"So viel Schinkel wie möglich"
Was die Reliefs an der Berliner Bauakademie bedeuten, deren Wiederaufbau für die nächsten Jahre geplant ist





Die im Jahr 1800 eröffnete Königliche Münze am Werderschen Markt war anfangs auch Heimstatt der Bauakademie und der Mineralogischen Sammlung. Ihre Ansicht und die der Bauakademie wurden Carl Daniel Freydanck geschaffen.



Auf dem Stadtmodell ist die Lage der Bauakademie zwischen Friedrichswerderscher Kirche, Spreekanal und Denkmal Kaiser Wilhelms I. (im Vordergrund) gut zu erkennen.



Als die Ruine der Bauakademie 1961/62 abgerissen wurde, um Platz für das DDR-Außenministerium zu schaffen, hat man Reliefs, Formsteine und Ziegel geborgen, die für den Wiederaufbau gute Dienste tun. Das Foto aus der Mitte der 1950er Jahre zeigt die gesicherte und zugemauerte Friedrichswerderschen Kirche und der Ruine der Bauakademie.



Das sich wie ein übermächtiger Riegel ins Bild drängende DDR-Außenministerium stand auf dem Gelände der Bauakademie und wurde Mitte der 1990er Jahre abgerissen



Viele Jahre warb am Schinkelplatz eine bunte Plastikplane rund um ein Stahlgerüst für den Wiederaufbau der Bauakademie. Im Vordergrund ehrt ein Bronzedenkmal den Erbauer Karl Friedrich Schinkel.



Der Eingang der Schinkelklause nahe der Friedrichswerderschen Kirche entspricht einem der zwei Portale, durch die man in die Bauakademie gelangte.



Irgendwann wird man sich die wieder aufgebaute Bauakademie und ihre von Schinkel gestaltet Fassade betrachten, das Foto zeigt ein Detail von der gemauerten Ecke der Installation aus Stahl.



Karl Friedrich Schinkel zu Ehren wurde von der DDR (1966 links) und der Bundesrepublik Deutschland (2006) silberne Gedenkmünzen geprägt. Die Kupfermedaille in der Mitte bildet die Münze am Werderschen Markt in Berlin ab, die anfangs auch die Bauakademie und die Mineralogische Sammlung beherbergte. (Fotos/Repros: Caspar)

Als 1799 in Berlin die "Allgemeine Bau- und Unterrichtsanstalt" gegründet wurde, musste sie sich ihre Räume in einem klassizistischen Neubau am Werderschen Markt nicht weit vom Schloss entfernt mit denen der Königlichen Münze und der Mineralogischen Sammlung teilen. Erst 1832 bis 1836 bekam die Lehranstalt samt der Oberbaudeputation auf dem Gelände des ehemaligen Packhofes direkt am Spreekanal ein eigenes, nach Plänen ihres Chefs Karl Friedrich Schinkel errichtetes Haus. Das "übrigens sehr einfach angeordnete Gebäude", wie Schinkel schrieb, in den Abmessungen von knapp 50 mal 50 Metern besaß im Erdgeschoß eine Ladenzone sowie weiter oben Schinkels Dienst- und Wohnräume. Im Zweiten Weltkrieg beschädigt und danach gesichert und zum Teil wieder aufgebaut, wurde der "Rote Kasten", wie die Berliner das Haus mit der roten Backsteinfassade despektierlich nannten, 1961 dem DDR-Außenministerium geopfert. Da daran gedacht war, es später an einem anderen Ort originalgetreu neu zu erbauen, hat man Steine und den Fassadenschmuck geborgen. Ein in die Fassade der Schinkelklause hinter dem Kronprinzenpalais gefügtes Portal hält bis heute die Erinnerung an Schinkels Meisterwerk wach.

Das Lehrprogramm der Bauakademie war überaus detailliert und weit gefächert. Heutzutage gibt es für einzelne Disziplinen spezielle Hochschulen und Fakultäten, damals aber bewaren die unterschiedlichsten Fachbereiche unter einem Dach vereint. Unterrichtet wurde, um "tüchtige Feldmesser, Land- und Wasserbaumeister, auch Bauhandwerker mittels der Kunstschulen" zur Verfügung zu haben. Der preußische Staat hatte großen Bedarf an gut ausgebildeten Praktikern in der Industrie, Landwirtschaft und vielen anderen Bereichen. Deshalb wurden auch mit Blick auf eine allgemeine "Hebung" der Volksbildung spezielle Lehranstalten wie die Berliner Tierarzneischule sowie Landwirtschafts-, Forst- und Bergakademien und 1810 die Friedrich-Wilhelms-Universität ins Leben gerufen, die heute Humboldt-Universität zu Berlin heißt. Umfangreiches Lehrprogramm

