museen beschriftet hat und wie man heute mit dem Thema umgeht. Da Besucher wissen wollen, was und wen sie vor sich haben, mussten sich Museumsdirektoren und Kunsthistoriker etwas einfallen lassen, um Informationen kurz, knapp und vor allem auf neuestem Stand beruhend darzubieten. In ihrer langen Geschichte sah die von den Hohenzollern aufgebaute Königliche, seit ihrer Entmachtung 1918 Staatliche Galerie Berlin verschiedenste Formen von Beschriftungen.

Die Kabinettausstellung zeigt anhand von kleinen Schrifttafeln, Archivunterlagen, historischen Fotos anderen Materialien, wie aus bloßen Nummerfolgen künstlerisch geformte Erkennungstafeln mit Angaben über die betreffenden Maler und das dargestellte Thema wurden und was Besucherinnen und Besucher heute geboten wird. Einige in der Sonderausstellung und den Galerieräumen gezeigte Gemälde besitzen noch ihre alten Schilder. Heute muss man sich quasi vor den Gemälden verbeugen, um auf den unter diesen angebrachten Texten zu erfahren, was da an der Wand hängt.

Einfache Nummern reichten nicht aus

Lange bestand die Beschilderung im 19. Jahrhundert lediglich aus Zahlen, die am Rahmen befestigt oder gar in diesen eingeschnitten waren. Sie verwiesen auf Einträge im Handkatalog, was zur Folge hatte, dass die Berliner Gemäldegalerie bis heute mit "Katalognummern" an Stelle von Inventarnummern arbeiten muss. In der Ausstellung wird betont, dass die Beschriftungen mal mitteilsam und mal dezent formuliert wurden. "Sie spiegeln Sammlungs- und Zeitgeschichte, zeugen von lebhaften Diskussionen über die Aufgabe des Museums und erzählen von den Herausorderungen, denen sich das Museum zu verschiedenen Zeiten gegenübersah."

Ab den 1870er Jahren, das heißt seit der Reichseinigung von 1871 und der Erhebung Berlins zur Reichshauptstadt, bemühte man sich um ausführlichere Beschriftungen an den Rahmen, was zu einer intensiven theoretischen Auseinandersetzung über den Inhalt der Bilder und ihre Schöpfer führte. Es hatte sich herausgestellt, dass die eine oder andere Zuschreibung in den Museumskatalogen nicht stimmt. Die kunsthistorische Forschung war ja weitergegangen, und das sollte durch veränderte Beschriftungen vermittelt werden. Wer im Alten Museum am Berliner Listgarten in den ziemlich "wild" mit großen und kleinen Bildern bestückten Sälen nach einer bestimmten Nummer schaute, konnte durchaus auf falsche Angaben stoßen.

Welche Pflichten Museen haben

Um neue Beschriftung sorgte sich neben Museumsdirektoren und Gemäldeexperten kein Geringerer als der an Kunstfragen stark interessierte preußische Kronprinz Friedrich Wilhelm. Er ging 1888 als Neunundneunzigtage-Kaiser Friedrich III. in die Geschichte ein. Nach ihm wurde das 1904 eröffnete Museum auf der Spitze der Berliner Museumsinsel Kaiser-Friedrich-Museum genannt, das heutige Bode-Museum. Dort erhielt die Gemäldegalerie neue, großzügige und besser beleuchtete Räume.

In einer in der Ausstellung gezeigten handschriftlichen Stellungnahme von 1874 zur "Anheftung von Namenstafeln" schrieb Museumsdirektor Julius Meyer, der Vorgänger von Wilhelm (von) Bode in diesem Amt, zu den Pflichten der Galerie gehöre, für die Kunstbildung des Publikums das Ihrige zu tun, indem sie die Ergebnisse der Kunstwissenschaft - d. h. der theoretischen Forschung sowohl wie der praktischen Kennerschaft - in dieselbe überführt. "Diese Pflicht hängt eng zusammen mit den Zwecken, welche überhaupt Museen haben. Sie haben zur Verbreitung, wie zur Förderung der Kultur und Bildung wesentlich mitzuwirken, indem sie die Fähigkeit der Menschen, in der idealen Welt des Schönen und der Form zu den läuternden Einklang seiner geistigen und sinnlichen Natur zu gelangen, entwickeln und ausbilden helfen."

Mit dem Umzug der Galerie aus dem Alten Museum in das Kaiser-Friedrich-Museum 1904 wurden die Beschriftungen erstmals an den Wänden neben den Bildern angebracht. Außerdem hat man auf den Schildern auch Stifter und Stifterinnen genannt. Das hatte auch mit der Förderung der Berliner Museen durch den Kaiser Friedrich Museumsverein zu tun. Dieser wurde am 28. April 1896 auf Initiative von Wilhelm von Bode und weiteren vermögenden Berlinern als "Museums-Verein" gegründet, nannte sich aber schon bald Kaiser Friedrich Museumsverein (KFMV). Während des NS-Regimes wurden aus rassistischen Gründen Namen jüdischer Stifter und Stifterinnen entfernt, darunter auch der von James Simon (siehe Einträge auf dieser Internetseite vom 17. Juli und 23. August 2019). In der Studioausstellung kann leider keiner dieser historischen Hinweise auf den jüdischen Mäzen und Menschenfreund gezeigt werden, vermutlich hat man sie in der Nazizeit vernichtet.

Ausführlichere Beschriftungen geplant

Einfache, mit der Hand beschriebene Pappschilder lassen auf die prekäre Lage der Museen in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg schließen. Wie in der Kabinettausstellung weiter zu erfahren ist, gibt es kaum Fotos über das Aussehen der Bildersäle im Bode-Museum. Die Bestände konnten nach der deutschen Wiedervereinigung von 1990 mit denen der Gemäldegalerie im Westteil der Stadt fusionieren, so wie auch die anderen Sammlungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz wieder zueinander fanden. Nachdem die Gemäldegalerie am Berliner Kulturforum 1998 mit großzügig dimensionierten, zudem farblich unterschiedlich gefassten Sälen eröffnet wurde, hat man die Schilder unter den Bildern auf das Allernotwendigste beschränkt. Der Gedanke dabei war, dass die Gemälde und Skulpturen als solche wirken sollen und nur die wichtigsten Daten auf den Sockelleisten unter den Bildern notiert sind.

Wie aktuell aus der Gemäldegalerie zu hören ist, sind neue Beschriftungen mit mehr Informationen geplant. Die Platzierung der Schilder unter den Bildern schafft genügend Abstand zwischen Bild und Beschriftung. Den Besucher bleibt es überlassen, ob sie die Texte lesen möchten oder nicht, so wie es auch bei den Audioguides der Fall ist, auf die manche Besucher verzichten, weil sie sich nicht von den Bildern ablenken lassen möchten. Die Galerie will auf Bildbeschreibungen verzichten, wohl aber wird überlegt, ob man nicht an geeigneter Stelle sagen sollte, warum bestimmte Motive zu bestimmten Zeiten besonders beliebt waren und in anderen Perioden nicht. Leider erschien zu "Schilder einer Ausstellung" kein Katalog, nicht einmal ein Flyer. Eine Publikation wäre angebracht gewesen, damit man über sie auch nach längerem Abstand nachlesen kann. Die kleine, aber feinen Sonderausstellung am Kulturforum zeigt, wie man früher in den königlichen Museen Bilder nummeriert und beschriftet hat und welcher Service heutigen Besucherinnen und Besuchern geboten wird.

30. August 2019

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