Fenster in die Vergangenheit
Berliner Archäologen wurden vor dem Roten Rathaus, in der Jüdenstraße, auf dem Petriplatz und am Mühlendamm fündig



Der Blick durch eine Zaunlücke auf das Grabungsfeld vor dem Roten Rathaus zeigt die dichte Bebauung dieses nach dem Krieg als Parkplatz genutzten Bereichs.



Bei den Ausgrabungen auf dem Schlossplatz mit den Resten des Palasts der Republik im Hintergrund wurden die Fundamente der Franziskanerklosterkirche und zahlreiche Gräber freigelegt. Die Sarkophage von drei brandenburgischen Kurfürsten aber, nach denen schon früher gesucht wurde, waren auch diesmal unauffindbar. Das Foto stammt aus dem Jahr 2008.



Die Pracht des im Neuen Museum augestellten Sargs, in dem der Johanniterritter Konrad von Burgdorff bestattet wurde, lässt sich nur noch erahnen. Am besten erhalten ist das goldene, weiß emaillierte Ritterkreuz, das man ihm zur letzten Ruhe mitgegeben hatte.





Uralte Mauerreste, mit Trümmerschutt verfüllte Keller und andere Relikte waren auf dem Jüdenhof (oben), an der Rathausstraße und an anderen Orten in der Mitte von Berlin unter dicken Erdschichten verborgen.



Wenn möglich, werden die Keramikscherben, die man auf dem Jüdenhof in der Nähe der Klosterstraße gefunden hatte, wieder zu Gefäßen zusammengesetzt.



Die menschlichen Knochen aus einem Friedhof auf dem Petriplatz, auch Wiege Berlins genannt, wurden nach ihrer anthropologischen Untersuchung auf einem Friedhof bestattet.



Die Bildtexttafel erzählt aus der Geschichte des Petriplatzes, den man auch Wiege Berlins nennt. Das Gelände am Beginn der Brüderstraße im Herzen der Hauptstadt war vor einigen Jahren noch ein simpler Parkplatz. (Fotos: Caspar)

Bevor im Klosterviertel unweit des Berliner Alexanderplatzes neu gebaut wird, legen Archäologen vom Landesdenkmalamt unter dichtem Straßenbelag, Gehwegen und Parkplätzen steinerne Spuren achthundertjähriger Stadtgeschichte frei und dokumentieren sie. Seit Anfang September 2019 sind zwei Teams am Molkenmarkt entlang der Grunerstraße auf mehr als 6.000 Quadratmetern tätig. Auf dem Gelände befanden sich vor dem Zweiten Weltkrieg dicht bebaute Wohnquartiere. Auf der Rückseite des Roten Rathauses wurden bereits eines der ersten Elektrizitätswerke Berlins aus dem Jahr 1888, die Fundamente des ehemals ältesten steinernen Gebäudes Hauses Berlins, das Haus Blankenfelde aus dem 14. Jahrhundert, und weitere Relikte ausgegraben.

Auf dem Platz vor dem Alten Stadthaus entlang der Jüdenstraße kamen zahlreiche Fundamente und Hinterhofbereiche mit mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Befunden zum Vorschein. "Unter Straßenbelag, Parkplatzflächen und Gehwegplatten zwischen Rotem Rathaus, Altem Stadthaus und Klosterkirchenruine verbergen sich bis in eine Tiefe von vier Metern vielfältige Spuren aus 800 Jahren Stadtgeschichte", sagt Landeskonservator Christoph Rauhut. Dazu gehören Fundamente von Bürgerhäusern, Klausurbauten des Franziskanerklosters oder auch technische Anlagen.

Kurfürstensärge sind unauffindbar

Die Untersuchungen machen umfangreiche Absperrungen und Umleitungen nötig. Nur so können die historischen Hinterlassenschaften unserer Vorfahren gesichert und kartiert werden. Erst dann können Baugruben für neue Geschäfts- und Wohnhäuser ausgehoben werden. Laut Bebauungsplan wird, um für sie Platz zu schaffen, der Straßenzug Mühlendamm, Spandauer Straße und Grunerstraße verschwenkt und zukünftig direkt vor dem Roten Rathaus auf der jetzigen Gustav-Böß-Straße vorbeigeführt werden. Geplant sind anstelle der dann schmaler gewordenen Autotrasse neue Gebäude auf den historischen Grundrissen.

