Der Bauch von Berlin
Bau des städtischen Schlacht- und Viehhofs an der Landsberger Allee war im 19. Jahrhundert überfällig





Ein Bild des Jammers boten vor einigen Jahren die Hallen an der Landsberger Allee. Seit einigen Jahren werden sie entkernt und entrümpelt. Auf ihren ursprünglichen Zustand zurück geführt, werden sie in hoffentlich nicht allzu langer Zeit gewerblich, gastronomisch und kulturell genutzt und dann eine große Augenweide sein.



Die meisten Direktions- und Geschäftsbauten, Ställe, Verkaufshallen und Restaurants auf dem Berliner Schlacht- und Viehhof haben den Zweiten Weltkrieg nicht überstanden. Was erhalten geblieben war, musste Neubauten weichen oder wurde einer neuen Verwendung zugeführt. Die Pracht der gründerzeitlichen Bauten, in denen sich viele Leute zum Einkaufen und geselligen Beisammensein trafen, ist nur noch durch Fotos und Beschreibungen dokumentiert.



Die Methoden zur Tötung der Tiere vor über hundert Jahren wurden auf drastischen Bildern gezeigt und kontrovers diskutiert.



Von 1937 bis 1940 wurde quer über den Schlacht- und Viehhof eine etwa 420 Meter lange überdachte und verglaste Fußgängerbrücke gebaut. Sie verlief in einer Höhe von etwa sechs Metern von der Eldenaer Straße zum damaligen S-Bahnhof Zentral-Viehhof, der heute Storkower Straße heißt. Die "Langes Elend" genannte Brücke wurde bis auf einen Rest zeitgleich mit ruinösen Ställen und andere Wirtschaftsgebäuden in den 1990er Jahren abgerissen.



Die ehemalige Rinderauktionshalle ist in ein großes Fahrradhaus umgewandelt worden, die beiden anderen Hallen sind nur als Eisengerippe zu erahnen.



Die Werner-Seelenbinder-Halle an der Paul-Heyse-Straße war bis zu ihrem Abriss 1992 Schauplatz von SED-Parteitagen und anderen Politveranstaltungen, aber auch von Sportwettkämpfen und Konzerten. Auf dem Gelände befindet sich heute das Velorom und die Schwimm- und Sprunghalle.



Die Werner-Seelenbinder-Halle an der Paul-Heyse-Straße war bis zu ihrem Abriss 1992 Schauplatz von SED-Parteitagen und anderen Politveranstaltungen, aber auch von Sportwettkämpfen und Konzerten. Auf dem Gelände befindet sich heute das Velorom und die Schwimm- und Sprunghalle.



1990 wurde das ehemalige Schlachthofgelände als Kulturdenkmal unter Denkmalschutz gestellt und 1995 in die Berliner Denkmalliste eingetragen. Erhalten blieben an der Thaerstraße aus der Kaiserzeit stammende Direktions- und Verwaltungsgebäude.



Das Foto auf dem Bauschild an der Landsberger Allee zeigt, wie die zur Zeit sanierten Hallen eines Tages aussehen werden. Der Mix von Gewerbe, Gastronomie und Künstlerateliers wird das lange tote Gelände spürbar aufwerten. (Fotos/Repros: Caspar)

Von dem aus der Kaiserzeit stammenden Schlacht- und Viehhof an der Landsberger Allee und Hausburgstraße im Berliner Bezirk Lichtenberg sind nur noch wenige Gebäude erhalten. Die meisten wurden in den vergangenen Jahrzehnten abgerissen, einige alte Fassaden hat man in neue Wohnhäuser integriert. Zu sehen sind noch gusseiserne Gerippe der Viehhallen sowie ehemalige Direktionshäuser und Verwaltungsbauten, die in Kindertagesstätten und Büros umgewandelt wurden. Aktuell werden drei Hallen an der Landsberger Allee von Dach bis Keller saniert und zum Teil nach alten Plänen neu gebaut. Ein verheerender Brand in der Nähe des S-Bahnhofs Landsberger Allee und einer Straßenbahnhaltestelle hatte Mitte April 2028 eine dieser Bauten zerstört. Jetzt müssen die Mauern aus roten Ziegeln zum Teil ganz neu hochgezogen werden, außerdem bekommt das Gebäude ein neues Dach. Alle Hallen wurden in den vergangenen Jahren entkernt und von Schutt befreit. Sie bekommen neue Fenster und Zugänge im alten Stil.

