"Starke Typen"
Griechische Porträtkunst der Spitzenklasse im Alten Museum am Berliner Lustgarten



Als ersten Bau dieser Art hat Karl Friedrich Schinkel das 1830 eröffnete Alte Museum innen und außen überaus prächtig gestaltet.



Die Ausmalungen im Treppenhaus und den Sälen gingen im Zweiten Weltkrieg verloren, und auch die Räume selbst sind, bis auf die Rotunde, neu gestaltet. Wer in der ersten Etage rechts durch die Tür im Hintergrund tritt, taucht in die weit entfernte und doch so nahe Zeit des Altertums ein und erkennt die Wurzeln heutigen Lebend und Schaffens.



Die Bronze-Nachbildungen der aus dem 5. Jahrhundert vor Christus stammenden Krieger von Riace machen in der Rotunde des Alten Museums neugierig auf dort präsentierte "Starke Typen".



An glorreiche Zeiten erinnert der korinthische Helm, der im 5. vorchristlichen Jahrhundert Köpfe griechischer Heerführer, der so genannten Strategen, schmückte und schützte.



Dass Götter, Krieger und Sportler ganz oder halbnackt dargestellt wurden, geht auf die schwärmerische Vorstellung zurück, wonach in einem schönen Körper eine reine Seele wohnt. Vielfach sind die Schöpfungen aus dem antiken Griechenland als Kopien aus der Römerzeit überliefert, weil den Herrschern und reichen Leuten die kostbaren Originale nicht nur Verfügung standen.



Friedrich II., der Große, kaufte die aus Rhodos stammende, im 3. vorchristlichen Jahrhundert geschaffene Bronzefigur des "betenden Knaben" im Jahr 1747 für 5000 Taler an, um ihn auf die Terrasse von Schloss Sanssouci aufzustellen. Mit der Schaffung der Königlichen Museen kam die Figur nach Berlin. Die zum Himmel erhobenen Arme sind Ergänzungen aus nachantiker Zeit. Die Figur avancierte zu einem Symbol der Berliner Antikensammlung, so wie es die Büste der Königin Nofretete für die Ägyptische Sammlung steht.





Griechische Vasen sowie geschnittene Steine wie hier der auf einem zwischen 117 und 138 nach Christus gefertigten Kameo als Weltenherrscher gefeierte Kaiser Hadrian gehören zu den Spitzenstücken des Alten Museums.



Die 1767 von Friedrich II. erworbene Büste des Julius Caesar aus Grünschiefer gehört zu den Spitzenstücken der Berliner Antikensammlung, vorn die Büste der ägyptischen Königin Kleopatra VII., mit der römische Diktator zeitweilig liiert war und einen Sohn hatte, den man Caesarion (kleinen Caesar) nannte. (Fotos: Caspar)

Im Alten Museum am Berliner Lustgarten ist bis zum 2. Februar 2020 die Sonderausstellung "Starke Typen - Griechische Porträts der Antike" zu sehen. Was sich auf diesem Gebiet bei den alten Griechen tat und wie die antiken Helden-, Herrscher-, Krieger- Gelehrten- und Sportlerbildnisse bis in die römische Kaiserzeit und die Renaissance und von dort bis heute nachwirkten, wird in einem gesonderten Saal der Antikensammlung sowie an weiteren Orten des am Lustgarten stehenden, von Karl Friedrich Schinkel errichteten Säulenbaus gezeigt. Die Porträts sind keine lebenswahren Abbilder konkreter Personen, sondern charakterisieren und symbolisieren seinerzeit verehrte Menschen in unterschiedlichen Altersstufen sowie nach ihrem sozialen Status und Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe.

Die Statuen, Reliefs, Vasen und anderen Bildträger spiegeln die Wünsche der Auftraggeber und Anlässe für ihre Herstellung facettenreich wider. Beim Anblick der eindrucksvollen Köpfe und formvollendeten Körper, wie sie moderne Bodybuilder nicht besser hinbekommen, sollte man nicht übersehen, dass es bei den alten Griechen und anderen Völkern im Kampf um Land, Häfen, Städte und Menschen ausgesprochen brutal und blutig zuging. Gezeigt werden antike Köpfe von Dichtern, Philosophen, Königen und Feldherren aus Marmor sowie ein historischer Bronzenachguss, eine attische Vase mit einer einzigartigen Darstellung der Dichterin Sappho und andere Hinterlassenschaften aus vorchristlicher Zeit. Hinzu kommen Nachbildungen der bronzenen Kriegerstatuen von Riace aus dem fünften vorchristlichen Jahrhundert, die in der Rotunde aufgestellt sind und neugierig auf die in dem runden Vestibül und den anderen Sälen aufgestellten Götter- und Heldenstatuen machen.

