Der Thron wackelt
Berliner Beuth Hochschule will auf den Namen eines preußischen Antisemiten verzichten, doch das könnte teuer werden



Wenn die Beuth Hochschule auf ihren Namen verzichtet, müsste eigentlich auch das Beuth-Denkmal auf dem Berliner Schinkelplatz mit seinem reichen Sockelschmuck gestürzt werden. Wenn man ganz konsequent wäre, müsste es auch Martin Luther, Ernst Moritz Arndt, Friedrich Ludwig Jahn, Richard Wagner und anderen Antisemiten bildlich gesprochen an den Kragen gehen.



Peter Beuth ist wie sein Freund Schinkel und viele andere Prominente auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin bestattet.



Nach der Umbenennung der Hochschule wäre es nur folgerichtig, den langen Schriftzug an der Luxemburger Straße 10 im Ortsteil Wedding zu entfernen.





Die Medaillen von 1827 und 1848 ehren Beuth und preisen den "Gewerbefleiß als Grundlage der Nationalkraft".



Auf der Kopie einer ganz frühen Lokomotive der Firma Borsig im Deutschen Technikmuseum Berlin prangt unübersehbar der Name BEUTH.



Vor dem Deutschen Institut für Normung (DIN) in der Burggrafenstraße 6 in Berlin-Tiergarten sind Beuth und Wilhelm von Humboldt ins Gespräch vertieft. Die Originale der Nachgüsse schmücken mit weiteren Figuren das von Gustav Blaeser geschaffene Denkmal Friedrich Wilhelms III. auf dem Heumarkt in Köln.



Martin Luthers Hetzschrift "Von den Juden und ihren Lügen", hier ein Druck von 1543, und weitere Auslassungen anderer Autoren dieser Art wurden von den Nationalsozialisten herangezogen, wenn sie ihre antisemitischen Terrormaßnahmen begründeten. Das Nazi-Hetzblatt "Der Stürmer" hat mit seinen Lügengeschichten zielgerichtet den Antisemitismus in Deutschland angeheizt. (Fotos/Repros: Caspar)

Nach mehrjähriger Diskussion soll die Berliner Beuth Hochschule für Technik umbenannt werden. Grund ist der jetzt nachgewiesene Antisemitismus ihres Namensgebers Christian Peter Wilhelm Beuth (1781-1853). Nach Angaben der Hochschule votierte die Mehrheit der Akademischen Versammlung für die Umbenennung. Hochschulpräsident Werner Ullmann wurde beauftragt, in der Bildungs- und Forschungsstätte einen Prozess zur Namensfindung einzuleiten. Die Suche nach ihm soll in einem transparenten Verfahren erfolgen. Untermauert wird der Antrag durch neue Untersuchungen, wonach sich der preußische Ministerialbeamte, Bildungsreformer und Förderer von Industrie und Gewerbefleiß, wie man damals sagte, antisemitisch geäußert und in diesem Sinne auch gehandelt hat. Nach dem Geheimen Obersteuerrat und Chef der General Verwaltung für Gewerbe und Handel alle Fabrik- und Handels-Polizei und technische Angelegenheiten wurde eine der ersten preußischen Lokomotiven aus der Maschinenfabrik von August Borsig benannt. Ein Denkmal aus Bronze auf dem Schinkelplatz in Berlin ehrt Peter Beuth, und ein Verlag trägt seinen Namen. Über zwei Jahrhunderte hochgeachtet, soll der preußische Beamte nach Enthüllungen seiner dunklen Seite nun vom Thron gestoßen werden.

Peter Christoph Wilhelm Beuth gründete 1821 in Berlin das Gewerbeinstitut, eine der ersten Fach- und Fortbildungsstätten für Gewerbetreibende in Preußen. Im gleichen Jahr rief er den Verein zur Beförderung des Gewerbefleißes ins Leben und wurde 1831 Leiter der Allgemeinen Bauschule, aus der die spätere Bauakademie hervorging. In all diesen Funktionen haben Beuth und Karl Friedrich Schinkel, Preußens oberster Baumeister mund Architekt der Bauakademie, eng zusammengearbeitet. Beide werden mit dem Agrarreformer Albrecht Daniel Thaer auf dem Schinkelplatz in Berlin durch Denkmäler aus Bronze geehrt. Der Platz befindet sich vis à vis vom Humboldt Forum sowie unweit der Bauakademie, die in den kommenden Jahren wieder aufgebaut werden soll, und der Friedrichswerderschen Kirche.

