"Vater des Vaterlandes, fromm, erhaben, unbesiegt"
Repräsentative Gebäude, Kirchen, Synagogen und Museen prunken in Berlin mit vergoldeten Bauinschriften





Überall an der Barockfassade des Humboldt Forums ehren vom alten Stadtschloss übernommene lateinische Inschriften die Könige Friedrich I. und seinen Sohn, den Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I.



Preußens König Friedrich I. feierte sich über dem barocken Zeughaus Unter den Linden, verbunden mit einem vergoldeten Bildnismedaillon, als Bauherr und unbesiegbarer Vater des Vaterlandes.



Friedrich II. widmete das nach Plänen von Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff erbaute Opernhaus Apoll und den Musen. In DDR-Zeiten las man lange Zeit statt der vergoldeten Inschrift aus dem 18. Jahrhundert lediglich DEUTSCHE STAATSOPER. Die alte Widmung wurde noch in der Honecker-Ära wiederhergestellt.



Spottsüchtige Berliner wandelten die Inschrift "Nahrung des Geistes" an der Königlichen Bibliothek in "Sprit is ooch Nahrung" um.



Die Inschrift an der Hedwigskirche nennt das katholische Gotteshaus ein Denkmal der Gnade des Königs Friedrich II.



Eine lange Bauinschrift am Alten Museum nennt König Friedrich Wilhelm III. in lateinischer Sprache als Gründer des Museum "für das Studium der Antike in all ihren Formen und der schönen Künste." Zwar wird das Jahr 1828 angegeben, eröffnet wurde der nach Schinkels Plänen errichtete Säulenbau am 3. August 1830, dem 60. Geburtstag des Königs.



Der deutschen Kunst ist die mit Bildern und Skulpturen deutscher und ausländischer Künstler vor allem aus dem 19. Jahrhundert reich versehene Alte Nationalgalerie mit dem Reiterdenkmal König Friedrich Wilhelms IV. gewidmet.



Die hebräische Inschrift über dem Portal der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße(Berlin-Mitte)wird in der Lutherbibel von 2017 so übersetzt: "Tut auf die Tore, dass hineingehe das gerechte Volk, das den Glauben bewahrt!" und stammt aus Jesaia 26,2.



Das Motto DEM DEUTSCHEN VOLKE wurde in der Kaiserzeit kontrovers diskutiert und erst 1916 im Giebel des Reichstagsgebäudes angebracht. (Fotos: Caspar)