Als Lehrfächer nennt ein Bericht aus dem Gründungsjahr 1799 Arithmetik, Algebra, Geometrie, Optik und Perspektive, ferner Feldmesskunst und Nivellieren, die Statik und Mechanik fester Körper sowie Hydrostatik und Hydraulik. Dem schlossen sich Maschinenlehre, Bauphysik, Baumaterialien und Bauhandwerk an. Großer Wert wurde auf die Landbau- und Stadtbaukunst, die Wasser- und Deichbaukunst sowie Schleusen-, Hafen-, Brücken- und Wegebaukunst gelegt, alles Gebiete, die der preußische Staat zur Verbesserung seiner wirtschaftlichen Lage und Infrastruktur dringend benötigte und daher wirksam förderte. Der Unterrichtsplan enthielt ferner Unterweisungen zur Geschichte der Baukunst, Übungen zum architektonischen Zeichnen sowie Situations- und Kartenzeichnung sowie Maschinenzeichnung. Großen Wert legte man an der Bauakademie, aus der bedeutende Architekten hervorgingen, auf die Verbindung von Theorie und Praxis. Zu diesem für das Gelingen von Baumaßnahmen wichtigen Punkt heißt es im Unterrichtsplan: "Außerdem sollen die Baueleven in den Sommermonaten bey allen Arten von Bauen in der Provinz angestellt werden, um dadurch den praktischen Unterricht zu erhalten."

Die Bauakademie ist eine Ikone bürgerlichen Bauens im frühen neunzehnten Jahrhundert, "eines der vornehmsten und modernsten Gebäude der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts", wie der Architekt Josef Paul Kleihues betont. Architekturhistoriker loben das Haus, in dem Karl Friedrich Schinkel 1841 starb, als Gründungsbau der Moderne, betonen aber auch, dass sich der "rote Kasten" in Schlossnähe nicht immer sonderlicher Beliebtheit erfreute, sondern sogar schon in der Kaiserzeit auf der Abrissliste stand. Die Kunsthistorikerin Elke Blauert, die 1996 maßgeblich an einer Ausstellung mit Plänen, Zeichnungen und erhalten gebliebenen Originalteilen der Bauakademie beteiligt war, nennt den Kubus mit zwei reliefgeschmückten Portalen sowie einem umlaufenden Fries von Terrakottaplatten, die sich auf die Architektur, Bildhauerei und andere Künste beziehen, "Ausdruck für die aufklärerische Kraft bürgerlichen Bauens" und erinnert an die an der Friedrichswerderschen Kirche und anderen Gebäuden zu beobachtende Wiederentdeckung des unverputzten Ziegelmauerwerks durch Karl Friedrich Schinkel. Er wies die für ihre schlampige Arbeit berüchtigten Berliner Maurer an, bei ihrer Arbeit äußerste Sorgfalt walten zu lassen. "Die verwendeten Methoden bei der Tonaufbereitung wie das Schlemmen und Schroten sowie das zusätzliche Versetzen mit Sand verfeinerte den Stolpener und Rathenower Ton zu einer qualitätvollen Grundmasse fast ohne Einschlüsse", heißt es in der Broschüre "Mythos Bauakademie" von 2005 des Fördervereins Bauakademie, in der um Mitgliedschaften und Zuwendungen geworben wird, die Terrakottareliefs beschrieben sind und Preise für nachgebildete Fassadendetails und Reliefs zwischen 25 und 15 000 Euro angegeben werden. "Nach dem Guss wurden die Steine im ,ledernen' Zustand rechtwinklig geschnitten. Die Steine, die im Sichtbereich zum Einsatz kamen, wurden zusätzlich glattgehobelt."

Figurenreiches Bildprogramm

Themen der mit edlen Gestalten geschmückten Reliefs, von denen einige in Berliner Museen ausgestellt sind und nun eines Tages der Bauakademiefassade eingefügt werden sollen, sind nach Schinkels Idee "Momente aus der Entwicklungsgeschichte der Baukunst". Die dunkelroten Terrakotten ganz im Stil des Klassizismus zeigen einen stürzenden und sterbenden Genius der Baukunst zwischen Säulen und Gebäudetrümmern liegend. Sie schildern eine Grundsteinlegung sowie die Arbeit der Maler, Bildhauer und Konstrukteure und zeigen den Baumeister im Gespräch mit ihren Schülern. Zu sehen ist, wie Fenster und Gewölbe gemauert werden, wie man die Waagerechte und Senkrechte auslotet, Gebäude plant und das glückliche Ende eines Arbeitstages feiert wird, um einige Motive zu erwähnen. Dazwischen erkennt man Pflanzenmotive, Tiere und den preußischen Adler, der von jungen, geflügelten Männern samt Jahreszahl 1832 gehalten wird.