Berlin legte sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einen städtischen Zentralvieh- und Schlachthof im Dreieck Thaerstraße - Eldenaer Straße - Ringbahn zu, der später nach Nordwesten erweitert wurde. Bis 1977 hieß der heutige S-Bahnhof Storkower Straße Zentralviehhof. Wer in der Nähe wohnte, musste die ätzenden Gerüche und das Quietschen und Brüllen der Tiere aushalten, die in den Hallen getötet wurden, um dann zu Wurst und Fleisch verarbeitet zu werden. Das ist inzwischen Geschichte, denn der Schlachtbetrieb wurde in Berlin eingestellt. An seiner Stelle wurde 1977 das "Schlacht- und Verarbeitungskombinat Eberswalde (SVKE)" gegründet, das sich in den 1980er Jahren zum größten Fleischverarbeitungsbetrieb Europas entwickelte und seit dem 1. November 2002 als EWG Eberswalder Wurst GmbH und EWG Eberswalder Fleisch GmbH firmiert.

Schlachthäuser nebenan und außerhalb der Wohngebiete

Viehmärkte und das Schlachten von Tieren haben in Berlin eine lange Tradition. Innerhalb der Stadtmauern gab es zahlreiche Schlächtereien, deren Abfälle in die Spree geworfen wurden, was der Hygiene alles andere als zuträglich war. Die Kurfürsten von Brandenburg und Könige von Preußen sorgten dafür, dass nur in städtischen Schlachthäusern gearbeitet wurde. Nachdem aber 1810 im Zuge der Stein-Hardenbergschen Reformen die Gewerbefreiheit eingeführt worden war, machten auch private Betriebe auf. Ihre Zahl stieg ähnlich rasch wie die Menge der Einwohner der Haupt- und Residenzstadt zunahm. Da die Zustände in den Schlachthäusern der Volksgesundheit schadeten, wurde der Ruf nach Anlagen immer lauter, die von Tierärzten überwacht und bestimmten Anforderungen an Gesundheit und Hygiene gerecht wurden. Die Schlachthäuser sollten wegen der zu erwartenden Umweltverschmutzung, der Geruchs- und Geräuschbelästigung sowie der Verkehrsanbindung nur noch außerhalb der Wohnviertel eingerichtet werden. Der 1867 auf einem 30 Hektar großen Areal zwischen der Brunnen- und Ackerstraße im Ortsteil Gesundbrunnen gebaute und privat betriebene Berliner Viehmarkt besaß einen Eisenbahnanschluss und genügte eine Zeitlang den Anforderungen, konnte auf Dauer aber nicht den wachsenden Bedarf befriedigen.

1864 regte der um die hygienischen Zustände in der Stadt besorgte Mediziner Rudolf Virchow gegenüber den Stadtverordneten an, dass die Stadt Berlin ein eigenes Schlachthaus baut, über das sie die Kontrolle ausübt. Der Plan, dieses im Ortsteil Moabit nahe der Beusselstraße zu bauen, wurde vom Stadtparlament wegen der Kosten und wohl auch des Widerstands der Schlächter selbst abgelehnt. Allerdings sah sich die preußische Regierung 1868 angesichts von Missständen im Schlachtgewerbe und der Verbreitung der Trichinose genötigt, das Gesetz über die "Errichtung öffentlicher, ausschließlich zu benutzender Schlachthäuser" zu erlassen. Ziel war es, Ordnung, Übersicht und Hygiene in diesem Bereich sicherzustellen. Die Zeit war günstig für eine solche Neuerung, denn parallel in Berlin die ersten städtischen Markthallen gebaut. Schlachthäuser und Markthallen sowie eine unterirdische Kanalisation zu schaffen, lagen im Trend, denn auch in anderen europäischen Großstädten hatte man erkannt, dass die Beibehaltung mittelalterlich anmutender Zustände bei der Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln aller Art nicht mehr zumutbar ist.