Legende vom Ritualmord an christlichen Kindern

Peter Beuth habe sich nicht nur antisemitisch geäußert, sondern auch in dieser Richtung praktisch gewirkt, heißt es in der Hochschule. Als wissenschaftliche Einrichtung stehe sie in der Verantwortung, sich antisemitischen und rassistischen Tendenzen klar entgegenzustellen, und so müsse sie damit bei sich selber anfangen. Mit dem Ablegen des Namens "Beuth" setze die Hochschule ein klares und aktives Zeichen. Die damalige Technische Fachhochschule Berlin hatte sich erst 2009 nach dem "Vater des Gewerbeinstituts" benannt, um seine Verdienste bei der wirtschaftlichen und gewerblichen Entwicklung in Preußen und der Ausbildung von Technikern zu würdigen. 2017 wurde Beuths Antisemitismus und sein judenfeindliches Agieren als preußischer Beamter öffentlich. In einer Rede hatte er 1811 Juden den Tod an den Hals gewünscht und diese Forderung anderem mit angeblichen Ritualmorden an christlichen Kindern begründet.

120 Jahre später haben die Nationalsozialisten ihre rassistische Propaganda und Hetze unter anderem mit dieser Legende und weiteren Lügengeschichten begründet. Das in Nürnberg vom Gauleiter Julius Streicher herausgegebene Hetzblatt malte unter dem vom preußischen Staatshistoriker Heinrich von Treitschke übernommenen Motto "Die Juden sind unser Unglück" die Mordgeschichten in immer neuen Farben aus. Ob den Nazis ähnlich wie Martin Luther auch Peter Beuth zu ihren rassistischen Vordenkern zählten, müsste untersucht werden.

Achim Bühl, Professor für Soziologie der Technik, hatte herausgefunden und seine Erkenntnisse publiziert, dass Beuth einen sowohl "rigiden christlichen als auch einen völkischen und exterminatorischen [auf völlige Vernichtung ausgerichteten, H. C.] Antisemitismus" vertreten hat. Der Antisemitismus- und Rassismusforscher belegt sein Urteil unter anderem mit Auszügen aus einer Rede, die Beuth 1811 vor der Deutschen Tischgesellschaft in Berlin hielt. Zur Beschneidung jüdischer Jungen hatte er gesagt " so wird das Verbluten und Verschneiden manches Judenjungens die wahrscheinliche und wünschenswerte Folge davon sein." Beuth behauptete, die Juden wollten die Christen "ausrotten" und würden "Christenkindern das Blut abzapfen und trinken". Beuth habe Juden mit Schweinen gleichsetzt und damit Hemmnisse für ihre Verfolgung und Tötung abgesenkt.

Lang war der Weg zur Gleichstellung

Die Deutsche Tischgesellschaft, auch Christlich-deutsche Tischgesellschaft genannt, deren Mitglied Beuth war, nahm nur "wohlanständige Männer von Ehre und guten Sitten" auf und solche, "die in christlicher Religion" getauft wurden. Der Verein, in dem der später bei Aufbau von Wirtschaft und Gewerbe in Preußen so erfolgreiche Beuth seine kruden Thesen vortrug, wollte Juden aus dem gesellschaftlichen Leben entfernen. Seine Mitglieder opponierten gegen die vom Staatskanzler Karl August von Hardenberg vorangetriebene, im "Judenedikt" von 1812 festgeschriebene Emanzipation dieser Gruppe. Mit dem "Edikt betreffend die bürgerlichen Verhältnisse der Juden in dem Preußischen Staate" vom 11. März 1812 wurden die in Preußen lebenden Untertanen jüdischen Glaubens auf Antrag preußische Staatsbürger. Das Dokument löste das noch von Friedrich II. erlassene "Revidierte General-Privileg" von 1750 ab und gilt als wichtiger Schritt auf dem Weg zur rechtlichen Gleichstellung der Juden in Preußen. Diese wurden nicht mehr als Fremde eingestuft und unterschieden sich bürgerrechtlich weitgehend nicht mehr von den übrigen Untertanen König Friedrich Wilhelms III. Ziel der rechtlichen Emanzipation war die vollständige soziale, kulturelle, wirtschaftliche und letztlich religiöse Assimilation der Juden. Da das Edikt nicht in allen Teilen Preußens galt, entstand kein einheitliches Recht. Nach mehreren Novellierungen wurde der Erlass von 1812 am 23. Juli 1847 durch das "Gesetz über die Verhältnisse der Juden" aufgehoben.

