Andreas Schlüter gehörte zu den bedeutendsten Bildhauern der Barockzeit nördlich der Alpen. Zu Recht haben die Staatlichen Museen zu Berlin dem "Michelangelo des Nordens" 2014 anlässlich seines 300. Todestages eine repräsentative Ausstellung im Bode-Museum auf der Museumsinsel ausgerichtet. Die Schau ehrte Schlüter als genialen Künstler und als denjenigen, der als Architekt dem Berliner Schloss seine barocke Gestalt gab. Diese ist inzwischen schon sehr schön zu erleben, wenn man das Humboldt Forum umrundet oder auch den Schlüterhof mit seinem prachtvollen Skulpturenschmuck betritt. Als der Hohenzollernbau 1950/51 kommunistischem Bildersturm geopfert wurde, hat man nicht nur die dicken Mauern gesprengt, sondern auch bis auf Reste den plastischen Schmuck Reste kurz und klein geschlagen. Was gerettet und an die Berliner Museen abgegeben wurde, konnte man in der Schlüter-Ausstellung sehen. Zu ihr erschien im Münchner Hirmer-Verlag ein umfangreicher Studienband über "Andreas Schlüter und das barocke Berlin" auch mit Angaben zur Biographie des Künstlers, dessen Sterbetag 1714 trotz aller Mühen nicht exakt ermittelt werden konnte. Viel zu viele Dokumente, die über diese und weitere Fragen hätten Auskunft geben können, sind verloren gegangen.
Verschlafene Residenzstadt sollte Spree-Athen werden
Die Ausstellung "SCHLOSS BAU MEISTER Andreas Schlüter und das barocke Berlin" holte einen der ganz Großen des Barock ans Tageslicht, der bis zur Eröffnung in der großen Öffentlichkeit nicht so bekannt war, wie er es verdient hat. Trotz intensiver Recherche der Kunsthistoriker in Schlüters Heimatstadt Danzig und in Sankt Petersburg, wo er 1714 starb, konnten die Lebensdaten des Meisters nicht genau ermittelt werden. Die Ausstellung zeigte, welche Skulpturen und Prunkbauten Berlin dem Ausnahmekünstler verdankt. Zu sehen waren Zeichnungen, Grafiken und Baupläne sowie hochkarätige Skulpturen und Modelle von Bildhauerarbeiten des Meisters, den der brandenburgische Kurfürst und preußische König Friedrich III,/Friedrich I. im Jahr 1694 mit dem Auftrag geholt hatte, aus der verschlafenen Residenzstadt ein "Spree-Athen" mit prächtigen Bauten des Hofes und des Adels zu machen. Gezeigt wurden nicht nur Schlüters eigene Werke, sondern auch die seiner italienischen und französischen Zeitgenossen, darunter Bildhauerarbeiten von so namhaften Künstlern wie Gian Lorenzo Bernini, Francesco Mochi, François Girardon oder Antoine Coysevox.
Unter den Exponaten befand sich eine Schnitzerei aus Eichenholz, die ursprünglich über einer Tür im Schlüterschen Treppenhaus des Berliner Schlosses eingebaut war. Dargestellt sind zwei als römische Kaiser gedeutete Porträts mit reich verziertem Helm. Kenner deuten sie als Beweis dafür, dass Schlüter die reiche Außenarchitektur des Schlosses in das Innere geführt hat mit dem Ziel, die Einheit von Außen und Innen herzustellen. Diese und weitere Ausstattungsstücke unterstreichen den Willen des Schlossherrn Friedrich I., sich in der europäischen Königsriege als ebenbürtig und darüber hinaus als Erbe der römischen Kaiser darzustellen.
Museum der Steine im Humboldt Forum
Die Eichenreliefs wurden vom Berliner Landesdenkmalamt für die Ausstellung zur Verfügung gestellt und sollen in einem Lapidarium gezeigt werden, das im Humboldt Forum eingerichtet wird. In diesem "Museum der Steine" werden Stücke zu sehen sein, die seinerzeit den Abriss des Berliner Schlosses überstanden haben und heute den in einer Werkstatt in Spandau arbeitenden Bildhauern bei der Kopie der barocken Architekturelemente wie Adler und Wappen sowie der vollplastischen Figuren gute Dienste tun.
Schlüters Verhältnis zu seinem kurfürstlichen, ab 1701 königlichen Auftraggeber war nicht immer ungetrübt. Mit dem Plan, dem in einen prächtigen barocken Palast verwandelten ehemaligen Renaissance-Schloss einen großen, weit sichtbaren Glockenturm anzufügen, ist Friedrich I. anno 1706 grandios gescheitert. Er hatte seinen Hofbildhauer mit dem Bau beauftragt, einem Mann, dem wir unter anderem das prächtige, heute im Ehrenhof des Schlosses Charlottenburg stehende Reiterdenkmal des Großen Kurfürsten, die Masken sterbender Krieger im Innenhof des Zeughauses Unter den Linden sowie die vergoldeten Königssärge im Berliner Dom und weitere Skulpturen verdanken. Was der bauwütige Monarch von Schlüter verlangte, nämlich einen Turm an der nordwestlichen Ecke des Schlosses "zum Schmucke der Stadt und zu öffentlichem Nutzen" zu errichten, überstieg offenbar dessen Fähigkeiten. Der schlanke Campanile sollte einen früheren Turm ersetzen, der die Brunnen und Fontänen im Lustgarten am Schloss mit Wasser versorgt. Da in dem Gebäude auch eine Münzwerkstatt untergebracht war, nannte man den noch aus der Renaissance stammenden Bau auch Münzturm.