Hermann Blankenstein nahm Planung in die Hand

Der Berliner Magistrat sah sich nach einem noch unbebauten Gelände am Stadtrand um. Zur Wahl standen Flächen in Rummelsburg, weil es dort einen Anschluss an die Spree gab, und auf der Lichtenberger Feldmark zwischen Eldenaer Straße und Ringbahn, der heutigen S-Bahn. Den Zuschlag bekam am Ende der Diskussionen das Gelände in Lichtenberg. So erwarb der Magistrat am 28. Oktober 1876 das 38,62 Hektar große Gebiet für 657.210 Mark und konnte endlich mit dem Bau des Zentral-Vieh- und Schlachthof beginnen. Die Planung übernahm Stadtbaurat Hermann Blankenstein, der Vorstellungen von Rudolf Virchow in Bezug auf die Hygiene und Umweltverträglichkeit mit zahlreichen Hallen und Verwaltungsbauten im repräsentativen Stil der Gründerzeit seit Ende 1877 verwirklichte. Nach Blankenstein sind eine Straße und ein Park auf dem Gelände des früheren Schlacht- und Viehhofs benannt. Am 30. März 1878 wurde die Fläche der Stadt Berlin eingemeindet. Das war wichtig, weil dadurch das schon länger bestehende Schlachtzwanggesetz auch hier zur Geltung kam. Obwohl noch nicht alle Gebäude fertig gestellt waren, wurde der neue Schlacht- und Viehhof am 1. März 1881 eingeweiht.

Im westlichen Teil befanden sich der Schlachthof, auf dem es auch Einrichtungen zur Verwertung des Schlachtgutes sowie eine Kaldaunenwäsche, eine Darmschleimerei, eine Talgschmelze, eine für die Herstellung von Leder nötige Häutesalzerei und Häutetrocknerei und eine blutverarbeitende Albuminfabrik gehörten. Wichtig war ein separater Gleisanschluss zum Transport der Tiere und von dem, was man aus ihnen am Ende gemacht hat. Die Eisenbahngleise waren alles in allem 15,5 km lang und besaßen fünf Viehrampen, an denen fünf je 400 Meter lange Züge gleichzeitig entladen werden konnten. In einer Desinfektionsanstalt wurden bis zu 50 Waggons pro Stunde nach dem Entladen gereinigt. Die Ringbahn erhielt im Mai 1881 am Vieh- und Schlachthof einen Haltepunkt. Eine Brücke führte bis in die 1970er Jahre über das gesamte Gelände. Sie wurde im Zusammenhang mit der Umgestaltung des Geländes verkürzt und führt heute von der Storkower Straße hinüber auf eine mit Supermärkten, einem Baumarkt, einem großen Fahrradhaus in einer ehemaligen Viehverkaufshalle und weiteren Geschäften einschließlich eines großen Parkplatzes. Erschlossen wird dieses nach der Wiedervereinigung mit zahlreichen Einfamilienhäusern besetztes Gelände durch eine neue Straße, auf die man über eine neue, die S-Bahn- und Eisenbahngleise überquerende Brücke gelangt, die nach Albrecht Daniel Thaer, dem Begründer der Agrarwissenschaft in Preußen, benannt ist.

Ställe, Läden, Restaurants

In der Kaiserzeit und danach waren der Viehhof und der Schlachthof durch eine Mauer getrennt. Es gab vier große Verkaufshallen, von denen man heute noch Reste in Gestalt von gusseisernen Tragekonstruktionen sehen kann, ferner zahlreiche Ställe, zwei Verwaltungsgebäude und das Gebäude der Tierbörse sowie zahlreiche Läden und Restaurants. Im Osten war ein unbebautes Gelände für spätere Erweiterungen vorgesehen. Außerdem gab es einen Seuchenhof für "verdächtige" Tiere, wie man damals sagte. Im ersten Geschäftsjahr wurden 126.347 Rinder, 392.895 Schweine, 111.937 Kälber und 650.060 Hammel verarbeitet. Auf dem Gelände muss es laut gewesen sein, und es hat da und dort gewiss auch übel gerochen.