Wer das Humboldt Forum im Herzen Berlins umrundet, sieht an verschiedenen Stellen vergoldete Inschriften in lateinischer Sprache. Sie schmückten einst das Schloss der Hohenzollern und jetzt das Humboldt Forum, das 2020, wenn alles gut geht, als großes Museum und Begegnungsstätte für die Berliner und die Gäste der Stadt sowie als Erinnerungsstätte an jene Architekten und Bildhauer eröffnet werden soll, die seit dem späten Mittelalter den Bau zur Vollendung gebracht haben. Zwar gingen die Inschriften 1950/51 beim Abriss der kriegsbeschädigten Residenz der brandenburgischen Kurfürsten, preußischen Könige und deutschen Kaiser verloren. Aber der Wortlaut ist überliefert und kann in der einschlägigen Literatur nachgelesen werden. So in dem immer wieder neu aufgelegten Buch von Albert Geyer "Geschichte des Schlosses zu Berlin (1443-1918), Bd. 1: Die kurfürstliche Zeit bis zum Jahre 1698, Berlin 1936. Bd. 2: Vom Königsschloss zum Schloss des Kaisers." Als Andreas Schlüter im Jahre 1699 mit dem Umbau des kurfürstlichen Renaissance-Schlosses zu einer repräsentativen Königsresidenz begann, "ummantelte" er den alten Bau mit einer neuen Fassade nach Vorbild des Palazzo Madama von Paolo Marucelli in Rom. Die Seite zum Schlossplatz riss der geniale Bildhauer und Baumeister in der Mitte auf und setzte ein gewaltiges, dreiachsiges Säulenportal davor. Auf zwei mit Rustika versehene Sockelblöcke stellte er über 15 Meter hohe, kolossale Säulen mit Adlerkapitellen. Auf Höhe der Kapitelle liest man in der mittleren Achse die aus vergoldeten Bronzelettern bestehende Bauinschrift "REGIAE. QVAM. PR. O. M. FRIDERICUS. EL. ERIGI AC. SVBST. IVSS. NOV. FACIEM. IDEM. BORVS S. REX. DEO. AVSP. CORONAT. PERFECTAM. INVENIT." Übersetzt lautet die Widmung: "Die neue Erscheinung des Schlosses, das der treffliche große Herrscher Friedrich als Kurfürst zu erbauen und zu gründen befahl, fand derselbe zum König in Preußen mit Gottes Gnade gekrönt, vollendet." Auf einer Tafel am Portal I des 1950 gesprengten Stadtschlosses heißt es in der Übersetzung: "Friedrich, König in Preußen, Kurfürst von Brandenburg, der fromme Vater des Vaterlandes, erbaute nach Wiederherstellung der alten Herrschaft der Preußen das Königsschloss und erweiterte es, der Würde seiner Herrschaft gemäß, als der erhabene Erzeuger der edlen Künste und zum bleibenden Schmuck für seine Stadt und sein Jahrhundert" Diese und andere Schrifttafeln am Schloss wurden wiederhergestellt, ebenso das Schriftband, das mit vergoldeten Buchstaben auf blauem Grund den Kuppelturm über der Schlosskapelle umschließt und so lautet: "Es ist in keinem anderen Heil, es ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, denn der Name Jesu, zu Ehren des Vaters, dass im Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erden sind". Wappenschilder und Schwarzer Adler Weitere Gebäude von hohem Rang in Berlin und verschiedene Kirchen tragen Prunkinschriften, gelegentlich auch Wappenschilder mit Kurzepter und Schwarzem Adler sowie gekrönten Monogrammen als Hinweise auf die bis zur Novemberrevolution 1918 regierenden Hohenzollern. Sie ließen sich als Bauherren feiern, doch auch Entstehungszeit und Zweck der Gebäude wurden in vergoldeten Lettern kundgetan. Vorbilder stammen aus der Antike und der Renaissance, wo Inschriften an Triumphbögen und Tempeln beziehungsweise an Kirchen und Palästen auf geistliche und weltliche Potentaten hinweisen. Die Elogen feiern die Päpste, Kaiser, Könige und andere Herrscher als Beschützer des Glaubens, als Bezwinger ihrer Feinde, als Förderer der Künste und Wissenschaften und als Landesväter, denen das Wohl ihrer Untertanen über alles geht. Wegen der internationalen Verständlichkeit wurden die meisten Inschriften in der lateinischen Sprache abgefasst. Ähnlich verfuhr man bei Münzen und Medaillen, die erst im Verlauf des 18. Jahrhunderts die jeweilige Landesssprache verwenden. Berliner Bauinschriften stehen in dieser Tradition, und die längsten Texte schmückten das Stadtschloss, das gerade als Humboldt Forum seine Wiedergeburt erlebt und die außereuropäischen Museen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz sowie Sammlungen der Humboldt-Universität aufnehmen soll. Wie solche Inschriften ausgesehen haben und was sie verkündeten, kann man noch heute am Portal des als Deutsches Historisches Museum genutzten Zeughauses Unter den Linden sehen, wo über dem vergoldeten Brustbild des ersten