Um den Berlinern und Besuchern der Hauptstadt zu zeigen, was hier einmal gestanden hat, plant das Landesdenkmalamt, in ausgewählten Bereichen "archäologische Fenster" anzulegen. Eine Auswahl der bei den Grabungen gefundenen Keramik- und Glasscherben, Metallgegenstände und anderen Objekte kann im Neuen Museum auf der Museumsinsel, in der Nikolaikirche sowie im Märkischen Museum betrachtet werden. Im Neuen Museum zeigt das Museum für Vor- und Frühgeschichte unter vielen anderen interessanten Fundstücken auch den bei der Öffnung eines verschütteten Gewölbes der Kirche des Dominikanerklosters zu Cölln an der Spree gemeinsam mit Särgen weiterer Familienmitglieder freigelegten Blei-Zinn-Sarkophag des 1652 verstorbenen Feldherrn, Diplomaten, Johanniterritters und Oberkammerherrn Konrad von Burgsdorff. Ungewöhnlich ist, dass man den Hofbeamten mit dem goldenen Johanniterkreuz bestattet hat, denn üblicherweise wurden Insignien toter Johanniter an neue Ritter vergeben. Nicht auffindbar waren Särge der brandenburgischen Kurfürsten Johann Cicero, Joachim I. und Joachim II. Schon in der Kaiserzeit hatte Wilhelm II. nach den sterblichen Überresten seiner Vorfahren suchen lassen. Andere sind in der Hohenzollerngruft des Berliner Doms bestattet (siehe Eintrag auf dieser Internetseite vom 13. Februar 2020).

Der Molkenmarkt gilt als ältester Marktplatz Berlins. Ziel der Ausgrabungen ist es, die Entwicklung dieser städtischen Keimzelle von der Gründung Berlins vor ca. 800 Jahren an zu ergründen. Weitere Grabungen bis hin zur Ruine der Klosterkirchen werden in den nächsten Jahren dazukommen. Die Untersuchungen werden insgesamt nicht weniger als ein Fünftel der mittelalterlichen Stadtfläche Berlins erfassen. Die Feldarbeiten dieses bislang größten stadtarchäologischen Projekts in Berlin dauern vermutlich bis 2023 an. In diesem und den kommenden Jahren bietet das Grabungsteam Molkenmarkt unter Leitung von Dr. Michael Malliaris regelmäßig kostenfreie Führungen über die Grabungsflächen an. Die Führungen finden jeden Freitag um 14 Uhr außer an Feiertagen und am 22. Mai 2020 statt. Sie beginnen an der Jüdenstraße am westlichen Nebeneingang des Alten Stadthauses und dauern etwa eine Stunde.

Denkmalbox für Lehrer und Schüler

Um nachwachsende Generation frühzeitig für das kulturelle Erbe zu begeistern, lädt das Landesdenkmalamt Berlin zur Teilnahme am Jugendprojekt "werkstatt denkmal" ein, das der Verein Denk mal an Berlin e.V. zusammen mit Berliner Regionalmuseen seit 2004 am Tag des offenen Denkmals durchführt. Dafür erhielt der Denkmalverein 2010 die den Berliner Denkmalpreis, die nach dem ersten preußischen Konservator benannte Ferdinand-von-Quast-Medaille. Die Denkmalpflege betonen, dass ihre Forschungen und praktischen Arbeiten einen idealen Unterrichtsstoff bieten. Von Geschichte bis Geographie, vom Kunstunterricht bis zum Wandertag könne die Beschäftigung mit Bau-, Kunst-, Boden- und Gartendenkmalen den Unterricht hervorragend bereichern. Da es bisher nicht gelungen ist, das Thema Denkmalpflege dauerhaft im Schulunterricht zu verankern, weil die Lehrpläne zu voll sind, bleibt es bei einzelnen Aktionen und Initiativen denkmalinteressierter Lehrkräfte.

Das Europäische Kulturerbejahr 2018 gab den Impuls, mit der Berliner Denkmalbox einen neuen Weg der Denkmalvermittlung zu beschreiten. Gemeinsam mit der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie des Landes Berlin wurde die so genannte Denkmalbox entwickelt, eine Sammlung von Unterrichtsmaterialien speziell für Lehrkräften und Schüler und Handreichungen zum Thema "Kulturelles Erbe" im Unterricht. Ziel ist es, Schülerinnen und Schüler für kulturelle Werte zu sensibilisieren und bei ihnen Interesse für das Kulturerbe zu entwickeln.

24. Februar 2020

Zurück zur Themenübersicht "Berlin, Potsdam, Land Brandenburg"