Mitglieder der Tischgesellschaft waren Beamte, Soldaten, Professoren der 1810 eröffneten Friedrich-Wilhelms-Universität, der heutigen Humboldt Universität. Außer dem Geheime Obersteuerrat Christian Peter Wilhelm Beuth gehörten auch der Militärreformer Carl von Clausewitz, die Hochschullehrer Friedrich Schleiermacher, Johann Gottlieb Fichte und Friedrich Karl von Savigny, die Schriftsteller Achim von Arnim und Clemens Brentano, aber auch der Theaterleiter August Wilhelm Iffland sowie der Baumeister Karl Friedrich Schinkel der Tischgesellschaft an.

Universität Greifswald verzichtet auf Ernst Moritz Arndt

Die lange nach dem Ernst Moritz Arndt benannte Greifswalder Universität hat 2018 nach vielen Diskussionen den Namen des Publizisten, Historikers, Kämpfers gegen die napoleonische Fremdherrschaft sowie Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung wegen dessen nationalistischer und antisemitischer Propaganda abgelegt und heißt nur noch Universität Greifswald. Durch die die Rückkehr zu ihrem alten Namen hat die Greifswalder Universität einen Schlussstrich gezogen. Dort wird man mit Interesse beobachten, wie sich die Dinge an der Beuth Hochschule entwickeln. Auch der als "Turnvater" gelobte Friedrich Ludwig Jahn hat sich antisemitisch geäußert und ist als Namensgeber eines Stadions in Berlin umstritten. Wenn man diesen Maßstab anlegt, hätte man Luther-Ehrungen beim Reformationsjubiläum 2017 absagen und auch andere Personen wie den ausgewiesenen Antisemiten Richard Wagner ins Abseits stellen müssen, weil sie sich negativ, abwertend und hetzerisch über Juden geäußert haben.

Jahn forderte die gleichen Bürgerrechte für alle Deutschen, nationale Bildung, Aufstiegschancen auch für Kinder aus unteren Ständen und setzte sich für die nationale Einheit ein. Auf der anderen Seite polemisierte er gegen alles, was ihm nicht deutsch vorkam. In dieser Sichtweise hatten die jüdischen Mitbürger keinen Platz. "Hass alles Fremden ist des Deutschen Pflicht", behauptete er. Die Deutschen seien allen anderen Nationen überlegen, ihnen komme eine größere Rolle in Europa zu. Seine Vision eines "Großdeutschland" sollte die Schweiz, Niederlande und Dänemark umfassen, als Hauptstadt sollte "Teutona" in Thüringen gebaut werden. Wie Jahns antisemitischen Ausfälle zu bewerten sind und ob sie im "üblichen" Trend der damaligen Zeit lagen, ist unter Fachleuten umstritten.

Im Unterschied zu Beuth-Kritikern haben sich andere Angehörige der ins Gerede gekommenen Hochschule im Berliner Ortsteil Wedding für die Beibehaltung des Namens ausgesprochen, plädieren aber für eine umfassende Aufklärung darüber, was Beuth und seine Gesinnungsgenossen vor über zweihundert Jahren von sich gegeben haben. Bei aller Abscheu gegenüber dem Antisemitismus im Denken und Handeln von Peter Beuth müsse auch beachtet werden, dass eine Umbenennung der Hochschule nicht umsonst zu haben ist, sondern "in die Millionen gehen kann." Außerdem stehe das Urteil über "Beuth den Antisemiten" auf wackligen Füßen, denn die Äußerungen von 1811 seien nur als Mitschriften aus zweiter Hand überliefert. Eine Ausstellung in der Hochschule und weitere Forschungen sollen nun Beuths Verdienste um den preußischen Staat, aber auch seine antisemitische Haltung thematisieren.

27. Januar 2020



Zurück zur Themenübersicht "Berlin, Potsdam, Land Brandenburg"