preußischen König Friedrichs I. und Bauherrn des Waffenarsenals eine achtzeilige lateinische Inschrift prangt, die in deutscher Übersetzung verkündet: "Für die Gerechtigkeit durch Waffen, für die Abschreckung der Feinde, für den Schutz der eigenen Völker und der Verbündeten hat Friedrich I., König in Preußen, Vater des Vaterlandes, fromm, erhaben, unbesiegt, dieses Zeughaus, das mit aller Art Kriegsgerät sowie mit Kriegsbeute und Trophäen angefüllt ist, vom Fundament her erbauen lassen 1706". Nahrung des Geistes Auch Friedrich der Große, der Enkel des bauwütigen und prestigesüchtigen Monarchen, hat sich durch Inschriften verewigt. "FRIDERICUS REX APOLLINI ET MUSIS", übersetzt König Friedrich Apoll und den Musen, kann man an der Fassade der Staatsoper Unter den Linden lesen. Nach dem Zweiten Weltkrieg stand am wieder aufgebauten Opernhaus nur "DEUTSCHE STAATSOPER". Die Wiederherstellung der ursprünglichen Widmung in der späten DDR-Zeit hatte politische Gründe, denn unter Staats- und Parteichef Erich Honecker wurde um 1980 "Preußen" wieder hoffähig, was auch durch die Aufstellung des Friedrich-Denkmals Unter den Linden und die Wiederkehr der Inschrift unterstrichen wurde, die den König von Preußen als Förderer der Künste und Wissenschaft feiert. Der Wahlspruch "NUTRIMENTUM SPIRITUS" (Nahrung des Geistes) an der ebenfalls unter seiner Regentschaft erbauten Königlichen Bibliothek am heutigen Bebelplatz, wegen der geschwungenen Form Kommode genannt, ist gelegentlich von spottlustigen Berlinern zu "Sprit is ooch Nahrung" verballhornt worden. Für die Hedwigskirche neben der Staatsoper gab es ein berühmtes Vorbild. Der in der Architekturgeschichte gut bewanderte Friedrich II. hatte befohlen, das neue Gotteshaus seiner katholischen Untertanen "der berühmten Rotonda, oder dem Pantheon in Rom, ähnlich zu machen" und ihr die lateinischen Bauinschrift "FEDERICO REGIS CLEMENTIAE MONUMENTUM S HEDWIGI S A. M. QUIRINUS S. R. E. CARDINALIS SUO AERE PERFECIT" (Dieses Denkmal der Gnade König Friedrichs, der Heiligen Hedwig geweiht, hat Angelo Maria Quirini, Kardinal der Heiligen Römischen Kirche, auf eigene Kosten vollendet) zu geben. Tiefe Ehrerbietung vor den als Bauherrn tätigen Monarchen lässt sich auf verschiedenen Berliner Bauinschriften ablesen. Die Inschrift "Humboldt Universität" am Giebel des ehemaligen Prinz-Heinrich-Palais Unter den Linden 8 stammt aus der Zeit nach 1945. Ursprünglich wurden hier König Friedrich Wilhelm III. als Stifter und dazu das Jahr 1809 genannt, obwohl der Universitätsbetrieb erst 1810 aufgenommen wurde. Die lateinische Widmung an Schinkels Altem Museum lautet übersetzt: "Friedrich Wilhelm III. gründete das Museum für das Studium der Antike in all ihren Formen und der schönen Künste 1828" und ist ebenfalls nicht korrekt. Die römischen Zahlenbuchstaben bezeichnen nur einen Zwischenzustand, denn der Säulenbau wurde erst am 3. August 1830 eröffnet, dem 60. Geburtstag des Königs. Verloren ist die Inschrift am Schauspielhaus auf dem Gendarmenmarkt, die Friedrich Wilhelm III. als einen Monarchen lobt, der "das durch den Brand zerstörte Theater nebst seinem Konzertsaal zu würdiger Gestalt 1821 neu erstehen" ließ. Über der Säulenhalle liest man heute lapidar noch in vergoldeten Buchstaben "KONZERTHAUS BERLIN". Nur der Unwissende hasst die Kunst Auch der Romantiker auf dem Thron genannte König Friedrich Wilhelm IV. ist auf verschiedenen Bauinschriften vertreten. Das Neue Museum auf der Museumsinsel verkündet an der Seite zum Kupfergraben in der Übersetzung "Nur der Unwissende hasst die Kunst", während man an der Seite zur Nationalgalerie "Das vom seligsten Vater gegründete Museum hat der Sohn erweitert 1855" liest. Friedrich Wilhelm IV. reitet schräg gegenüber, in Bronze gegossen, auf der Freitreppe der Alten Nationalgalerie. Deren Inschrift "DER DEUTSCHEN KUNST MDCCCLXXI" führt den Besucher in die Irre, denn in dem Kunsttempel sind zahlreiche Bilder und Skulpturen des 19. Jahrhunderts versammelt, die jenseits der Grenzen des neuen Deutschen Reichs wurden. Außerdem wurde der Bildertempel erst 1876 eingeweiht und nicht schon im Jahr der Reichseinigung 1871. In der Tradition barocker Bauinschriften ist an der Westfront der Französischen Kirche, auch Dom genannt, auf dem Gendarmenmarkt eine der wenigen in Deutsch abgefassten Bauinschriften angebracht: "GOTT ZUR EHRE DER GEMEINDE ZUM SEGEN UNTER DEM SCHUTZ DER HOHENZOLLERN