Die Toten an die Lebenden
Hohenzollerngruft im Berliner Dom wird bis 2023 umgebaut und bekommt einen neuen Ausstellungsbereich und barrierefreien Zugang



Über 700 000 Gläubige sowie Touristen aus aller Welt besuchten im vergangenen Jahr den zwischen Museumsinsel und Humboldt Forum gelegenen Dom am Berliner Lustgarten. Nach den Kriegszerstörungen wurde der Außenbau bis auf die Hauptkuppel und die kleinen Turmkuppeln nahezu originalgetreu wieder aufgebaut.



In alter Pracht und mit vollem Klang wurden im Gottesdienstraum die Orgel zurück gewonnen.





Ab 1. März 2020 kann die Sanierung der Hohenzollerngruft beginnen. Die Särge werden sorgsam verpackt und sicher deponiert. Bevor sie in drei Jahren zurück gebracht werden, treten Restaratoren noch in Aktion.



Im Zuge der Neugestaltung der Kurfürsten- und Königsgruft erhalten auch die Steinsarkophage von König Friedrich I. und seiner Gemahlin Sophie Charlotte und ihrer Familienangehöriger die seinerzeit vom Architekten vorgesehene Aufstellung. Bei den Gewichten und Ausmaßen dürfte der Transport nicht einfach sein. Der Metallsarg links birgt die Gebeine der 1683 verstorbenen Prinzessin Elisabeth Henriette von Hessen-Kassel, der ersten Gemahlin des späteren Kurfürsten Friedrich III. von Brandenburg, der sich 1701 zum König Friedrich I. in Preußen krönte.



Sarg des 1687 verstorbenen Prinzen Ludwig, eines Sohns des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg.







Auf dem Wunschzettel der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Berliner Doms und nicht nur von diesen steht der Wiederaufbau der 1975 abgerissenen, noch ziemlich gut erhaltenen Denkmalkirche an der Seite zur Museumsinsel ganz oben. Das Foto oben zeigt den Zustand vor der Zerstörung. Ob sie je zurück gewonnen wird, steht in den Sternen. Die Pläne liegen bereit, und bei der jetzt beginnenden Sanierung der Gruft wird alles unterlassen, was einen möglichen Wiederaufbau behindern könnte. (Fotos/Repro: Caspar)

Der Dom am Berliner Lustgarten ist ein Touristenmagnet der Extraklasse. Der Prunk aus der Kaiserzeit lockt unzählige Besucher an, und nicht wenige tauchen in der Hohenzollerngruft in eine fremde, von manchen als gruselig empfundene Welt. In schummrigem Licht sind hinter niedrigen Gittern 90 Särge mit den Gebeinen von Angehörigen des bis 1918 regierenden Herscherhauses aufgestellt. Dass hier hochadlige Personen ihre letzte Ruhe fanden, erkennt man verzierten Inschriftentafeln sowie an Kronen-, Adlern-, Putten- und Lorbeerschmuck aus vergoldeter Bronze und aufwändig gestaltete Wappenschildern. "Ab 1. März 2020 wird die Gruft geschlossen. Die zum Teil sehr schweren, überaus fragilen Sarkophage werden in ein sicheres Depot geschafft und kehren 2023 wieder zurück, wenn die Umbau- und Sanierungsarbeiten in dem Gewölbe unter dem Predigtraum abgeschlossen sind.

Nach Herstellung der Baufreiheit entsteht ein Ausstellungsbereich vor der Kurfürsten- und Königsgruft. Außerdem planen wir einen besseren Zugang zur Gruft sowie Veränderungen bei den Sanitäranlagen sowie im Domshop. Künftig sind alle Etagen barrierefrei über Fahrstühle zu erreichen", kündigt Domarchitektin und Projektleiterin Sonja Tubbesing an. "Dort werden alle relevanten Informationen zur fünfhundertjährigen Geschichte der Grablege sowie ihrer internationalen Bedeutung dargestellt und nach neuesten museumspädagogischen Grundsätzen und in mehreren Sprachen vermittelt", ergänzt Birgit Walter, die das Ausstellungskonzept verantwortet.

Spirituelle Wirkungen im Raum der Stille

In der Gruft selbst wird es still sein, und auch die üblichen Audioguides bleiben ausgeschaltet. "Wenn unsere Besucherinnen und Besucher vom lichterfüllten, goldstrotzenden Predigtraum hinuntersteigen in die stille, abgedunkelte Gruft, werden sie vielleicht innehalten und über die eigene Endlichkeit nachdenken. Dieses ,Memento mori" (Gedenke des Todes), ist eine Botschaft, die die Toten den Lebenden auf den Weg geben", sagt Domprediger Michael Kösling und hofft, dass vom Dom und seiner Gruft spirituelle Wirkungen ausgehen, die auch bei der Bewältigung alltäglicher Dinge und zwischenmenschlicher Beziehungen nachhaltig und von Nutzen sind.