Beim Anblick der figurenreichen und symbolträchtigen Terrakottareliefs an der Fassade der Bauakademie fühlt man sich an einen anderen Fries rund um das Rote Rathaus erinnert, der als "Steinerne Chronik" aus der wechselvollen Geschichte Berlins erzählt, wie man sie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als Abfolge von Glanz und Gloria, Herrschertugenden und Bürgersinn sah und sehen wollte. Hergestellt in einem komplizierten Prozess vom Entwurf über das Modell bis zur fertig gebrannten Platte in der Manufaktur von Cornelius Gormann, nach dem in Berlin-Mitte eine Straße benannt ist. Da der auf diesem Gebiet überaus produktive Tobias Feilner, auch er Namensgeber einer Straße im Berliner Bezirk Kreuzberg, ausgelastet war, übernahm Feilner den Auftrag. Die Modelle hatten führende Berliner Bildhauer der Schinkelzeit wie Johann Gottfried Schadow, Christian Friedrich Tieck, August Kiß und Julius Troschel nach Schinkels Zeichnungen gefertigt.

Zur Entstehungszeit wurden die Reliefs der Bauakademie in anderen Zusammenhängen weiter verwandt und waren auch beliebte Sammelstücke. Von den ursprünglich rund 300 Teilen, die die Staatlichen Museen erhalten hatten, waren 1994 waren noch 215 Terrakotten, Originale und Kopien in der Alten Nationalgalerie vorhanden. Anfang der Neunzigerjahre wurden mit Blick auf einen möglichen Wiederaufbau alle auf der Museumsinsel vorhandenen Steine der Bauakademie gesichtet und an einem Ort deponiert. Aus den Sammlungen der Alten Nationalgalerie, des Kupferstichkabinetts und des Museums für Europäische Kulturen konnten im Pergamonmuseum kamen 215 Teile zusammen. Weitere Bruchstücke traten bei Grabungen auf dem Gelände des abgerissenen DDR-Außenministerium ans Tageslicht und für kommende Baumaßnahmen separiert. Die in den frühen 1960er Jahren und dann in der Mitte der 1990er Jahre geborgenen Steine und Terrakottaplatten erlauben es, die Fassade der Bauakademie originalgetreu zu gestalten. Zu diesem Zweck wurden vor Jahren in brandenburgischen Ziegeleien Versuche zur Gewinnung von Schinkels Steinen angestellt. Außerdem haben Bildhauer die Reliefs, sofern sie beschädig waren, nach alten Vorlagen ergänzt oder neu geschaffen. Die kostbaren Terrakottareliefs konnten in der Friedrichswerderschen Kirche im Rahmen der Ausstellung "Skulptur des Klassizismus" besichtigt werden. Nach der Neueröffnung des dort eingerichteten, speziell Karl Friedrich Schinkel gewidmeten Museums werden sie sowie hochkarätige Arbeiten Berliner Bildhauer aus der Zeit vor und nach 1800 wieder zu sehen sein. Die in ein Museum verwandelte Kirche war mehrere Jahre geschlossen, weil in ihrer unmittelbaren Nähe errichtete Neubauten in ihrem Gemäuer zu gefährlichen Rissen geführt hatten.

Wiedergeburt mit neuem Innenleben

Seit dem Ende der DDR und der Wiedervereinigung vor 30 Jahren wird davon gesprochen, das imposante Backsteingebäude "aus Ruinen" wieder auferstehen zu lassen. Der Abriss des riesigen DDR-Außenministeriums in den frühen neunziger Jahren und Forderungen nach einer historisierenden Neugestaltung der Stadtmitte einschließlich des Wiederaufbaues des Schlosses als Humboldt Forum ließen Pläne für die Wiedergewinnung von Schinkels Meisterwerk reifen. Im Herbst 1999 geriet die Bauakademie in den Blick der Öffentlichkeit, als der von Gewerkschaften und der Berliner Bauindustrie getragene Bildungsverein Bautechnik am historischen Ort, direkt hinter den nach langer Abwesenheit wieder aufgestellten Denkmäler von Schinkel, Beuth und Thaer, eine Musterfassade als historische Lehrbaustelle errichten ließ. Angehende Maurer, Zimmerleute und Bildhauer zeigten bei der Errichtung der Musterfassade ihr ganzes Können. Die Initiatoren wollten mit der Aktion auch ein Zeichen gegen Stellenabbau in der Berliner Bauwirtschaft und für die Pflege alter Handwerkertechniken setzen. Seit Sommer 2004 warb eine aus Stahlrohren und rot bedruckten Plastikplanen gebildete Schaufassade unter Einbeziehung der gemauerten Ecke für den Wiederaufbau der Bauakademie. Wer damals aber glaubte, den vollmundigen Politikerversprechen, sich für Schinkels berühmtes Werk einzusetzen, würden endlich auch praktische Taten folgen, war im Irrtum. Wenn das Haus nach Abriss des Stahlskeletts mit der bunten Plastikplane irgendwann einmal stehen sollte, werden sich Politiker damit brüsten, dass sie "schon immer" für die Wiedergeburt gekämpft haben.