Erster Verwaltungsdirektor war bis 1901 der Königliche Ökonomierat Otto Hausburg, nach dem 1902 eine Straße benannt ist. So gut alle Planungen und Bauten waren, sie reichten bald nicht mehr aus. Deshalb entschloss sich der Magistrat bereits 1889, das Gelände zu erweitern. Er kaufte für 1,5 Millionen Mark ein 10,9 Hektar großes Gebiet zwischen Thaerstraße und der heutigen Landsberger Allee. Bis 1898 wurde der Neue Schlachthof unter Federführung des Baumeisters August Lindemann mit Schlachthäusern, Ställen, Verwaltungsgebäuden und Kühlhäusern bebaut. Durch zwei Unterführungen als Verbindung beider Gelände wurden die Tiere von den Ställen zu den Schlachthäusern getrieben. Im Ersten Weltkrieg und danach während der Inflationszeit stagnierte der Ausbau des Schlacht- und Viehhofs. In dieser Zeit wurden leer stehende Bauten als Lagerhallen genutzt, doch erhielt der Vieh- und Schlachtbetrieb ab 1924 eine neue Chance durch eine neue Fleischgroßmarkthalle, die in der frühen DDR-Zeit als Werner-Seelenbinder-Halle Schauplatz von Parteitagen der SED sowie von großen Sport- und Kulturveranstaltungen erhielt. Nach Plänen von Richard Ermisch wurde 1929 ein neues großes Kühlhaus gebaut, ein Jahr später hat man die Rinderauktionshalle um 5000 Quadratmeter erweitert.

Fleischkombinat wurde 1990 privatisiert

Der Zentralvieh- und Schlachthof entwickelte sich in DDR-Zeiten zum führenden Betrieb der fleischverarbeitenden Industrie in Ostberlin. Er wurde in einen Volkseigenen Betrieb (VEB) umgewandelt und 1963 dem VEB Fleischkombinat Berlin zugeschlagen. Nach dem Ende der DDR und der Wiedervereinigung von 1990 wurde das Kombinat privatisiert und 1991 still gelegt. Das hat dem brach liegenden Gelände und seinen Bauten nicht gut getan. Überall waren auf der Brache die Folgen von Vandalismus und Vernachlässigung zu sehen, wer konnte, nahm hier Reißaus. Die Aufgaben des alten DDR-Betriebs übernahm der Fleischgroßmarkt an der Beusselstraße im Ortsteil Moabit.

Im Rahmen der Bewerbung Berlins um die Olympischen Sommerspiele 2000 Anfang der 1990er Jahre wurde auch das Schlachthof-Areal in die Planungen mit einbezogen. Vorgesehen war ein Medienzentrum mit Wohn- und Arbeitsräumen für Journalisten aus aller Welt. Da Sydney im Bewerbungsverfahren den Zuschlag erhielt, wurden die Baupläne nicht verwirklicht, vom Olympia-Projekt Velodrom auf dem nördlich der Landsberger Allee gelegenen Areal des Zentralvieh- und Schlachthofs abgesehen. Längst aufgegeben ist das Schlachten von Rindern und Schweinen, verhallt sind auch die damit verbundenen Geräusche der sterbenden Tiere, und auch die Anwohner müssen die Ausdünstungen eines solchen Unternehmens nicht mehr ertragen. Einige Hallen und Ställe wurden in den vergangenen Jahren saniert und für Wohnzwecke und als Gewerberäume hergerichtet, das lange Zeit verwilderte Areal hat sich zu einer begehrten Adresse gemausert, und das tut der ganzen Gegend an der Landsberger Allee sowie Hausburg- und Thaerstraße gut.

Neues Stadtquartier als gefragte Wohnadresse

Von den historischen Gebäuden waren vor 30 Jahren auf dem Gelände des Alten Schlachthofs nur noch rund 33 Prozent und auf dem des Neuen Schlachthofs noch rund 70 Prozent vorhanden. Planungen des Berliner Senats sahen Mitte der 1990er Jahre vor, auf dem 50 Hektar großen Gelände bis 2010 das neue Stadtquartier "Alter Schlachthof" mit etwa 250.000 Quadratmeter gewerblicher Nutzfläche und Wohnungen für 4500 Bewohner entstehen zu lassen. So entwickelte sich ab 2002 das Gelände zu einer gefragten Wohnadresse mit dem 5,1 Hektar großen Hermann-Blankenstein-Park als Mittelpunkt, der im Oktober 2004 eröffnet wurde. Er bezieht das eiserne Stützgerüst der ehemaligen Hammelauktionshalle ein und ist ein beliebtes Erholungsbiet für Jung und Alt. Mit weiteren Bereichen dieser Art ist ein Fünftel des ehemaligen Schlachthofs eine Grünfläche.