ERBAUT 1705 ERNEUT (sic) 1905." Deutsch ist auch die Inschrift am Amtsgericht in Lichterfelde "ERBAUT UNTER DER REGIERUNG WILHEMS II. DEUTSCHEN KAISERS UND KÖNIGS VON PREUSSEN VOLLENDET IM JAHRE 1905", und am Rathaus Spandau liest man "ERBAUT UNTER DER REGIERUNG KAISER WILHELMS II. VON DER BÜRGERSCHAFT IN DEN JAHREN MCMX - MCMXIII" (1910-1913). Die lateinische Widmung an der Hochschule der Künste in der Hardenbergstraße bedeutet übersetzt "Zur Erziehung der Jugend für die Künste", während die lateinische Inschrift am Theater des Westens in der Kantstraße ausnahmsweise einen Architekten nennt, wenn sie in der Übersetzung verkündet "Dieses Haus gründete für die Pflege der Kunst im Jahr 1896 Bernhard Sehring". Tut auf die Pforten Mit einigem Spürsinn wird man im Berliner Stadtbild weitere Widmungen dieser Art finden. Dazu gehört die Textzeile in hebräischen Lettern aus Jesaia 26,2 an der Fassade der vor 150 Jahren eröffneten Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße, die sich mit "Tut auf die Tore, dass hineingehe das gerechte Volk, das den Glauben bewahrt!" übersetzen lässt. An der Parochialkirche in der Klosterstraße, die vor einiger Zeit ihren Glockenturm mit regelmäßig erklingendem Glockenspiel zurückerhalten hat, ist diese auf die Bauzeit 1695 bis 1725 weisende Inschrift zu lesen: "FUNDAT. Ao. O. R. MDCXCV.DXV. AUG. PERFECT. MDCCV." Die Schlosskirche im Ortsteil Buch, der seit Jahrzehnten der Turm fehlt, erwähnt mit dem Spruch in großen und kleinen Buchstaben "SIT NOMEN DOMINI BENEDICTUM Anno 1731 inchoatum Anno 1736 Consumatum et inauguratum Anno 1891 restauratum" mit den Jahreszahlen 1731 die Erbauungszeit sowie 1891 das Jahr einer Restaurierungsmaßnahme. Bei der ehemaligen Singakademie, dem heutigen Maxim Gorki Theater, muss man genau hinschauen, um eine recht ungewöhnliche Widmung zu finden. Zwischen den Pilastern sind sechs vergoldete Buchstaben versteckt. Sie ergeben den Namen des berühmten Singakademie-Direktors Carl Friedrich Zelter. Das Bode Museum auf der Museumsinsel hatte ursprünglich die Inschrift "KAISER FRIEDRICH MUSEUM" sowie an der Seite zur S-Bahn hin "BEGONNEN MDCCCIIC VOLLENDET MCCCCIV" (1898 - 1904), verbunden mit einem Bildnismedaillon des 1888 nach nur 99 Regierungstagen verstorbenen Kaisers Friedrich III. Über dem Portal der Sophienkirche an der Sophienstraße ist "Wie lieblich sind Deine Wohnungen Herr Zebaoth! Höre des Herrn Wort" zu lesen, und im Giebel an einem Gebäude in der Jebenstraße am Bahnhof Zoo steht in sieben Zeilen "UNTER DER REGIERUNG WILHELMS II. DEUTSCHEN KAISERS UND KOENIGS VON PREUSSEN ERB. V. D. KAMERADSCHAFTL. VEREINIGUNG D. OFFIZ. D. LANDWEHR INSP. BERLIN MDMIX" (1909). Die Frage, ob es noch zeitgemäß ist, öffentliche Gebäude überhaupt mit Inschriften zu versehen, stand Ende des 19. Jahrhunderts auf der Tagesordnung. Anlass war ein Streit um die Widmung für das neu erbaute Reichstagsgebäude. Als Wilhelm II. 1894 den Schlussstein legte, fehlte dem Haus das Motto über dem Portal. Der Kaiser konnte als Stifter nicht genannt werden, denn Bauherrin war der Deutsche Reichstag, die oberste Volksvertretung des Landes. Lange konnte der Monarch lange die mehrheitlich gewünschte Inschrift "DEM DEUTSCHEN VOLKE" verhindern. "Unliebsame Erörterungen" in Kauf nehmend, wie es an seinem Hofe hieß, schlug der Monarch die Formulierung "Der Deutschen Einigkeit" vor. Diesem Motto hielten Kritiker mehr oder weniger witzige Varianten wie "Dem deutschen Heere" entgegen, weil bei der Eröffnung fast nur Uniformen und Orden zu sehen waren. Der Historiker Heinrich von Sybel war überzeugt, es bedürfe keiner besonderen Angabe, weil man sehe, dass im Reichstagsgebäude "kein Confectionslager existirt". Das Thema kam im Ersten Weltkrieg erneut hoch, und jetzt zeigte sich das um Volksnähe bemühte Reichsoberhaupt geneigt, die seinerzeit von ihm abgelehnte Inschrift zu genehmigen. Doch keine Entscheidung ohne das Votum von Bedenkenträgern, und so verlagerte sich der neuerliche Streit auf die Frage, welche Schriftart zu verwenden sei - römische Antiqua, die man so häufig in der Stadt sieht, oder deutsche Fraktur. Angebracht wurde 1916 eine "jugendstilige" Schrift, die von Peter Behrens entworfen wurde. Generös stiftete Kaiser Wilhelm II. das Metall eroberter Kanonen aus den Befreiungskriegen für den Guss der Buchstaben.

7. Januar 2020 Zurück zur Themenübersicht "Berlin, Potsdam, Land Brandenburg"