Seit mehreren Jahren hatten die Domverwaltung und die 1800 Mitglieder umfassende Kirchgemeinde darüber nachgedacht, wie sie mit den wachsenden Besucherzahlen in der Gruft umgehen sollen, wie die Särge angemessen beleuchtet und das Gewölbe gut belüftet werden kann. Es hatte sich gezeigt, dass mitgebrachte Feuchtigkeit den Särgen und ihren Textilbespannungen überhaupt nicht gut bekommt. Künftig erhält die Grablege eine kleine Andachtkapelle, in der Besucherinnen und Besucher innehalten, eine Kerze anzünden und ein Gebet sprechen können. "Wenn die Särge in drei Jahren wieder zurück kommen, werden sie mit veränderter Ausrichtung neu aufgestellt, so wie es Julius Raschdorff vor über hundert Jahren wollte, nach dessen Plänen der von Kaiser Wilhelm II. gestiftete Dom gebaut wurde. Ziel unserer Arbeit ist es, die Hohenzollerngruft angemessener als bisher als würdevollen Ort der Totenruhe und bedeutendes Denkmal deutscher und preußischer Geschichte zu präsentieren", sagt Stephan Harmening, der Vorsitzende des Domkirchenkollegiums.

Schwere Schäden im Zweiten Weltkrieg

Die für das ehrgeizige Projekt benötigten rund 18 Millionen Euro werden von der Staatsministerin für Kultur und Medien, Monika Grütters, vom Land Berlin, von der Cornelsen Kulturstiftung und zu einem kleinen Teil von der Domgemeinde zur Verfügung gestellt. Alle Arbeiten sind mit der Denkmalpflege und der Familie Hohenzollern abgestimmt und werden von der Berliner Firma BASD Architekten realisiert. Deren Chef Gerhard Schlotter hat mit Hohenzollernbauten in Berlin, Königs Wusterhausen, Oranienburg und an anderen Orten gute Erfahrungen und freut sich nun, der Kurfürsten- und Königsgruft neues Leben einzuhauchen.

Die Hohenzollerngruft des Berliner Domes ist die wohl wichtigste dynastische Grablege Deutschlands und gehört neben der Kapuzinergruft in Wien, den Königsgräbern in der Kathedrale St. Denis von Paris und der Königsgruft im Escorial bei Madrid zu den bedeutendsten Grabanlagen dieser Art in Europa. Im Zweiten Weltkrieg wurden der Berliner Dom und mit ihm auch Hohenzollerngruft schwer beschädigt. Feuer und der Einsturz der von Bomben getroffenen Hauptkuppel haben einigen Särgen, darunter der von König Friedrich Wilhelm II., des Nachfolgers von Friedrich dem Großen, schwer zugesetzt. Von diesem Sarkophag können in der Gruft nur noch das königliche Wappen und ein paar Metallteile gezeigt werden.

Hohe Kindersterblichkeit auch am preußischen Hof

Seit dem 20. November 1999 ist die Berliner Hohenzollerngruft öffentlich zugängig. Kamen damals etwa 400.000 Touristen im Jahr, so sind es heute weit über 700.000. Unter den Toten, die hier ihre letzte Ruhe fanden, gehören der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm und seine Gemahlin Dorothea, König Friedrich I. und seine Gemahlin Sophie Charlotte, Königin Elisabeth Christine, die Gemahlin Friedrichs II., des Großen, sowie der 1806 bei Saalfeld im Krieg gegen den Franzosenkaiser Napoleon I. gefallene Prinz Louis Ferdinand von Preußen. Beim Rundgang durch die Grabanlage fallen die vielen kleinen Särge auf, in denen frühverstorbene Prinzen und Prinzessinnen bestattet wurden. Manche sind namenlos, weil die Kinder tot geboren wurden oder nur wenige Tage gelebt haben, und dies, obwohl die medizinische Versorgung am kurbrandenburgischen und königlich-preußischen Hof wesentlich besser war als in "normalen" Familien. Auf solche und weitere Fragen rund um die 1918 entmachtete Hohenzollerfamilie ist man am Berliner Dom bestens vorbereitet, und wenn man ihn besucht, kann man sich im Buchshop mit passender Literatur gut versorgen.

13. Februar 2020

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