Unter Denkmalschutz stehen die Rinderauktionshalle, heute Fahrradcenter Stadler, und die Reste der Hammelauktionshalle, die aktuell sanierten Schlachthallen an der Landsberger Allee und die Rinderställe an der Eldenaer Straße, das ehemalige Verwaltungsgebäude und die ehemalige Direktorenvilla an der Eldenaer Straße, die Schlachthofmauer an der Hausburgstraße, ein Pumpenhäuschen an der Eldenaer Straße und Reste der Fußgängerbrücke zum S-Bahnhof Storkower Straße. Die Rinderauktionshalle hatte als einzige der ursprünglich drei Auktionshallen die Zeiten überstanden und schließt sich östlich an den Blankensteinpark an. Die von 320 gusseisernen Säulen getragenen Hallen stammen aus der ersten Bauphase und waren mit einer 212 mal 72 Meter großen Grundfläche die größten überdachten Eisenkonstruktionen Berlins. Zunächst waren alle drei Hallen offene Bauwerke, doch hat man sie nach Beschwerden der Viehhändler schon bald verglast. Zwischen 2009 und 2011 sanierte das Berliner Architektenbüro Gnädinger Architekten für zwölf Millionen Euro die Halle. Seither ist hier das Zweirad-Center Stadler zuhause.

Nach Kriegsende Kunstdepot der Roten Armee

Nach dem Zweiten Weltkrieg war der Schlacht- und Viehhof, sofern er nicht zerbombt war, ein wichtiges Kunstdepot der Roten Armee. Von hier gingen Bahntransporte mit Kunstwerken und Büchern nach Moskau und Leningrad ab. Die die weiträumige Anlage wurde nach dem 8. Mai 1945 von der Roten Armee besetzt. Von hier aus gingen mindestens neun Transporte mit hunderten Waggons und einigen tausend Kisten mit requirierten Gemälden, Grafiken, Figuren, Möbeln, kunsthandwerklichen Objekten, archäologischen Fundstücken, Büchern und weiteren Beutestücken in Richtung Sowjetunion ab. Hinter der Aktion stand Josef Stalin, der nicht nur die von den Deutschen angerichteten Schäden kompensieren, sondern auch sein Land als Vaterland der Werktätigen mit Beutestücken kulturell aufwerten wollte. Seit 1943 wurden von sowjetischen Museologen detaillierte Pläne darüber ausgearbeitet, welche Museen, Bibliotheken und Archive der ehemaligen Feindmächte systematisch ausgeräumt werden sollen.

Einer der vom Zentralviehhof abgeschickten Transporte enthielt die Marmorreliefs vom Pergamonaltar sowie altägyptische und griechische Skulpturen, ferner Gemälde und kunsthandwerkliche Gegenstände. Während diese Museumsstücke in den fünfziger Jahren zurückgebracht wurden, verblieben Bestände des Museums für Ostasiatische Kunst, Kostbarkeiten aus dem Museum für Vor- und Frühgeschichte, Meisterwerke der europäischen Bildhauerkunst, die Bibliotheken des Berliner und des Dresdner Münzkabinetts und andere Sammlungen bis heute in russischem Gewahrsam. Nicht zurückgeführt wurden die von Heinrich Schliemann entdeckten Goldschätze, die mit weiteren archäologischen Fundstücken per Flugzeug nach Moskau geschickt wurde. Auch die mit der Bahn in Richtung Osten abtransportierten Gemälde aus den Berliner und Potsdamer Schlössern kamen nur zum Teil zurück. Die Bundesrepublik Deutschland reklamiert bis heute eine Million Kulturgüter, davon 200 000 von besonderer musealer Bedeutung, zwei Millionen Bücher und drei "Regalkilometer" Archivalien. Die russische Regierung zeigt bisher geringe Bereitschaft, den Abmachungen für die Rückführung zu verwirklichen und damit auch dem Völkerrecht Genüge zu tun.

16. März 2029

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