Leihgaben aus München und Frankfurt am Main

Die Sonderausstellung mit herausragenden Leihgaben aus München und Frankfurt am Main sowie Objekten aus der Antikensammlung der Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz schildert die Entwicklung griechischer Porträtkunst im Spannungsfeld von Ideal und Individualisierung. Sie zeigt, wie Bildnisse der Selbstinszenierung und Imagepflege dienten und wie es Künstler verstanden, konkrete Menschen zu schönen. Aus dem Depot der Berliner Antikensammlung geholte Kleinkunstobjekte aus Metall und Keramik sowie in einer speziellen Schatzkammer und in weiteren Räumen präsentierte Geldstücke aus dem Besitz des Berliner Münzkabinetts ergänzen die Schau. Eine im Michael Imhof Verlag Petersberg erschienene Begleitpublikation dokumentiert in Bild und Schrift die Ausstellung und ordnet die Exponate in ihren historischen und künstlerischen Kontext ein.

Die Ausstellung unterstreicht, dass die Wurzeln heutiger Porträtkunst über die Epoche der Renaissance und die römische Kaiserzeit bis in die griechische Antike zurück reichen. Seit dem 8. vorchristlichen Jahrhundert wurden in Griechenland Menschenbildnisse in verschiedenen Kunstgattungen geschaffen. In den Sälen des Alten Museums finden sich zahlreiche eindrucksvolle Beispiele aus Marmor, Metall, Keramik und anderen Materialien sowie auf Münzen. Mit diesen Porträts wollte man die Erinnerung an Erdbewohner, aber auch Verehrung für Götter aller Art bekunden und wach halten. Dargestellt sind die Personen als ganze, häufig unbekleidete Körper und nicht nur mit ihren Köpfen. "Anders als heute war das tatsächliche Aussehen der Person jedoch nicht so wichtig. Entscheidend waren vielmehr ihre gesellschaftliche Rolle und ihr ,Image'. Eine große Bedeutung hatten deshalb auch Anlass und Ort der Porträtaufstellung sowie die programmatischen Absichten der Auftrageber. Eine Inschrift mit dem Namen des Dargestellten sorgte für die Identifizierung des Porträts. Grundsätzlich war jeder Mensch bildniswürdig", betont eine erklärende Tafel im Eingang zur Ausstellung "Starke Typen".

Kluge Leute stellten die Weichen

Mit der Eröffnung des Königlichen Museums am Berliner Lustgarten hatte sich der preußische König Friedrich Wilhelm III. am 3. August 1830 ein besonderes Geschenk gemacht. An seinem 60. Geburtstag eröffnete der Monarch das neue Haus und soll dabei "sehr beeindruckt" gewesen sein, wie Zeitgenossen berichten. Während es anderswo bereits öffentliche Museen gab, in Paris, London oder München etwa, zog Berlin erst jetzt mit dem Neubau nach. Für ihn hat sich Laufe der Zeit der Name "Altes Museum" eingebürgert. Seit 1824 war an dem Museum nach Plänen von Karl Friedrich Schinkel gearbeitet worden. Als es eröffnet wurde, strömte das Publikum in großen Scharen herbei, denn der Eintritt war frei und das Schaubedürfnis groß. Erfreuen und bilden, das war das Anliegen der Museumsgründung, und dazu hatten kluge Leute wie Alois Hirt und Wilhelm von Humboldt in ihren Denkschriften die Weichen gestellt.

Um den repräsentativen Säulenbau zu füllen, dem sich in dem folgenden Jahrhundert weitere Museen bis an die Spitze der Museumsinsel anschlossen, waren die königlichen Schlösser in Berlin, Potsdam und anderswo nach Gemälden, Skulpturen und anderen Preziosen durchgekämmt worden. Da es Lücken gab, veranlasste Humboldt im Auftrag des Königs umfangreiche Kunstkäufe vor allem in Italien, und auch die ersten Grabungen in Ländern des klassischen Altertums kamen in Gang.