Inzwischen strecken schon potentielle Nutzer ihre Hände nach dem Bau aus, der noch nicht existiert. Die Technische Universität, die sich als Nachfolgerin der alten Bauakademie sieht, denkt an die Verwendung als Bildungs- und Forschungsstätte "von europäischer Ausstrahlung" für Architekten und Designer. Historiker und Gewerkschaftsvertreter erinnern an die Deutsche Hochschule für Politik, die bis zu ihrer Schließung durch die Nazis in dem Ziegelkubus am Schinkelplatz untergebracht war. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz hält die Einrichtung des in Berlin noch immer fehlenden Architekturmuseums in Schinkels Wirkungsstätte für notwendig und erinnert daran, dass in der Bauakademie bereits im 19. Jahrhundert ein Schinkelmuseum und im frühen 20. Jahrhundert die Bildnissammlung der Nationalgalerie eingerichtet waren. In dem neu zu schaffenden Zentrum für Architektur sollten die Architektursammlung der Kunstbibliothek und anderen Beständen der Staatlichen Museen aufbewahrt und ausgestellt werden sowie Forschern zur Verfügung stehen.

Der auf Initiative der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und der Stiftung Preußischer Kulturbesitz im Jahr 2001 gegründete Verein Internationale Bauakademie Berlin e. V. (IBB) bündelt alle Ideen und Pläne mit dem Ziel, in der Bauakademie ein Kompetenzzentrum für Architektur aufzubauen, in dem Ausstellungen, Konferenzen und Vorträge zu Fragen des Städtebaus und Baukunst durchgeführt werden sollen. Am 11. November 2016 gab der Deutsche Bundestag, 62 Millionen Euro für die Rekonstruktion des Schinkelbaus mit neuem Innenleben als "nationales Schaufenster, Forum und Werkstatt in einem" sowie für aktuelle Themen rund um Architektur, Bauwesen und Stadtentwicklung frei. Um den Nachbau besser voranzutreiben, verkauft das Land Berlin dem Bund das Grundstück. Als erste Maßnahme konnte man im Herbst 2019 bei der Demontage des Stahlgerippes zusehen, dessen Ummantelung lange Jahre für den Neustart der Bauakademie geworben hat. Zu hoffen ist, dass die Anfang 2020 ausgebrochene Corona-Pandemie nicht den Wiederaufbau zunichte macht.

Am 7. Mai 2018 gab das Bundesministerium des Innern die Ergebnisse eines international offenen Programmwettbewerbs für die wieder zu errichtende Bauakademie bekannt. Im August 2018 sprach sich Berlins Bausenatorin Katrin Lompscher (Die Linke) nach dem Motto "So viel Schinkel wie möglich" für die Rekonstruktion der Bauakademie aus. Der Realisierungswettbewerb für das Gebäude soll die Vorgaben Schinkels an Baukörper, Struktur und Fassade berücksichtigen. Im Januar 2019 wurde die Bundesstiftung Bauakademie als Träger für den Wiederaufbau des Gebäudes gegründet. Konkretes über Form und Inhalt ist aktuell nicht zu erfahren. Sollte das Haus als Museum und Architekturarchiv sowie als Ort und Plattform für den Debatten über das Bauen im 21. Jahrhundert neu erstehen, müsste es ganz bestimmt eine neue Innenstruktur bekommen. Denn der originale Schinkelbau war viel zu kleinteilig konstruiert und wäre kaum für heutige Anforderungen an ein Museum und Kulturforum geeignet. Sollte man die Bauakademie so rekonstruieren wie zu Schinkels Zeiten, wäre das zwar eine tolle Leistung, aber wer möchte ohne Heizung, Fahrstuhl, Brandmelder und Dämmung auskommen, und wer würde dort freiwillig hinein gehen? Diese und weitere Fragen warten noch auf Antwort. .

24. März 2020

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