Schlechter Baugrund führte zum Einsturz
König Friedrich I. verlangte nach einem neuen Münzturm, der ein Glockenspiel erhalten sollte. Wie sein Vorgänger sollte er die Wasserspiele auf dem Lustgarten speisen. Missmutig ging der zum Schlossbaumeister erhobene Bildhauer an die Arbeit. Im Jahr 1706 war der neue Münzturm bis zur Höhe von 70 Metern aufgeführt. Doch da brach das stolze Bauwerk in sich zusammen. Der König war wütend. Er wischte den Einwand vom Tisch, dass die Planungen gut, das Erdreich aber instabil ist, ein Umstand, der bis heute Bauten in Berlins Mitte Probleme bereitet. Der prestigesüchtige und prunkliebende König ließ nicht locker. Der Architekt musste die Fundamente verstärken. Seitliche Anbauten sollten dem Turm Halt geben und die Lasten auffangen. Erneut wurde der neue Münzturm aufgerichtet, doch zeigten sich bald wieder Risse und Absenkungen. Das Bauwerk war nicht mehr zu retten und musste am 25. Juni 1706 abgebrochen werden.
Wutschnaubend entließ der König seinen Schlossbaumeister, beschäftigte ihn aber weiter als Hofbildhauer. "Es hat mein Unglück bei diesem meinem Vornehmen auf mich gelauert, indem bey meiner fleißigen und mühsamen Arbeit wider aller mein Vermuthen bey dem Thurm ein Eckpfeiler zu sinken sich angefangen", versuchte der Künstler, sich bei seinem Herren zu entschuldigen. Friedrich I. gab seine Vision nicht auf, beauftragte Eosander von Göthe, das Schloss mit einem repräsentativen, über hundert Meter hohen Kuppelbau zu bekrönen und damit der Stadt endlich die ersehnte Höhendominante zu schenken, wiederum ausgestattet mit Glockenspiel und Wasserbehälter. Der Plan wurde nicht verwirklicht, weil es an Mut und Geld fehlte.
Vom Künstlerpech verfolgt
Der so lange erfolgreiche Schlüter hatte wohl auch viele Neider, die wie sein Konkurrent Johann Friedrich von Eosander die Gelegenheit nutzten, ihn beim König madig zu machen. Nach mehreren Jahren, die Schlüter bis auf einige wenige bildhauerische Aufträge mehr oder weniger untätig, zurückgezogen und angeblich mit dem Konstruktionsversuch eines Perpetuum mobile verbracht hatte, bekam er ein letztes Bauprojekt in Berlin zugeteilt, die Villa Kamecke, die sich der Geheimrat Ernst Bogislav von Kameke in einem privaten Lustgarten in der Dorotheenstadt nach Plänen von Schlüter zwischen 1711 und 1712 errichten ließ. Die Ruine des später als Loge Royal genutzten und im Zweiten Weltkrieg zerstörten Villa wurde 1950 beseitigt. Einige Spolien kamen in den Besitz der damaligen Königlichen, heute Staatlichen Museen und werden im Bode-Museum gezeigt. Ein wichtiger Staatsauftrag war für Schlüter die Schaffung des vergoldeten Sargs von König Friedrich I., der an der Seite des Sargs seiner schon 1705 verstorbenen Gemahlin Sophie Charlotte im Berliner Dom besichtigt werden kann.
Nach dem Tod des ersten Preußenkönigs im Jahr 1713 stellte dessen Sohn und Nachfolger, der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I., die kostspieligen Bauten seines Vorgängers ein. Er verzichtete aus Kostengründen, weil er die Schulden seines Vaters abstottern wollte und ihm Soldaten wichtiger waren als höfischer Prunk und Protz, die Attika des Schlosses mit Heldenfiguren zu schmücken, wie man sie noch auf alten Stichen abgebildet sieht. In veränderter Form wurde die Idee einer das Schloss überragenden Höhendominante in Gestalt einer Schlosskuppel unter Friedrich Wilhelm IV. Mitte des 19. Jahrhunderts verwirklicht. Die neue Kuppel krönt bereits die Baustelle, nur muss sie noch die Laterne bekommen sowie mit einer Kupferhaut bedeckt und einer umlaufenden Inschrift versehen werden, die nach dem Willen König Friedrich Wilhelms IV. so lautet: "Es ist in keinem anderen Heil, es ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, denn der Name Jesu, zu Ehren des Vaters, dass im Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erden sind" (Apostelgeschichte Kap. IV, 12 und Philipperbrief Kap. II, 10). Nachdem der vom Künstlerpech verfolgte Schlüter noch den vergoldeten Sarg für König Friedrich I. geschaffen hatte, wanderte er aus und begab sich in russische Dienste. Bereits 1714 starb er in Sankt Petersburg.
11. Februar 2019
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