Ein besonderes Schauobjekt war der "Betende Knabe", um den sich weitere antike Spitzenstücke der antiken Bildhauerei wie der "Berliner Athlet" gruppierten. Die römische Marmorkopie nach einem griechischen Bronzeoriginal war wie der "Betende Knabe" von Friedrich II. angekauft und 1830 von Potsdam nach Berlin überführt worden. Beim Rundgang durch das Alte Museum fallen uns heute schwarz- und rotfigurig bemalte Vasen sowie Terrakotten, Mosaiken und Gefäße aus Silber und Bronze sowie kostbare Grabbeigaben aus Gold und Silber ins Auge. Ausgestellt sind ferner Gemmen und Kameen, also geschnittene Steine, sowie andere Hinterlassenschafen antiker Völker.

Nach Paris verschleppt und dann wieder geführt

Dass Friedrich Wilhelm III. den Bronzeknaben, der die Arme wie zum Gebet erhoben hält, in der Mitte des neuen Museums am Lustgarten aufstellen ließ, hängt mit der großen Popularität zusammen, der sich dieses griechische Meisterwerk zuvor in Paris erfreute. Denn nach Preußens Niederlage 1806 im Krieg gegen Frankreich wurden auf Befehl des siegreichen Kaisers Napoleon I. die kostbare Skulptur mit unzähligen weiteren Kunstwerken aus den preußischen Königsschlössern als Beutestücke nach Frankreich verschleppt und im Pariser Musée Napoléon ausgestellt. Die Erinnerung an den großen Erfolg dieser Präsentation ließ nach den Befreiungskriegen von 1813 bis 1815 in der preußischen Führungsriege den Wunsch reifen, in einem öffentlichen Museum jenen königlichen Kunstbesitz auszustellen, der im fernen Frankreich Furore gemacht hatte, ergänzt durch weitere Stücke, die auf Staatskosten quer durch Europa angekauft wurden oder bei Ausgrabungen ans Tageslicht kamen.

Mit rund 14 000 Stücken gehört die Berliner Gemmen- und Kameensammlung zu den größten Sammlungen dieser Art. Eine kleine, aber feine Auswahl ist gemeinsam mit Goldschmiedearbeiten und anderen Preziosen im Alten Museum ausgestellt. Wie hoch die geschnittenen Steine in der Gunst König Friedrichs des Großen stand, zeigt der Kauf der von keinem Geringeren als Johann Joachim Winckelmann, dem Begründer der klassischen Altertumskunde, katalogisierten Sammlung des 1757 in Florenz verstorbenen Barons Philipp von Stosch. Schon vorher hatten sich brandenburgische Kurfürsten um geschnittene Steine bemüht und damit den Grund der heute zur Antikensammlung der Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz gehörenden Kollektion dieser Art gelegt.

Geschnittene Steine waren der Inbegriff von Luxus und Zeugnis einer ausgefeilten Steinbearbeitungstechnik. Mit ihnen wurden nicht nur Briefe und Dokumente gesiegelt, man hat sie auch, in Gold oder Silber gefasst, als Schmuckstücke verwendet. Ja sie kommen sogar, obwohl sie aus vorchristlicher Zeit stammen und "heidnische" Götter und Potentaten zeigen, als Schmuck der deutschen Kaiserkrone und von christlichem Kirchengerät vor. In nachantiker Zeit aus der Mode, wohl weil man auch die Techniken verlernt hatte und auch die edlen Materialien nicht zur Verfügung standen, wurden Gemmen und Kameen in der Renaissance und im Barock neu entdeckt. Und so entwickelte sich die Steinschneiderei zu einem blühenden Kunstbetrieb, der viele Sammler mit exzellenten Stücken versorgte. Mit geschnittenen Steinen haben römische Kaiser ihre dynastische, ja göttliche Abkunft und ihre Herrschaftsansprüche betont. Leider ist über die Schöpfer wenig bekannt, nur selten haben die Steinschneider ihre Arbeit signiert. Da häufig Kopien nach antiken Vorbildern angefertigt wurden, ist die Datierung mancher Stücke ganz einfach. Zudem wurden in der Neuzeit auch antike Steine überarbeitet, so dass es schwer fällt, sie zeitlich einzuordnen und einem Künstler zuzuordnen.

2. Oktober 2019

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